JudikaturJustiz10Ob268/99f

10Ob268/99f – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Januar 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr, Dr. Steinbauer, Dr. Hopf und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Siegfried G*****, Geschäftsmann, *****, vertreten durch Dr. Werner Masser und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Rudolf G*****, Kaufmann, *****, vertreten durch Dr. Peter Fichtenbauer und Dr. Klaus Krebs, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1,462.980,-- sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 15. April 1999, GZ 4 R 217/98d-40, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Landesgerichtes Linz vom 2. September 1998, GZ 5 Cg 209/95w-33, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger und der Beklagte waren Geschäftsführer der insolventen A***** GmbH. Im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit wurden sie wegen fahrlässiger Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 StGB rechtskräftig verurteilt.

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Zahlung von S 1,462.979,65 sA mit der Behauptung, er sei seiner Haftung als Geschäftsführer durch Abdeckung der den Gläubigern entstandenen Ausfälle weitgehend nachgekommen; der Beklagte hingegen weigere sich, seinen Beitrag zur Erfüllung der Forderungen der Gläubiger der GmbH zu leisten.

Der Beklagte beantragte die Abweisung dieses Begehrens; er habe keinerlei operative Tätigkeiten im Geschäft der GmbH entfaltet.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Beide Streitteile seien wegen fahrlässigen Verhaltens gemeinsam für die Insolvenz der GmbH verantwortlich. Mangels Bestimmbarkeit der Anteile sei der Beklagte nach § 896 ABGB zum Ersatz der Hälfte der Verbindlichkeiten verpflichtet. Der Regressanspruch entstehe allerdings erst mit der - nach den bisherigen Verfahrensergebnissen noch nicht feststellbaren - tatsächlichen Zahlung der Verbindlichkeiten durch den Kläger.

Das Berufungsgericht änderte dieses Zwischenurteil infolge der Berufung des Beklagten dahin ab, dass es mit Endurteil das gesamte Zahlungsbegehren abwies. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Ohne auf den auch geltend gemachten Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung auf Grund unrichtiger Beweiswürdigung einzugehen, verneinte das Berufungsgericht in Stattgebung der Rechtsrüge die Berechtigung des Klagebegehrens mangels Schlüssigkeit bereits dem Grunde nach und führte aus:

Solange der Kläger nicht einmal behaupte, eine bestimmte Zahlung an die Gläubiger tatsächlich geleistet zu haben, sei ein Regressanspruch nach § 896 ABGB schon dem Grunde nach zu verneinen. Das Regressrecht eines von mehreren Solidarschuldnern setze im Innenverhältnis tatsächliche Zahlung voraus. Da der Kläger den Beklagten mit einer Haftungsquote im Innenverhältnis von 50 % in Anspruch nehme, müsste er vorerst mehr als 50 % der gemeinsamen Schulden an die Gläubiger gezahlt haben, vorher könne er nicht Rückgriff nehmen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils, hilfsweise Aufhebung und Zurückverweisung.

Der Beklagte erstattete eine ihm freigestellte Revisionsbeantwortung und beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes aus den nachfolgenden Gründen zulässig und auch im Sinne ihres Aufhebungsantrages berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren lediglich deshalb abgewiesen, weil es entgegen der Ansicht des Erstgerichtes - und ohne dass der Beklagte dies in seiner Berufung gerügt hatte - die Behauptungen des Klägers zu seinem Regressanspruch nach § 896 ABGB für unvollständig und daher sein Begehren für unschlüssig hielt. Es hat sich dabei also nur auf das Prozessvorbringen des Klägers gestützt, weshalb ein Verstoß gegen § 473a ZPO und damit eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht vorliegen: Die zitierte Bestimmung setzt voraus, dass sich die abändernde Entscheidung des Berufungsgerichtes auf "Feststellungen des Erstgerichtes" gründet, was eben hier nicht der Fall ist. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob und inwieweit sich aus den vom Kläger vorgelegten Urkunden Zahlungen der gemeinsamen Schuld ergeben. Das Erstgericht meinte, auf Grund der bisherigen Beweisergebnisse nicht feststellen zu können, welche Zahlungen in welcher Höhe vom Kläger tatsächlich geleistet worden seien. Es wollte diese Feststellungen seinem Endurteil vorbehalten. Das Berufungsgericht hatte also entgegen der Auffassung des Revisionswerbers keine Veranlassung, nach § 473a ZPO vorzugehen.

