JudikaturJustiz10ObS21/01p

10ObS21/01p – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Februar 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Elmar A. Peterlunger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Heinz Nagelreiter (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Stefanie R*****, Hausfrau, ***** vertreten durch Dr. Barbara Jantscher, Rechtsanwältin in Feldbach, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter Straße 65, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Hinterbliebenenleistungen (Teilersatz der Bestattungskosten und Witwenrente), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Oktober 2000, GZ 8 Rs 170/00g-58, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. Mai 2000, GZ 30 Cgs 203/97w-51, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes richtet, zurückgewiesen.

Im Übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht wies das auf Gewährung eines Teilersatzes der Bestattungskosten und einer Witwenrente im gesetzlichen Ausmaß nach ihrem am 30. 12. 1996 verstorbenen Ehemann gerichtete Klagebegehren der Klägerin mit der Begründung ab, der Tod des Versicherten sei nicht durch eine Berufskrankheit veruracht worden. Nach den Feststellungen sei der am 30. 12. 1996 an einem Bronchuskarzinom (Plattenepithelkarzinom = klassisches Raucherkarzinom) verstorbene Ehemann der Klägerin im Rahmen einer Beschäftigung bis zum Jahr 1960 für ca acht Jahre einer Exposition gegenüber Trichloräthylen ausgesetzt gewesen. Aufgrund von Problemen mit den Bronchien habe der Ehemann der Klägerin im Jahr 1960 seine Arbeitsstelle gewechselt und sei in der Folge als Kraftfahrer und Kranfahrer ohne weiteren Kontakt mit Trichloräthylen beschäftigt gewesen. Trichloräthylen bzw Benzole und halogenierte Kohlenwasserstoffe bildeten bei Ratten und Mäusen ein potentielles Karzinogen; bei Menschen seien vermehrt Krebserkrankungen im Bereich der Organe Leber, Niere und Blut festgestellt worden, ebenso auch Nervenerkrankungen. Im Bereich der Lunge seien nur Einzelfälle an Lungenkrebs beschrieben worden, ohne Zusammenhang mit der Exposition durch halogenierte Kohlenwasserstoffe. Trichloräthylen könne daher beim Menschen nicht als potentielles Karzinogen für die Lunge angesehen werden. Der Tod des Ehemannes der Klägerin sei daher nicht Folge eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge. Es verneinte die geltend gemachten Verfahrensmängel und übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Da die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhanges des beim Ehemann der Klägerin aufgetretenen Lungenkarzinoms mit einer mehr als 30 Jahre zurückliegenden berufsbedingten Trichloräthylenexposition nicht nachgewiesen worden sei, habe das Erstgericht das Begehren zu Recht nicht für berechtigt erkannt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Weiters bekämpft die Revisionswerberin die Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes mit der Begründung, dass die Voraussetzungen für einen Kostenzuspruch aus Billigkeit nach § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG gegeben seien.

Die beklagte Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig, soweit damit die Entscheidung des Berufungsgerichtes über den Kostenpunkt bekämpft wird. Nach ständiger Rechtsprechung kann nämlich die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz über den Kostenpunkt weder im Rahmen der Revision noch mit Rekurs bekämpft werden; dies gilt auch in Sozialrechtssachen (SSV-NF 12/22 mwN ua). Die unzulässige Revision im Kostenpunkt ist daher zurückzuweisen.

Im Übrigen ist die Revision nicht berechtigt.

Ebenso wie in ihrer Berufung macht die Klägerin auch in der Revision Mängel des Verfahrens erster Instanz geltend und rügt, dass die Ausführungen der bestellten medizinischen Sachverständigen widersprüchlich und unschlüssig seien und daher keine geeignete Beweisgrundlage darstellten. Es hätte daher ein weiteres Sachverständigengutachten unter Berücksichtigung der Fachgebiete Arbeitsmedizin, Chemie und Toxikologie eingeholt werden müssen. Weiters bekämpft die Revisionswerberin ausdrücklich die Richtigkeit der von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen, wonach Trichloräthylen beim Menschen nicht als potentielles Karzinogen für die Lunge angesehen werden könne.

Die gerügte Mangelhaftigkeit liegt nicht vor. Angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, deren Vorliegen das Berufungsgericht verneint hat, können im Revisionsverfahren nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden; dies gilt auch in Sozialrechtssachen (SSV-NF 7/74 mwN). Die Feststellung oder Nichtfeststellung von bestimmten Tatsachen resultiert aus der freien Beweiswürdigung der Vorinstanzen, die vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden kann. Die Frage, ob die Todesursache auf eine berufliche Schädigung des Verstorbenen zurückzuführen ist, betrifft als Frage der natürlichen (medizinischen) Kausalität den Tatsachenbereich; insoweit ist der Oberste Gerichtshof an die Feststellungen der Tatsacheninstanzen gebunden. Das Berufungsgericht hat sich mit der diesbezüglichen Mängel- und Beweisrüge der Klägerin auseinandergesetzt, sodass auch insoweit kein Mangel des Berufungsverfahrens gegeben ist. Auch die Frage, ob die Vorinstanzen verpflichtet gewesen wären, weitere Beweise aufzunehmen, betrifft die Beweiswürdigung und ist gleichfalls vom Revisionsgericht nicht zu untersuchen. Die Revisionsausführungen, mit denen dargetan werden soll, dass die Klägerin entgegen der Annahme der Tatsacheninstanzen bewiesen habe, der Tod ihres Ehemannes sei eine Folge seiner beruflichen Schädigung, stellen daher den unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der Beweiswürdigung dar.

Auch im Verfahren vor dem Sozialgericht gelten die Regeln der objektiven Beweislast. Ein Anspruch kann nur bejaht werden, wenn die anspruchsbegründenden Tatsachen erwiesen sind. Um Härten eines unzumutbaren Beweisnotstandes für den Versicherten zu vermeiden, genügt es bei Ansprüchen aus Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, dass die Krankheit (der Tod) typischerweise eine Folge der konkreten Berufsausübung sein kann (Anscheinsbeweis). Diesen Beweis haben jedoch die Tatsacheninstanzen als nicht erbracht angesehen und damit eine vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüfbare Beweiswürdigung vorgenommen (SSV-NF 9/23; 4/150 ua).

Der Revision musste daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenersatzanspruch aus Billigkeit rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Bei der Frage, ob ein Kostenersatzanspruch aus Billigkeit besteht, sind nach der zitierten Gesetzesstelle nicht nur die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Versicherten, sondern auch die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten zu beachten. Tatsächliche Schwierigkeiten scheiden im Revisionsverfahren schon deshalb aus, weil, wie bereits dargelegt, der Tatsachenbereich in diesem Verfahrensstadium nicht überprüft werden kann. Rechtliche Schwierigkeiten liegen aber hier nicht vor. Alle von der Revision ins Treffen geführten Argumente wurden von der bisherigen Judikatur bereits wiederholt behandelt und entschieden. Ein Kostenersatz aus Billigkeit hat daher nicht stattzufinden.

Rechtssätze
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