JudikaturBVwG

W151 2316066-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
08. September 2025

Spruch

W151 2316066-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ, als Einzelrichterin, über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Michal SLANY, Paulanergasse 14/4, 1100 Wien, gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, Fachbereich Versicherungsservice, vom 15.04.2025, GZ XXXX in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 27.06.2025 GZ: XXXX betreffend Haftung für Beitragsschulden gemäß § 67 Abs. 10 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.Mit Bescheid vom 15.04.2025 stellte die Österreichische Gesundheitskasse (in weiterer Folge „ÖGK“) fest, dass die Beschwerdeführerin als ehemalige Geschäftsführerin der Beitragskontoinhaber(in) XXXX (im Folgenden: „Primärschuldnerin“) der ÖGK gemäß § 67 Abs. 10 ASVG in Verbindung mit § 83 ASVG die zu entrichten gewesenen Beiträge samt Nebengebühren aus den Vorschreibungen für die Zeiträume November 2022 bis Juli 2023 von € 50.624,19 zuzüglich Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, das seien ab 14.04.2025 7,03% p.a. aus € 41.211,24 schulde. Die Beschwerdeführerin sei verpflichtet, diesen Betrag binnen 14 Tagen nach Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen an die ÖGK zu bezahlen.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Einbringung der Beiträge bei der Primärschuldnerin nicht möglich gewesen sei. Die Beschwerdeführerin sei laut Firmenbuch handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit die zur Vertretung berufene Person der Primärschuldnerin. Diese habe nicht dafür gesorgt, dass die Beiträge bei Fälligkeit aus den verfügbaren Mitteln der Primärschuldnerin entrichtet wurden. Die zur Vertretung berufene Person habe weder behauptet noch nachgewiesen, dass keine Mittel bei der Primärschuldnerin vorhanden waren oder dass die beschränkt vorhandenen Mittel bei Fälligkeit gleichmäßig auf alle Gläubiger verteilt worden sind. Der Beschwerdeführerin sei mit Schreiben vom 04.12.2023 Gelegenheit geboten worden, entsprechendes vorzubringen und nachzuweisen. Auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach sie nichts von den Schulden bei der ÖGK gewusst und nichts mit dem Unternehmen zu tun gehabt habe, darüber hinaus der Notariatsakt ungültig sei, da sie nicht der deutschen Sprache mächtig sei, verwies die ÖGK auf eine Stellungnahme des Notars, wonach dieser der Beschwerdeführerin die Folgen der Übernahme der Funktion als Geschäftsführerin und die damit verbundene Geschäftsführerhaftung erklärt habe, welche umfassend und glaubhaft sei. Weiters verwies die ÖGK auf Judikatur des VwGH (94/08/0105), wonach fehlende Kenntnis von allfälligen Pflichten als Geschäftsführerin diese nicht von der Haftung befreie.