Nicht geteilt werden kann aber die Ansicht des Berufungsgerichtes, das gesamte Klagebegehren sei sogleich mangels Schlüssigkeit abzuweisen. Die auf Seite 4 des angefochtenen Urteils dargestellte Rechtslage zum Regress nach § 896 ZPO ist zwar zutreffend und entspricht der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs (vgl überdies ecolex 1996, 668) und der einhelligen Lehre (so schon Gschnitzer in Klang IV/1, 313). Es ist auch richtig, dass dann, wenn der gesamte vom Kläger erhobene Anspruch schon dem Grunde nach zu verneinen ist, kein (stattgebendes) Zwischenurteil gefällt werden kann, sondern das Begehren mit Endurteil abzuweisen ist.

Prüft man nun das Klagevorbringen nach Kriterien der Schlüssigkeit, so ist die Behauptung, der Kläger habe bestimmte Zahlungen "geleistet bzw die Forderungen der Gläubiger in seine Zahlungspflicht übernommen", allerdings unklar, weil es materiellrechtlich nur darauf ankommt, welche Schulden er "abgetragen", also getilgt hat. Schon im Aufhebungsbeschluss des ersten Rechtsganges (4 R 231/97m) hat das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger seine Behauptungen zu präzisieren haben werde; dass das Erstgericht ihn dazu im fortgesetzten Verfahren aufgefordert hätte, ist freilich dem Verhandlungsprotokoll nicht zu entnehmen.

Dieses Problem braucht vorerst aber nicht weiter verfolgt zu werden, weil das Klagevorbringen in einem Punkt jedenfalls schlüssig ist:

Danach sei die Forderung der OÖ Sparkasse weitgehend zu gleichen Teilen getilgt worden, doch bestehe hier ein Überhang zu Gunsten des Klägers von S 60.245,--. Dieses Vorbringen kann nur bedeuten, dass der Kläger diesem Gläubiger mehr als die Hälfte der gemeinsamen Schuld bezahlt habe und im Innenverhältnis den die Hälfte übersteigenden Teil im Regressweg fordere. Hat also der Kläger insoweit schlüssig einen Regressanspruch dem Grunde nach dargetan, besteht kein Anlass, das Zwischenurteil mangels Schlüssigkeit sogleich in ein abweisendes Endurteil abzuändern. Die vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung 8 Ob 321/98h betraf einen anderen Sachverhalt und ein anderes Rechtsgebiet, nämlich den Schadensbegriff der CMR; die Klage wurde deshalb abgewiesen, weil der dortige Kläger anstatt des nach der CMR zu ersetzenden Wertes des Gutes am Ort und zur Zeit der Übernahme den nicht ersatzfähigen Wiederbeschaffungswert und damit "etwas grundsätzlich anderes" (also ein Aliud) begehrt hatte. Die dort getroffenen Aussagen können daher auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden: Hier betrifft die Frage, welche weiteren, die Hälfte der gemeinsamen Schulden übersteigenden Zahlungen der Kläger an die anderen Gläubiger geleistet hat, vielmehr eine Frage nach der Höhe des Regressanspruchs; darüber brauchte in dem Zwischenurteil nicht abgesprochen zu werden.

Ausgehend von seiner nicht zutreffenden Rechtsansicht hat das Berufungsgericht die Beweis- und Tatsachenrüge nicht erledigt, weshalb der Oberste Gerichtshof mangels Sachverhaltsgrundlage auch zu den in der Berufung aufgezeigten Rechtsfragen nicht Stellung zu nehmen, sondern die Sache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung zurück zu verweisen hat.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.