JudikaturBVwG

W278 2299081-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
02. September 2025

Spruch

W278 2299081-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dominik HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2024, Zl. 1320940304/222631527, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.08.2025 zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 23.08.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag fand unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Farsi die Erstbefragung des BF vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Befragt zu seinen Fluchtgründen gab er an, er sei ein Mitglied der afghanischen Box-Nationalmannschaft gewesen und aufgrund seines sportlichen Erfolges bekannt geworden, weshalb er von Behörden gelobt worden sei und Probleme mit den Taliban habe. Vereinskollegen seien bereits von den Taliban verhaftet worden und hätten die Taliban nach ihm gefragt.

Am 17.05.2024 erhob der BF an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) eine Säumnisbeschwerde, da seit der Antragstellung auf internationalen Schutz im August 2022 keine Einvernahme durchgeführt worden sei und ebenso auch keine entsprechende Entscheidung vorliege.

Am 25.07.2024 erfolgte unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Dari/Farsi die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA. Der BF gab hierbei zu seinen Fluchtgründen befragt zusammengefasst an, dass er Boxer der afghanischen Nationalmannschaft gewesen sei und seit dem Jahr 2017 Angehörige des Militärs bzw. der Polizei trainiert habe. Drei seiner Kollegen der afghanischen Box-Nationalmannschaft seien verschwunden und die Taliban hätten nach ihm im Supermarkt und bei den Nachbarn gefragt. Die Taliban seien zudem ein paarmal bei seinen Eltern gewesen und hätten seinen Eltern ein Ultimatum in der Form gestellt, dass diese den BF an die Taliban übergeben müssten, ansonsten würden sie seine Schwester mitnehmen.

Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 08.08.2024 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.).

Das BFA traf umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan, stellte die Identität des Beschwerdeführers fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft sei.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. In dieser wurden im Wesentlichen unrichtige Feststellungen, die Mangelhaftigkeit des Verfahrens und die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

Die Beschwerdevorlage vom 10.09.2024 und der Verwaltungsakt langten beim Bundesverwaltungsgerichts (in der Folge: BVwG) am 16.09.2024 ein.

Das BFA wurde am 14.04.2025 davon verständigt, dass die zuständige Staatsanwaltschaft das gegen den BF geführte Ermittlungsverfahren wegen §§ 107, 15, 83 StGB einstellte.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 29.04.2025 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung W163 abgenommen und der Gerichtsabteilung W278 zugewiesen.

Am 13.08.2025 fand vor dem BVwG in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari, des BF und des ausgewiesenen Vertreters eine mündliche Verhandlung statt, in welcher der BF ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde. Das BFA nahm an der Verhandlung entschuldigt nicht teil. Im Zuge der Verhandlung wurden dem BF und seiner Vertretung die herangezogenen Länderberichte, unter anderem die Länderinformation der Staatendokumentation zu Afghanistan, Version 12 vom 31.01.2025 und die EUAA Country Guidance vom Mai 2024, zur Kenntnis gebracht. Der BF wurde aufgefordert binnen einer Woche die iranische Aufenthaltsberechtigungskarte seiner Eltern vorzulegen.

Mit Schreiben vom 21.08.2025 legte der BF neben einer Kursanmeldebestätigung des ÖIF einen iranischen Mietvertrag seiner Eltern vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF führt den im Spruch genannten Namen und das Geburtsdatum. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und bekennt sich zur sunnitischen Ausrichtung des Islam.

Der BF wurde in einem Dorf im Distrikt XXXX , in der Provinz Baghlan geboren und lebte dort bis zu seiner Ausreise. In Afghanistan besuchte er vier Jahre die Grundschule und half seinem Vater im familieneigenen Supermarkt. Davon abgesehen betätigte sich der BF im Boxsport und nahm an diversen Boxkämpfen teil.

In Afghanistan leben zwei Onkeln und zwei Tanten des BF. Seine Eltern und Schwester leben im Iran.

Der BF verließ Afghanistan etwa im Oktober 2021, reiste über mehrere Länder nach Österreich ein und stellte den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz am 23.08.2022. Die Ausreise hat etwa 12.000 oder 13.000 Euro bzw. US-Dollar gekostet.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der BF hat im Zuge seiner Tätigkeit als Boxkämpfer keine Angehörigen des Militärs oder der Polizei trainiert und wurde von den Taliban nicht aufgefordert, Mitglieder der Taliban zu trainieren. Er und seine Familie waren in Afghanistan bisher aufgrund seiner Tätigkeit als Boxkämpfer keinen wie auch immer gearteten Repressalien durch die Taliban ausgesetzt.