2.Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Zunächst machte die Beschwerdeführerin Verfahrensmängel geltend. Insbesondere habe die ÖGK die Rückstandsausweise nicht der Primärschuldnerin zugestellt, ihre Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des Sachverhalts verletzt und kein Parteiengehör durchgeführt. Zudem hätte sie das Strafverfahren zu Herrn XXXX , der die Geschäfte der Gesellschaft im Alleingang geleitet habe, abwarten müssen. Unter inhaltlicher Rechtswidrigkeit wurde ausgeführt, dass die Rückstandsausweise rechtswidrig seien, da sie Forderungen betreffen würden, die die ÖGK im Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin hätte geltend machen müssen. Die Beschwerdeführerin sei in keiner Weise geschäftsführend tätig gewesen, geschäftsführend sei ausschließlich Herr XXXX tätig gewesen. Die Beschwerdeführerin habe weder faktisch geschäftsführende Tätigkeiten der Primärschuldnerin übernommen, noch habe sie die Möglichkeit gehabt, Einblicke in das Unternehmen und die Tätigkeiten des Herrn XXXX zu bekommen. Schon gar nicht sei sie für die Abfuhr von Steuern, Abgaben, Prämien, Löhnen etc. zuständig gewesen. Die Beschwerdeführerin sei von Herrn XXXX über die Tätigkeiten der Primärschuldnerin und ihre Verantwortung als im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführerin getäuscht worden, zumal sie nicht einmal gewusst habe, dass sie als Geschäftsführerin im Firmenbuch eingetragen gewesen sei. Sie sei der deutschen Sprache nicht mächtig. Bei notariellen Terminen, mit welchem die Beschwerdeführerin die Anteile erworben habe bzw. zur Geschäftsführerin bestellt worden sei, sei ein Dolmetscher nicht anwesend gewesen und sei die Beschwerdeführerin von Herrn XXXX über den Inhalt der Verträge und insbesondere ihre Verantwortung für die Primärschuldnerin nicht aufgeklärt worden, habe keine Kenntnis von allfälligen Pflichten als Geschäftsführerin. Sie habe auch kein Wissen um die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft gehabt. Ein Verschulden im Sinne des § 67 ASVG könne ihr vor diesem Hintergrund nicht vorgeworfen werden. Sie habe keinen Zugang zum Geschäftskonto gehabt, hätte gänzliche Tätigkeit an Herrn XXXX übertragen, der die Gesellschaft geleitet und der Beschwerdeführerin keine Informationen über die operative Tätigkeit der Gesellschaft erteilt habe. Zudem sei zumindest ein Teil der Beitragsschulden erst nach Ausscheiden der Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin fällig geworden

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 27.06.2025 wurde die Beschwerde abgewiesen. Hinsichtlich der Rückstandsausweise führte die ÖGK aus, dass zum einen sowohl in der lnsolvenzantragstellung vom 25.07.2023, als auch in der Forderungsanmeldung vom 12.10.2023 zum lnsolvenzverfahren AZ XXXX Rückstandsausweise übermittelt worden seien, zum anderen die Übermittlung eines Rückstandsausweises an die Primärschuldnerin keine Haftungsvoraussetzung sei. Es sei auch kein doppelter Titel durch mehrere Rückstandsausweise geschaffen worden, da es sich bei der Beschwerdeführerin und der Primärschuldnerin um unterschiedliche Personen handle. Es sei der Beschwerdeführerin zudem am 26.05.2025 die Stellungnahme des Notars übermittelt und ihr Gelegenheit geboten worden, sich bis zum 23.06.2025 zu äußern. Lediglich eine Fristerstreckung sei aufgrund der ausreichenden Frist von 4 Wochen nicht gewährt worden. Die ÖGK wies zudem darauf hin, dass die Beiträge gemäß § 58 Abs. 1 am letzten des Kalendermonats und damit noch zu einem Zeitpunkt, an dem die Beschwerdeführerin Geschäftsführerin gewesen sei, fällig seien. Die Beschwerdeführerin sei auch im Zeitraum November 2022 bis Juli 2023 Geschäftsführerin und damit auch für die Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge (mit-)verantwortlich gewesen. Dass im gegenständlichen Zeitraum keine Geldmittel vorhanden gewesen seien, sei eine Schutzbehauptung.

4. Mit Schreiben vom 01.07.2025 reichte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme nach und stellte mit Schreiben vom 09.07.2025 einen Vorlageantrag.

5. Die Beschwerdesache wurde seitens der ÖGK unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 15.07.2025 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

6.Im Wege eines Verbesserungsauftrages wies das erkennende Gericht die Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin auf die Pflicht gemäß § 89c Abs. 5 GOG zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr hin. Mit Eingabe vom 23.07.2025 reichte die Rechtsvertretung einen Nachweis über die (erneute) Einbringung der Beschwerde via ERV nach.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin, XXXX (vormals XXXX ), geb. am XXXX , war von 22.04.2022 bis zur Löschung am 18.08.2023 Geschäftsführerin der im Firmenbuch unter der Nummer FN XXXX eingetragenen Firma „ XXXX “.

