IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Marianne WEBER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX geb. XXXX StA. Somalia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen – BBU GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.03.2025, Zl. 1324374504-222893360, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Somalias, stellte nach seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 14.09.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen seiner Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am darauffolgenden Tag gab der Beschwerdeführer zunächst zu Protokoll, dass er der Volksgruppe der „Somali, Madhiban“ angehöre und verheiratet sei. Sein Vater sei bereits verstorben. In seinem Herkunftsstaat lebten seine Mutter, sein Bruder, seine Schwester, seine Ehefrau, seine fünf Töchter und seine beiden Adoptivkinder.
Als Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer an, er gehöre in Somalia einer diskriminierten Minderheit an und habe eine Frau geheiratet, die dem Clan der Hawiye angehöre. Die Angehörigen seiner Ehefrau seien dagegen, dass sie verheiratet seien und gemeinsame Kinder hätten. „Sie“ (die Angehörigen seiner Ehefrau) würden sich höhergestellt fühlen und sich nicht mit „ihnen“ (dem Clan des Beschwerdeführers) vermischen wollen. Der Beschwerdeführer sei deshalb verfolgt, angeschossen und schwer verletzt worden. Er habe nicht sterben wollen. Bei einer Rückkehr befürchte er, getötet zu werden.
2. Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der Beschwerdeführer am 17.06.2022 nach Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz in Griechenland erkennungsdienstlich behandelt worden war.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte daraufhin ein Konsultationsverfahren gemäß Art. 34 Dublin III-VO mit Griechenland. Mit Schriftsatz vom 26.09.2022 gaben die griechischen Behörden bekannt, dass der Beschwerdeführer am 20.06.2022 unter der Identität „ XXXX “, geb. „ XXXX “, einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe und dieser am 23.06.2022 als unzulässig („inadmissible“) befunden worden sei.
3. Nach Zulassung des Verfahrens erging in weiterer Folge am 24.04.2024 seitens der Volksanwaltschaft eine Anfrage hinsichtlich der Verfahrensdauer.
4. Am 27.02.2025 fand die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Darin gab er zunächst zu Protokoll, seine Kinder und seine Mutter befänden sich in seinem Herkunftsort und habe er zu diesen Kontakt. Zu seiner Ehefrau habe der Beschwerdeführer keinen Kontakt, diese sei von ihrer Familie mitgenommen worden.
Als Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer an, dass die Familie seiner Ehefrau gegen eine Eheschließung mit ihm – einem Madhiban – gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe seine Ehefrau im Jahr 2005 kennengelernt. Sie hätten für ein Jahr eine heimliche Beziehung geführt und am 15.02.2006 heimlich außerhalb ihres Herkunftsortes geheiratet. Seine Ehefrau sei von ihrer Familie verstoßen worden. Der Bruder seiner Ehefrau sei im Jahr 2021 von Uganda nach Somalia zurückgekehrt und sei verärgert gewesen, als er erfahren habe, dass seine Schwester mit einem Madhiban verheiratet sei und fünf Kinder sowie zwei Adoptivkinder habe. Der Beschwerdeführer habe den Viehmarkt besucht und dort seinen Onkel getroffen, der ihn vorgewarnt habe, dass der Bruder seiner Ehefrau „wieder hier“ wäre und mit seiner „seinerzeitigen Eheschließung nicht einverstanden“ sei. Am Nachhauseweg hätten ihn ein bewaffneter Mann und zwei weitere Männer gerufen. Als der Beschwerdeführer bemerkt habe, dass einer der Männer der Bruder seiner Ehefrau sei, habe er die Flucht ergriffen. Die Männer hätten das Feuer auf ihn eröffnet und ein Schuss habe sein linkes Bein getroffen. Er sei zu Boden gefallen und habe sich in einem Busch versteckt. Der Beschwerdeführer sei von bewaffneten Kamelhirten aufgenommen und erstversorgt worden. Die Angreifer hätten daraufhin die Flucht ergriffen. Der Beschwerdeführer sei zu seinem Onkel gebracht worden. Seine Ehefrau sei von ihrem Bruder abgeholt worden. Sein Onkel habe ihm zur Flucht geraten, weil er aus Erzählungen erfahren habe, dass über die Mischehe des Beschwerdeführers geredet werde. Der Beschwerdeführer sei im Februar 2021 angeschossen worden und sei für etwa sechs Monate bei seinem Onkel geblieben. Anschließend habe er bis Ende 2021 bei seiner Familie gelebt und sei schließlich nach Mogadischu gereist, wo er sich bis zu seiner Ausreise am 11.04.2022 aufgehalten habe.
Im Rahmen der Einvernahme legte der Beschwerdeführer u.a. einen ärztlichen Befund vom 07.11.2024 und einen Ambulanzbericht vom 08.11.2024 vor.
5. Mit Bescheid vom 04.03.2025 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).
6. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
7. Am 10.09.2025 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer insbesondere zu seinen persönlichen Lebensumständen sowie zu seinen Fluchtgründen befragt wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt in Österreich den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Seine Identität steht nicht fest. Er ist Staatsangehöriger von Somalia. Der Beschwerdeführer gehört dem Clan der Gabooye bzw. Madhiban, Sub-Clan XXXX , an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islams. Seine Muttersprache ist Somali; er beherrscht diese in Wort und Schrift.
Geboren und aufgewachsen ist der Beschwerdeführer in XXXX in der Region Galgaduud (Somalia). In Somalia besuchte er die Schule und arbeitete in der Landwirtschaft. Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat mit seiner Ehefrau fünf Töchter. Nicht festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer eine heimliche Beziehung respektive Ehe mit einer Frau eines anderen Clans eingegangen ist.
Der Beschwerdeführer lebte bis kurz vor seiner Ausreise gemeinsam mit seiner Ehefrau, seinen fünf Töchtern und seinen zwei Adoptivkindern (den beiden Kindern seines Onkels) in der Umgebung von XXXX Der Vater des Beschwerdeführers ist verstorben. Die Mutter, der Bruder, die Schwester, die Ehefrau und die Kinder des Beschwerdeführers leben weiterhin im Herkunftsort des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer hat zu seinen Familienangehörigen Kontakt.
Der Herkunftsort des Beschwerdeführers befindet sich nicht unter Kontrolle der Al Shabaab.
Der Beschwerdeführer reiste mit dem Flugzeug aus Somalia in die Türkei aus und begab sich von dort zunächst nach Griechenland, wo er am 20.06.2022 unter der Identität „ XXXX “, einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Nach negativem Ausgang des Verfahrens reiste der Beschwerdeführer schlepperunterstützt bis in das österreichische Bundesgebiet weiter. Die Kosten für die Ausreise betrugen etwa 3.000,- USD.
Der Beschwerdeführer stellte am 14.09.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Der Beschwerdeführer ist weitgehend gesund und arbeitsfähig. Er hat eine Verletzung bzw. eine Narbe am linken Oberschenkel. Die Verletzung stammt nicht aus dem behaupteten Angriff durch den Bruder seiner Ehefrau.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer war bzw. ist in Somalia weder aufgrund einer heimlichen Beziehung respektive Mischehe mit einer Frau aus dem Mehrheitsclan der Hawiye noch aufgrund seiner Clanzugehörigkeit noch sonst einer individuellen (asylrelevanten) Bedrohung bzw. Verfolgung ausgesetzt.
Das Vorliegen anderer Verfolgungsgründe aufgrund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit wurde nicht konkret vorgebracht; Hinweise für eine solche Verfolgung sind auch amtswegig nicht hervorgekommen.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:
Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu Somalia (Version 8, Stand 07.08.2025):
POLITISCHE LAGE
Hinsichtlich der meisten Tatsachen ist das Gebiet von Somalia faktisch zweigeteilt, nämlich in: a) die somalischen Bundesstaaten; und b) Somaliland, einen 1991 selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird (AA 23.8.2024). Während Süd-/Zentralsomalia seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen war und ist, hat sich der Norden des Landes unterschiedlich entwickelt (BS 2024).
Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Staatlichkeit: Somalia ist nach allen internationalen Maßstäben eines der fragilsten Länder der Welt (Obsiye/AFRA 31.8.2023) und wird mitunter als der am meisten gescheiterte Staat der Welt beschrieben. Das Land verfügt seit dem Zusammenbruch des Regimes von Mohamed Siyad Barre im Jahr 1991 über keine einheitliche Regierung (Rollins/HIR 27.3.2023). Al Shabaab kontrolliert fast 70 % von Süd-/Zentralsomalia (Rollins/HIR 27.3.2023) und gilt als Proto-Staat (TRN/Heide-Ottosen/Abdi Y./Nor/Khalil/Zeuthen 2022) bzw. als de-facto-Regime (AA 23.8.2024).
Nach anderen Angaben ist Somalia zwar kein failed state mehr, bleibt aber ein fragiler Staat (AA 23.8.2024; vgl. Obsiye/AFRA 31.8.2023). Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind demnach sehr schwach, es gibt keine flächendeckende, effektive Staatsgewalt (AA 23.8.2024). Denn obwohl das Land nominell von Präsident Hassan Sheikh Mohamud regiert wird, steht ein Großteil des Landes nicht unter staatlicher Kontrolle (Rollins/HIR 27.3.2023). Die Bundesregierung ist nicht in der Lage, ihren Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag (nach westlicher Konzeption des Nationalstaates) in und um Mogadischu auch nur teilweise nachzukommen, geschweige denn ein landesweites Gewaltmonopol zu errichten (Sahan/SWT 5.6.2023). Sie tut sich schwer dabei, Kontrolle über das beanspruchte Gebiet oder auch über Mogadischu auszuüben (BS 2024; vgl. HO/Ainashe 9.6.2024). Da sie nur wenige Gebiete kontrolliert (BS 2024) und sie es nicht schafft, sich außerhalb von Mogadischu durchzusetzen (ÖB Nairobi 10.2024), verfügt die Bundesregierung kaum über eine Möglichkeit, ihre Politik und von ihr beschlossene Gesetze im Land durch- bzw. umzusetzen (FH 2024b).
Die Bundesregierung bietet ihren Bürgern derzeit nur wenige wesentliche Dienstleistungen an. Die ständige Instabilität bleibt ein prägendes Merkmal des Lebens. Viele Menschen verlassen sich hinsichtlich grundlegender Dienstleistungen und Schutz weiterhin auf bestehende traditionelle, informelle Institutionen (Sahan/SWT 5.6.2023). Das Vertrauen in staatliche Institutionen ist gering (BS 2024). Denn der Staat leidet an gescheiterten Institutionen, vom Gesundheitswesen bis zu den Sicherheitskräften. Persönlichkeitsorientierter Politik wird Vorrang gewährt (Sahan/Awad 28.8.2023). Politiker verfolgen persönliche und Claninteressen, sie streben nach Macht und wirtschaftlichen Ressourcen - und nicht nach dem Erreichen gemeinsamer Ziele (BS 2024). Informelle politische und Clanbeziehungen dominieren einen fragilen Staat. Und die immer noch offene institutionelle Lücke wird durch eine Reihe anderer Akteure – darunter al Shabaab – aufgefüllt (Sahan/Awad 28.8.2023). Zudem ist die politische Landschaft durch ein komplexes Zusammenspiel von Clandynamiken, regionalen Rivalitäten und Machtkämpfen auf oberen Ebenen gekennzeichnet. Clanbasierte Politik und Identitäten haben die Bildung politischer Allianzen und Konflikte im ganzen Land erheblich beeinflusst. Verschiedene Fraktionen und regionale Regierungen wetteifern um die Macht, was zu politischer Fragmentierung und einem Mangel an kohärenter Regierungsführung geführt hat (Sahan/SWT 7.7.2023).
Korruption und Vetternwirtschaft sind weit verbreitet (HO/Ainashe 9.6.2024; vgl. Rollins/HIR 27.3.2023), und gleichzeitig ist die Regierung zum Überleben stark auf internationale Hilfe angewiesen (Rollins/HIR 27.3.2023). Laut einer Quelle ist die Korruption unter Präsident Hassan Sheikh Mohamud schlimmer, als sie schon in seiner ersten Amtszeit gewesen ist (BMLV 4.7.2024). Die Unfähigkeit oder Unwilligkeit gegen die endemische Korruption vorzugehen, behindert den Staatsbildungsprozess und den Aufbau von Institutionen und untergräbt das Vertrauen der Bevölkerung in bestehende staatliche Institutionen (BS 2024). All dies führt zu Fragen hinsichtlich der Legitimität und politischen Relevanz der Bundesregierung (HO/Ainashe 9.6.2024).
Seit 2016 und 2017 die fünf Bundesstaaten gegründet wurden, stockt der Verfassungsprozess. Grundlegende Fragen des Staatsaufbaus sind nicht geklärt. Dies lähmt staatliches Handeln. Die innenpolitische Lage ist durch systemische Konflikte zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Bundesstaaten geprägt, weil eben die Verfassungsgebung und Kompetenzverteilung noch immer nicht abgeschlossen sind (AA 23.8.2024).
Regierung: Unter der bestehenden Übergangsverfassung aus dem Jahr 2012 wird der Präsident für eine Amtszeit von vier Jahren von einer Zweidrittelmehrheit des Parlaments gewählt. Der Präsident teilt sich seine exekutive Macht mit dem Premierminister, der wiederum nur mit Unterstützung des Parlaments arbeiten kann (FH 2024b). Mit der erneuten Wahl des ehemaligen Präsidenten Hassan Sheikh Mohamud (2012-2017) am 15.5.2022 wurde der Wahlprozess mit großer Verzögerung abgeschlossen. Trotz aller Bekundungen konnten die - eigentlich für Ende 2020 geplanten - Parlamentswahlen nicht demokratisch gestaltet werden. Stattdessen wurde wieder auf einen Selektionsprozess ähnlich wie bei den Wahlen 2016 zurückgegriffen (AA 23.8.2024; vgl. ÖB Nairobi 10.2024). Am 9.6.2022 wurde der neue Präsident ins Amt eingeführt (UNSC 1.9.2022b). Hamza Abdi Barre trat im Juni 2022 sein Amt als Premierminister an. Im August 2022 wurde ein neues Kabinett bestehend aus 75 Ministern, stellvertretenden Ministern und Staatsministern ernannt (FH 2024b).
Parlament: Die provisorische Verfassung sieht ein Zweikammernparlament mit einem 275-köpfigen Unterhaus und einem 54 Senatoren umfassenden Oberhaus vor (HIPS 1.11.2021). Die Mitglieder zum Oberhaus werden von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt. Die Wahlen zum Oberhaus begannen im Juli 2021 und konnten nach Monaten der Streitigkeiten im November 2021 abgeschlossen werden (FH 2024b). Sie wurden auf voller Breite manipuliert, nur um 15 der 54 Sitze gab es tatsächlich einen Wettstreit. Die meisten Senatoren sind nunmehr de facto von den Präsidenten der Bundesstaaten nominierte (HIPS 8.2.2022) Alliierte, Freunde und manchmal auch Familienangehörige. Insgesamt hat es sich nicht um einen glaubwürdigen Wahlbewerb gehandelt, der Vorgang kann kaum als "Wahl" bezeichnet werden (HIPS 1.11.2021).
Bei der Wahl zum Unterhaus wählen Älteste und Gruppen der Zivilgesellschaft eines bestimmten Subclans Wahlmänner, welche als Delegierte dann wiederum einen Abgeordneten küren. Senatoren und Abgeordnete wählen schlussendlich den Präsidenten. Der Manipulation sind Tür und Tor geöffnet (FP/Ainte/Mahmood 22.9.2021; vgl. BS 2024). Die Abgeordneten werden also in indirekter Wahl von Delegierten gewählt (AA 23.8.2024; vgl. UNSC 13.5.2022). Eigentlich war für die Wahlen vorgesehen, dass jeder einzelne Unterhausabgeordnete von 101 Wahldelegierten seines Clans gewählt wird (2017 waren es 51 Delegierte pro Sitz). Später wurde die Zahl auf 67 Delegierte pro Sitz gesenkt (HIPS 1.11.2021), ca. 27.000 Personen konnten am Wahlprozess teilnehmen (BS 2024). Insgesamt wurden die Wahlen durch innenpolitische Streitigkeiten für mehr als ein Jahr verzögert (AA 23.8.2024; vgl. UNSC 13.5.2022). Es musste eine allseits akzeptierte Repräsentation der verschiedenen Clans sowie der Gliedstaaten sichergestellt werden, was den Prozess der Delegiertenbestimmung sehr langwierig und intransparent gemacht hat. Der gesamte Prozess wurde von verschiedenen nationalen und internationalen Politikern und Beobachtern hinsichtlich seiner Legitimität in Frage gestellt (AA 23.8.2024). Tatsächlich ist es auf breiter Front zu Wahlmanipulationen gekommen (HIPS 8.2.2022) bzw. gab es Vorwürfe über Unregelmäßigkeiten und einen Mangel an Transparenz (UNSC 8.2.2022; vgl. ÖB Nairobi 10.2024) sowie hinsichtlich Bestechung (AA 23.8.2024; vgl. Sahan/SWT 18.8.2023), Korruption, Stimmenkauf, Gewalt und Einschüchterung (BS 2024). Der Wahlvorgang wird als die korrupteste, intransparenteste und teuerste Wahl in der jüngeren Geschichte Somalias bezeichnet. Viele der Abgeordneten haben demnach ihre Stimme an den Höchstbietenden verkauft (Sahan/SWT 18.7.2022; vgl. FH 2024b). Zudem haben der Präsident sowie die Präsidenten der Bundesstaaten und andere Akteure maßgeblich die Nominierung der Wahldelegierten manipuliert (BS 2024). Am 28.4.2022 wurde der Wahlprozess der am 29.7.2021 begonnenen Parlamentswahlen - die eigentlich 2020 stattfinden hätten sollen - abgeschlossen (AA 23.8.2024). 20 % der 275 Abgeordneten zum Unterhaus sind Frauen (UNSC 13.5.2022).
Demokratie: Zwar gab es die o. g. indirekten Wahlen, doch hat es seit Jahrzehnten keine allgemeinen, direkten Wahlen auf kommunaler, regionaler oder nationaler Ebene mehr gegeben (AA 23.8.2024; vgl. FH 2024b). In Süd-/Zentralsomalia gibt es keine demokratischen Institutionen. Somalia ist keine Wahldemokratie und hat auch keine strikte Gewaltenteilung (BS 2024). Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft hilfsweise unter Einbeziehung demokratisch nicht legitimierter traditioneller Strukturen (v. a. Clanstrukturen) vergeben (AA 23.8.2024). Auch auf der Ebene der Bundesstaaten wurden bislang ausschließlich indirekte Wahlen abgehalten (BS 2024), zur Bildung ihrer Legislative verwenden sie ebenfalls Clan-basierte Machtteilungssysteme (FH 2024b). Generell sind zwar immer wieder progressive Bemühungen zu beobachten, jedoch scheint der Druck der konservativen Eliten im Land oftmals größer zu sein als das tatsächliche Bewusstsein in Bezug auf Demokratie und Menschenrechte (ÖB Nairobi 10.2024). Allerdings hat die Mehrparteiendemokratie in Somalia weder Geschichte noch Tradition. Dafür sind im System von gemeinsamen Verhandlungen und Entscheidungen in und zwischen Clans durchaus demokratisch Werte zu finden (BS 2024).
