JudikaturJustiz10Os171/82

10Os171/82 – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Dezember 1982

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Dezember 1982 durch den zehnten Senat unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini sowie in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter unter Beiziehung des Richteramtsanwärters Dr. Mekis als Schriftführer in der Strafsache gegen Hubert Karl A wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach § 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 und 3 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 10. August 1982, GZ 26 Vr 383/82- 58, nach öffentlicher Verhandlung - Vortrag des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Anhörung der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Philp, und des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Presslauer, sowie des Schlußwortes des zum Gerichtstag aus der Untersuchungshaft vorgeführten Angeklagten - zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch laut Punkt III. 2. des Urteilssatzes und im Strafausspruch (unbeschadet des Ausspruchs nach § 38 StGB) aufgehoben sowie (unter Ausschaltung des bezeichneten Schuldspruchs) gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Hubert Karl A wird für die ihm nach dem aufrecht gebliebenen Teil des Schuldspruchs weiterhin zur Last fallenden strafbaren Handlungen, und zwar das Verbrechen der schweren Nötigung nach § 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1

und 3 StGB (Faktum IV.) sowie die Vergehen der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4 StGB (Faktum I. 1.), der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (Fakten I. 2.-6.), des Betruges nach § 146 StGB (Faktum II.), der entgeltlichen Förderung fremder Unzucht nach § 214 StGB (Faktum III. 1.), der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1

StGB (Faktum V.), der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (Faktum VI.), des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 StGB (Faktum VII.) und des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 15, 269 Abs. 1 (erster Fall) StGB (Faktum VIII.), gemäß § 28, 106 Abs. 1 StGB zu 2 (zwei) Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung verwiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hubert Karl A (IV.) des Verbrechens der (mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit dem Tod begangenen) schweren Nötigung (der Ingrid B zur häufigeren Ausübung der Prostitution) nach § 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 und 3 StGB sowie der Vergehen (I. 1.) der (einem Gendarmeriebeamten während einer Amtshandlung zugefügten und darum) schweren Körperverletzung nach § 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4 StGB, (I. 2. bis 6.) der (in weiteren 5 Fällen verübten) Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, (II.) des (in 3 Fällen mit insgesamt rund 800 S Schaden begangenen) Betruges nach § 146 StGB, (III.) der entgeltlichen Förderung fremder Unzucht (in 2 Fällen) nach § 214 StGB, (V.) der (in 2 Fällen geäußerten) gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB, (VI.) der (in zwei Fällen verübten) Sachbeschädigung (mit zusammen rund 2.300 S Schaden) nach § 125 StGB, (VII.) des Diebstahls (von nicht mehr als 5.000 S Bargeld) nach § 127 Abs. 1 StGB und (VIII.) des (bei seiner Festnahme) versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 15, 269 Abs. 1 (erster Fall) StGB schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs. 1 Z 5 StPO gestützten, nur gegen die Schuldsprüche zu den Fakten I. 1. bis 6., II. 2., III.

2. und IV. gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt teilweise Berechtigung zu.

Die vom Beschwerdeführer der Sache nach reklamierten Feststellungsmängel (Z 9 lit a) zu den Körperverletzungs-Delikten (Faktum I.) liegen nicht vor. Denn die vom Erstgericht als erwiesen angenommenen Tatfolgen, und zwar (ausgenommen zum Faktum I. 5. durchwegs ärztlich attestierte) Prellungen sowie Kontusionen (I. 1., 4. bis 6.), eine blutende äußere Verletzung (I. 2.) und eine (5 cm lange) Blutunterlaufung (I. 3.), entsprechen durchwegs den begrifflichen Voraussetzungen einer Körperverletzung im Sinn des § 83 Abs. 1 StGB, also einer nicht ganz unerheblichen, (obgleich allenfalls nur für den untersuchenden Arzt erkennbar) objektivierten Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit, ohne daß es für diese Beurteilung - zumal im Hinblick auf die in allen Fällen außer zum Faktum I. 6. geständige Verantwortung des Angeklagten - näherer Konstatierungen bedurft hätte.

Nicht gesetzmäßig ausgeführt aber ist die Beschwerde zum Betrugs-Faktum II. 2. mit dem unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe erhobenen Einwand (Z 5), das Schöffengericht habe sich bei der Annahme, daß der Beschwerdeführer seine Zahlungsfähigkeit nur vorgetäuscht habe, ungeachtet der Feststellung, daß er (ohnedies) 170 S Bargeld bei sich gehabt habe, nicht mit der (Beweislage über die) Höhe seiner Zechschuld auseinandergesetzt:

wird doch letztere - ganz abgesehen davon, daß ihm primär schon das Vorspiegeln seiner Zahlungswilligkeit als schadenskausale Täuschung zur Last liegt (S 324, 317) - jedenfalls im Urteilstenor ohnehin ausdrücklich mit 380 S beziffert.

