JudikaturJustiz10Ob10/24d

10Ob10/24d – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. April 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer, Mag. Schober, Dr. Annerl und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*, vertreten durch Goldsteiner Rechtsanwalt GmbH in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei S* vertreten durch Dr. Michael Tröthandl, Mag. Christine Juritsch, Rechtsanwälte in Baden, wegen 1.) 4.355 EUR sA und 2.) Feststellung (Streitwert: 5.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 5. Februar 2024, GZ 18 R 208/23a 22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Neunkirchen vom 18. Oktober 2023, GZ 18 C 320/23m 17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 997,63 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 166,27 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin ist Hundetrainerin. Die Beklagte wandte sich, weil ihr Berner Sennenhund ua einmal nach ihrer Tochter schnappte, an die Klägerin, um den Hund zu erziehen.

[2] Am Ende eines ersten Termins im Haus der Beklagten wies die Klägerin auf die auf der Rückseite des Vordrucks befindlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) hin, insbesondere, dass im Falle einer kurzfristigen Absage ein Termin in Rechnung gestellt werde. Sie füllte die Rechnung aus, während die Beklagte den Vordruck unterschrieb. Die Beklagte las sich die auf der Rückseite des Vordrucks befindlichen AGB weder vor noch nach dem Unterfertigen durch. Die AGB lauten auszugsweise:

„III. Haftung

(1) Der Halter des Tieres haftet für alle von ihm und/oder von dem Tier verursachten Schäden. …

(2) Der Teilnehmer haftet für alle von sich, seinem Hund sowie von Begleitpersonen verursachten Schäden, auch wenn er auf Veranlassung des Trainers handelt. …“

[3] Ab dem dritten Trainingstermin trug der Hund keinen Maulkorb mehr, weil sich sein Verhalten positiv verändert hatte. Am 7. 2. 2023 erlitt die Klägerin bei einem Training durch einen Biss des Hundes der Beklagten eine Verletzung an der linken Hand. Der Hund verhielt sich bei diesem Training 45 Minuten lang vorbildlich, sodass die Klägerin noch eine weitere Übung – „Gehen bei Fuß“ – begann. Im Außenbereich legte die Beklagte dem Hund über Aufforderung der Klägerin einen Maulkorb an. Die Klägerin kontrollierte den Sitz des Maulkorbs nicht, obwohl ihr das zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen wäre. Anschließend begann die Beklagte mit dem Hund nach den Anweisungen der Klägerin eine Übung. Da ihr diese nicht gelang, übernahm die Klägerin die Führung des Hundes und zeigte die Übung vor. Dabei drehte die Klägerin ihren Körper in Richtung des Hundes, um diesen dazu zu veranlassen zurückzuweichen. Dies funktionierte zunächst auch, allerdings blieb der Hund beim zweiten Versuch stehen, weshalb die Klägerin ihn mit dem Knie nach hinten stieß. Daraufhin knurrte der Hund die Klägerin an. Die Klägerin zog den Hund an Leine und Halsband so weit hoch, dass dessen Vorderpfoten in der Luft waren, schrie den Hund an und drängte ihn weiter zurück. Dergestalt provoziert sprang der Hund die Klägerin mehrmals an, wobei der Maulkorb letztlich nach unten rutschte und er die Klägerin in die linke Hand biss. Die Klägerin erlitt dabei eine ca 1 cm lange Rissquetschwunde.

[4] Die Klägerin begehrt nach Ausdehnung die Zahlung von 4.355 EUR an Schadenersatz und die Feststellung der Haftung der Beklagten für zukünftige noch nicht bekannte Schäden aus dem Vorfall vom 7. 2. 2023. Die Beklagte treffe ein Verschulden, weil sie den Beißkorb nicht ordentlich angelegt habe. Darüber hinaus hafte die Beklagte nach den vereinbarten AGB und gemäß § 1320 ABGB.

[5] Die Beklagte wandte insbesondere ein, dass sie kein Verschulden treffe und bestritt, dass die AGB der Klägerin vereinbart worden seien. Punkt III Abs 2 der AGB sei überdies sittenwidrig.

[6] Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil nicht Folge. Es sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, welcher Sorgfaltsmaßstab an einen Tierhalter anzulegen ist, wenn sein Tier im Zuge einer Ausbildungsmaßnahme den Trainer verletzt.