Insgesamt erfolgte die Zusammensetzung des parlamentarischen Unterhauses entlang der 4.5-Formel, wonach den vier Hauptclans jeweils ein Teil der Sitze zusteht, den [sogenannten] kleineren Clans und Minderheiten zusammen ein halber Teil (USDOS 20.3.2023; vgl. ÖB Nairobi 10.2024; BS 2024). Beim 4.5-System handelt es sich um eine Machtteilungsformel, die politische Vertretung und Ressourcen unter Somalias großen Clans und Minderheitengruppen aufteilt (HO/Ainashe 9.6.2024). Seit dem Jahr 2000 gilt diese Formel, die eigentlich dazu bestimmt war, Somalia vorübergehend Stabilität zu verleihen. Allerdings hat sie sich bezüglich der Entwicklung des Landes als kontraproduktiv erwiesen. Denn mit ihr sind Clanzugehörigkeit und -Loyalität wieder wichtiger geworden als die Loyalität zum Staat (Sahan/SWT 28.3.2022; vgl. HO/Ainashe 9.6.2024). Zudem fördert die Formel Korruption, Vetternwirtschaft und Stimmenkauf, was die allgemeine Funktionsfähigkeit der Regierung untergräbt (HO/Ainashe 9.6.2024). Nach Angabe anderer Quellen ist das 4.5-System zwar in vielerlei Hinsicht unfair; doch es ist gegenwärtig jenes System, das wenigstens ein Minimum an Stabilität garantiert (AQ21 11.2023; vgl. HO/Ainashe 9.6.2024) und es dem Land ermöglicht, Präsidentschafts- und Parlamentswahlen abzuhalten und friedliche Machtübergaben zu erleichtern (HO/Ainashe 9.6.2024).
Die Toppositionen der Bundesregierung sind im Rahmen der Formel für die Clans der Darod und Hawiye reserviert (ACLED 28.7.2023), die Minderheiten sind hingegen unterrepräsentiert (BS 2024). Seit 20 Jahren stellen Hawiye und Darod folglich den Präsidenten und den Premierminister, die Rahanweyn den Parlamentssprecher. Die Dir halten hingegen die Toppositionen am Obersten Gericht (TANA/ACRC 9.3.2023).
Staatsgliederung: Die Übergangsverfassung sieht drei Verwaltungsebenen vor: Die Bundesebene (Bundesregierung); Bundesstaaten (Federal Member States) und Bezirke (BS 2024; vgl. ICG 25.9.2023). Während Puntland, das 1998 als Bundesstaat gegründet wurde, bereits zuvor existierte, gründete die Bundesregierung die übrigen Bundesstaaten zwischen 2013 und 2016 - namentlich Galmudug, HirShabelle, den South West State (SWS) und Jubaland (ICG 25.9.2023). Somaliland wird als sechster Bundesstaat erachtet, weist diese Zuordnung allerdings zurück (BS 2024). Die Hauptstadtregion Benadir (Mogadischu) verbleibt als Banadir Regional Administration (BRA) unter direkter Kontrolle der Bundesregierung (HIPS 8.2.2022). Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clanbalance: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir. Allerdings finden sich in jedem Bundesstaat Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden (STDOK 8.2017; vgl. MBZ 6.2023). Eine dritte Regierungsebene besteht aus Bezirksverwaltungen. Deren Bildung schreitet in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich schnell voran (ICG 25.9.2023). Mit eigenen Programmen soll der Aufbau von Lokalverwaltungen gefördert werden. 2024 hat das Dowlad-Kaab Local Governance Program ein Vorgängerprogramm abgelöst. Es umfasst: Abschluss laufender Projekte von Lokalregierungen; Überwachung und Umsetzung neuer Projekte in den nächsten fünf Jahren; Erweiterung und Verbesserung der Aktivitäten; Bereitstellung von Fördermitteln durch den Bund (Halqabsi 27.8.2024).
Aktuelle politische Lage: Nach anfänglichen Versuchen, das durch die Vorgängerregierung mit vielen Bundesstaaten gestörte Verhältnis wieder herzustellen, verhärteten sich ab März 2024 wieder die Fronten. Auslöser dafür war v. a. die vom Präsidenten eingeleitete Überarbeitung der Übergangsverfassung. Der eingeschränkte Personenkreis, der daran beteiligt war, und die Art und Weise, wie die überarbeiteten Verfassungsartikel durch das Parlament „gepeitscht“ (teilweise war nicht einmal das Mindestquorum für eine gültige Abstimmung vorhanden) wurden, sorgte bei den Regierungen der Bundesstaaten für massive Ablehnung (BMLV 7.8.2024). Nicht alle von ihnen waren zuvor konsultiert worden. V. a. Puntland stemmt sich gegen die Änderungen (Horn 30.4.2024), hat sich danach aus dem föderalen System zurückgezogen und seine Absicht bekräftigt, unabhängig zu handeln (EPC 24.5.2024; vgl. UNSC 3.6.2024; UNGA 23.8.2024; RANE/Stratfor 16.4.2024). Dieser Schritt Puntlands hat die Legitimität der Bundesregierung erheblich geschwächt und einen Präzedenzfall für andere Regionen geschaffen, ihre Autonomie geltend zu machen (HO/Ainashe 9.6.2024).
Initiierte Verfassungsänderungen betreffen die Verlängerung der Amtszeiten in den Bundesstaaten; die Einführung eines präsidentiellen Regierungssystems und die Abschaffung des Amtes des Premierministers; sowie die Begrenzung der Zahl der nationalen politischen Parteien auf zwei (HO/Wasuge 29.5.2024; vgl. UNSC 2.2.2024; AA 23.8.2024). Denn ein derartiges Zweiparteiensystem könnte dazu führen, dass faktisch nur noch die zwei stärksten Clans die Wahlen für sich entscheiden (AA 23.8.2024). Außerdem soll das vorherrschende Clan-Quotensystem durch ein allgemeines Wahlrecht abgelöst werden. Das Bundesparlament hat diesen Änderungen am 30.3.2024 zugestimmt (EPC 24.5.2024; vgl. UNSC 3.6.2024; UNGA 23.8.2024). Bei dieser Abstimmung gab es - wie erwähnt - teils kein ausreichendes Quorum, teils kam es zu Stimmenkauf (BMLV 4.7.2024; vgl. Horn 2.4.2024). Laut einer Quelle soll jeder Abgeordnete mit 20.000 US-Dollar bestochen worden sein (Horn 2.4.2024). Am 11.11.2024 stimmten beide Parlamentskammern letztendlich über ein Gesetzespaket zu allgemeinen Wahlen ab. Allerdings haben nur 170 der 310 Abgeordneten überhaupt an der Abstimmung teilgenommen. Laut Plan sollen im Juni 2025 Lokal- und Regionalwahlen stattfinden, im September 2025 Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Jubaland und Teile der Opposition haben die neue Gesetzeslage als verfassungswidrig kritisiert (ÖB Nairobi 19.11.2024), Jubaland hat nun ebenfalls mit der Bundesregierung gebrochen (SMN 28.11.2024). Gleichzeitig hat die Forderung der Bundesregierung, dass alle äthiopischen Soldaten mit Jahresende 2024 das Land verlassen müssen, zu Unstimmigkeiten mit dem SWS sowie mit Gedo und Hiiraan geführt. Überall dort wird die weitere Präsenz der äthiopischen Truppen unterstützt (Sahan/SWT 4.9.2024)
Somalias föderale Architektur bricht also zunehmend auf, und die Bundesregierung läuft Gefahr, dass sie nur noch die Hawiye vertritt. Mit Ausnahme des Präsidenten des SWS, Abdiaziz Laftagareen, nahmen am National Consultative Council (NCC) [Anm.: eine gemeinsame Einrichtung von Bund und Bundesstaaten] im Oktober 2024 nur noch Vertreter der Hawiye teil. Die beiden von Darod dominierten Bundesstaaten Puntland und Jubaland haben ihre Zusammenarbeit mit Mogadischu eingestellt. Die Digil-Mirifle im SWS stehen in Opposition zur Forderung der Bundesregierung, dass mit Ende 2024 alle äthiopischen Truppen aus Somalia abgezogen sein müssen. Und mit den Hawadle in Hiiraan stehen sogar Hawiye in Opposition zur Bundesregierung. Letztere präsentiert sich nunmehr als nicht viel mehr als ein brüchiges Bündnis aus Abgaal und Habr Gedir (Galmudug) (Sahan/SWT 30.10.2024). Der Bruch Jubalands mit der Bundesregierung (November 2024) gibt Anlass zur Sorge, dass Somalia noch weiter fragmentiert (SMN 28.11.2024). Ohne Jubaland und Puntland können wichtige Verfassungsänderungen jedenfalls nicht umgesetzt werden (Sahan/SWT 25.11.2024).
Islamismus: Die moderat-islamische politische Ausrichtung des Präsidenten (BMLV 1.12.2023; vgl. Sahan/SWT 28.6.2022) entspricht de facto der Ausrichtung der Muslimbruderschaft (BMLV 1.12.2023). Der Präsident stützt sich dabei auf die von ihm gegründete politische Partei, Union for Peace and Development (AQ13 6.2023; vgl. BMLV 1.12.2023; Sahan/Bryden 5.7.2024), der fast alle vom Präsidenten ernannten Personen angehören und über deren Inhalte wenig bekannt ist (AQ13 6.2023), und die islamische Gruppierung Damul Jadiid (Neues Blut) (BMLV 1.12.2023). Generell spielen in der somalischen Politik islamistische Gruppen nun eine direktere Rolle, und religiöse Normen gewinnen an Einfluss und Bedeutung. Die Nominierung des [Anm.: desertierten] Mitgründers der al Shabaab zum Religionsminister unterstreicht diesen Trend (BS 2024).
Insgesamt sind die islamistischen Gruppen die am besten organisierten politischen Kräfte des Landes. Sie können zudem auf Ressourcen und Verbindungen in den Golfstaaten zurückgreifen. Seit 2009 rotiert die Macht im Staat zwischen unterschiedlichen Fraktionen der Muslimbrüder. Prominente Fraktionen sind Damul Jadiid, al Islah, Aala Sheikh und Daljir. Gleichzeitig war unter Präsident Farmaajo auch die salafistische al I'tisaam an der Macht beteiligt (Sahan/SWT 16.2.2024). Diese Gruppe erachtet die Demokratie als Verletzung der Scharia (Sahan/SWT 5.9.2022) und gilt als ideologischer Bruder von al Shabaab (Sahan/Bacon/Guiditta 7.8.2023). Al I'tisaam verfolgt de facto die gleichen Ziele wie al Shabaab – aber ohne Gewalt. Dafür versucht die Gruppe die Wirtschaft zu beeinflussen. Gleichzeitig gibt es zwischen beiden Gruppen einen Dialog (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Davon abgesehen gibt es Hinweise darauf, dass die Bundesregierung über Vermittlung durch Katar mit al Shabaab in Verhandlungen getreten ist. Einige Minister der Regierung stehen Arrangements mit der Terrororganisation positiv gegenüber (BMLV 4.7.2024).
Galmudug (Galgaduud, Teile von Mudug)
Galmudug wurde im Jahr 2015 aus Galgaduud und Teilen der Region Mudug geschaffen (ICG 25.9.2023). Der Bundesstaat ist hinsichtlich der Clanzusammensetzung sehr heterogen. Den Großteil der Bevölkerung stellen dort elf Subclans aus drei der großen Clanfamilien (Sahan/Abdi 12.7.2021; vgl. ICG 25.9.2023). Neun der elf stammen von den Hawiye, namentlich Murosade, Sheikhal, Hawadle, Abgal / Wayeclse sowie fünf Unterclans der Habr Gedir - Ayr, Sa'ad, Salebaan, Sarur und Duduble. Zusätzlich gibt es Dir (Qubeys und Fiqi Mohamed) und Darod / Marehan sowie eine kleinere Anzahl an Yahar, Midgan und Tumal (ICG 25.9.2023). Beherrschend sind v. a. die Habr Gedir, Marehan, Murusade und Duduble (Sahan/Abdi 12.7.2021). Viele Menschen in Galmudug sind Anhänger des Sufismus (ICG 25.9.2023).
Das Budget des Bundesstaats hat sich von 2019 bis 2022 auf 32 Millionen US-Dollar verzehnfacht. Viel davon kommt von externen Unterstützungsprogrammen, die eigenen Einnahmen sind gering. Zudem unterstützt die Bundesregierung Galmudug finanziell (ICG 25.9.2023; vgl. Sahan/SWT 17.1.2024). Die Regierung hat Schwierigkeiten, ihre Autorität durchzusetzen oder die Stabilität wiederherzustellen. Wichtige Institutionen - in der Exekutive, im Parlament und in der Judikative - sind noch im Anfangsstadium und verfügen nur über geringe Kapazitäten oder Unabhängigkeit. Die Verwaltung hat Schwierigkeiten, im gesamten Staat grundlegende Dienste (z. B. Justiz) bereitzustellen. Galmudug versucht, öffentliche Dienste durch die Bildung von Bezirksräten zu dezentralisieren. Dabei wurden den zehn bestehenden Bezirken neun neue hinzugefügt, etwa Galinsoor für die Sacad / Reer Jalaf oder Baxdo als weiteren Bezirk für die Salebaan (ICG 25.9.2023).
Im Feber 2020 wurde Ahmed Abdi Kariye 'Qoorqoor' zum Präsidenten gewählt. Hierbei kam es zu Anschuldigungen hinsichtlich einer Einmischung der Bundesregierung und zum Boykott der Wahl durch Oppositionskandidaten (ICG 25.9.2023). Im September 2022 hat das Parlament von Galmudug seine eigene Amtszeit und die von Präsident Qoorqoor um ein weiteres Jahr auf fünf Jahre verlängert (HIPS 24.3.2023). In Position für Neuwahlen steht Mahad Salad als Kandidat der Damul Jadiid, der einflussreichen Fraktion der Muslimbruderschaft, der auch Präsident Hassan Sheikh angehört. Hinsichtlich des Postens des Präsidenten von Galmudug gibt es eine inoffizielle Rotation zwischen den Hawiye / Habr Gedir / Sa'ad, den Suleiman und den Ayr. Am Zuge wären die Ayr, denen Mahad Salad angehört (Sahan/SWT 17.1.2024).
Die ASWJ (Ahlu Sunna Wal Jama'a) ist nach einer kurzen Phase der Reorganisierung [siehe Sicherheitslage / Süd-/Zentralsomalia, Puntland / Galmudug] de facto ausgeschaltet und zerschlagen. Sie trat 2022 zwar in Erscheinung, um Unterstützung für die Operation gegen al Shabaab zu zeigen, ist aber weiterhin in Galmudug kein politischer Faktor. Ansonsten ist der Kampf gegen al Shabaab aktuell der bestimmende Faktor in Galmudug (BMLV 1.12.2023).
SICHERHEITSLAGE UND SITUATION IN UNTERSCHIEDLICHEN GEBIETEN
Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 10.1.2025). Auch das Maß an Kontrolle über bzw. Einfluss auf einzelne Gebiete variiert:
Somaliland kontrolliert die von ihm beanspruchten Kerngebiete, nicht aber alle offiziell beanspruchten Gebiete (in Sool und Sanaag), die teilweise von Clans, teilweise von Separatisten des SSC-Khatumo und in kleinen Teilen von Puntland kontrolliert werden;
In Puntland wird die Kontrolle geringer Teilgebiete von al Shabaab und vom sogenannten Islamischen Staat in Somalia beeinflusst, während es hauptsächlich an Clandifferenzen liegt, wenn Puntland tatsächlich keinen Zugriff auf gewisse Gebiete hat;
In Süd-/Zentralsomalia wiederum ist die Situation noch viel komplexer. In Mogadischu und den meisten anderen großen Städten hat al Shabaab keine Kontrolle, jedoch eine Präsenz. Dahingegen übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes Kontrolle aus. Zusätzlich gibt es in Süd-/Zentralsomalia große Gebiete, wo unterschiedliche Parteien Einfluss ausüben; oder die von niemandem kontrolliert werden; oder deren Situation unklar ist (BMLV 2.7.2025; vgl. PGN 19.6.2025).
Hargeysa, Berbera, Burco und Garoowe sind sichere Städte. Mit kleineren Einschränkungen gilt dies auch für Baidoa, Belet Weyne, Bossaso, Dhusamareb, Galkacyo, Jowhar und Kismayo (BMLV 2.7.2025; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023).
Political Geography Now gibt die Lage mit Stand 19.6.2025 folgendermaßen wieder:
PGN 19.6.2025
Critical Threats bietet einen Überblick über die spezifisch auf al Shabaab bezogene Situation für Somalia und Kenia (Karte vom Juni 2025):
CT/Tyson/AEI 10.6.2025
EUAA hat Daten von ACLED ausgewertet und berichtet, dass im Zeitraum von zwei Jahren (April 2023-März 2025) in ganz Somalia 5.944 sicherheitsrelevante Zwischenfälle dokumentiert worden sind. Dabei handelte es sich bei 3.759 um Kampfhandlungen, bei 1.479 um Explosionen oder Angriffe aus der Ferne [remote Violence] und bei 706 um gezielte Gewalt gegen Zivilisten [Violence against Civilians]; insgesamt wird angemerkt, dass jeder einzelne Zwischenfall für Zivilisten ein potenzielles Risiko darstellt, auch wenn die Gewalt nicht direkt gegen Zivilisten gerichtet ist. Auf Basis dieser Daten beläuft sich im genannten Zeitraum die durchschnittliche Zahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen in ganz Somalia auf ca. 8,1 pro Tag (EUAA 5.2025).
Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Die Sicherheitslage bleibt fragil (AA 25.4.2025). Weiterhin fordert der Konflikt Opfer, es kommt zu willkürlichen Tötungen, Vertreibungen und anderen Kriegsverbrechen durch alle Konfliktbeteiligten. Die österreichische Botschaft spricht in diesem Zusammenhang von einem bewaffneten Konflikt (ÖB Nairobi 10.2024), das deutsche Auswärtige Amt von gewaltsamen Auseinandersetzungen (AA 25.4.2025). Die Bundesregierung hat es auch nach wie vor nicht geschafft, die Reichweite staatlicher Institutionen in Bezug auf die Bereitstellung von Dienstleistungen für Bürger und den Schutz ihres Lebens und ihres Eigentums über Mogadischu hinaus auszuweiten (BMLV 2.7.2025). Generell ist die Regierung nicht in der Lage, für Sicherheit zu sorgen. Um eine fragile Sicherheit gewährleisten zu können, ist sie auf AUSSOM, auf lokale somalische Akteure (Regionalverwaltungen, Bundesstaaten, Clans) aber auch auf die Unterstützung anderer Staaten angewiesen (BMLV 2.7.2025; vgl. AA 25.4.2025; BS 2024). Andererseits leben und arbeiten in Somalia laut einer Quelle mehr als 60.000 Gastarbeiter aus Kenia und Uganda (TEA/Barigaba 28.4.2024).
Die Aktivitäten der islamistischen Terrororganisation al Shabaab prägen das Land. Die Gruppe hält primär ländliche Gebiete in Süd-/Zentralsomalia und stellt weiterhin die größte Bedrohung für die Sicherheit in Somalia dar. Von der Regierung kontrollierte Gebiete - inklusive Mogadischu - werden häufig Schauplatz terroristischer Anschläge seitens al Shabaab. Ziel sind primär Regierungsvertreter, Sicherheitskräfte, AUSSOM und ausländische Vertreter. Die innenpolitischen Zwistigkeiten drohen, der Gruppe weitere Räume zu öffnen (AA 25.4.2025; vgl. BMLV 2.7.2025). Weite Teile des Hinterlandes verbleiben unter Kontrolle der dschihadistischen al Shabaab. Weitere Teile werden von Clanmilizen oder Bundesstaaten kontrolliert, die nicht mit der Bundesregierung kooperieren (BS 2024). Laut Vereinten Nationen verteilen sich die sicherheitsrelevanten Vorfälle in Berichten der Jahre 2023-2025 wie folgt:
UNSC 28.3.2025; UNSC 27.9.2024; UNSC 3.6.2024; UNSC 2.2.2024; UNSC 13.10.2023
In Teilen Süd-/Zentralsomalias (südlich von Puntland) kommt es regelmäßig zu örtlich begrenzten Kampfhandlungen zwischen somalischen Sicherheitskräften/Milizen bzw. ATMIS/AUSSOM und al Shabaab (AA 23.6.2025). V. a. in den Bundesstaaten Galmudug, HirShabelle, SWS und Jubaland kommt es regelmäßig zu Kampfhandlungen (AA 25.4.2025; vgl. BMLV 2.7.2025). Gegenwärtig am meisten betroffen ist der Bundesstaat HirShabelle. Al Shabaab konzentriert ihre Kräfte mit Stand Juni 2025 auf die in Richtung Westen drückende Front in HirShabelle. Dementsprechend wenig tut sich in anderen Bereichen. So gibt es etwa in Mudug kaum noch Kampfhandlungen. Mitte Juni 2025 hat sich abgezeichnet, dass al Shabaab das hohe Tempo nicht unbegrenzt durchhalten konnte. Die Gruppe muss mit den eigenen Kräften haushalten - zumal bei al Shabaab kaum Truppenrotationen stattfinden und die Gruppe - punktuell auch schwere - Verluste erlitten hat. Diese gehen aber nicht an die Substanz, und al Shabaab kann den Druck aufrechterhalten. Allerdings geht die Bereitschaft für größere Gefechte zurück (BMLV/STDOK 6.6.2025).
Generell sind jene großen Städte (Bezirks- und Bundesstaatshauptstädte), die nicht im unmittelbaren Schwerpunkt der Kampfhandlungen liegen, nicht von einer Eroberung durch al Shabaab bedroht. Andererseits sind aufgrund der Unklarheit hinsichtlich der Finanzierung von AUSSOM und insbesondere hinsichtlich des Abzugs des burundischen Kontingents z. B. zur Sicherheit von wichtigen Städten wie Jowhar, Balcad und Cadale kaum klare Aussagen möglich (BMLV/STDOK 6.6.2025). Vereinzelt kommt es seitens al Shabaab zu Angriffen mit Artillerie. So etwa am 27.2.2025 bei einem Raketenangriff oder am 19.3.2025 beim Mörserbeschuss auf den Flughafen von Mogadischu (UNSC 28.3.2025).
Schutztruppe der Afrikanischen Union (AUSSOM) als relevanter Faktor: AUSSOM (African Union Support and Stabilization Mission in Somalia) ist der Nachfolger der Mission ATMIS. Die neue Mission trat ihren Dienst offiziell zu Beginn des Jahres 2025 an. Allerdings fanden an diesem Tag keine größeren Truppen- oder Ausrüstungsbewegungen statt, denn die Vorgängermission ATMIS ging im Wesentlichen in AUSSOM über. Von 2023 bis Ende 2024 hat ATMIS insgesamt 21 Stützpunkte an somalische Kräfte übergeben und drei weitere geschlossen. Bei der Übergabe an AUSSOM verfügte ATMIS aber immer noch über etwa 50 Stützpunkte in Somalia (PGN 19.6.2025). [siehe auch Ausländische Kräfte] Als die Truppen von ATMIS reduziert wurden, begann ein Erstarken von al Shabaab. Von den 21 ATMIS-Stützpunkten, die an Regierungskräfte übergeben worden sind, befinden sich heute mindestens vier unter der Kontrolle von al Shabaab (PGN 19.6.2025). Im aktuellen Zustand ist AUSSOM zudem kein tragfähiger Ersatz für ATMIS. Die Truppen sind in Unordnung, die Truppenstärke reicht nicht aus. Zudem fehlt nach wie vor die Finanzierung (Sahan/SWT 12.3.2025).
Die Bundesarmee hat zwar ab Jänner 2023 12.000 neue Soldaten in Dienst bestellt, davon ist aber nur noch die Hälfte einsatzbereit. Alleine im Zeitraum Jänner 2023 bis April 2024 musste die Bundesarmee 4.600 Gefallene verzeichnen. Die Armee ist ausgeblutet, die Spezialeinheit Gorgor ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Alleine beim Angriff der al Shabaab auf das Lager Osweyne hat sich eine ganze Brigade aufgelöst. Von 2.400 Mann sind dort 800 gefallen, viele weitere wurden verwundet oder sind desertiert. Auch die Darawish von Galmudug sind stark dezimiert worden. Insgesamt wird attestiert, dass die Bundesarmee nicht mehr handlungsfähig ist. Seit Ende 2023 sind auch keine Bemühungen bekannt, Lücken durch neue Rekrutierungen zu füllen. Lediglich für Gorgor werden neue Soldaten ausgebildet. Gleichzeitig ist die "Volksmobilisierung" über die Macawiisley zum Erliegen gekommen. Somalia ist nach Angaben einer Quelle Lichtjahre davon entfernt, Verantwortung für die eigene Sicherheit übernehmen zu können. Neben der fehlenden Truppenstärke stellt auch die fehlende Ausrüstung (schwere Waffen, Luftkomponente etc.) ein Problem dar (BMLV 2.7.2025). Die Soldaten der Bundesarmee sind schwer demoralisiert und wenig kampfbereit; Hunderte sind desertiert (STDOK/BMLV 10.4.2025; vgl. Sahan/SWT 26.3.2025). Die Bundesregierung hat im März 2025 deshalb mitunter Polizisten und Gefängniswärter an die Front schicken müssen (Sahan/SWT 17.3.2025), von denen unmittelbar nach Eintreffen bereits Dutzende desertiert sind (BMLV 2.7.2025). [siehe auch Somalische Kräfte]
Folglich ist AUSSOM maßgeblich an der Kontrolle des Territoriums beteiligt. V. a. in städtischen Gebieten fungieren die Soldaten als Haltetruppe und sind für die Sicherheit der somalischen Führung und der Wirtschaftsquellen des Landes, einschließlich Häfen und Flughäfen, maßgeblich verantwortlich (BMLV 2.7.2025; vgl. ACAPS 17.8.2023).
Nach Angaben einer Quelle könnte der Fall, dass Mogadischu eingenommen und die Bundesregierung vertrieben wird, nur bei völligem Wegfall jeglicher externen Unterstützung eintreten. Mit Unterstützung durch AUSSOM sowie durch andere externe Partner (Türkei, UN, EU etc.) wird demnach das Halten von Mogadischu möglich sein bzw. ist al Shabaab der zu zahlende Blutzoll zu hoch (BMLV 2.7.2025). Trotzdem verdeutlicht die Einnahme von Adan Yabaal, Aboorey und anderen wichtigen Orten durch al Shabaab die weiterhin wachsende Bedrohung für die somalische Hauptstadt (Sahan/SWT 16.4.2025).
Eine andere Quelle erklärt, dass auch andere größere Städte - z. B. Mogadischu, Kismayo, Baidoa - aufgrund der dort gegebenen Massierung an Mannschaften und Gerät nicht von al Shabaab eingenommen werden können (Sahan/SWT 6.3.2024). Für Baidoa ergänzt eine andere Quelle, dass die äthiopischen Truppen dort den Unterschied ausmachen. - Ohne ihre Präsenz würde die Stadt demnach verloren gehen. Kismayo hingegen wird von eigenen jubaländischen Kräften gesichert, ein Abzug der kenianischen Truppen vor Ort würde keinen relevanten Unterschied machen (BMLV 2.7.2025).
Al Shabaab [siehe auch Al Shabaab] verwendet gewalttätige, extremistische Taktiken. Die Gruppe bleibt die signifikanteste Bedrohung für Frieden, Stabilität und Sicherheit. Sie ist in hohem Maß anpassungsfähig und mobil und kann ihren Einfluss auch in Gebieten außerhalb der eigenen Kontrolle geltend machen. Die Gruppe bedient sich neben politischen und kriminellen Mitteln (wie Einschüchterung, Erpressung etc.) zur Kontrolle der Bevölkerung im militärischen Bereich zur Erreichung der Ziele der gesamten Bandbreite der asymmetrischen Kriegsführung. Mit unterschiedlichen Methoden gelingt es al Shabaab, die Bevölkerung zu kontrollieren, Einfluss auf die Politik zu nehmen und in Süd-/Zentralsomalia für ein Klima der Angst zu sorgen: Kontrolle großer Gebiete; sogenannte Hit-and-Run-Angriffe gegen Städte und militärische Positionen; Ausnutzung von Clanstreitigkeiten mit einer Taktik des "teile und herrsche"; Unterbrechung von Hauptversorgungsrouten und Blockade von Städten; und in wichtigen Städten (z. B. Mogadischu, Baidoa, Galkacyo, Jowhar) gezielte Attentate, Anschläge mit improvisierten Sprengsätzen und Mörserangriffe. Zusätzlich ist die Gruppe auch weiterhin in der Lage, größere - sogenannte "komplexe" - Angriffe durchzuführen. Dabei verfolgt al Shabaab insgesamt eine klassische Guerilla-Doktrin: Die Einkreisung von Städten aus dem ländlichen Raum heraus (BMLV 2.7.2025).
Jüngere Vergangenheit: In den vergangenen Jahren wurden Offensiven gegen al Shabaab durchgeführt, die sich zunächst aus militärischer Sicht als erfolgreich erwiesen haben (Sahan/SWT 4.8.2023). Im Jahr 2022 erklärte die Bundesregierung al Shabaab den „totalen Krieg“ (Horn/A.J. Mohamed 15.5.2025). Im Zuge der folgenden Offensive gelang es der Regierung, unter Einbeziehung lokaler Clanmilizen al Shabaab aus weiten Teilen HirShabelles und Galmudugs zurückzudrängen (AA 25.4.2025; vgl. Horn/A.J. Mohamed 15.5.2025). An der Spitze des Kampfes standen die Macawiisley-Milizen (Economist 3.11.2022; vgl. Sahan/SWT 4.8.2023, ICG 21.3.2023). Diese lokalen Milizen werden von den Vereinten Nationen "Community Defence Forces" genannt (UNSC 15.6.2023). Al Shabaab verlor damals die Kontrolle über mehrere strategisch wichtige Städte wie die Hafenstadt Xaradheere, Ceel Dheere und Adan Yabaal (BBC 15.6.2023; vgl. ICG 21.3.2023). Spätestens ab Mitte 2024 gingen einige Orte und Gebiete wieder an al Shabaab verloren (UNSC 28.10.2024; vgl. AA 25.4.2025), weil die Bundesregierung unfähig war, in den befreiten Gebieten auch nur grundlegende staatliche Aufgaben wahrzunehmen (AA 25.4.2025; vgl. ÖB Nairobi 10.2024; ) bzw. die befreiten Gebiete wirksam zu stabilisieren (Sahan/SWT 4.8.2023). Die Rückschläge sind auch auf einen Mangel an Truppen zurückzuführen (ÖB Nairobi 10.2024; vgl. BMLV 7.8.2024). Zudem kam es zu logistischen Problemen, einem Mangel an Ressourcen und einem Aufbrechen von Clankonflikten (HIPS 7.5.2024). Das Versäumnis, gespaltene Gemeinschaften zu versöhnen, hat zudem dazu geführt, dass auch in Absenz von al Shabaab neue Konflikte entstehen konnten (Sahan/SWT 4.8.2023).
Aktueller Trend: Im März und April 2024 scheiterte ein letzter Versuch der Bundesregierung, eine neue Offensive voranzutreiben. Letztendlich gibt es keine Kräfte mehr, welche nun eine neue Offensive führen könnten. Das Momentum liegt bei al Shabaab, die Bundesregierung befindet sich in der Defensive (BMLV 2.7.2025). Die Gruppe hat viele der von der Bundesregierung seit August 2022 erzielten Erfolge wieder zunichtegemacht (VOA/Babb 18.6.2024; vgl. PGN 19.6.2025). Während der Gebietsgewinn in HirShabelle nachhaltiger ist, wurde das in Galmudug gewonnene Gelände nahezu gänzlich wieder verloren. Al Shabaab konnte mehr als die Hälfte des verlorenen Gebietes wieder besetzen (BMLV 2.7.2025). Ende Feber 2025 hat al Shabaab eine erfolgreiche Gegenoffensive eröffnet. V. a. in Middle Shabelle ist es der Gruppe gelungen, strategisch wichtige Ortschaften und auch die Stadt Adan Yabaal einzunehmen (BAMF 3.3.2025; vgl. SG/WP 28.5.2025; Weiss/FDD 3.3.2025). Al Shabaab hat Schwachstellen gezielt ausgenutzt, schwach besetzte Stützpunkte erobert und große Mengen an Waffen und Munition erbeutet (BAMF 3.3.2025; vgl. BMLV 2.7.2025), auch wenn Regierungskräfte und Macawiisley einige Gebiete halten konnten (Weiss/FDD 3.3.2025). Bei Auseinandersetzungen sind in den ersten drei Monaten 2025 fünf Mal mehr Tote zu beklagen, als dies im gesamten Jahr 2024 der Fall war. Die Kampfhandlungen in Middle Shabelle haben sich fast verdoppelt (CT/Karr/Tyson/Ford/Banane 20.3.2025). Anfang Juli 2025 hat al Shabaab schließlich noch die wichtige Stadt Moqokori in Hiiraan einnehmen können (CT/Karr/Tesfaye/AEI 10.7.2025).
Al Shabaab hat in Zentralsomalia also große Fortschritte erzielt - insbesondere in HirShabelle. Diese ermöglichen es der Gruppe nun auch, die wichtige Route von Mogadischu nach Zentralsomalia zu bedrohen (CT/Tyson/Ford/Karr/AEI 1.5.2025; vgl. PGN 19.6.2025). Auch im Umland von Mogadischu, in Lower Shabelle, konnte al Shabaab einzelne Ortschaften erobern, die für die Regierungskräfte von entscheidender Bedeutung sind, um die Hauptstadt vor in Fahrzeugen montierten Sprengsätzen zu schützen (CT/Tyson/Ford/Karr/AEI 1.5.2025). Unter den eroberten Ortschaften finden sich Aw Dheegle, Bariire, Sabiid und Anoole (Horn/A.J. Mohamed 15.5.2025). Al Shabaab kontrolliert nun drei der vier wichtigsten Shabelle-Brücken der Region - alle, mit Ausnahme von Afgooye (Sahan/SWT 26.3.2025). Allerdings wurde Sabiid später von Regierungsseite wieder zurückerobert, allerdings hat al Shabaab die Brücke dort und auch jene in Bariire zerstört. Nun kontrolliert die Gruppe noch die Brücke in Aw Dheegle (BMLV 2.7.2025).
Die Erfolge in Süd-/Zentralsomalia werden es al Shabaab ermöglichen, den wirtschaftlichen und militärischen Druck auf Mogadischu zu erhöhen und so die Bundesregierung zu destabilisieren und ihre Legitimität zu untergraben (CT/Tyson/Ford/Karr/AEI 1.5.2025; vgl. Horn/A.J. Mohamed 15.5.2025). Zwei Quellen gehen davon aus, dass al Shabaab in näherer Zukunft keine Offensive auf Mogadischu starten wird, um die Macht zu übernehmen (CT/Tyson/Ford/Karr/AEI 1.5.2025; vgl. BMLV 2.7.2025). Andere Quellen waren im April 2025 zumindest besorgt, dass al Shabaab weiter in Richtung Mogadischu vorrücken könnte (SG 8.4.2025; vgl. Sweet/Toth/The Hill 1.4.2025). Eine weitere Quelle erklärt, dass die Gruppe Mogadischu nicht einnehmen, dass sie aber im Umland ihre Angriffe erhöhen wird (Sahan/SWT 7.4.2025).