1.2. Auf dem Beitragskonto der Primärschuldnerin besteht aus den Beiträgen samt Nebengebühren aus dem Zeitraum November 2022 bis Juli 2023 ein Rückstand in Höhe von € 50.624,19 zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen für nicht (vollständig) entrichtete Beiträge.

1.3. Die von der Primärschuldnerin geschuldeten Beiträge wurden von dieser nicht fristgerecht bezahlt. Auch die zwangsweise Eintreibung der Forderung bei der Primärschuldnerin durch die belangte Behörde blieb erfolglos. Im lnsolvenzverfahren zu AZ XXXX wurde der Konkurs nach Verteilung aufgehoben. Die verfahrensgegenständlich rückständigen Sozialversicherungsbeiträge sind bei der Beitragsschuldnerin uneinbringlich.

1.4. Die Beschwerdeführerin wurde im Rahmen des Notariatsaktes über die mit der Bestellung zur Geschäftsführerin verbundenen Rechte und Pflichten aufgeklärt. Sie ist der deutschen Sprache ausreichend mächtig und konnte die Bedeutung des Vorganges und die damit verbundenen Konsequenzen verstehen.

1.5. Die Beschwerdeführerin hat nicht nachgewiesen, dass im verfahrensgegenständlichen Zeitraum überhaupt keine liquiden Mittel mehr vorhanden waren oder die Forderungen der ÖGK und anderer Gläubiger gleichbehandelt wurden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellung zum Zeitraum der Funktion der Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin der Primärschuldnerin ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Firmenbuch.

2.2. Die Feststellungen zum Konkursverfahren ergeben sich durch eine aktenkundige Abfrage der Insolvenzdatei zu AZ XXXX . Die Feststellungen decken sich auch mit jenen des angefochtenen Bescheides und wurden diese auch nicht bestritten.

2.3. Die Höhe der aushaftenden Sozialversicherungsbeiträge der Primärschuldnerin ergibt sich aus den Rückstandsausweisen vom 14.04.2025, in welchen die aushaftenden Beiträge in einer schlüssigen und nachvollziehbaren Aufstellung angegeben wurden. Die ziffernmäßige Richtigkeit der ausgewiesenen Beträge wurde auch von der Beschwerdeführerin nicht konkret bestritten. Zum Vorbringen der generellen Unwirksamkeit der Rückstandsausweise im Hinblick auf unterlassene Zustellung bzw. Anmeldung im Insolvenzverfahren, ist festzuhalten, dass seitens der ÖGK in der Forderungsanmeldung vom 12.10.2023 zum lnsolvenzverfahren AZ XXXX Rückstandsausweise übermittelt wurden. Zudem wurden seitens der ÖGK mit Haftungsankündigung vom 04.12.2023 Rückstandsausweise an die Beschwerdeführerin übermittelt.

2.4. Was das Vorbringen betrifft, die Beschwerdeführerin sei nicht in Kenntnis ihrer Verantwortung als Geschäftsführerin gewesen, da sie über keine hinreichenden Sprachkenntnisse verfüge und im Rahmen der notariellen Abwicklung kein Dolmetscher anwesend gewesen sei (der Notariatsakt demnach unwirksam sei), ist Folgendes festzuhalten:

Im Verfahren vor der belangten Behörde wurde eine Stellungnahme des befassten Notars Dr. XXXX eingeholt. Dieser führte in seiner Stellungnahme vom 05.04.2024 aus, dass die Beschwerdeführerin im Zuge der Generalversammlung, in welcher auch eine Sitzverlegung beschlossen wurde, mit sofortiger Wirkung zur neuen selbständig zeichnungsberechtigten Geschäftsführerin bestellt worden sei. Die Beschwerdeführerin, welche bei diesem Termin durchgehend anwesend gewesen sei, habe am selben Tag auch die Musterunterschrift sowie die Firmenbucheingabe gezeichnet. Weiters seien ihr in diesem Zusammenhang ausführlich die Folgen der Übernahme der Funktion eines Geschäftsführers und die damit verbundene Geschäftsführerhaftung erklärt worden. Sie habe bei einem weiteren Termin am 17.05.2022 zur Abtretung des Geschäftsanteils die Auftragserteilung sowie den Fragebogen zur Selbstauskunft betreffend politisch exponierter Personen (PEPs), welche jeweils in deutscher Sprache abgefasst seien, eigenhändig und ohne Hilfe ausgefüllt. ln der Folge sei von ihr noch das Firmenbuchgesuch gezeichnet worden. Nach Erinnerung des Notars sei die Beschwerdeführerin durchaus in der Lage gewesen, zu verstehen und zu begreifen, was sie alles im Zusammenhang mit der Abtretung unterschrieben habe. Sie sei wie jeder Klient über den Inhalt jedes Dokuments aufgeklärt und belehrt worden.

Der Notar schilderte ferner, dass die Kommunikation mit der Beschwerdeführerin in deutscher Sprache erfolgt sei und auch seinem Substituten, Dr. XXXX , der eine ao. Generalversammlung der XXXX GmbH protokolliert habe, erinnerlich sei, dass die Beschwerdeführerin den Vorgang verstanden habe. Schließlich habe er nach Einsicht im Firmenbuch den Abtretungsvertrag ausgehoben, mit welchem die Beschwerdeführerin ihren Geschäftsanteil an der XXXX abgetreten habe und gehe aus diesem ebenfalls nicht hervor, dass die Beschwerdeführerin der deutschen Sprache nicht mächtig sei. Der Notar trat aus diesen Gründen dem Vorbringen entgegen und wies darauf hin, dass es schon sehr verwunderlich erscheine, dass keinem der drei dem Notarenstand angehörigen Personen die angeblich mangelnde Deutschkenntnis der Beschwerdeführerin aufgefallen wäre.

Sofern die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 01.07.2025 ins Treffen führt, dass es keine genauen Aufzeichnungen über die damaligen Vorgänge gebe und der Notar selbst sich an mehreren Stellen auf erinnerliche Vorgänge beziehe, ist dem entgegenzuhalten, dass den Ausführungen des Notars, welche in sich schlüssig und nachvollziehbar begründet sind, und zudem Wahrnehmungen zu Vorgängen betreffen, die den Kernbereich seiner Funktion (nämlich die Beurkundung von Rechtsgeschäften und Willenserklärungen) darstellen, ein besonderes Gewicht zukommt.

Als Träger eines öffentlichen Amts unterliegen Angehörige des Notariatsstandes zudem einer besonderen Standes- und Wahrheitspflicht, welche bei der Bewertung von Stellungnahmen wie der Vorliegenden zu berücksichtigten sind und höher wiegen als der bloße Einwand, dass es an genauen Aufzeichnungen für die der Stellungnahme des Notars zugrundeliegenden Vorgängen fehle. Somit kann diese die niederschriftlichen Wahrnehmungen des Notars Dr. XXXX nicht entkräften.

Darüber hinaus fällt auf, dass weder in der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 01.07.2025, noch in ihrer Beschwerde vorgebracht wurde, dass diese im Zuge der notariellen Abwicklung, welche ua. das eigenständige Ausfüllen deutschsprachiger Formulare umfasste, mangelhafte Sprachkenntnisse oder Verständigungsprobleme in irgendeiner Weise kommuniziert hätte. In Anbetracht dessen ist es als wahrscheinlich anzusehen, dass sich die Beschwerdeführerin – wie dies auch vom Notar Dr. XXXX glaubhaft dargestellt wurde – sehr wohl in vollem Bewusstsein der mit der Bestellung zur Geschäftsführerin verbundenen Konsequenzen befunden hat.