Dem BF droht aufgrund seiner Tätigkeit als Boxkämpfer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan nicht die Gefahr, mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt durch die Taliban bedroht zu werden.

Der BF war in Afghanistan in der Vergangenheit keiner individuellen Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt. Er war nie politisch tätig und ist auch aus sonstigen Gründen nicht in das Blickfeld der Taliban geraten. Er hat in Afghanistan keine Straftaten begangen und wurde nie verhaftet.

Der BF gehört nicht der sozialen Gruppe jener Personen an, denen von den Taliban vorgeworfen wird, von westlichen Werten beeinflusst zu sein. Der BF ist wegen seiner Ausreise aus Afghanistan, wegen seines Aufenthalts in Österreich oder wegen seiner Asylantragstellung als Rückkehrer aus dem Westen keinen psychischen oder physischen Eingriffen in seine körperliche Integrität ausgesetzt.

Der BF ist im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan auch aus sonstigen Gründen keiner konkreten Verfolgungsgefährdung oder der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Rasse, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung ausgesetzt.

1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Im Verfahren wurden folgende aktuelle Quellen zum Herkunftsstaat des BF herangezogen:

Länderinformationen der Staatendokumentation zu Afghanistan, Version 12, vom 31.01.2025

EUAA, Country Guidance: Afghanistan (May 2024)

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Version 12, vom 31.01.2025, wiedergegeben:

„Sicherheitslage

[…]

Verfolgungungspraxis der Taliban, neue technische Möglichkeiten

Trotz mehrfacher Versicherungen der Taliban, von Vergeltungsmaßnahmen gegenüber Angehörigen der ehemaligen Regierung und Sicherheitsbehörden abzusehen (AA 26.6.2023; vgl. USDOS 20.3.2023a), wurde nach der Machtübernahme der Taliban berichtet, dass diese auf der Suche nach ehemaligen Mitarbeitern der internationalen Streitkräfte oder der afghanischen Regierung von Tür zu Tür gingen und deren Angehörige bedrohten. Ein Mitglied einer Rechercheorganisation, welche einen (nicht öffentlich zugänglichen) Bericht zu diesem Thema für die Vereinten Nationen verfasste, sprach von einer "schwarzen Liste" der Taliban und großer Gefahr für jeden, der sich auf dieser Liste befände (BBC 20.8.2021b; vgl. DW 20.8.2021). Im Zuge der Machtübernahme im August 2021 hatten die Taliban Zugriff auf Mitarbeiterlisten der Behörden (HRW 1.11.2021; vgl. NYT 29.8.2021), unter anderem auf eine biometrische Datenbank mit Angaben zu aktuellen und ehemaligen Angehörigen der Armee und Polizei bzw. zu Afghanen, die den internationalen Truppen geholfen haben (Intercept 17.8.2021). Auch Human Rights Watch (HRW) zufolge kontrollieren die Taliban Systeme mit sensiblen biometrischen Daten, die westliche Geberregierungen im August 2021 in Afghanistan zurückgelassen haben. Diese digitalen Identitäts- und Gehaltsabrechnungssysteme enthalten persönliche und biometrische Daten von Afghanen, darunter Irisscans, Fingerabdrücke, Fotos, Beruf, Wohnadressen und Namen von Verwandten. Die Taliban könnten diese Daten nutzen, um vermeintliche Gegner ins Visier zu nehmen, und Untersuchungen von Human Rights Watch deuten darauf hin, dass sie die Daten in einigen Fällen bereits genutzt haben könnten (HRW 30.3.2022). So wurde beispielsweise berichtet, dass ein ehemaliger Militäroffizier nach seiner Abschiebung von Iran nach Afghanistan durch ein biometrisches Gerät identifiziert wurde und danach von den Taliban gewaltsam zum Verschwinden gebracht wurde. Ein weiterer Rückkehrer aus Iran berichtet, dass im Zuge der Abschiebung aus Iran Daten der Rückkehrer vom iranischen Geheimdienst an die Taliban weitergegeben werden (KaN 18.10.2023).