Den mit der Bundesregierung verbündeten Kräften ist es immerhin gelungen, sich entlang des Küstenstreifens von Middle Shabelle und im Kernland der Macawiisley im Ost-Hiiraan zu behaupten. Die Frontlinien bei Jubaland, Galmudug sowie Bay und Bakool blieben größtenteils unberührt (PGN 19.6.2025). Critical Threats zeigt auf einer Lagekarte die Erfolge von al Shabaab in Hiiraan, Galgaduud und Middle Shabelle (Stand April 2025):
CT/Karr/AEI 24.4.2025
Die folgende Karte von Critical Threats zeigt ebenfalls das Fortschreiten von al Shabaab und sicherheitsrelevante Vorfälle im Zuge der Offensive der Gruppe in den ersten vier Monaten des Jahres 2025:
CT/Karr/AEI 17.4.2025
Al Shabaab hat trotz der nominell hohen Verluste, die der Gruppe durch Luftangriffe und Gefechte zugefügt worden sind, keinen Mangel an Kämpfern (BMLV 2.7.2025). Laut zweier Quellen ist al Shabaab heute stärker als vor der Regierungsoffensive 2022/23 (BMLV 2.7.2025; vgl. Sahan/SWT 10.2.2025). Die Gruppe hat sich zusätzliche Waffen gesichert und massiv rekrutiert (Sahan/SWT 10.2.2025). Das sogenannte "Hafenabkommen" zwischen Äthiopien und Somaliland hat ihr viele neue Rekruten gebracht (VOA/Babb 18.6.2024). Während eines Großteils der Trump-Jahre konnten Kämpfer der al Shabaab aufgrund der Intensität der Luftangriffe nicht in Konvois reisen (Sahan/SWT 2.8.2023). Heute ist besorgniserregend, wie leicht sich die Gruppe in weiten Teilen Somalias bewegen kann. Al Shabaab ist nun wieder in der Lage, Hunderte Kräfte zu konzentrieren, um Stützpunkte der Bundesarmee oder ihrer Verbündeten zu vernichten (BMLV 2.7.2025).
Al Shabaab greift weiterhin regierungsnahe Kräfte und Ziele sowie Zivilisten im ganzen Land an. Die Gruppe übt Druck auf Zivilisten aus, ihre extremistische Ideologie zu unterstützen (USDOS 26.6.2024). Angegriffen werden Regierungseinrichtungen sowie Sicherheitskräfte und deren unmittelbare Umgebung. Auch der Flughafenbereich in Mogadischu ist betroffen (AA 23.6.2025). Selbst auf den Konvoi des Präsidenten wurde im März 2025 ein Attentat verübt (SG/WP 28.5.2025; vgl. HO 18.3.2025). Es ist nicht gelungen, Angriffe von al Shabaab auf Militärstützpunkte einzudämmen. Die Gruppe ist auch immer noch in der Lage, Angriffe in Mogadischu, gegen Stützpunkte von AUSSOM und über die Grenzen der AUSSOM-Truppenstellerstaaten Äthiopien und Kenia hinweg zu verüben. In Zentralsomalia hält sich al Shabaab weiterhin im freien Gelände zwischen den Ortschaften auf und greift bei jeder Gelegenheit die Orte selbst bzw. die Bewegungen zwischen den Ortschaften an. Neu ist, dass al Shabaab nunmehr auch gezielt Ortschaften angreift, um diese einzunehmen. In den vergangenen Jahren war dies nicht der Fall. Nun aber kämpft die Gruppe hartnäckig und teils über Tage hinweg, um Orte entweder zu verteidigen oder einzunehmen. Dabei geht es um zwei Ziele: das Gelände an und für sich; und die Abnutzung des Gegners (BMLV 2.7.2025). In Städten sowie entlang von Hauptversorgungsrouten und Nebenstraßen setzt die Gruppe improvisierte Sprengsätze ein. Diese bieten ihr eine kostengünstige und hochwirksame Möglichkeit, um Regierungstruppen und deren Alliierte zu töten und zu verstümmeln. Zusätzlich stört die Gefahr von Sprengsätzen Truppenbewegungen (Sahan/SWT 19.6.2024).
Die Beziehungen der Bundesregierung zu manchen im Kampf gegen al Shabaab erfolgreichen Clans (v. a. die Hawadle) haben sich aufgrund politischer Verwerfungen abgekühlt (ACLED 15.9.2023). Gleichzeitig zwingt die Unfähigkeit der Regierung lokale Clans zu Friedensabkommen mit al Shabaab, um die eigene Sicherheit zu gewährleisten (BMLV 2.7.2025; vgl. HI 4.2023; ACLED 15.9.2023). Bereits Ende Dezember 2022 wurde mit Teilen der Saleban ein neues Abkommen geschlossen (ICG 21.3.2023). Gleichzeitig schürt al Shabaab unter den Clans Angst, dass fremde Clanmilizen über sie herzufallen drohen. Diese Propaganda dient auch als Rekrutierungsmittel, z. B. bei den Murusade in Zentralsomalia (BMLV 2.7.2025).
Gebietskontrolle: Al Shabaab wurde in der Vergangenheit erfolgreich aus den großen Städten gedrängt (ÖB Nairobi 10.2024). Während ATMIS bzw. AUSSOM und die Armee die Mehrheit der Städte halten, übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes die Kontrolle aus oder kann dort zumindest Einfluss geltend machen (USDOS 26.6.2024; vgl. BS 2024; ÖB Nairobi 10.2024). Gleichzeitig hat al Shabaab die Fähigkeit behalten, in Mogadischu zuzuschlagen (USDOS 26.6.2024). Die Gebiete Süd-/Zentralsomalias befinden sich also teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle von al Shabaab oder anderer Milizen. Allerdings ist die Kontrolle der somalischen Bundesregierung im Wesentlichen auf Mogadischu beschränkt; die Kontrolle anderer urbaner und ländlicher Gebiete liegt bei den Regierungen der Bundesstaaten, welche der Bundesregierung de facto nur formal unterstehen (AA 23.6.2025). In Baidoa und Jowhar hat die Bundesregierung stärkeren Einfluss. Ihre Verbündeten kontrollieren viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben (BMLV 2.7.2025).
Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten, und der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "Urban Island Scenario" besteht also weiterhin. Das heißt, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AUSSOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Gebessert hat sich die Lage in Ost-Hiiraan und in Middle Shabelle, wo auch Bewegungen zwischen den Orten möglich sind. Als "Inseln" zu bezeichnen sind hingegen z. B. Xudur, Waajid, Diinsoor, Wanla Weyne und Baraawe (BMLV 2.7.2025). Dabei operiert al Shabaab v. a. aus dem ländlichen Raum heraus, übt aber auch auf Städte und Gebiete, die nicht direkt von der Gruppe kontrolliert werden, erheblichen Einfluss aus (BS 2024). In Gebieten, in welchen al Shabaab keine direkte Kontrolle ausübt - sei es wegen der Präsenz von somalischen oder internationalen Sicherheitskräften, sei es wegen der Präsenz von Clanmilizen - versucht die Gruppe die lokale Bevölkerung und die Ältesten durch Störoperationen entlang der Hauptversorgungsrouten zu bestrafen bzw. deren Unterstützung zu erzwingen (BMLV 2.7.2025; vgl. AQ21 11.2023).
Wie auf der Karte von PGN im Kapitel Sicherheitslage ersichtlich, befinden sich große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss von al Shabaab. Die wesentlichen, von al Shabaab verwalteten und kontrollierten Gebiete sind:
1. das Juba-Tal mit den Städten Buale, Saakow und Jilib; de facto die gesamte Region Middle Juba;
2. Jamaame und ein großes Gebiet um Badhaade in Lower Juba;
3. Gebiete um Ceel Cadde und von Qws Qurun östlich in der Region Gedo;
4. Gebiete nördlich und entlang des Shabelle in Lower Shabelle, darunter Sablaale und Kurtunwaarey;
5. der südliche Teil von Bay mit Ausnahme der Stadt Diinsoor;
6. Gebiete rechts und links der Grenzen von Bay mit Bakool bzw. Bakool und Hiiraan, inklusive der Stadt Tayeeglow;
7. Rab Dhuure und das Gebiet östlich davon in Bakool;
8. das nördliche Viertel von Middle Shabelle mit der Stadt Adan Yabaal;
9. die südliche Hälfte von Galgaduud mit der Stadt Ceel Buur;
10. und ein kleiner Teil im südlichen Mudug (PGN 19.6.2025);
Generell kann aber kein Gebiet in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden. Insbesondere durch die Infiltration mittels verdeckter Akteure kann die Gruppe nahezu überall aktiv werden. Ein Vordringen größerer Kampfverbände von al Shabaab in unter Kontrolle der Regierung stehende Städte kommt nur in seltenen Fällen vor. Eine Infiltration der Städte durch verdeckte Akteure von al Shabaab kommt in manchen Städten vor. Immer wieder gelingt es al Shabaab, Orte oder Stützpunkte einzunehmen (BMLV 2.7.2025). Al Shabaab hat sich fähig gezeigt, Territorien, die bereits durch die Bundesarmee und ATMIS befreit wurden, wieder zurückzuerobern. Das Scheitern, eroberte Territorien erfolgreich zu halten, ist mit dem Mangel an Polizeipräsenz in den eroberten Gebieten und der allgemein schlechten Moral in der Bundesarmee verbunden (ÖB Nairobi 10.2024).
Andere Akteure: Kämpfe zwischen Clans und Subclans sind weit verbreitet, insbesondere in den Regionen Hiiraan, Galmudug, Lower und Middle Shabelle bzw. in Regionen, in denen die Regierung oder staatliche Behörden schwach oder nicht vorhanden sind (ÖB Nairobi 10.2024; vgl. Sahan/SWT 11.7.2024). Die Vereinten Nationen berichten in diesem Zusammenhang von Vorfällen in Middle Shabelle, Galgaduud, Mudug und Gedo. Derartige Clankonflikte führen immer wieder zu zivilen Opfern (UNSC 28.3.2025). Ausgelöst werden sie oftmals von Streitigkeiten um Land und andere Ressourcen (UNSC 28.3.2025; vgl. ÖB Nairobi 10.2024; Sahan/SWT 11.7.2024). Da der Klimawandel den Druck auf Viehzüchter und Bauern in ganz Somalia erhöht, werden einst relativ fruchtbare Gebiete zu Schauplätzen zunehmender Auseinandersetzungen zwischen benachbarten Clans (Sahan/SWT 11.7.2024). Auch Rachemorde und Machtkämpfe können Clankonflikte fördern (UNSC 28.3.2025), können wirtschaftliche oder politische Streitigkeiten schnell zu gewaltsamen Auseinandersetzungen eskalieren (Sahan/SWT 11.7.2024).
Es kommt immer wieder auch zu Auseinandersetzungen somalischer Milizen einzelner (Sub-)Clans untereinander (AA 23.6.2025; vgl. BS 2024) sowie zwischen Clanmilizen und Sicherheitskräften (BMLV 2.7.2025; vgl. BS 2024). EUAA schätzt auf Basis von Daten von ACLED die Zahl an Milizen von Clans und Subclans im ganzen Land auf "mehr als hundert" (EUAA 5.2025). Bei durch das Clansystem hervorgerufener (teils politischer) Gewalt kommt es auch zu Rachemorden und Angriffen auf Zivilisten (USDOS 20.3.2023). Insgesamt sind sich Experten einig, dass das Ausmaß an Clankonflikten, Rivalitäten und Feindseligkeiten in den letzten zwei Jahren landesweit erheblich zugenommen hat (EUAA 5.2025; vgl. BMLV 2.7.2025).
Die Offensive in Zentralsomalia - und auch die Verwendung von Clanmilizen ("Community Defence Forces") gegen al Shabaab - hat Clanrivalitäten teils verstärkt (BS 2024; vgl. UNGA 23.8.2024; HIPS 7.5.2024). Die Abhängigkeit der staatlichen Sicherheitskräfte von Clanmilizen birgt erhebliche Risiken. Es gibt tiefe Spaltungen zwischen Clans, und Bündnisse mit bestimmten Clans können andere entfremden. Manche haben sich entsprechend mit al Shabaab verbündet (BS 2024). Al Shabaab wiederum schürt die Gewalt zwischen den Clans (Sahan/SWT 10.2.2025; vgl. BMLV 4.7.2024).
Insgesamt infolge der Offensive in Zentralsomalia ein Klima der Straflosigkeit entstanden: Clans, die Rechnungen begleichen wollen, müssen keinen Widerstand von staatlicher Seite erwarten – weder von der Bundesarmee noch von den Darawish (Kräfte der Bundesstaaten), die entweder gebunden oder aber nicht existent sind. Neben der Ablenkung durch den Kampf gegen al Shabaab lähmen auch die Wiederwahlambitionen diverser Präsidenten der Bundesstaaten und die Schwäche der Regionalkräfte die Kapazitäten und Handlungsmöglichkeiten der Verwaltungen hinsichtlich von Clankonflikten. Ein anderer Grund für das Anwachsen von Clankonflikten ist es, dass sich die politische Elite um den Bundespräsidenten kaum mit Clankonflikten auseinandersetzt. Dies bewirkt ein Klima des „Jeder-für-sich-selbst“. Clankonflikte gab es in jüngerer Vergangenheit z. B. in Qoryooley zwischen den Digil-Clans Jidde und Garre; im Raum Dhusamareb zwischen den Hawiye-Clans Habr Gedir und Duduble; in Mudug zwischen den Hawiye / Sa’ad und Darod / Leelkase; oder in Middle Shabelle zwischen den Hawiye-Clans Abgaal und Hawadle (BMLV 2.7.2025).
Seit dem Jahr 1991 gibt es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden (AA 25.4.2025). Gewaltakte durch bewaffnete Gruppen und Banden und Armutskriminalität sind im gesamten Land weit verbreitet. Bewaffnete Überfälle, Autoraub ("Carjacking"), sexueller Missbrauch und auch Morde kommen häufig vor (AA 23.6.2025). Laut einer Schätzung aus dem Jahr 2017 befinden sich mehr als 1,1 Millionen Handfeuerwaffen in Privatbesitz. Nur ein Bruchteil davon ist registriert (Sahan/SWT 4.12.2023). Eine Quelle berichtet, dass fast jeder Haushalt zur Selbstverteidigung bewaffnet ist (Sahan/Petrovski 24.5.2024).
Sogenannter Islamischer Staat in Somalia (ISS): Die Vereinten Nationen rechnen dem ISS im Zeitraum September 2024 bis März 2025 insgesamt vier zivile Opfer zu (UNSC 28.3.2025). ACLED verzeichnet in seiner Datenbank im Jahr 2024 vier gewaltsame Vorfälle in Zusammenhang mit dem ISS, davon drei in Puntland und einen in Mogadischu (ACLED 10.1.2025). [Zum ISS siehe insbesondere Sicherheitslage / Puntland].
Durch Konflikte Vertriebene: Im Jahr 2025 sind laut Daten des UNHCR bis inklusive Mai in ganz Somalia insgesamt 166.000 Menschen vertrieben worden, davon 89.000 (54 %) aufgrund von Konflikt und Unsicherheit. Im Gesamtjahr 2024 waren es insgesamt 547.000 bzw. 290.000 (53 %). Durch den Vergleich der Zahlen der Jahre 2024 und 2025 (Jänner-Mai) von Personen, welche wegen des Konfliktes und der Unsicherheit geflüchtet sind, werden auch das Verschieben der Front bzw. die Hotspots deutlich (Vergleichszahlen in Klammer: Gesamtjahr 2024): Middle Shabelle 34.000 (10.000), Bari 16.000 (null), Lower Shabelle 12.000 (24.000), Gedo 4.000 (87.000), Middle Juba 3.000 (24.000), Hiiraan 3.000 (6.000), Bakool 2.000 (13.000), Bay 1.000 (22.000), Mudug 500 (29.000), Galgaduud 200 (4.000), Lower Juba null (34.000); in den Regionen Benadir und Nugaal gab es 2025 noch keine wegen Konflikt Vertriebenen (UNHCR 2025).
Zivile Opfer: Eine Quelle berichtet für den Zeitraum Jänner-September 2024, dass al Shabaab für 560 von 854 (66 %) getöteten oder verletzten Zivilisten verantwortlich war (AI 29.4.2025). Der UN-Sicherheitsrat gibt die Verantwortung von al Shabaab für zivile Opfer im Zeitraum September 2024 bis März 2025 mit 50 % an. An zweiter Stelle folgen Unbekannte (24 %), Clanmilizen (18 %), staatliche Sicherheitskräfte (7 %) und der ISS (1 %) (UNSC 28.3.2025). Zivilisten sind insbesondere in Frontbereichen, wo Gebietswechsel vollzogen werden, einem Risiko von Racheaktionen durch al Shabaab oder aber von Regierungskräften ausgesetzt (BMLV 7.8.2024). So hat al Shabaab mitunter in Gemeinden, die Widerstand geleistet hatten, Brunnen zerstört oder Stammesälteste hinrichtet (Sahan/SWT 10.2.2025).
Zwar richten sich Angriffe von al Shabaab üblicherweise gegen Personengruppen, die von der Gruppe als Feinde erachtet werden, doch kommen dabei auch Zivilisten zu schaden, welche sich am oder in der Nähe des Ziels aufhalten (BMLV 7.8.2024; vgl. ÖB Nairobi 10.2024). Al Shabaab greift i. d. R. Zivilisten, die sich nicht auf die eine oder andere Weise exponieren, nicht spezifisch an (BMLV 2.7.2025). Auch mit Sprengstoffanschlägen greift die Gruppe meist nicht mutwillig Zivilisten an und verwendet diese Taktik - im Vergleich zu anderen Terrorgruppen - gezielter. Dennoch wählt sie in regelmäßigen Abständen Ziele aus, bei denen der Gruppe bewusst ist, dass viele Zivilisten Kollateralschäden erleiden werden - etwa bei Angriffen auf Hotels, Kaffee- oder Teehäuser, Restaurants oder belebte Straßenkreuzungen (FDD/Roggio 11.10.2023; vgl. Sahan/SWT 7.8.2024). Unklar ist, ob auch der Anschlag am Lido Beach in Mogadischu am 2.8.2024 für diese Kategorie gewertet werden kann. Bei diesem komplexen Anschlag wurden mehr als 40 Personen getötet und Hunderte weitere verletzt - nahezu allesamt Zivilisten (Sahan/SWT 7.8.2024; vgl. UNSC 28.10.2024). Eine Quelle berichtet in diesem Zusammenhang aber davon, dass Selbstmordattentäter ihre Sprengsätze eben absichtlich in großen Menschenmengen zünden, unter welchen sie Soldaten oder Regierungsbedienstete vermuten (Sahan/SWT 7.8.2024).
Für Zivilisten besteht das größte Risiko darin, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023; vgl. BMLV 7.8.2024; FIS 7.8.2020b, S. 24ff) und so zum Kollateralschaden von Sprengstoffanschlägen und anderer Gewalt zu werden (BMLV 7.8.2024; vgl. LIFOS 3.7.2019, S. 25; FIS 7.8.2020b, S. 24). So hat Mogadischu über die Jahre Dutzende Arbeiter der Straßenreinigung verloren, die durch versteckte Sprengsätze getötet wurden, welche entlang von Straßen im dahinter liegenden Müll platziert waren (AJ 21.7.2022). Nach anderen Angaben ist es zwar Zufall, wer konkret einem Anschlag zum Opfer fällt; aber al Shabaab greift wahllos und doch gezielt auch Zivilisten an. Die Intention ist es demnach, der Bevölkerung vor Augen zu führen, dass die Regierung sie nicht beschützen kann (ACCORD 31.5.2021, S. 10ff). Denn ein Ziel von al Shabaab ist es, Angst zu verbreiten (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Zivilisten werden in allen Lebensbereichen in eine Art endemisch-alltägliche Unsicherheit versetzt, und das, obwohl die Wahrscheinlichkeit, von einem Anschlag getroffen zu werden, relativ gering ist (ACCORD 31.5.2021, S. 27).