Daraus lässt sich somit nicht ableiten, dass die Beschwerdeführerin nicht der deutschen Sprache mächtig gewesen sei und infolge dessen keine Kenntnisse ihrer Rechte und Pflichten als Geschäftsführerin erlangt habe, sondern vielmehr von einer Schutzbehauptung ihrerseits ausgegangen werden kann.

Vor dem Hintergrund der detaillierten Stellungnahme des Notars Dr. XXXX konnte auch von dessen Einvernahme im Rahmen einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden. Der Beschwerdeführerin wurde bereits im Verfahren durch die ÖGK im Rahmen des Parteiengehörs (Schreiben vom 26.05.2025) die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt, was diese auch genützt hat. Auf das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführerin wurde im Rahmen der gegenständlichen Beweiswürdigung (s.o.) eingegangen.

2.5. Die Beschwerdeführerin hat auf Nachfrage der belangten Behörde im Rahmen des Parteiengehörs (vgl. Schreiben vom 27.06.2025) keine Unterlagen vorgelegt, welche eine Gläubigerungleichbehandlung ausschließen können. Es ist damit insgesamt nicht feststellbar, welche insgesamt fälligen Verbindlichkeiten die Primärschuldnerin in welcher Höhe in den verfahrensgegenständlichen Monaten gehabt hat und welche dieser Verbindlichkeiten in dieser Zeit tatsächlich bezahlt worden sind. Hinsichtlich der Liquidität der Primärschuldnerin ist auf den Bericht des Masseverwalters zu verweisen, wonach für den Zeitraum Juli 2023 ein Kassastand in Höhe von EUR 103.125,94 hervorgeht (Bericht vom 27.10.2023, Punkt 2.1).

Es ist somit der Schlussfolgerung der ÖGK beizupflichten, wonach es sich beim Vorbringen der Beschwerdeführerin auch hierbei um eine reine Schutzbehauptung handelt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.

Gemäß § 58 Abs. 5 ASVG, in der hier anzuwendenden Fassung, haben die VertreterInnen juristischer Personen, die gesetzlichen VertreterInnen natürlicher Personen und die VermögensverwalterInnen (§ 80 BAO) alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

3.2. Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht vertritt, dass ein Tatbestandsmerkmal des § 67 Abs. 10 ASVG und primäre Haftungsvoraussetzung die Uneinbringlichkeit der Forderung beim Primärschuldner ist bzw. der Haftungspflichtige jedenfalls so lange nicht in Anspruch genommen werden kann, als ein Ausfall beim Beitragsschuldner als Primärschuldner noch nicht angenommen werden kann. Wesentliche und primäre sachliche Voraussetzung der subsidiären Haftung eines Vertreters ist die objektive gänzliche oder zumindest teilweise Uneinbringlichkeit der Forderung beim Primärschuldner. Erst wenn diese feststeht, ist auf die Prüfung der für eine Haftung maßgebenden weiteren, an die Person des allenfalls Haftungspflichtigen geknüpften Voraussetzungen einzugehen (vgl. etwa VwGH vom 19.12.2007, 2005/08/0068).

Gegenständlich wurde ein lnsolvenzverfahren zu AZ XXXX eingeleitet und der Konkurs nach Verteilung aufgehoben. Die verfahrensgegenständlich rückständigen Sozialversicherungsbeiträge sind bei der Beitragsschuldnerin uneinbringlich.