Die Taliban sind in den sozialen Medien aktiv, unter anderem zu Propagandazwecken. Die Gruppierung nutzt soziale Medien und Internettechnik jedoch nicht nur für Propagandazwecke und ihre eigene Kommunikation, sondern auch, um Gegner des Taliban-Regimes aufzuspüren (Golem 20.8.2021; vgl. BBC 20.8.2021b, 8am 14.11.2022), was dazu führt, dass Afghanen seit der Machtübernahme der Taliban in den sozialen Medien Selbstzensur verüben, aus Angst und Unsicherheit (Internews 12.2023). So wurde beispielsweise ein afghanischer Professor verhaftet, nachdem er die Taliban via Social Media kritisierte (FR24 9.1.2022), während ein junger Mann in der Provinz Ghor Berichten zufolge nach einer Onlinekritik an den Taliban verhaftet wurde (8am 14.11.2022). Einem afghanischen Journalisten zufolge verwenden die Taliban soziale Netzwerke wie Facebook und LinkedIn, um jene Afghanen zu identifizieren, die mit westlichen Gruppen und der US-amerikanischen Hilfsagentur USAID zusammengearbeitet haben (ROW 20.8.2021). Ein hochrangiges Mitglied der ehemaligen Streitkräfte berichtet, dass ihm vor seiner Rückkehr verschiedene Versprechen gemacht wurden, er bei Ankunft auf dem Flughafen in Kabul jedoch wie ein Feind behandelt wurde. Er wurde sofort erkannt, da die Taliban sein Bild und weitere Informationen zu seiner Person über die sozialen Medien verbreiteten. Mit Stand Oktober 2023 lebt er in Kabul, sein Haus wurde mehrfach durch die Taliban durchsucht und sein Bankkonto gesperrt. Ein anderes Mitglied der ehemaligen Streitkräfte gab an, dass seine Informationen vor seiner Rückkehr auf Twitter [Anm.: jetzt X] verbreitet wurden und ein weiterer Rückkehrer berichtete, dass er eine biometrische Registrierung durchlaufen musste (KaN 18.10.2023).

Im Sommer 2023 wurde berichtet, dass die Taliban ein groß angelegtes Kameraüberwachungsnetz für afghanische Städte aufbauen (AI 5.9.2023; vgl. VOA 25.9.2023), das die Wiederverwendung eines Plans beinhalten könnte, der von den Amerikanern vor ihrem Abzug 2021 ausgearbeitet wurde, so ein Sprecher des Taliban-Innenministeriums. Die Taliban-Regierung hat sich auch mit dem chinesischen Telekommunikationsausrüster Huawei über eine mögliche Zusammenarbeit beraten, sagte der Sprecher (VOA 25.9.2023; vgl. RFE/RL 1.9.2023), wobei Huawei bestritt, beteiligt zu sein (RFE/RL 1.9.2023). Beobachter befürchten jedoch, dass die Taliban ihr Netz von Überwachungskameras auch dazu nutzen werden, abweichende Meinungen zu unterdrücken und ihre repressive Politik durchzusetzen (RFE/RL 1.9.2023), einschließlich der Einschränkung des Erscheinungsbildes der Afghanen, der Bewegungsfreiheit, des Rechts zu arbeiten oder zu studieren und des Zugangs zu Unterhaltung und unzensierten Informationen (RFE/RL 1.9.2023).

Zentrale Akteure

Taliban

Die Taliban sind eine überwiegend paschtunische, islamisch-fundamentalistische Gruppe (CFR 17.8.2022), die 2021 nach einem zwanzigjährigen Aufstand wieder an die Macht in Afghanistan kam (CFR 17.8.2022; vgl. USDOS 20.3.2023a). Die Taliban bezeichnen ihre Regierung als das "Islamische Emirat Afghanistan" (USDOS 20.3.2023a; vgl. VOA 1.10.2021), den Titel des ersten Regimes, das sie in den 1990er-Jahren errichteten, und den sie während ihres zwei Jahrzehnte andauernden Aufstands auch für sich selbst verwendeten. Das Emirat ist um einen obersten Führer, den Emir, herum organisiert, von dem man glaubt, dass er von Gott mit der Autorität ausgestattet ist, alle Angelegenheiten des Staates und der Gesellschaft zu beaufsichtigen (USIP 17.8.2022).