Eine [Anm.: ältere, aber weiterhin zutreffende] Grafik des Hiraal Institute bestätigt, dass der wesentliche Fokus von al Shabaab auf den Sicherheitskräften liegt [Anm.: Erklärung zur Grafik: SNA - Bundesarmee; SPF - Polizei; FMS - Bundesregierung; PSF - puntländische Sicherheitskräfte; blau - ca. 5.2021-4.2022; orange - ca. 5.2022-4.2023]:
HI 5.2023
EUAA hat Daten von ACLED ausgewertet und berichtet, dass im Zeitraum von zwei Jahren (April 2023-März 2025) in ganz Somalia 5.944 sicherheitsrelevante Zwischenfälle dokumentiert worden sind. Dabei handelte es sich bei 3.759 um Kampfhandlungen, bei 1.479 um Explosionen oder Angriffe aus der Ferne [remote Violence] und bei 706 um gezielte Gewalt gegen Zivilisten [Violence against Civilians]; insgesamt wird angemerkt, dass jeder einzelne Zwischenfall für Zivilisten ein potenzielles Risiko darstellt, auch wenn die Gewalt nicht direkt gegen Zivilisten gerichtet ist. Auf Basis dieser Daten beläuft sich im genannten Zeitraum die durchschnittliche Zahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen in ganz Somalia auf ca. 8,1 pro Tag (EUAA 5.2025).
Allgemein ist die Datenlage zu Zahlen ziviler Opfer allerdings unklar und heterogen. Der Experte Matt Bryden veranschaulichte dies im Jahr 2021 mit den Angaben mehrerer Organisationen. So gab es laut UNMAS (Mine Action Service) 2020 wesentlich weniger zivile Tote (454) als im Jahr 2019 (1.140). Dahingegen berichtet US-AFRICOM von 776 Vorfällen mit insgesamt 2.395 Opfern im Jahr 2020 und 676 Vorfällen mit 1.799 Opfern 2019. US-AFRICOM zählt zivile und militärische Opfer zusammen. Dementsprechend wären 2020 wesentlich mehr Sicherheitskräfte untern den Opfern gewesen als Zivilisten – ein Widerspruch zu den Angaben der UN, wonach Zivilisten die Hauptlast der Sprengstoffanschläge tragen würden. Dies wird auch von ATMIS bestätigt: Demnach richteten sich 2019 28 % der Anschläge direkt gegen Zivilisten, 2020 waren es 20 % (Sahan/Bryden 6.4.2021).
Von den Vereinten Nationen werden die Zahlen ziviler Opfer (Tote und Verletzte) über die letzten Jahre wie folgt angegeben:
UNSC 28.3.2025; UNSC 27.9.2024; UNSC 3.6.2024; UNSC 2.2.2024; UNSC 13.10.2023; UNSC 15.6.2023; UNSC 16.2.2023; UNSC 1.9.2022a; UNSC 13.5.2022; UNSC 8.2.2022; UNSC 11.11.2021; UNSC 10.8.2021; UNSC 19.5.2021
Die letzte halbwegs glaubwürdige Volkszählung wurde im Jahr 1975 durchgeführt - auch diese mit signifikanten Einschränkungen (Sahan/SWT 10.5.2023). Neueste Schätzungen gehen von 18,7 Millionen (FSNAU/IPC 23.9.2024a), andere von rund 17 Millionen Einwohnern aus (WFP 26.9.2024; vgl. IPC 13.12.2022). Bei Herannahme von 17 Millionen Einwohnern lag die Quote getöteter oder verletzter Zivilisten in Relation zur Gesamtbevölkerung für Gesamtsomalia zuletzt bei 1:20.962 [Anm.: Berechnung auf Basis der in vorgenannten Quellen angegebenen Zahlen] (UNSC 28.3.2025). Das Heranziehen anderer Daten vervielfacht hingegen die Wahrscheinlichkeit: EUAA hat für den Zeitraum April 2023-März 2025 Daten der International NGO Safety Organisation (INSO) ausgewertet. Diese hat 6.861 sicherheitsrelevante Zwischenfälle gezählt. Die Zahl von dabei betroffenen Zivilisten, die getötet, verletzt, entführt oder verhaftet worden sind, wird mit 6.170 angegeben. Darauf basierend lässt sich als Jahresdurchschnitt berechnen, dass die Wahrscheinlichkeit, von einem Vorfall betroffen zu sein, bei einer Einwohnerzahl von 17 Millionen bei 1:5.511 liegt (EUAA 5.2025). EUAA bietet dazu auch eine Grafik auf monatlicher Basis:
EUAA 5.2025
Luftangriffe: Die Zahl an Luftangriffen hat 2025 massiv zugenommen (PGN 19.6.2025; vgl. Sahan/SWT 19.3.2025). Während im Jahr 2023 121 und im Jahr 2024 79 Luftangriffe gezählt worden sind, waren es alleine in den ersten fünf Monaten des Jahres 2025 schon 200 an der Zahl. Davon haben die USA - nach eigenen Angaben - 25 durchgeführt. Mindestens 40 werden den Vereinten Arabischen Emiraten zugerechnet, die Puntland im Kampf gegen den ISS unterstützen. Den großen Rest an Luftangriffen im Jahr 2025 haben einer Quelle zufolge vermutlich in Somalia stationierte türkische Drohnen durchgeführt (PGN 19.6.2025). Kenia und Äthiopien führen sporadisch ebenfalls Luftschläge durch (PGN 19.6.2025; vgl. GN 6.3.2025; EUAA 5.2025), auch AUSSOM verfügt über entsprechende Kapazitäten (EUAA 5.2025). Im Zeitraum September bis Dezember 2024 galten laut Angaben einer Quelle 12 Luftschläge der al Shabaab, im Zeitraum Jänner bis April 2025 waren es 76 (CT/Tyson/Ford/Karr/AEI 1.5.2025).
Galmudug (Galgaduud, Teile von Mudug)
Cadaado, Dhusamareb, Cabudwaaq, Hobyo, Xaradheere und Ceel Dheere befinden sich unter Kontrolle von AUSSOM und Regierungstruppen. Ceel Buur, Wabxo, Osweyne und Galhareri werden von al Shabaab kontrolliert. Dies gilt auch für den größten Teil der südlichen Hälfte Galgaduuds. Laut einer Quelle reicht der Einfluss von al Shabaab nun wieder bis zur Hauptverbindungsroute Belet Weyne - Dhusamareb (PGN 19.6.2025). Im Zentrum der Region Mudug (westlich der Linie Wisil - Miroon bzw. südlich der Achse Baxdo - Dhusamareb befinden sich noch Räume von al Shabaab. Gleiches gilt in Galgaduud für die Gebiete im Nordwesten der gedachten Linie Ceel Dheere - Galcad - Maxaas. Der Großraum Ceel Buur bis Xiindheere gilt als Gebiet der al Shabaab (BMLV 2.7.2025).
Die Städte Dhusamareb und Guri Ceel sind weitgehend frei von al Shabaab. In Dhusamareb befindet sich das Hauptquartier einer Division der Bundesarmee sowie eine Garnison von AUSSOM-Truppen aus Dschibuti; letztere soll allerdings mittelfristig abgezogen werden. Die Städte Cadaado und Galkacyo können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 2.7.2025). Auch Dhusamareb gilt als weitgehend sicher und konsolidiert (BMLV 2.7.2025; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023).
Allerdings wurden in Galmudug die Bemühungen, lokale Kräfte zu rekrutieren (Darawish und Polizei), nie mit dem gleichen Nachdruck betrieben wie z. B. in Jubaland (BMLV 7.8.2024). Da der Bundesstaat so große Mühe hat, einen robusten Sicherheitsapparat aufzubauen (ICG 25.9.2023), ist Galmudug im Sicherheitsbereich stark von Kräften der Bundesregierung abhängig. Darawish und Polizei sind in Anzahl und Kapazitäten begrenzt (ICG 25.9.2023; vgl. BMLV 7.8.2024; Sahan/SWT 17.1.2024). Die Bundesregierung kontrolliert teilweise die Polizei, allerdings wurden im Rahmen eines Ausbildungsprogramms der UN 400 Polizisten für Galmudug ausgebildet. Präsident Qoorqoor versucht, Clanmilizen in die Darawish einzubinden. Hierbei gibt es aber nur geringe Fortschritte, und die örtlichen Sicherheitskräfte basieren nach wie vor überwiegend auf Clans. Generell ist Galmudug bei den Sicherheitskräften von der Bundesregierung abhängig. In Dhusamareb findet sich die 21. Division der Bundesarmee, in die ehemalige ASWJ-Kämpfer integriert worden sind (BMLV 2.7.2025; vgl. ICG 25.9.2023).
Ahlu Sunna Wal Jama’a (ASWJ): Die Gruppe spielt gegenwärtig weder militärisch noch politisch eine Rolle (BMLV 2.7.2025). Die im Juni 2025 erstellte Lagekarte von PGN verortete nirgends mehr verbliebene Kräfte der ASWJ (PGN 19.6.2025).
Clans: In der Region Galgaduud dominieren Subclans der Hawiye / Habr Gedir, wie die Saleeban und die Ayr, die Hawiye / Duduble, Hawiye / Murusade sowie Darod / Marehan. In Mudug dominieren hingegen die Darod / Majerteen / Omar Mahmoud im Norden und die Hawiye / Habr Gedir / Sa’ad im Süden. Andere dort zu findende Clans sind die Darod / Leelkase, [Hawiye] / Sheikhal, Dir und Darod / Marehan (EUAA 5.2025).
Clankonflikte in Galmudug konzentrieren sich typischerweise auf den Wettbewerb um Wasser, Weide- und Ackerland. Die Regierung des Bundesstaates hat versucht, einige dieser Probleme anzugehen, allerdings mit gemischtem Erfolg (ICG 25.9.2023). Im April 2024 haben sich Clans der Dir und Marehan im Bereich zwischen Xeraale und Cabudwaaq bekämpft, mehr als zehn Menschen wurden dabei getötet (Halqabsi 28.4.2024). Zwischen 26.6. und 2.7.2024 wurden bei Auseinandersetzungen in den Bereichen Galdogob und Jariiban (Mudug) mehr als 26.000 Menschen vertrieben (UNSC 28.10.2024; vgl. SMN 3.12.2024). Zuvor starben bei Auseinandersetzungen zwischen Clans im Bereich Towfiiq (Mudug) ebenfalls mindestens zehn Menschen (Halqabsi 12.3.2024). Auch im Juni 2024 gab es im Bereich Labi Maygaag (Mudug) zwischen Milizen Kampfhandlungen mit mehreren Dutzend Toten und Verletzten (HO 25.6.2024a). Ebenfalls im Juni 2024 starben erneut im Bereich Xeraale und Cabudwaaq bei Kämpfen zwischen den Milizen der Dir und Marehan mehrere Dutzend Menschen, mehr als 155 sollen verletzt worden sein. Grund für die Auseinandersetzungen war Streit um Weideland und Wasserstellen, aber auch Rache. Die Bundesregierung und die Regierung von Galmudug haben versucht zu intervenieren (VOA/O. Hassan 10.6.2024; vgl. UNGA 23.8.2024). Bei Zusammenstößen zwischen Clans um Weideland im Gebiet von Labi Ano (östlich von Dhusamareb) sind Mitte November 2024 mindestens elf Menschen getötet und mehrere weitere verletzt worden (HO 17.11.2024). Auch der Konflikt zwischen Hawiye / Sa'ad und Darod / Leelkase ist im Jahr 2024 u. a. im Gebiet von Galkacyo eskaliert. Dutzende Todesopfer werden diesem Konflikt zugeschrieben. Hier haben die Präsidenten von Galmudug und Puntland versucht, zur Beruhigung beizutragen (Sahan/SWT 16.9.2024; vgl. UNSC 28.3.2025). Insgesamt verfügt Galmudug aber über keine Truppen, um bei Clankämpfen maßgeblich intervenieren zu können (BMLV 2.7.2025).
Die Zahl an Rachemorden ist in Galmudug im Steigen begriffen (HO 28.1.2024; vgl. SMN 23.1.2024). So wurden etwa am 22.1.2024 20 km von Dhusamareb entfernt vier Personen und im November 2023 in Dhusamareb selbst zwei Männer im Zuge von Clanrache getötet (SMN 23.1.2024). Am 27.1.2024 wurden in einer Fehde weitere fünf Menschen getötet, darunter zwei Frauen und zwei Kinder (HO 28.1.2024). Die Verwaltung ist nicht in der Lage, gegen diese Clanfehden vorzugehen (SMN 23.1.2024).
Frontgeschehen: Die 2023 gemachten Gebietsgewinne der Regierung sind durch al Shabaab nahezu gänzlich wieder rückgängig gemacht worden (BMLV 2.7.2025). Die Gruppe konnte in Mudug und Galgaduud mehrere Gebiete und Ortschaften wieder einnehmen (Horn 18.3.2024). Im Oktober 2024 versuchten Regierungskräfte und Clanmilizen der Abgaal zum dritten Mal nach Feber und Juni, die Kontrolle über den ländlichen Raum im Bezirk Ceel Dheere (Galgaduud) zu erlangen. Die Kräfte wurden dabei von Luftschlägen unterstützt (ACLED 28.10.2024; vgl. CT/Karr/AEI 24.10.2024). Auch im Bereich Xaradheere (Mudug) kam es im Oktober 2024 zu Operationen. In beiden Gebieten griff al Shabaab die somalischen Kräfte vermehrt an (CT/Karr/AEI 24.10.2024). Dass al Shabaab Anfang 2025 die Stadt Adan Yabaal in der Nachbarregion Middle Shabelle eingenommen hat, setzt auch von der Regierung kontrollierte Gebiete in Galgaduud erheblich unter Druck. Die von Adan Yabaal ausgehenden Straßen ermöglichen es al Shabaab, Ceel Dheere und mehrere Punkte entlang der Straße, die von dort über Middle Shabelle nach Mogadischu führt, zu bedrohen. Die verstärkte Präsenz der Gruppe in Zentralsomalia stellt auch eine größere Bedrohung für Xaradheere dar (CT/Karr/AEI 17.4.2025). Nach anderen Angaben konzentriert al Shabaab ihre Kräfte mit Stand Juni 2025 in einer Westbewegung, und daher gibt es in Mudug kaum relevante Kampfhandlungen (BMLV/STDOK 6.6.2025).
Galkacyo: Puntland und Galmudug haben im Juni 2020 eine Einigung erzielt, um vergangene Streitpunkte beizulegen (PGN 10.2020). Die Sicherheitslage in Galkacyo hat sich seit Anfang 2021 stabilisiert. Generell hat sich die Kooperation zwischen den Verwaltungen und Sicherheitskräften von Galmudug und Puntland wesentlich verbessert, dadurch konnten auch Mitglieder der al Shabaab in Galkacyo aufgespürt und verhaftet werden (BMLV 2.7.2025). Eine Quelle der FFM Somalia 2023 bezeichnet Galkacyo hingegen als nicht stabil (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023). Zwei Quellen erklären, dass sich die Situation in der Stadt gebessert hat, nicht aber am Stadtrand und in den Dörfern des Umlandes (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vgl. BMLV 1.12.2023). Es gibt dort immer noch Einfluss von und Angst vor al Shabaab, und auch nach wie vor Clankonflikte (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer anderen Quelle hat die Gruppe im Norden von Galmudug einen schwächeren Zugriff als im Süden des Landes (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Al Shabaab verübt weiterhin Attentate in der Stadt (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Ob al Shabaab in Galkacyo Steuern eintreibt, ist unklar; es kommt sehr selten zu Attentaten. Die Gruppe hat dort an Kraft eingebüßt und konnte weder im Nord- noch im Südteil der Stadt die Unterstützung der Bevölkerung mobilisieren (BMLV 2.7.2025). Eine Quelle vom August 2024 erklärt, dass die Unsicherheit in der Stadt zugenommen hat, dass aber seitens der jeweiligen Verwaltungen entsprechende Schritte (etwa Waffentrageverbot) unternommen worden sind, um dem entgegenzutreten (Halqabsi 16.8.2024).
Vorfälle: In den beiden Regionen Galgaduud (689.872) und Mudug (1,317.403) leben nach Angaben einer Quelle 2,007.275 Einwohner (IPC 13.12.2022). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2023 insgesamt 58 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "Violence against Civilians"). Bei 41 dieser 58 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2024 waren es 53 derartige Vorfälle (davon 36 mit je einem Toten) (ACLED 10.1.2025). In der Zusammenschau von Bevölkerungszahl und Violence against Civilians ergeben sich für 2024 folgende Zahlen (Vorfälle je 100.000 Einwohner): Galgaduud 5,07; Mudug 1,37;
In der Folge eine Übersicht für die Jahre 2013-2024 zur Gesamtzahl an Vorfällen mit Todesopfern sowie zur Subkategorie "Violence against Civilians", in welcher auch "normale" Morde inkludiert sind. Die Zahlen werden in zwei Subkategorien aufgeschlüsselt: Ein Todesopfer; mehrere Todesopfer. Es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der Schwankungsbreite bei ACLED nicht berücksichtigt:
ACLED 10.1.2025(und Vorgängerversionen)
MINDERHEITEN UND CLANS
Das westliche Verständnis der Zivilgesellschaft ist im somalischen Kontext irreführend, da kaum zwischen öffentlicher und privater Sphäre unterschieden wird. In ganz Somalia gibt es starke Traditionen sozialer Organisation außerhalb des Staates, die vor allem auf sozialem Vertrauen innerhalb von Verwandtschaftsgruppen fußen. Seit Beginn des Bürgerkriegs haben sich die sozialen Netzwerkstrukturen neu organisiert und gestärkt, um das Überleben ihrer Mitglieder zu sichern (BS 2024).
