JudikaturBVwG

L531 2324930-2 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
06. November 2025

Spruch

L531 2324930-2/5Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Anita Mayrhofer über die Beschwerde des XXXX , StA. Türkei, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.10.2025, Zl. XXXX beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Begründung:

I. Verfahrensgang

Mit im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde gegen die beschwerdeführende Partei (bP), ein Staatsangehöriger der Türkei, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG erlassen, sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG wurde gegen die bP ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen. Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde ausgesprochen, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht bestehe. Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt

Gegen diesen Bescheid wurde am 30.10.2025 Beschwerde erhoben. In der Beschwerde wird ua. ausgeführt, dass die bP mit ihrer ältesten Tochter, welche sie im Gefängnis besucht, und deren Kinder eine gute Beziehung habe. Auch das schützenswerte Privat- und Familienleben zwischen der bP und ihrer aktuellen Lebensgefährtin sei von der belangten Behörde unberücksichtigt gelassen worden und bestünde seit 4 Jahren ein gemeinsamer Haushalt. Die zeugenschaftlichen Einvernahmen der Lebensgefährtin, Frau XXXX sowie der Tochter XXXX wurden beantragt. Es laufe zudem ein Wiederaufnahmeverfahren betreffend die Verurteilung der bP und lebe die bP seit 23 Jahren in Österreich. Hervorgehoben wurde, dass die bP die achtjährige Haftstrafe erst im Juni 2025 angetreten habe und sich bereits daraus ergebe, dass die bP keine tatsächliche, gegenwärtige und schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen könne.

Weiters wird in der Beschwerde ausgeführt:

„Für die Frage, ob eine aufenthaltsbeendende Maßnahme zu erlassen ist, ist auf den Zeitpunkt der hypothetischen Ausreise bzw. der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung abzustellen (VwGH 20.12.2022, Ra 2022/21/0127; VwGH 6 / 12 15.12.2011, 2011/21/0237). Bei der Gefährdungsprognose ist auf den Zeitpunkt der (hypothetischen) Entlassung aus der Strafhaft abzustellen (VwGH 19.11.2020, Ra 2020/21/0088; VwGH 29.9.2020, Ra 2020/21/0297; VwGH 9.6.2022, Ra 2021/21/0238). Wenngleich bei einem Kapitalverbrechen auch nach dem Vollzug einer langjährigen Freiheitsstrafe das weitere Vorliegen einer maßgeblichen Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert sein kann (VwGH 22.2.2021, Ra 2020/21/0537), ist nicht ausgeschlossen, dass schon der Vollzug einer langen Freiheitsstrafe zu einer maßgeblichen Gefährdungsminderung führen könnte. In einer solchen Konstellation sind konkrete Feststellungen zu der begangenen Straftat, zu deren Hintergrund und Begleitumständen samt den für die Strafbemessung maßgeblichen Milderungs- und Erschwerungsgründen zu treffen, aber auch die weitere Entwicklung während der Strafhaft einzubeziehen (VwGH 10.11.2022, Ra 2022/21/0113). Auch bei der nach § 9 BFA-VG vorzunehmenden Interessenabwägung ist auf den Zeitpunkt der Haftentlassung abzustellen (VwGH 20.12.2022, Ra 2022/21/0127). Wegen der nicht absehbaren weiteren Entwicklungen bis zum derzeit noch nicht bekannten Haftentlassungszeitpunkt ist es unmöglich, eine auf den Zeitpunkt der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen bezogene Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen dafür vorzunehmen. Diese Maßnahmen sind daher nicht schon in einem frühen Stadium der Strafhaft, sondern erst zeitnah zu deren Beendigung zu erlassen wären (VwGH vom 23.05.2024, Ra 2022/21/0224).“

Termine zur allfälligen bedingten Entlassung wurden errechnet mit 19.06.2029 und 19.10.2030.

Die Beschwerdevorlage langte am 06.11.2025 bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes in der Außenstelle Linz ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG) geregelt. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Die allgemeinen Verfahrensbestimmungen, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten, werden durch das BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) geregelt. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Zu Spruchteil A):

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im vorliegenden Fall kann ohne nähere Prüfung des Sachverhaltes nicht ausgeschlossen werden, dass eine Abschiebung der bP in den in Aussicht genommenen Zielstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Bestimmungen der EMRK bedeuten würde, da gegenständliche Beschwerde ein Vorbringen enthält, das die Möglichkeit einer rechtswidrigen Verletzung der durch Art. 3 und 8 EMRK geschützten Rechte der bP im Fall der Abschiebung in den Herkunftsstaat geltend macht. Bei einer Grobprüfung dieses Vorbringens kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich dabei um „vertretbare Behauptungen“ handelt.

Da eine hinreichende Einschätzung hinsichtlich des realen Risikos einer Gefährdung der bP bei einer Abschiebung in den Herkunftsstaat in Hinblick auf eine Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder im Hinblick auf eine Verletzung des Art. 8 EMRK bei Ausweisung aufgrund der besonderen Gegebenheiten im konkreten Fall in der kurzen Frist des § 16 Abs. 4 BFA-VG nicht getroffen werden kann, gleichzeitig aber eine solche Gefährdung aufgrund des Vorbringens a priori nicht ausgeschlossen werden kann, war spruchgemäß zu entscheiden.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäßArt. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.