Die Taliban-Regierung weist eine starre hierarchische Struktur auf, deren oberstes Gremium die Quetta-Shura ist (EER 10.2022), benannt nach der Stadt in Pakistan, in der Mullah Mohammed Omar, der erste Anführer der Taliban, und seine wichtigsten Helfer nach der US-Invasion Zuflucht gesucht haben sollen. Sie wird von Mawlawi Hibatullah Akhundzada geleitet (CFR 17.8.2022; vgl. PJIA/Rehman 6.2022), dem obersten Führer der Taliban (Afghan Bios 7.7.2022a; vgl. CFR 17.8.2022, PJIA/Rehman 6.2022). Er gilt als die ultimative Autorität in allen religiösen, politischen und militärischen Angelegenheiten (EUAA 8.2022; vgl. Afghan Bios 7.7.2022a, REU 7.9.2021a).

Nach der Machtübernahme versuchten die Taliban sich von "einem dezentralisierten, flexiblen Aufstand zu einer staatlichen Autorität" zu entwickeln (EUAA 8.2022; vgl. NI 24.11.2021). Im Zuge dessen herrschten Berichten zufolge zunächst Unklarheiten unter den Taliban über die militärischen Strukturen der Bewegung (EUAA 8.2022; vgl. DW 11.10.2021) und es gab in vielen Fällen keine erkennbare Befehlskette (EUAA 8.2022; vgl. REU 10.9.2021). Dies zeigte sich beispielsweise in Kabul, wo mehrere Taliban-Kommandeure behaupteten, für dasselbe Gebiet oder dieselbe Angelegenheit zuständig zu sein. Während die frühere Taliban-Kommission für militärische Angelegenheiten das Kommando über alle Taliban-Kämpfer hatte, herrschte Berichten zufolge nach der Übernahme der Kontrolle über das Land unter den Kämpfern vor Ort Unsicherheit darüber, ob sie dem Verteidigungsministerium oder dem Innenministerium unterstellt sind (EUAA 8.2022; vgl. DW 11.10.2021).

[…]

Anti-Taliban-Widerstandsgruppen / politische Opposition

[…]

National Resistance Front (NRF)

Im Panjsher-Tal, rund 145 km von Kabul entfernt (DIP 20.8.2021), formierte sich nach der Machtübernahme der Taliban in Kabul Mitte August 2021 die National Resistance Front (NRF) (AA 26.6.2023; vgl. LWJ 6.9.2021, ANI 6.9.2021). Die Gruppierung wird von Ahmed Massoud angeführt (REU 29.9.2023; vgl. Afintl 20.2.2024).

Die NRF besteht Berichten zufolge aus Zivilisten, ehemaligen ANDSF-Mitarbeitern (SIGAR 30.4.2022; vgl. RFE/RL 13.5.2022) und ehemaligen Mitgliedern der Regierung sowie politischen Opposition (UNGA 28.1.2022). Die meisten Mitglieder der Gruppe sind ethnische Tadschiken (RFE/RL 19.5.2022; vgl. AJ 17.10.2022). Die NRF besteht auch aus mehreren regionalen Einheiten, deren Kommandeure loyal zu Massoud sind (VOA 28.4.2022; vgl. REU 30.11.2022). Unter den Kämpfern sind auch Einheiten der ehemaligen afghanischen Armee (BBC 16.5.2022; vgl. BAMF 10.2022).

Im Jahr 2022 berichteten Medien von mehreren Angriffen, die vor allem auf Kontrollpunkte und Außenposten der Taliban abzielten und der NRF zugeschrieben wurden (NYT 4.3.2022), wobei von verstärkten Kämpfen im Jänner/Februar (ACLED/APW 4.2022; vgl. 8am 25.5.2022, 8am 17.1.2022) sowie im Mai 2022 berichtet wurde (RFE/RL 19.5.2022; vgl. 8am o.D.). Aus dem Panjsher-Tal wurde berichtet, dass Angriffe auf Taliban-Stellungen regelmäßig stattfanden und Dutzende von Menschen, sowohl Taliban-Kämpfer (VOA 14.9.2022; vgl. Telegraph 12.5.2022) als auch Mitglieder der Widerstandsbewegung, getötet worden waren (VOA 14.9.2022; vgl. AMU 14.9.2022, AN 18.10.2022). Auch in der zweiten Hälfte des Jahres 2022 gingen die Kämpfe zwischen NRF und den Taliban weiter. Zusammenstöße gibt es in den Provinzen Panjsher (Afintl 15.8.2022; vgl. AJ 14.9.2022, 8am 13.10.2022, AMU 13.12.2022), Takhar (8am 14.8.2022; vgl. Aamaj 21.8.2022, 8am 23.10.2022), Baghlan (8am 17.8.2022; vgl. KP 21.8.2022, Afintl 12.12.2022), Khost (8am 13.8.2022), Kapisa (Aamaj 24.8.2022; vgl. 8am 21.11.2022) und Badakhshan (Afintl 11.10.2022b; vgl. AMU 13.12.2022, Afintl 26.12.2022).