Clans [zu Clanschutz siehe auch Rechtsschutz, Justizwesen ]: Der Clan ist die relevanteste soziopolitische und ökonomische Einheit in Somalia. Für den Somali stellt er die wichtigste Identität dar, für die es zu streiten und zu sterben gilt (NLM/Barnett 7.8.2023). Clans kämpfen für das einzelne Mitglied. Gleichzeitig werden alle Männer im Clan als Krieger erachtet (AQSOM 4 6.2024). Der Clan bildet aber eine volatile, vielschichtige Identität mit ständig wechselnden Allianzen (NLM/Barnett 7.8.2023). Er bestimmt das Leben des Individuums, seinen Zugang zu Sicherheit und Schutz, Ressourcen (z. B. Arbeit, Geschäfte, Land) und bildet das ultimative Sicherheitsnetz (AQSOM 4 6.2024; vgl. SPC 9.2.2022). Clanälteste dienen als Vermittler zwischen Staat und Gesellschaft. Sie werden nicht einfach aufgrund ihres Alters gewählt. Autorität und Führungsposition werden verdient, nicht vererbt. Ein Clanältester repräsentiert seine Gemeinschaft, ist ihr Interessensvertreter gegenüber dem Staat. Innerhalb der Gemeinschaft dienen sie als Friedensstifter, Konfliktvermittler und Wächter des traditionellen Rechts (Xeer). Bei Streitigkeiten mit anderen Clans ist der Clanälteste der Verhandler (Sahan/SWT 26.10.2022).
Clanwissen: Laut Experten gibt es bis auf sehr wenige Waisenkinder in Somalia niemanden, der nicht weiß, woher er oder sie abstammt (ACCORD 31.5.2021, S. 2f/37/39f). Das Wissen um die eigene Herkunft, die eigene Genealogie, ist von überragender Bedeutung. Dieses Wissen dient zur Identifikation und zur Identifizierung (Shukri/TEL 3.5.2021). Auch junge Menschen im urbanen Umfeld kennen ihren Clan, allerdings fehlen ihnen manchmal die Details - etwa zu Clanältesten. Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 betrifft dies tendenziell eher junge Frauen (SOMNAT/STDOK/SEM 5.2023).
Diskriminierung im Clanwesen: Diskriminierung steht in Somalia generell oft nicht mit ethnischen Erwägungen in Zusammenhang, sondern vielmehr mit der Zugehörigkeit zu bestimmten Minderheitenclans oder Clans, die in einer bestimmten Region keine ausreichende Machtbasis und Stärke besitzen (AA 23.8.2024). Die meisten Bundesstaaten fußen auf einer fragilen Balance zwischen unterschiedlichen Clans. In diesem Umfeld werden weniger mächtige Clans und Minderheiten oft vernachlässigt (BS 2024). Selbst relativ starke Clans können von einem lokalen Rivalen ausmanövriert werden, und es kommt zum Verlust der Kontrolle über eine Stadt oder eine regionale Verwaltung. Meist ist es die zweitstärkste Lineage in einem Bezirk oder einer Region, welche über die Verteilung von Macht und Privilegien am unglücklichsten ist (Sahan/SWT 30.9.2022). Gleichzeitig mag auf einer Ebene innerhalb eines Clans oberflächlich betrachtet Einheit herrschen, doch wenn man näher heranzoomt, treten Konflikte zwischen den unteren Clanebenen zutage (NLM/Barnett 7.8.2023).
Ohnehin marginalisierte Gruppen werden diskriminiert und stoßen auf Schwierigkeiten, ihr Recht auf Teilhabe an wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Prozessen wahrzunehmen (UNSOM 5.8.2023; vgl. BS 2024). Die Marginalisierung führt zu einer ungerechten und diskriminierenden Verteilung der Ressourcen (UNSOM 5.8.2023) - etwa beim Zugang zu humanitärer Hilfe (AA 23.8.2024). Menschen, die keinem der großen Clans angehören, sehen sich in der Gesellschaft signifikant benachteiligt. Dies gilt etwa beim Zugang zur Justiz (UNHCR 22.12.2021b, S. 56); und auch von Politik und Wirtschaft werden sie mitunter ausgeschlossen. Minderheiten und berufsständische Kasten werden in mindere Rollen gedrängt - trotz des oft sehr relevanten ökonomischen Beitrags, den genau diese Gruppen leisten (BS 2024). Mitunter kommt es auch zu physischer Belästigung (UNHCR 22.12.2021b, S. 56). Insgesamt ist allerdings festzustellen, dass es hinsichtlich der Vulnerabilität und Kapazität unterschiedlicher Minderheitengruppen signifikante Unterschiede gibt (UN OCHA 14.3.2022).
Recht [siehe hierzu auch Rechtsschutz, Justizwesen]: Die Übergangsverfassung und Verfassungen der Bundesstaaten verbieten die Diskriminierung und sehen Minderheitenrechte vor (UNHCR 22.12.2021b, S. 56). Weder Xeer (SEM 31.5.2017, S. 42) noch Polizei und Justiz benachteiligen Minderheiten systematisch. Faktoren wie Finanzkraft, Bildungsniveau oder zahlenmäßige Größe einer Gruppe können Minderheiten dennoch den Zugang zur Justiz erschweren (SEM 31.5.2017, S. 42; vgl. ÖB Nairobi 10.2024). Von Gerichten Rechtsschutz zu bekommen, ist für Angehörige von Minderheiten noch schwieriger als für andere Bevölkerungsteile (FIS 7.8.2020b, S. 21). Es kommt mitunter zu staatlicher Diskriminierung. So wurde beispielsweise in Mogadischu ein Strafprozess, bei welchem Rahanweyn und Bantu als Kläger gegen einen Polizeioffizier, der von einem großen Clan stammt, aufgetreten waren, vom Gericht ohne Weiteres eingestellt (Horn 6.5.2024).
Auch im Xeer sind Schutz und Verletzlichkeit einer Einzelperson eng verbunden mit der Macht ihres Clans (SEM 31.5.2017, S. 31). Weiterhin ist es für Minderheitsangehörige aber möglich, sich im Rahmen formaler Abkommen (Gashanbuur) einem anderen Clan anzuschließen bzw. sich unter Schutz zu stellen (AQSOM 4 6.2024; vgl. DI 6.2019, S. 11). Diese Resilienzmaßnahme wurde von manchen Gruppen etwa angesichts der Hungersnot 2011 und der Dürre 2016/17 angewendet (DI 6.2019, S. 11). Aufgrund dieser Allianzen werden auch Minderheiten in das System des Xeer eingeschlossen. Wenn ein Angehöriger einer Minderheit, die mit einem großen Clan alliiert ist, einen Unfall verursacht, trägt auch der große Clan zu Mag/Diya (Kompensationszahlung) bei (SEM 31.5.2017, S. 33). Gemäß einer Quelle haben schwächere Clans und Minderheiten trotzdem oft Schwierigkeiten – oder es fehlt überhaupt die Möglichkeit – ihre Rechte im Xeer durchzusetzen (LIFOS 1.7.2019, S. 14).
Netzwerke abseits von Clans: Die Mitgliedschaft in islamischen Organisationen und Verbänden gewinnt immer mehr an Bedeutung. Sie bietet eine Möglichkeit zur sozialen Organisation über Clangrenzen hinweg. Mit einer Mitgliedschaft kann eine "falsche" Clanzugehörigkeit in eingeschränktem Ausmaß kompensiert werden. Zumindest in bestimmten Teilen Somalias entsteht auch eine Form von Sozialkapital unter Mitgliedern der jüngeren Generation, die biografische Erfahrungen und Interessen (Bildung oder Beruf) teilen und manchmal in Jugendorganisationen organisiert sind oder sich in informellen Diskussionsgruppen und online treffen (BS 2024).
Bevölkerungsstruktur
Somalia ist eines der wenigen Länder in Afrika, wo es eine dominante Mehrheitskultur und -Sprache gibt. Die Mehrheit der Bevölkerung findet sich innerhalb der traditionellen somalischen Clanstrukturen (UNHCR 22.12.2021a). Die Landesbevölkerung ist nach Angabe einer Quelle ethnisch sehr homogen; allerdings ist der Anteil ethnischer Minderheiten an der Gesamtbevölkerung demnach unklar (AA 23.8.2024). Gemäß einer Quelle teilen mehr als 85 % der Bevölkerung eine gemeinsame ethnische Herkunft (USDOS 22.4.2024). Eine andere Quelle besagt, dass die somalische Bevölkerung aufgrund von Migration, ehemaliger Sklavenhaltung und der Präsenz von nicht nomadischen Berufsständen divers ist (Wissenschaftl. Mitarbeiter GIGA 3.7.2018). Es gibt weder eine Konsistenz noch eine Verständigungsbasis dafür, wie Minderheiten definiert werden (UN OCHA 14.3.2022). Die UN gehen davon aus, dass ca. 30 % aller Somali Angehörige von Minderheiten sind (MBZ 6.2023). Abseits davon trifft man in Somalia auf Zersplitterung in zahlreiche Clans, Subclans und Sub-Subclans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (AA 18.4.2021, S. 12). Diese Unterteilung setzt sich fort bis hinunter zur Kernfamilie (SEM 31.5.2017).
Insgesamt ist das westliche Verständnis einer Gesellschaft im somalischen Kontext irreführend. Dort gibt es kaum eine Unterscheidung zwischen öffentlicher und privater Sphäre. Zudem herrscht eine starke Tradition der sozialen Organisation abseits des Staates. Diese beruht vor allem auf sozialem Vertrauen innerhalb von Abstammungsgruppen. Seit dem Zusammenbruch des Staates hat sich diese soziale Netzwerkstruktur reorganisiert und verstärkt, um das Überleben der einzelnen Mitglieder zu sichern (BS 2024). Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird. Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (SEM 31.5.2017). Insgesamt gibt es keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen (Landinfo 4.4.2016).
Große Clanfamilien: Die sogenannten "noblen" Clanfamilien können (nach eigenen Angaben) ihre Abstammung auf mythische gemeinsame Vorfahren und den Propheten Mohammed zurückverfolgen. Die meisten Minderheiten sind dazu nicht in der Lage (SEM 31.5.2017). Somali sehen sich als Nation arabischer Abstammung, "noble" Clanfamilien sind meist Nomaden:
Darod gliedern sich in die drei Hauptgruppen: Ogaden, Marehan und Harti sowie einige kleinere Clans. Die Harti sind eine Föderation von drei Clans: Die Majerteen sind der wichtigste Clan Puntlands, während Dulbahante und Warsangeli in den zwischen Somaliland und Puntland umstrittenen Grenzregionen leben. Die Ogaden sind der wichtigste somalische Clan in Äthiopien, haben aber auch großen Einfluss in den südsomalischen Juba-Regionen sowie im Nordosten Kenias. Die Marehan sind in Süd-/Zentralsomalia präsent.
Hawiye leben v. a. in Süd-/Zentralsomalia. Die wichtigsten Hawiye-Clans sind Habr Gedir und Abgaal, beide haben in und um Mogadischu großen Einfluss.
Dir leben im Westen Somalilands sowie in den angrenzenden Gebieten in Äthiopien und Dschibuti, außerdem in kleineren Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Die wichtigsten Dir-Clans sind Issa, Gadabursi (beide im Norden) und Biyomaal (Süd-/Zentralsomalia).
Isaaq sind die wichtigste Clanfamilie in Somaliland, wo sie kompakt leben. Teils werden sie zu den Dir gerechnet (SEM 31.5.2017). Sie selbst erachten sich nicht als Teil der Dir (AQSOM 4 6.2024).
Rahanweyn bzw. Digil-Mirifle sind eine weitere Clanfamilie (SEM 31.5.2017).
Territorien: Alle Mehrheitsclans sowie ein Teil der ethnischen Minderheiten – nicht aber die berufsständischen Gruppen – haben ihr eigenes Territorium. Dessen Ausdehnung kann sich u. a. aufgrund von Konflikten verändern (SEM 31.5.2017).
Minderheiten: Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die "noblen" Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen anderer ethnischer Abstammung; Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben; sowie die Angehörigen "nobler" Clans, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben oder zahlenmäßig klein sind (SEM 31.5.2017).
Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Politik: In Süd-/Zentralsomalia sind politische Repräsentation, politische Parteien, lokale Verwaltungen und auch das nationale Parlament um die verschiedenen Clans bzw. Subclans organisiert, wobei die vier größten Clans (Darod, Hawiye, Dir und Digil-Mirifle) Verwaltung, Politik, und Gesellschaft dominieren - und zwar entlang der sogenannten 4.5-Formel (ÖB Nairobi 10.2024). Dies bedeutet, dass den vier großen Clans dieselbe Anzahl von Parlamentssitzen zusteht, während kleinere Clans und Minderheitengruppen gemeinsam nur die Hälfte dieser Sitze erhalten (ÖB Nairobi 10.2024; vgl. USDOS 22.4.2024; FH 2024b) [siehe dazu auch: Politische Lage/Süd-/Zentralsomalia]. Dadurch werden kleinere Gruppen politisch marginalisiert (FH 2024b). Sie werden von relevanten politischen Posten ausgeschlossen, und die wenigen Angehörigen von Minderheiten, die solche Posten halten, haben kaum die Möglichkeit, sich für ihre Gemeinschaften einzusetzen (SPC 9.2.2022). So finden sich in der aktuellen Regierung zwar alle relevanten Clans und Gruppen wieder (AA 23.8.2024), und das Frauen- sowie das Umweltministerium werden von Angehörigen von Minderheiten geführt (AQ21 11.2023). In Süd-/Zentralsomalia ist die formelle Vertretung von Minderheiten im Rahmen der 4.5-Formel nicht mit einer tatsächlichen politischen Mitsprache gleichzusetzen, da unter dem Einfluss und Druck der politisch mächtigen Clans agiert wird. Die Formel trägt dazu bei, dass bestehende Strukturen aufrechterhalten und damit Minderheiten sozial und politisch ausgrenzt werden (ÖB Nairobi 10.2024). Nach Angaben einer Quelle der FFM Somalia 2023 versucht die Regierung hingegen, Minderheiten zu ermutigen, sich für Regierungsstellen zu bewerben. Allerdings ist die Diskriminierung tief in der Gesellschaft verwurzelt und besteht weiter fort (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023).
Lage: Einzelne Minderheiten leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen in tiefer Armut und leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 22.4.2024; vgl. AA 23.8.2024; FH 2024b). Sie sehen sich in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung – mittelbar auch von staatlichen Stellen – wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 23.8.2024). Zudem sind die Systeme gegenseitiger Unterstützung bei ihnen weniger gut ausgebaut, sie verfügen über geringere Ressourcen (Sahan/SWT 24.10.2022) und erhalten weniger Remissen (Sahan/SWT 24.10.2022; vgl. SPC 9.2.2022). In staatlichen Behörden - etwa Polizei und Justiz - sind Minderheiten nur spärlich vertreten (ÖB Nairobi 10.2024). Die mächtigen Gruppen erhalten den Löwenanteil an Jobs, Ressourcen, Verträgen, Remissen und humanitärer Hilfe. Schwache Gruppen erhalten wenig bis gar nichts. Bei der Hungersnot 1991 waren die meisten Hungertoten entweder Digil-Mirifle oder Bantu [Anm.: Die Digil sind v. a. Landwirte und nicht Nomaden und können bei Dürre schwerer ausweichen]. Dies gilt auch für die Hungersnot im Jahr 2011. Ein Grund dafür ist, dass humanitäre Hilfe von mächtigeren Clans vereinnahmt wird (Sahan/SWT 24.10.2022). Selbst in Mogadischu erhalten Minderheitenangehörige weniger Nahrungsmittelhilfe (TANA/ACRC 9.3.2023). Sie stehen einem höheren Maß an Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung gegenüber (UN OCHA 14.3.2022).
Ein Programm der Bundesregierung soll zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit von fast 25.000 benachteiligten und marginalisierten Haushalten beitragen. Dieses von Deutschland finanzierte 50-Millionen-Euro-Programm zielt darauf ab, den Zugang zu Bildung, Gesundheit, Hygiene und Ernährung für Kinder und Jugendliche zu verbessern und die Ernährungssicherheit benachteiligter Haushalte zu erhöhen. Die Regierung von Jubaland organisiert Workshops für Jugendliche aus marginalisierten Gruppen, um Integration und Partizipation zu fördern (UNSOM 5.8.2023).
Minderheitengruppen, denen es oft an bewaffneten Milizen fehlt, sind laut einer Quelle überproportional von Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.). Täter sind Milizen oder Angehörige dominanter Clans - oft unter Duldung lokaler Behörden (USDOS 22.4.2024). Aufgrund der (vormaligen) Unterstützung von al Shabaab durch manche Minderheiten kann es in Gebieten, aus welchen al Shabaab gewichen ist, zu Repressalien kommen (ÖB Nairobi 10.2024). Von Frauen marginalisierter Gruppen eingebrachte Vergewaltigungsanzeigen werden tendenziell ignoriert (UNSOM 5.8.2023).
Angehörige von Minderheiten stehen vor Hindernissen, wenn sie Identitätsdokumente erhalten wollen - auch im Falle von Reisepässen (UNHCR 22.12.2021a, S. 58).
Mogadischu: In der Hauptstadt verfügen die Hawiye-Clans Abgaal, Habr Gedir und teilweise auch Murusade über eine herausragende Machtposition. Allerdings leben in der Stadt Angehörige aller somalischen Clans, auch die einzelnen Bezirke sind diesbezüglich meist heterogen (AQSOM 4 6.2024; vgl. FIS 7.8.2020a). Laut einem Experten dominieren auch die Rahanweyn mittlerweile bestimmte Stadtteile. Insgesamt leben in Mogadischu sehr viele unterschiedliche Clans, alle können Eigentum besitzen, sich in der Wirtschaft betätigen (AQSOM 4 6.2024), sich frei bewegen und niederlassen. Allerdings besagt der eigene Clanhintergrund, in welchem Teil der Stadt es für eine Person am sichersten ist (AQSOM 4 6.2024; vgl. FIS 7.8.2020b, S. 39). Außerdem tendieren die Menschen dazu, auf dem Gebiet des eigenen Clans zu wohnen. Beziehungen zu Abgaal oder Habr Gedir - familiäre, wirtschaftliche, eheliche oder freundschaftliche - sind von Vorteil, um Konflikte abwenden oder lösen zu können. Generell agieren die dominanten Clans Mogadischus aber nicht im rechtsfreien Raum, da sie aufgrund von z. B. in Mogadischu begangenem Unrecht mit Gegenunrecht in anderen Teilen Somalias rechnen müssen (AQSOM 4 6.2024). Im Allgemeinen ist es schwierig, Menschen, die in Mogadischu aufgewachsen sind, oberflächlich nach Clans zu differenzieren. Es gibt keine äußerlichen Unterschiede, auch der Akzent ist der gleiche. Anhand von Namen lassen sich die Menschen nicht einmal ethnisch zuordnen, da vor allem arabische Namen verwendet werden (UNFPA/DIS 25.6.2020). Zum Clanwesen in Mogadischu siehe auch Sicherheitslage / Süd-/Zentralsomalia / Banadir.