3.3. Was die ziffernmäßige Bestimmtheit der Höhe des Haftungsbetrages anbelangt, so legte die ÖGK ihrem Bescheid Rückstandsausweise vom 14.04.2025 zugrunde. Der Haftungsbetrag wurde im Rückstandsausweis näher aufgegliedert. Die Aufschlüsselung entsprach den Vorgaben des § 64 Abs. 2 ASVG, wonach der rückständige Betrag, die Art des Rückstandes samt Nebengebühren, der Zeitraum, auf den die rückständigen Beiträge entfallen, allenfalls vorgeschriebene Verzugszinsen, Beitragszuschläge und sonstige Nebengebühren anzuführen sind. Der Rückstandsausweis ist eine öffentliche Urkunde und begründet nach § 292 ZPO vollen Beweis über seinen Inhalt, also die Abgabenschuld (vgl. Ra 2014/08/0028). Aufgrund des Vorliegens der Rückstandsausweise ist sohin hinreichend bestimmt, welche ziffernmäßige Höhe der Haftungsbetrag aufweist und wie sich die Forderung konkret zusammensetzt.

Auf das Vorbringen der Unwirksamkeit bzw. der fehlenden Geltendmachung im Insolvenzverfahren der Beitragsrückstände wurde bereits in der Beweiswürdigung eingegangen. Zum Vorbringen, dass durch mehrfache Rückstandsausweise doppelte Titel geschaffen wurden seien, ist auf die zutreffenden Ausführungen der ÖGK in der Beschwerdevorentscheidung vom 27.06.2025 zu verweisen, wonach die Rückstandsausweise unterschiedliche Personen, einerseits die XXXX , andererseits die Beschwerdeführerin betreffen, welche auch unterschiedliche Verantwortlichkeiten bzw. Haftungen treffen. Insofern bestehen keine Bedenken gegen die Vorgangsweise der ÖGK, gegenüber der XXXX und der Beschwerdeführerin mehrere Rückstandsweise zu erlassen.

3.4. Die Beschwerdeführerin war des Weiteren evident von 22.04.2022 bis zur Löschung am 18.08.2023 im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführerin der Beitragsschuldnerin und kann somit grundsätzlich zu einer Haftung wegen Ungleichbehandlung für die gesamte Beitragsschuld herangezogen werden. Sämtliche Beitragsrückstände sind in dem Zeitraum entstanden, in dem der Beschwerdeführerin Geschäftsführerin der Beitragsschuldnerin war (Haftungszeitraum 11/2022 bis 07/2023). Dem Vorbringen, wonach die Beiträge 07/2023 erst am 15. des zweitfolgenden Monates zur Zahlung fällig seien, ist entgegenzuhalten, dass gemäß § 58 Abs. 1 ASVG die allgemeinen Beträge am letzten des Kalendermonates fällig sind. Die Beiträge 07/2023 waren daher am 31.07.2023 und somit in der Zeit der Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin fällig.

Zum Vorbingen der Beschwerdeführerin, wonach eine andere Person als faktischer Geschäftsführer tätig gewesen sei, ist auszuführen, dass dieses Vorbringen nichts an ihrer Stellung als Organwalterin und am Bestand der sie treffenden Pflichten ändert. Das Einverständnis, nur formell bzw. nur auf dem Papier als Geschäftsführerin zu fungieren, somit auf die tatsächliche Geschäftsführung keinen Einfluss zu nehmen, befreit nicht von der Verantwortung hinsichtlich der Erfüllung der mit der Übernahme der handelsrechtlichen Geschäftsführung verbundenen gesetzlichen Verpflichtungen. Ein bestellter Geschäftsführer, der der rechtlichen oder faktischen Möglichkeit einer ausreichenden und effektiven Kontrolle in der Richtung, ob die jeweils fällig werdenden Sozialversicherungsbeiträge zumindest anteilig entrichtet werden, beraubt ist, muss sich gegen die unzulässige Beschränkung seiner Geschäftsführung oder zumindest seiner Aufsichtsaufgaben und Kontrollaufgaben in Bezug auf die Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge durch entsprechende gerichtliche Schritte zur Wehr setzen oder von seiner Geschäftsführerfunktion unverzüglich zurücktreten. Hat er dies nicht getan, dann muss er die haftungsrechtlichen Konsequenzen tragen. Der Geschäftsführer einer GesmbH haftet daher auch dann für rückständige Sozialversicherungsbeiträge, wenn er aufgrund seiner rechtlichen und tatsächlichen Position keine Möglichkeit der Einflussnahme auf die Erfüllung der Verbindlichkeiten gehabt hat (VwGH 09.09.2019, Ra 2019/08/0126, u.a. VwGH 29.06.1999, 94/08/0105; 20.04.2005, 2003/08/0243; vgl. zu § 80 BAO VwGH 19.03.2015, 2013/16/0166).