Nicht stichhältig schließlich ist jener (ersichtlich) gegen den Schuldspruch wegen schwerer Nötigung (Faktum IV.) gerichtete Beschwerdevorwurf, mit dem der Angeklagte (sinngemäß) die Feststellung, daß Ingrid B seine Drohungen mit dem Tod ernst nahm - und sich nur darum (sowie unter der Einwirkung seiner Gewalttätigkeit) öfters, als sie es sonst getan hätte, prostituierte - (S 325), als (sachlich) nur offenbar unzureichend begründet (Z 5) rügt, weil sie mit der Aussage der Genannten 'nicht übereinstimme'. In Wahrheit findet nämlich die angefochtene Konstatierung in den Angaben dieser Zeugin (S 121-124, 225 f., 312) vollauf Deckung; ihre Bekundung, daß der Beschwerdeführer sie nur dann auf die beschriebene Weise zur häufigeren Ausübung der Prostitution genötigt habe, wenn er betrunken gewesen sei, wogegen sie sonst mit ihm recht gut ausgekommen sei, steht der bekämpften Annahme, daß sie seine im Zustand der Alkoholisierung gegen sie geäußerten Todesdrohungen (auf Grund seiner wiederholten und zum Teil schweren Gewaltausübung an ihr in jener Verfassung) tatsächlich ernst genommen hat, in keiner Weise entgegen.

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde demnach zu verwerfen.

Mit Recht jedoch remonstriert der Angeklagte (inhaltlich Z 10) gegen seine Verurteilung wegen entgeltlicher Förderung fremder Unzucht in bezug auf Ingrid B (Faktum III. 2.).

Das Vergehen nach § 214 StGB begeht, wer eine Person der Unzucht mit einer anderen Person zuführt, um sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Anders als die das Zuführen einer Person zur 'gewerbsmäßigen Unzucht' schlechthin, also ein Umwandeln der gesamten Lebensführung des Tatopfers in die einer Prostituierten (vgl EvBl 1977/198 ua), pönalisierende Strafbestimmung des § 215 StGB erfaßt somit jene des § 214 (gleichwie zum Teil auch die des § 213) StGB das Zuführen des Opfers zur Unzucht 'mit einer anderen Person', sohin das konkrete Bewirken einer persönlichen Annäherung (mindestens) zweier Menschen zu einzelnen Unzuchtsakten (vgl SSt 48/ 15; Leukauf-Steininger, StGB2, RN 3 zu § 214 iVm jeweils RN 5 zu § 213, 215 sowie RN 7 zu § 215; Pallin im WK, jeweils RN 3 zu § 214, 215).

Nach den hier maßgebenden Urteilsfeststellungen hat aber der Beschwerdeführer Ingrid B ohne Bezug zu einem konkreten Geschehen (bloß) ganz allgemein zur häufigeren Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht genötigt; damit hat er - zwar, wie in der Beurteilung der Tat als qualifizierte Nötigung im Sinn des § 106 Abs. 1 Z 3 StGB zum Ausdruck kommt, massiv in ihre Lebensführung eingegriffen, jedoch - kein Verhalten gesetzt, welches als Herbeiführung einer auf Unzucht abgestellten Begegnung zweier individuell bestimmter Personen und demzufolge als entgeltliche Förderung fremder Unzucht nach § 214 StGB angesehen werden könnte.

Insoweit war daher der Nichtigkeitsbeschwerde stattzugeben und der rechtlich verfehlte (zusätzliche) Schuldspruch wegen des (nach der Ansicht des Schöffengerichts mit dem Ver.

brechen der schweren Nötigung eintätig zusammentreffenden) Vergehens nach § 214 StGB aus dem angefochtenen Urteil auszuschalten. Bei der hiedurch erforderlich gewordenen Strafneubemessung wurden die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten wegen Delikten gegen Leib und Leben, gegen fremdes Vermögen sowie gegen die Staatsgewalt, sein rascher Rückfall, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit acht Vergehen, die (zum Teil mehrfache) Wiederholung der Körperverletzung, der gefährlichen Drohung, des Betruges und der Sachbeschädigung sowie die zweifache Qualifikation der Nötigung zum Verbrechen als erschwerend, sein weitgehendes Teilgeständnis, seine eigene Verletzung bei einem Körperverletzungs-Faktum und der Umstand, daß sein Widerstand gegen die Staatsgewalt beim Versuch geblieben ist, hingegen als mildernd gewertet.

Mit Rücksicht auf diese (im wesentlichen schon der erstinstanzlichen Entscheidung zugrunde gelegenen) Strafzumessungsgründe erschien die im Spruch bezeichnete - im Vergleich zu der vom Schöffengericht angeordneten trotz der Ausschaltung eines Schuldspruchs etwas erhöhte - Dauer der gemäß § 106 Abs. 1 StGB über den Angeklagten zu verhängenden Freiheitsstrafe, insbesondere unter Bedacht auf die Faktenvielzahl und auf das deutliche überwiegen der Erschwerungsumstände, nach seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) als angemessen.

Der Angeklagte, der eine Herabsetzung des Strafmaßes anstrebte, und die Staatsanwaltschaft, die dessen Erhöhung begehrte, waren mit ihren (nur gegen die in erster Instanz vorgenommene Würdigung der zuvor angeführten Erwägungen gerichteten) Berufungen auf diese Entscheidung zu verweisen.