[8] Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die von der Beklagten beantwortete Revision der Klägerin, mit der sie die Stattgebung des Klagebegehrens anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch unzulässig.

[10] 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können dann, wenn in der Berufung die Rechtsrüge nur in bestimmten Punkten ausgeführt wurde, andere Punkte in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden, jedenfalls wenn es um selbstständig zu beurteilende Rechtsfragen geht (RS0043338 [T11, T13]). Das Erstgericht ist davon ausgegangen, dass die Beklagte an der Verletzung der Klägerin durch den Biss des Hundes der Beklagten kein Verschulden treffe. Die Klägerin habe den Hund gereizt, was die Beklagte nicht voraussehen habe können. Die Klägerin müsse sich ihr Verhalten daher selbst zurechnen lassen. Diese rechtliche Beurteilung hat die Klägerin in der Berufung nicht bekämpft, sodass sie dies in der Revision nicht nachholen kann. Auf die in der Revision enthaltenen Ausführungen, wonach für die Klägerin keine Veranlassung bestanden habe, den Sitz des Maulkorbs zu prüfen, sodass ihr zu Unrecht das gesamte Verschulden am Entstehen ihrer Verletzung zugeordnet worden sei, ist daher nicht weiter einzugehen. Dies gilt auch für die in diesem Zusammenhang von der Revisionswerberin aufgeworfene Frage, welcher Sorgfaltsmaßstab an einen Tierhalter anzulegen sei, wenn sein Tier im Zug einer Ausbildungsmaßnahme den Trainer verletzt.

[11] 2.1 Auch in der Revision hält die Klägerin an ihrem Standpunkt fest, dass die AGB vereinbart worden seien. Die Klausel III sei zulässig, weil sie nicht als eine Erfolgshaftung der Halterin, sondern vielmehr als Haftungsausschluss der Klägerin zu qualifizieren sei.

[12] 2.2 Der Oberste Gerichtshof ist zur Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht jedenfalls, sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtet hat oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind (RS0121516). Für die Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs spielen daher weder der Umstand, das höchstgerichtliche Rechtsprechung zu gleichen oder ähnlichen Klauseln fehlt, noch die bloße Häufigkeit der Verwendung strittiger Klauseln eine Rolle (jüngst etwa 7 Ob 206/23d Rz 14 mwH).

[13] 2.3 Nach § 864a ABGB werden Bestimmungen ungewöhnlichen Inhalts in AGB oder Vertragsformblättern, die ein Vertragsteil verwendet hat, nicht Vertragsbestandteil, wenn sie dem anderen Teil nachteilig sind und er mit ihnen auch nach den Umständen, vor allem nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde, nicht zu rechnen brauchte, es sei denn, der eine Vertragsteil hat den anderen besonders darauf hingewiesen. Als objektiv ungewöhnlich wird eine Klausel beurteilt, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, sodass er mit ihr nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte. Bei der Beurteilung der Ungewöhnlichkeit eines Inhalts im Sinn des § 864a ABGB ist ein objektiver Maßstab anzulegen (RS0014627 [T6]). § 864a ABGB erfasst alle dem Kunden nachteilige Klauseln, eine grobe Benachteiligung im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB wird nicht vorausgesetzt (RS0123234).

[14] 2.4 Das Berufungsgericht hat diese Rechtsprechung beachtet. Die Haftung des Tierhalters nach § 1320 ABGB enthält zwar eine Verschuldenshaftung mit Beweislastumkehr, nicht aber eine „volle“ Gefährdungshaftung ( Weixelbraun Mohr in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.07 § 1320 ABGB Rz 3 mwH). Zutreffend führt das Berufungsgericht aus, dass der Beklagten als Hundehalterin jedoch nach dem Wortlaut der Klausel eine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung für sämtliche von ihrem Hund verursachten Schäden auferlegt wird. Insofern handelt es sich bei der Klausel sowohl um eine nach objektiven Maßstäben überraschende als auch im Vergleich zur Gesetzeslage nachteilige Klausel, sodass sie gegen § 864a ABGB verstößt. Den weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, dass ein besonderer Hinweis auf diese Klausel bei Abschluss des Vertrags nicht erfolgte, tritt die Revisionswerberin nicht entgegen. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung steht die darauf beruhende Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Klausel daher nicht Vertragsbestandteil geworden ist (RS0014659).

[15] Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher zurückzuweisen.

[16] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO, die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen .

Rechtssätze
4