Somit ist zu untersuchen, ob die Beschwerdeführerin infolge schuldhafter Pflichtverletzung für die nicht einbringlichen Beitragsforderungen der ÖGK haftet.

Gemäß § 58 Abs. 5 ASVG in der hier maßgebenden Fassung des 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2010 - 2. SVÄG 2010, BGBl. I Nr. 102/2010, besteht neben den im§ 67 Abs. 10 ASVG auferlegten Pflichten aber auch eine allgemeine, die Vertreter der Beitragsschuldner gegenüber den Beitragsgläubigern treffende Pflicht, aus den von ihnen verwalteten Mitteln für die Abfuhr der Beiträge zu sorgen. Damit ist zur bisherigen Haftung für nicht abgeführte Dienstnehmerbeiträge und Meldeverstöße (gleichrangig) eine neue Haftung wegen Ungleichbehandlung (von Gläubigern) hinzugetreten.

Gemäß der auf die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG übertragbaren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Parallelbestimmung des § 25a Abs. 7 BUAG liegt Gläubigergleichbehandlung dann vor, wenn das Verhältnis aller im Beurteilungszeitraum erfolgten Zahlungen zu allen Verbindlichkeiten, die zu Beginn des Beurteilungszeitraumes bereits fällig waren oder bis zum Ende des Beurteilungszeitraumes fällig wurden, dem Verhältnis der in diesem Zeitraum erfolgten Beitragszahlungen zu den insgesamt fälligen Beitragsverbindlichkeiten entspricht. Unterschreitet die Beitragszahlungsquote die allgemeine Zahlungsquote, so liegt eine Ungleichbehandlung des Sozialversicherungsträgers vor (vgl. VwGH 29.01.2014, 2012/08/0227).

Unter Bedachtnahme auf die Grundsätze der Rechtsprechung zur abgabenrechtlichen Haftung (vgl. u.a. VwGH 19.06.1985, Slg. Nr. 6012/F, 17.09.1986, 84/13/0198, 16.12.1986, 86/14/0077, und 06.03.1989, 88/15/0063) ist es auch im sozialversicherungsrechtlichen Haftungsverfahren Sache des haftungspflichtigen Geschäftsführers dazulegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Beitragsschulden rechtzeitig (zur Gänze) entrichtet wurden, und dafür entsprechende Beweisanbote zu erstatten. Denn ungeachtet der grundsätzlich amtswegigen Ermittlungspflicht der Behörde trifft denjenigen, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt - über die ihn stets allgemein treffende Behauptungslast im Verwaltungsverfahren hinaus - die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm deren Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, dass er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist (VwGH 13.03.1990, 89/08/0217).

Gegen die Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Beitragsverbindlichkeiten mit anderen Schulden verstößt ein Geschäftsführer auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichten, er aber (zumindest fahrlässig) diese Mittel auch nicht anteilig für die Behandlung aller Verbindlichkeiten verwendet und dadurch die Beitragsschulden im Verhältnis zu anderen Verbindlichkeiten schlechter behandelt hat (VwGH 22.12.1998, 97/08/0117).