Al Shabaab: Zum Verhältnis von al Shabaab zu Clans und Minderheiten siehe Kapitel Sicherheitslage/Al Shabaab
Berufsständische Minderheiten, aktuelle Situation
Berufsständische Gruppen unterscheiden sich weder durch Abstammung noch durch Sprache und Kultur von der Mehrheitsbevölkerung (SEM 31.5.2017). Sie sind somalischen Ursprungs, wurden aber von den traditionellen Clan-Lineages ausgeschlossen (UNHCR 22.12.2021a). Im Gegensatz zu den „noblen“ Clans wird ihnen nachgesagt, ihre Abstammungslinie nicht auf Prophet Mohammed zurückverfolgen zu können (SEM 31.5.2017). Ihre traditionellen Berufe werden als unrein oder unehrenhaft erachtet (UNHCR 22.12.2021a, S. 57; vgl. SEM 31.5.2017) - etwa Jäger, Lederverarbeiter, Schuster, Friseure, Töpferinnen, traditionelle Heiler oder Hebammen (MBZ 6.2023). Diese Gruppen stehen damit auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie in der Gesellschaft. Sie leben verstreut in allen Teilen des somalischen Kulturraums, mehrheitlich aber in Städten. Ein v. a. im Norden bekannter Sammelbegriff für einige berufsständische Gruppen ist Gabooye, dieser umfasst etwa die Tumal, Madhiban, Muse Dheriyo und Yibir (SEM 31.5.2017; vgl. AQSOM 4 6.2024). Ein anderer Sammelbegriff ist Midgan (UNHCR 22.12.2021a).
Diskriminierung: Für die Gabooye hat sich die Situation im Vergleich zur Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Insbesondere unter jungen Somali ist die Einstellung zu ihnen positiver geworden; mittlerweile ist es für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Es gibt keine gezielten Angriffe gegen oder Misshandlungen von Gabooye (SEM 31.5.2017). In Mogadischu sind Angehörige von Minderheiten keiner systematischen Gewalt ausgesetzt. Allerdings sind all jene Personen, welche nicht einem dominanten Clan der Stadt angehören, potenziell gegenüber Kriminalität vulnerabler (Landinfo 21.5.2019b). Ein Experte erklärt, dass Gabooye zwar nicht angegriffen werden, diese aber davor Angst haben. Minderheiten werden demnach nicht aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Minderheit angegriffen, es sei denn, dass sie bei einem Vorhaben im Weg stehen (AQSOM 4 6.2024).
Allerdings sind Angehörige berufsständischer Kasten Belästigung und Ausbeutung ausgesetzt (Sahan/SWT 1.12.2023). Sie werden als Bürger zweiter Klasse erachtet (BS 2024; vgl. AQSOM 4 6.2024). Zu ihrer Diskriminierung trägt bei, dass sie sich weniger strikt organisieren und sie viel ärmer sind. Daher sind sie nur in geringerem Maß in der Lage, Kompensation zu zahlen oder Blutrache anzudrohen (Wissenschaftl. Mitarbeiter GIGA 3.7.2018; vgl. SEM 31.5.2017). Es kommt zu Beschimpfungen, Ausschluss von bestimmten Berufen, Einschränkungen beim Landbesitz sowie zu Diskriminierung im Bildungs- und Gesundheitssystem (AQSOM 4 6.2024). Insgesamt ist die soziale Stufe und die damit verbundene Armut für viele das Hauptproblem. Hinzu kommt, dass diese Minderheiten in der Regel eine tendenziell schlechtere Kenntnis des Rechtssystems haben. Der Zugang berufsständischer Gruppen zur Bildung ist erschwert, weil an ihren Wohnorten z. B. Schulen fehlen. Außerdem verlassen viele Kinder die Schule früher, um zu arbeiten. Viele Familien sind auf derartige Einkommen angewiesen. Die meist schlechtere Bildung wiederum führt zur Benachteiligung bei der Arbeitssuche, bei der die Clanzugehörigkeit ohnehin oft zu Diskriminierung führen kann. Da berufsständische Gruppen nur über eine kleine Diaspora verfügen, profitieren sie zudem in geringerem Ausmaß von Remissen als Mehrheitsclans (SEM 31.5.2017).
Aufgrund der oft schlechten Ausbildung treffen Gabooye außerhalb ihrer traditionellen Berufe am Arbeitsmarkt auf Schwierigkeiten (MBZ 6.2023). Dennoch sind vereinzelt auch Angehörige berufsständischer Gruppen wirtschaftlich erfolgreich. Auch wenn sie weiterhin die ärmste Bevölkerungsschicht stellen, finden sich einzelne Angehörige in den Regierungen, im Parlament und in der Wirtschaft (SEM 31.5.2017).
Mischehe: In dieser Frage kommt es weiterhin zu einer gesellschaftlichen Diskriminierung, da Mehrheitsclans Mischehen mit Angehörigen berufsständischer Gruppen meist nicht akzeptieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Mehrheitsfrau einen Minderheitenmann heiratet. Der umgekehrte Fall ist weniger problematisch (SEM 31.5.2017; vgl. ÖB Nairobi 10.2024). Aufgrund dieser Stigmatisierung (FH 2024a) kommen Mischehen äußerst selten vor (SEM 31.5.2017; vgl. FIS 5.10.2018). Diesbezüglich bestehen aber regionale Unterschiede: Im Clan-mäßig homogeneren Norden des somalischen Kulturraums sind Mischehen seltener und gleichzeitig stärker stigmatisiert als im Süden (ÖB Nairobi 10.2024; vgl. SEM 31.5.2017). Hawiye und Rahanweyn sehen die Frage der Mischehe weniger eng. Außerdem ist der Druck auf Mischehen insbesondere in ländlichen Gebieten ausgeprägt (SEM 31.5.2017). In Mogadischu sind Mischehen möglich (FIS 5.10.2018). Auch al Shabaab hat Hindernisse für Mischehen beseitigt, in ihren Gebieten kommt es zunehmend zu solchen Eheschließungen (ICG 27.6.2019a). Die Gruppe hat Fußsoldaten, die zu Gruppen mit niedrigem Status gehören, dazu ermutigt, Frauen und Mädchen von "noblen" Clans (z. B. Hawiye, Darod) zu heiraten (Ingiriis 2020).
Eine Mischehe führt so gut wie nie zu Gewalt oder gar zu Tötungen. Seltene Vorfälle, in denen es etwa in Somaliland im Zusammenhang mit Mischehen zu Gewalt kam, sind in somaliländischen Medien dokumentiert (SEM 31.5.2017). Trotzdem können diese Ehen negative Folgen für die Ehepartner mit sich bringen – insbesondere, wenn der Mann einer Minderheit angehört (ÖB Nairobi 10.2024). So kommt es häufig zur Verstoßung des aus einem "noblen" Clan stammenden Teils der Eheleute durch die eigenen Familienangehörigen. Letztere besuchen das Paar nicht mehr, kümmern sich nicht um dessen Kinder oder brechen den Kontakt ganz ab; es kommt zu sozialem Druck (SEM 31.5.2017). Diese Art der Verstoßung kann vor allem in ländlichen Gebieten vorkommen. Eine Mischehe sorgt auf jeden Fall für Diskussionen und Getratsche, nach einer gewissen Zeit wird sie nach Angaben einer Quelle aber meist akzeptiert (FIS 5.10.2018).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Soweit in der gegenständlichen Entscheidung Feststellungen zum Namen und Geburtsdatum des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Beschwerde sowie in der mündlichen Verhandlung (S. 6 der Niederschrift der Verhandlung). Der Beschwerdeführer hat kein Identitätsdokument vorgelegt. Diese Feststellungen gelten somit ausschließlich für die Identifizierung des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Clan- und Religionszugehörigkeit, zu den Sprachkenntnissen, zur Herkunft, zum Aufwachsen, zur Schulbildung und Arbeitserfahrung, zur Eheschließung, und zu den Familienangehörigen des Beschwerdeführers stützen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften sowie im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im gesamten Verfahren sowie auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Somali sowie auf die Kenntnis der geografischen Gegebenheiten von Somalia (AS 5ff; AS 39ff; S. 6ff der Niederschrift der Verhandlung).
Die (Negativ-)Feststellung zur heimlichen Beziehung respektive Ehe mit einer Frau eines anderen Clans basiert auf den widersprüchlichen und unglaubhaften Angaben des Beschwerdeführers (verwiesen wird hierzu auf die beweiswürdigenden Ausführungen unter Punkt II.2.2.2.).
Die Feststellungen, wonach die Mutter, der Bruder, die Schwester, die beiden Adoptivkinder des Beschwerdeführers weiterhin in Somalia leben und der Beschwerdeführer Kontakt zu seinen Familienangehörigen hat, beruhen auf seinen gleichbleibenden und diesbezüglich glaubhaften Angaben (AS 7; AS 46f; S. 7f der Niederschrift der Verhandlung).
Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer bis kurz vor seiner Ausreise gemeinsam mit seiner Ehefrau, seinen fünf Töchtern und seinen zwei Adoptivkindern in der Umgebung von XXXX lebte und (auch) die Ehefrau des Beschwerdeführers weiterhin in Somalia lebt, basieren auf seinem nicht glaubhaften Fluchtvorbringen (verwiesen wird hierzu auf die beweiswürdigenden Ausführungen unter Punkt II.2.2.2.). Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, dass er durch die Familienangehörigen seiner Ehefrau bedroht worden sei, weshalb auch dem darauf aufbauenden (Flucht)Vorbringen, der Bruder seiner Ehefrau habe seine Ehefrau „mitgenommen“, woraufhin der Kontakt zu ihr abgebrochen sei, die Glaubhaftigkeit zu versagen ist.
Die Feststellung, dass sich der Herkunftsort des Beschwerdeführers nicht unter Kontrolle der Al Shabaab befindet, ergibt sich aus den Länderfeststellungen (Länderinformation der Staatendokumentation, S. 27 und 80).
Die Feststellungen zur Ausreise aus Somalia, zum Reiseweg, zu seiner Antragstellung in Griechenland unter Angabe einer Aliasidentiät und zu den Reisekosten basieren auf den Angaben des Beschwerdeführers im Laufe des Verfahrens in Zusammenschau mit dem EURODAC-Treffer (AS 6f; AS 27; S. 6f der Niederschrift der Verhandlung).
Das Datum der Antragstellung in Österreich ergibt sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer weitgehend gesund ist, beruht insbesondere auf seinen aktuellen Angaben in der mündlichen Verhandlung (S. 5 der Niederschrift der Verhandlung). Darin legte er dar, dass es ihm (gesundheitlich) allgemein gut gehe. Er nehme ein Medikament gegen Asthma. Weitere Beschwerden habe er nicht. Der Beschwerdeführer legte vor der belangten Behörde ärztliche Unterlagen vor, aus denen hervorgeht, dass bei ihm eine Beinverkürzung links sowie ein Beckenschiefstand festgestellt worden sei. Im Ambulanzbericht vom 08.11.2024 wird im Befund näher ausgeführt: „Patient hat hinkendes Gangbild, arbeitet aber. Möchte wissen, ob eine OP sinnvoll und möglich ist“ (AS 63). In der mündlichen Verhandlung führte der Beschwerdeführer dazu aus, dass eine Operation erst bevorstehe, er legte jedoch keine weiteren medizinischen Unterlagen vor. Schwerwiegende oder akute Erkrankungen wurden von ihm nicht behauptet. Die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich daraus, dass er in Somalia gearbeitet hat; eine Arbeitsunfähigkeit wurde zudem weder behauptet noch ist eine solche sonst im Verfahren hervorgekommen.
Die Feststellung zur Verletzung bzw. Narbe am linken Oberschenkel des Beschwerdeführers beruht auf seinen Angaben und auf den vorgelegten ärztlichen Unterlagen (AS 61f). Die Feststellung, dass die Verletzung nicht aus dem behaupteten Angriff durch den Bruder seiner Ehefrau aufgrund seiner Mischehe bzw. seiner Clanzugehörigkeit stammt, ergibt sich aus seinem nicht glaubhaften Fluchtvorbringen (verwiesen wird hierzu auf die beweiswürdigenden Ausführungen unter Punkt II.2.2.2.).
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers ist aus nachstehenden Gründen nicht glaubhaft und es ist nicht zu erkennen, dass der Beschwerdeführer in Somalia individuell und konkret aufgrund bestimmter in seiner Person gelegener Eigenschaften bedroht oder verfolgt worden ist bzw. im Fall einer Rückkehr eine solche Verfolgung zu befürchten hätte.
Der Beschwerdeführer führte als Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass er als Angehöriger des Clans der Madhiban im Jahr 2006 eine Angehörige des Clans der Hawiye, Sub-Clan Habrgedir, geheiratet habe. Die Familie seiner Ehefrau sei nicht damit einverstanden gewesen, dass er sie heirate und mit ihr gemeinsame Kinder habe. Als im Jahr 2021 der Bruder seiner Ehefrau aus Uganda nach Somalia zurückgekehrt sei, habe dieser von der Heirat und den Kindern erfahren und sei verärgert darüber gewesen. Der Beschwerdeführer sei angeschossen und schwer verletzt worden.
Vorwegzuschicken ist, dass die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung eine Stellungnahme einbrachte und darin zunächst zutreffend ausführte, der Beschwerdeführer habe in der mündlichen Verhandlung erneut gleichbleibend vorgetragen, dem berufsständigen Clan der Gabooye-Madhiban anzugehören. Das erkennende Gericht erachtet auch die gleichbleibenden Schilderungen des Beschwerdeführers, verheiratet zu sein und mit seiner Ehefrau in Somalia fünf Kinder und zwei Adoptivkinder (die Kinder seines Onkels) zu haben, als glaubhaft.
Bei der Erzählung seiner Fluchtgründe traten jedoch erhebliche Unplausibilitäten und Widersprüche auf, die der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung nicht nachvollziehbar erklären konnte. Hinsichtlich der Widersprüche im Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers wurde in der Stellungnahme auf eine Analyse der EUAA zur Glaubhaftigkeitsprüfung verwiesen, wo mit Bezug auf Studien dargelegt werde, dass ein Einfluss von Stress auf die Wiedergabe von Erinnerungen belegt sei. Dies betreffe insbesondere emotionale Erlebnisse. Aus diesem Grund sei es nicht ungewöhnlich, dass die Erzählungen des Beschwerdeführers in den verschiedenen Befragungen „vordergründig voneinander abgewichen“ seien. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer in unterschiedlichen Befragungssituationen befunden habe. Die „vorhandenen kleineren Widersprüche“ sprächen somit nicht gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und seines Fluchtvorbringens (S. 18f der Niederschrift der Verhandlung).
Dazu ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen in der Einvernahme vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung in zentralen Punkten unterschiedlich darstellte und massiv steigerte und es sich nicht bloß um kleinere Widersprüche handelt, die auf Erinnerungslücken aufgrund von Stress, emotionalen Erlebnissen und unterschiedlichen Befragungssituationen zurückgeführt werden können. Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, dass er in Somalia aufgrund einer heimlichen Beziehung respektive Mischehe mit einer Frau aus dem Mehrheitsclan der Hawiye einer individuellen (asylrelevanten) Bedrohung bzw. Verfolgung ausgesetzt war bzw. ist, wie im Folgenden aufgezeigt werden soll:
In der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund befragt einerseits zu Protokoll, einer Minderheit anzugehören, die diskriminiert werde. Die Angehörigen seiner Ehefrau fühlten sich „höhergestellt“ und wollten sich nicht mit „ihnen“ – Angehörigen der Madhiban – „vermischen“. Andererseits schilderte er im Verfahren gleichbleibend, dass er die Schule besucht und in Somalia in der Landwirtschaft gearbeitet habe (AS 49: „Finanziell ging es uns gut. Wir konnten von der Landwirtschaft leben“) und für Reisekosten in der Höhe von etwa 3.000,- USD aufkommen habe können. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Lebensumständen sprechen bereits gegen eine Schlechterstellung gegenüber anderen Clanangehörigen in seiner Herkunftsregion und gegen eine (asylrelevante) Diskriminierung. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor der belangten Behörde zu seinen konkreten Lebensumständen als Angehöriger des Clans der Madhiban in Somalia ausführte: „Ja man kann ein normales Leben führen. Bei mir ist es nur so, dass mir seitens der Familie meiner Ehefrau die Beziehung und die Ehe mit meiner Ehefrau nicht vergönnt wurde, weil ich einer Berufskaste angehöre. Wenn man jedoch keine Frau von einem höheren Clan heiratet, kann man ein normales Leben in XXXX führen“ (AS 48f). Die Frage, ob es in Somalia jemals zu einer Verfolgung gegen seine Person aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit gekommen sei, verneinte der Beschwerdeführer wiederum (AS 50). Auch in der mündlichen Verhandlung schilderte der Beschwerdeführer – abgesehen von den angeblichen Problemen aufgrund seiner Eheschließung – keine konkreten Diskriminierungserfahrungen aufgrund seiner Clanzugehörigkeit (S. 6 der Niederschrift der Verhandlung: („RI: Hatten Sie in Somalia Probleme wegen Ihrer Clanzugehörigkeit? BF: […] Nein, persönlich nicht. BF: Nach diesen Verletzungen habe ich Drohungen erhalten, dass man mich töten wird. Alles was mir passiert ist, die Verletzungen und die Todesdrohungen danach habe ich wegen meiner Clanzugehörigkeit bekommen. Meine Frau ist Hawiye“). Vor dem Hintergrund der Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Lebensumständen ist nicht nachvollziehbar, dass ein Angehöriger der Madhiban in seiner Herkunftsregion einerseits ein „normales Leben“ ohne Diskriminierung führen könne und andererseits eine Eheschließung mit einer Clanangehörigen eines „höheren Clans“ zur Bedrohung und Verfolgung aufgrund der Clanzugehörigkeit führe, noch dazu in der vom Beschwerdeführer geschilderten Intensität.
Auch aufgrund der zunehmend gesteigerten Ausführungen des Beschwerdeführers zu den Umständen, unter denen er und seine Ehefrau heimlich eine Beziehung geführt und heimlich geheiratet hätten, konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass er heimlich eine Beziehung respektive Mischehe mit einer Frau aus dem Mehrheitsclan der Hawiye geschlossen habe, die zu den behaupteten Problemen geführt haben soll.