Für die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG genügt bereits leichte Fahrlässigkeit in Bezug auf das Verschulden für die Nichtleistung von Sozialversicherungsbeiträgen. Eine solche Pflichtverletzung kann darin liegen, dass der Geschäftsführer die fälligen Beiträge (ohne rechtliche Grundlage) insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt, bzw. - im Falle des Fehlens ausreichender Mittel - nicht für eine zumindest anteilige Befriedigung auch der Forderungen der Gebietskrankenkasse Sorge trägt. Der Geschäftsführer wäre nur dann exkulpiert, wenn er entweder nachweist, im fraglichen Zeitraum, in dem die Beiträge fällig geworden sind, insgesamt über keine Mittel verfügt und daher keine Zahlungen geleistet zu haben, oder zwar über Mittel verfügt zu haben, aber wegen der gebotenen Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern die Beitragsschuldigkeiten - ebenso wie die Forderungen aller anderen Gläubiger - nicht oder nur zum Teil beglichen zu haben, die Beitragsschuldigkeiten also nicht in Benachteiligung der belangen Behörde in einem geringeren Ausmaß beglichen zu haben als die Forderungen anderer Gläubiger (VwGH 20.06.2018, Ra 2018/08/0039).

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin im gesamten Verfahren die Gläubigergleichbehandlung nicht nachgewiesen. Die Beschwerdeführerin wurde mit Schreiben der ÖGK vom 26.05.2025 aufgefordert, Nachweise für eine Gleichbehandlung zu erbringen. Die Beschwerdeführerin ist dieser Aufforderung nicht nachgekommen. Sie hat keinerlei Beweise dafür vorgelegt, dass sie ohne ihr Verschulden daran gehindert gewesen wäre, die ihr obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Das in diesem Zusammenhang vorgetragene Argument, dass sie keinen Zugriff auf die Geschäftskonten gehabt habe, befreit die Beschwerdeführerin – wie bereits oben dargestellt (vgl. Ra 2019/08/0126) – nicht von ihrer Haftung als Geschäftsführerin, da sie sich im Hinblick auf ihre Aufsichts- und Kontrollaufgaben Zugang zu den Konten verschaffen oder von der Geschäftsführungsfunktion unverzüglich zurücktreten hätte müssen.

Im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.10.2001, Zl. 98/08/0368 ist daher davon auszugehen, dass sie ihrer Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Gläubiger schuldhaft nicht nachgekommen ist. Da im Falle der Nichterbringung eines Nachweises der Gläubigergleichbehandlung der Vertreter der Beitragsschuldnerin konsequenterweise auch für die von der Haftung betroffenen Beitragsschulden zur Gänze haftet (vgl. nochmals VwGH 04.10.2001, Zl. 98/08/0368), besteht die Haftung der Beschwerdeführerin für die zur Nachverrechnung gelangten Beiträge im vorliegenden Fall sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Recht.

4. Absehen von der mündlichen Verhandlung:

Nach § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Von der mündlichen Verhandlung kann im gegenständlichen Beschwerdefall gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der beteiligten Parteien, der feststehende Sachverhalt und der dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegte Akt der belangten Behörde erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem auch Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht (vgl. die Entscheidung des EGMR vom 02.09.2004, Zl. 68087/01 (Hofbauer/Österreich), wo der Gerichtshof unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt hat, dass die Anforderungen von Art. 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jeglicher Anhörung (im Originaltext „any hearing at all“) erfüllt sind, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder „technische“ Fragen betrifft, und in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise verwiesen hat.

Der maßgebliche Sachverhalt wurde durch ein umfassendes Ermittlungsverfahren seitens der ÖGK vollständig erhoben, im Zuge dessen der Beschwerdeführerin wiederholt Parteiengehör eingeräumt wurde. Die Beschwerdeführerin hat im Rahmen der Beschwerde bzw. des Vorlageantrages keine neuen Unterlagen vorgelegt, die einer Beurteilung durch das Gericht und allenfalls Erörterung bedurft hätten. Eine mündliche Erörterung hätte eine weitere Klärung der Rechtssache somit nicht erwarten lassen. Von einer mündlichen Verhandlung konnte daher in Anwendung von § 24 Abs. 1 und 4 VwGVG abgesehen werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das hg. Erkenntnis hält sich an die darin zitierte Judikatur des VwGH.