So führte er in der Einvernahme vor der belangten Behörde noch aus, dass sich die Familie seiner Ehefrau gegen ihre Heirat ausgesprochen habe. Sie hätten zuerst für ein Jahr eine heimliche Beziehung geführt, dann außerhalb von ihrem Herkunftsort geheiratet und anschließend gemeinsam gelebt. Die Ehefrau des Beschwerdeführers sei von ihrer eigenen Familie verstoßen worden. Ihre Familie habe den Kontakt völlig abgebrochen (AS 50f). Der Beschwerdeführer schilderte in der Einvernahme vor der belangten Behörde somit keine konkrete Bedrohung vor der Rückkehr des Bruders seiner Ehefrau aus Uganda. Daraus folgt jedoch, dass der Beschwerdeführer und seiner Ehefrau in der Zeit zwischen der heimlichen Eheschließung am 15.02.2006 und der Rückkehr des Bruders seiner Ehefrau im Jahr 2021 für viele Jahre ohne Probleme gelebt hätten. In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer zwar an, dass er mit seiner Ehefrau nach der Eheschließung „fortgegangen“ sei und als Nomade „am Land im Freien“ gelebt habe. Sie hätten „ständig“ ihren Wohnsitz gewechselt (S. 8 der Niederschrift der Verhandlung). Konträr dazu gab der Beschwerdeführer an früherer Stelle jedoch an, er habe, solange er in Somalia gelebt habe, immer in seinem Herkunftsort gelebt (S. 6 der Niederschrift der Verhandlung), weshalb auch nicht nachvollzogen werden kann, wie der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau für viele Jahre offenbar unbehelligt in seiner Herkunftsregion leben konnte. Auch in der freien Erzählung in der mündlichen Verhandlung erwähnte der Beschwerdeführe zunächst keine konkreten Probleme zwischen 2006 und 2021 (vgl. S 8 der Niederschrift der Verhandlung). Bei den konkreten Fragen der erkennenden Richterin, unter welchen Umständen er und seine Ehefrau heimlich eine Beziehung geführt und geheiratet hätten, schilderte der Beschwerdeführer jedoch bislang unerwähnte Ereignisse und steigerte sein Fluchtvorbringen zunehmend:
So antwortete der Beschwerdeführer auf konkrete Fragen, dass er die Beziehung (nur) für sechs Monate heimlich geführt habe. Dann hätte seine Frau ihre Mutter um Erlaubnis für die Heirat gefragt, woraufhin ihre Mutter gemeint habe, dass sie beide geschlagen und getötet werden würden. Die Ehefrau des Beschwerdeführers sei dann „eingeengt“ worden und habe das Haus für ein Jahr nicht verlassen dürfen. Der Beschwerdeführer habe seien Ehefrau auf der Hochzeit ihrer Cousine getroffen und sie seien von dort heimlich fortgegangen (S. 10f der Niederschrift der Verhandlung). Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht erwähnte, dass seine Ehefrau für ein Jahr zuhause eingesperrt gewesen sei, sondern bloß vage anführte, seine Ehefrau sei von ihrer Familie „verstoßen“ worden.
Der Beschwerdeführer steigerte in der mündlichen Verhandlung sein Fluchtvorbringen auch in Bezug auf die Frage, was nach der Eheschließung geschehen sei. So antwortete er auf diese Frage zunächst: „Ich habe mir dann ein Buschhaus am Land aufgebaut, in dem wir zusammen gelebt haben. In dieser Zeit ist dann nichts mehr passiert. Ich habe nur von den Leuten gehört, dass ihre Familie über uns schimpft und erzählten was die Familie vorhat“ (S. 11 der Niederschrift der Verhandlung). Auf die Frage, was passiert sei, als die Familie seiner Frau von der Eheschließung erfahren habe, schilderte der Beschwerdeführer jedoch erstmals auch persönliche Bedrohungen vor der Rückkehr des Bruders seiner Ehefrau: „Ich wurde bedroht. Mein Onkel vs wurde bedroht. Sie haben gesagt, dass – wenn ich meine Frau nicht zurückbringe – werde ich irgendwann getötet, egal wie lange danach, weil ich nicht zu ihr passe und nicht gleichwertig bin.“ Der Beschwerdeführer führte aus, dass der Onkel und die Mutter seiner Ehefrau persönlich zu seinem Onkel gekommen seien und sie bedroht hätten. Auf weitere Fragen behauptete der Beschwerdeführer zuerst, dass er versteckt gewesen sei und nach der Eheschließung selbst keine persönlichen Gespräche mit der Familie seiner Frau gehabt habe. Auch seine Ehefrau habe keinerlei Kontakt zu ihrer Familie gehabt. Auf Nachfrage schilderte der Beschwerdeführer dann jedoch persönliche Bedrohungen nach der Eheschließung (S. 12f der Niederschrift der Verhandlung: „RI: Was wollte die Familie Ihrer Frau konkret von Ihnen und von Ihrer Frau? BF: Sie wollten nie, dass ich mit meiner Frau zusammenbleibe wegen meiner Clanzugehörigkeit. Am Ende haben sie gesagt, dass sie mich umbringen werden um sich zu rächen. RI: Wann haben Sie das zeitlich gesehen zu Ihnen gesagt? BF: Seit ich mit ihr fortgegangen bin bis ich verletzt wurde, haben sie keine Ruhe gegeben und sagten mir, dass sie mich nie in Ruhe lassen und mich umbringen werden. RI: Und das haben Sie zu Ihnen persönlich gesagt? BF: Telefonisch haben sie mich kontaktiert […]. RI: Wie viele konkrete Bedrohungen haben Sie erlebt von der Eheschließung bis zur Rückkehr des Bruders Ihrer Frau? BF: Unzählbar. Das kann man nicht sagen, wie oft. Ich habe die ganze Zeit mit diesen Drohungen gelebt“).
Ein weiterer zentraler Widerspruch betrifft die Frage, wann der Bruder seiner Ehefrau, von dem die Verfolgung ausgegangen sei (AS 52: „LA: Wen befürchten Sie konkret? VP: Den Bruder meiner Ehefrau […] meine Bedrohung geht von einer Einzelperson aus“), von ihrer Beziehung bzw. Heirat erfahren habe. In der Einvernahme vor der belangten Behörde schilderte der Beschwerdeführer noch, dass der Bruder im Jahr 2021, als er nach Somalia zurückgekehrt sei, von Dorfbewohnern von der Heirat erfahren habe (AS 51: „LA: Bestand kein Kontakt? Warum hat der Bruder Ihrer Ehefrau erst nach seiner Rückkehr nach XXXX erfahren, dass seine Schwester geheiratet hat? VP: Meine Ehefrau hatte kein Telefon und als sie verstoßen wurde, brach der Kontakt völlig ab. LA: Wie erlangte der Bruder Kenntnis über die familiären Verhältnisse seiner Schwester? VP: Als er zurückkam, erfuhr dieser diese Begebenheit von Dorfbewohnern. XXXX ist ein kleines Dorf“). In der mündlichen Verhandlung steigerte der Beschwerdeführer abermals sein (Flucht)Vorbringen und behauptete nun, dass ihm schon „immer“ damit gedroht worden sei, dass der Bruder seiner Ehefrau zurückkommen und ihn töten würde (vgl. S. 9 der Niederschrift der Verhandlung). Auf die Frage der erkennenden Richterin, wie er erfahren habe, dass der Bruder seiner Frau zurückgekehrt sei, behauptete der Beschwerdeführer, dass dieser seinem Onkel gesagt habe, dass er gerade aus dem Grund zurückgekehrt sei, um den Beschwerdeführer zu töten (S. 13 der Niederschrift der Verhandlung). Dies steht jedoch im Gegensatz zu den Aussagen des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor der belangten Behörde.
An dieser Stelle ist festzuhalten, dass aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgegangen werden kann, dass ein Asylwerber grundsätzlich in der Lage sein muss, umfassende und inhaltlich übereinstimmende Angaben zu den konkreten Umständen und dem Grund der Ausreise aus dem Herkunftsstaat zu machen, zumal eine Person, die aus Furcht vor Verfolgung ihren Herkunftsstaat verlassen hat, gerade in ihrer ersten Einvernahme auf konkrete Befragung zu ihrer Flucht dir ihr gebotene Möglichkeit wohl kaum ungenützt lassen wird, die Umstände und Gründe ihrer Flucht in umfassender und konsistenter Weise darzulegen, um den beantragten Schutz vor Verfolgung auch möglichst rasch erhalten zu können. Es entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine mit Vernunft begabte Person, die behauptet aus Furcht vor Verfolgung aus ihrem Herkunftsstaat geflüchtet zu sein, über wesentliche Ereignisse im Zusammenhang mit ihrer Flucht, die sich im Bewusstsein dieser Person einprägen, selbst nach einem längeren Zeitraum noch ausreichend konkrete, widerspruchsfreie und nachvollziehbare Angaben machen kann.
Nicht nachvollziehbar ist in diesem Kontext, weshalb der Beschwerdeführer einerseits genau angeben können soll, wann ihn sein Onkel über die Rückkehr des Bruders seiner Ehefrau informiert habe (S. 14 der Niederschrift der Verhandlung: „Es war am Nachmittag um 17:00 Uhr in der Nähe meiner Wohnunterkunft“) und wann er angeschossen worden sei („BF: Am 15.03.2021. RI: Wieso wissen Sie das Datum so genau? BF: Weil mir an diesem Tag das größte Problem meines Lebens passiert ist. RI: Können Sie mir erklären, warum Sie beim BFA angegeben haben, dass Sie im Februar 2021 angeschossen worden sind? BF: Ich weiß es nicht. Ich kann mich erinnern, dass es im dritten Monat stattgefunden hat“), andererseits aber aufgrund von Erinnerungslücken die konkreten Vorfälle nicht widerspruchsfrei schildern kann – wie in der Stellungnahme vorgebracht wurde.
Auffallend waren auch die in den Einvernahmen stark voneinander abweichenden Schilderungen des Schusswaffenattentats auf den Beschwerdeführer. In der Einvernahme gab der Beschwerdeführer an, dass auf dem Nachhauseweg drei Männer nach ihm gerufen hätten, einer davon soll der Bruder seiner Ehefrau gewesen sein. Der Beschwerdeführer habe die Flucht ergriffen, es sei auf ihn geschossen worden und ein Schuss habe sein linkes Bein getroffen, woraufhin er zu Boden gefallen sei und sich in einem Busch versteckt habe. Er sei dann von bewaffneten Kamelhirten „aufgenommen“ und versorgt worden. Die Angreifer hätten die Flucht ergriffen (AS 50). In der mündlichen Verhandlung behauptete der Beschwerdeführer erstmals, dass auch die Kameltreiber Schüsse abgegeben hätten und seine Verfolger deshalb die Flucht ergriffen hätten. Bemerkenswert ist in diesem Kontext, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung auch behauptete, dass er nach der Schussverletzung zu Boden gefallen sei, sich nicht mehr bewegen hätte können und schließlich das Bewusstsein verloren habe, sodass bereits nicht plausibel ist, wie er sich noch in einem Busch verstecken hätte können. Auf den Vorhalt seiner diesbezüglichen Angaben in der Einvernahme vor der belangten Behörde, änderte der Beschwerdeführer seine Angaben wiederum ab und behauptete: „Ich bin gekrochen, mehr konnte ich nicht. Ich konnte mich nicht bewegen, außer leicht kriechen“ (S. 15 der Niederschrift der Verhandlung).
Widersprüchlich und nicht nachvollziehbar sind auch die Aussagen des Beschwerdeführers zu den Ereignissen nach dem Angriff. In der Einvernahme vor der belangten Behörde erklärte der Beschwerdeführer, er sei – nachdem er angeschossen worden sei – etwa sechs Monate bei seinem Onkel verblieben und habe dann bis Ende 2021 bei seiner Familie gelebt. Seine Frau sei von ihrem Bruder „abgeholt“ worden, als er noch bei seinem Onkel gewesen sei (AS 51). In der mündlichen Verhandlung legte der Beschwerdeführer hingegen konträr hierzu dar, dass die Kameltreiber ihn nachhause gebracht hätten, wo er mit seinem Onkel, seiner Mutter, seinen Kindern und seiner Ehefrau gemeinsam gelebt hätte, dort sei er bis zu seiner Ausreise geblieben (S. 15 der Niederschrift der Verhandlung). Diesen Widerspruch versuchte der Beschwerdeführer damit zu erklären, dass er in das Zimmer seines Onkels gebracht worden sei und es in Somalia Tradition sei, „dass man nach einer Knochenverletzung nicht zu seiner Frau gebracht wird, sondern zu einem anderen Familienangehörigen.“ Diese Erklärung überzeugt jedoch nicht, weil der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor der belangten Behörde noch ausdrücklich angab, er sei von Dorfbewohnern gesehen worden sei, als er von seinem Onkel zu seiner Familie zurückgekehrt sei, wodurch der Bruder seiner Ehefrau erfahren hätte, dass er noch lebe (AS 51).
Unplausibel erscheint auch, dass der Bruder seiner Ehefrau noch zwei Monate nach dem Angriff auf den Beschwerdeführer zugewartet haben soll, bis er schließlich seine Schwester – die Ehefrau des Beschwerdeführers – mitgenommen habe und der Beschwerdeführer noch für mehrere Monate bzw. bis zu einem Jahr in seinem Herkunftsort verbleiben konnte, ohne vom Bruder seiner Ehefrau gefunden zu werden (vgl. S 15f der Niederschrift der Verhandlung).
Schließlich soll an dieser Stelle auch nicht unerwähnt bleiben, dass der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung keinerlei emotionale Realkennzeichen zeigte und daher nicht davon auszugehen ist, dass er das von ihm Geschilderte tatsächlich in dieser Form erlebt hat.
Es wird nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer Narben bzw. eine Verletzung am linken Bein hat, doch kann aufgrund der soeben getätigten beweiswürdigenden Erwägungen nicht davon ausgegangen werden, dass die Verletzung tatsächlich dem behaupteten Angriff durch den Bruder seiner Ehefrau entstammt. An dieser Beurteilung vermag auch die in der Beschwerde beantragte Einholung eines unfallchirurgischen Sachverständigengutachtens nichts zu ändern, zumal die Ursache respektive der Ursprung der Verletzung auch durch ein solches Gutachten nicht (abschließend) geklärt werden kann.
Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers erscheint letztlich auch vor dem Hintergrund der Länderinformationen nicht als hinreichend wahrscheinlich:
Hinzuweisen ist darauf, dass nach den Länderberichten Mischehen von der Gesellschaft zwar nicht akzeptiert werden, sodass es zu Diskriminierungen kommt, jedoch kommt es so gut wie nie zu Gewalt oder Tötungen. Diesbezüglich bestehen regionale Unterschiede und sehen Hawiye die Frage der Mischehe auch weniger eng. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei mit dem Tode bedroht worden und es sei aufgrund seiner Mischehe auf ihn geschossen worden, erweist sich daher auch vor dem Hintergrund der Länderinformationen als nicht glaubhaft. Auch aus den in der Stellungnahme der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers zitierten Berichten der EUAA geht nicht hervor, dass es in allen Fällen von Mischehen berufsständischer Minderheiten zu Gewalt kommt.
Im Zusammenhang mit den anderen vorgebrachten Diskriminierungen aufgrund seiner Clanzugehörigkeit, die ebenfalls nicht im Kontext mit seiner Flucht stehen, verkennt das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass der Clan des Beschwerdeführers eine Minderheit darstellt und es demnach vereinzelt zu Benachteiligungen kommen kann. Allerdings ergibt sich aus den zitierten Länderberichten, dass sich die Situation für die Gabooye (anderer Sammelbegriff: Midgan oder Madhiban) im Vergleich zur Jahrtausendwende gebessert hat (insbesondere auch der Zugang zu Bildung). Insbesondere unter jungen Somali ist die Einstellung zu ihnen positiver geworden; mittlerweile ist es für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Es gibt keine gezielten Angriffe gegen oder Misshandlungen von Gabooye. Eine systematische Verfolgung der berufsständischen Gruppen wird in den Länderberichten zudem ausdrücklich ausgeschlossen. Vereinzelt können auch Angehörige berufsständischer Gruppen wirtschaftlich erfolgreich sein. Auch wenn sie weiterhin die ärmste Bevölkerungsschicht stellen, finden sich einzelne Angehörige in den Regierungen, im Parlament und in der Wirtschaft. Obwohl der Clan des Beschwerdeführers eine Minderheit darstellt, ist im Hinblick auf die bisherigen Ausführungen insgesamt von keiner asylrelevanten Verfolgungsgefahr des Beschwerdeführers wegen seiner Clanzugehörigkeit auszugehen.
Die Feststellung, wonach das Vorliegen anderer Verfolgungsgründe aufgrund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit nicht konkret vorgebracht wurde und Hinweise für eine solche Verfolgung auch amtswegig nicht hervorgekommen sind, ergibt sich aus der Aktenlage, insbesondere der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der durchgeführten mündlichen Beschwerdeverhandlung sowie aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer keine Hinweise auf das Vorliegen einer solchen Verfolgung vorgebracht hat bzw. nicht einmal ein Hinweis auf eine solche amtswegig zu ersehen war.
2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht (wesentlich) geändert haben.
Dem Beschwerdeführer wurde in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme zu den Länderberichten eingeräumt; er ist diesen nicht substantiiert entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht.
Nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der Genfer Flüchtlingskonvention ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 mwN). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 06.09.2018, Ra 2017/18/0055; vgl. auch VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100, mwN).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Herkunftsstaates bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Herkunftsstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (vgl. etwa VwGH 25.09.2018, Ra 2017/01/0203; 26.06.2018, Ra 2018/20/0307, mwN).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat asylrelevanten Charakter, wenn der Herkunftsstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. etwa VwGH 12.06.2018, Ra 2018/20/0177; 19.10.2017, Ra 2017/20/0069). Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der „Glaubhaft-machung“ im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinne der ZPO zu verstehen. Es genügt daher, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, das heißt er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden Verwaltungsgerichtes vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom Verwaltungsgericht nicht getroffen werden (VwGH 28.06.2016, Ra 2018/19/0262; vgl. auch VwGH 18.11.2015, Ra 2015/18/0237-0240, mwN). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründete die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer keine (drohende) Verfolgung aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft gemacht habe. Mit dieser Beurteilung ist das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl – wie beweiswürdigend dargelegt – im Ergebnis im Recht.
Da sich aus den Verfahrensergebnissen auch sonst keine konkrete gegen den Beschwerdeführer gerichtete (drohende) Verfolgung in seinem Herkunftsstaat ableiten ließ, ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist – soweit diese nicht unvertretbar ist – nicht revisibel (vgl. z.B. VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0149, mwN).
Rückverweise