Auch wenn die Angriffe der NRF im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr abnahmen (UNGA 20.6.2023; vgl. UNGA 1.12.2023), kam es weiterhin zu Zusammenstößen mit den Taliban. So kam es nach Angaben der NRF zu Kämpfen beispielsweise in Baghlan (Afintl 18.7.2023; vgl. KaN 18.7.2023), Kabul (Afintl 5.8.2023), Badakhshan (KaN 8.8.2023; vgl. Afintl 8.8.2023), Parwan, Kapisa und Nuristan (KaN 8.8.2023). Im November 2023 haben die NRF und die AFF, nach eigenen Erklärungen auf X, mindestens 50 Talibankämpfer getötet (VOA 6.12.2023).

[…]

Folter und unmenschliche Behandlung

Es gibt Berichte über Folter und Misshandlungen durch die Taliban (AA 26.6.2023, vgl. HRW 11.1.2024). Die Vereinten Nationen berichten über Folter und Misshandlungen von ehemaligen Sicherheitskräften bzw. ehemaligen Regierungsbeamten (UNAMA 22.8.2023; vgl. HRW 11.1.2024). Auch über Gewalt gegen Journalisten und Medienschaffende (HRW 11.1.2024; vgl. AA 26.6.2023) sowie gegen Frauenrechtsaktivisten (AA 26.6.2023 vgl. HRW 11.1.2024, AI 7.12.2023) auch in Gefängnissen wird berichtet (AA 26.6.2023; vgl. HRW 11.1.2024). Amnesty International berichtet beispielsweise über kollektive Strafen gegen Bewohner der Provinz Panjsher, darunter Folter und andere Misshandlungen (AI 8.6.2023).

Es gibt Berichte über öffentliche Auspeitschungen durch die Taliban in mehreren Provinzen, darunter Zabul (UNGA 1.12.2023), Maidan Wardak (8am 10.7.2023; vgl. BAMF 31.12.2023), Kabul (ANI 12.7.2023; vgl. AMU 12.7.2023), Kandahar (KaN 17.1.2023; vgl. KP 17.1.2023) und Helmand (KP 2.2.2023; vgl. KaN 2.2.2023). Der oberste Taliban-Führer, Emir Hibatullah Akhundzada, begrüßte die Einführung von Scharia-Gerichten und -Praktiken, einschließlich Qisas (z. B. Auspeitschungen oder Hinrichtungen), die die Öffentlichkeit mit eigenen Augen sieht (BAMF 31.12.2023).

[…]

Allgemeine Menschenrechtslage

Die in der Vergangenheit von Afghanistan unterzeichneten oder ratifizierten Menschenrechtsabkommen werden von der Taliban-Regierung, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt anerkannt; es wird ein Islamvorbehalt geltend gemacht, wonach islamisches Recht im Falle einer Normenkollision Vorrang hat (AA 26.6.2023).

Seit dem Sturz der gewählten Regierung haben die Taliban die Menschenrechte und Grundfreiheiten der afghanischen Bevölkerung zunehmend und in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt. Insbesondere Frauen und Mädchen wurden in ihren Rechten massiv eingeschränkt und aus den meisten Aspekten des täglichen und öffentlichen Lebens verdrängt (UNICEF 9.8.2022; vgl. AA 26.6.2023, AfW 15.8.2023).

Die Taliban-Führung hat ihre Anhänger verschiedentlich dazu aufgerufen, die Bevölkerung respektvoll zu behandeln (AA 26.6.2023). Es gibt jedoch Berichte über grobe Menschenrechtsverletzungen durch die Taliban nach ihrer Machtübernahme im August 2021 (HRW 11.1.2024; vgl. AA 26.6.2023, USDOS 20.3.2023a, UNGA 1.12.2023), darunter Hausdurchsuchungen (AA 26.6.2023), Willkürakte und Hinrichtungen (AA 26.6.2023, AfW 15.8.2023). Es kommt zu Gewalt und Diskriminierung gegenüber Journalisten (AA 26.6.2023; vgl. HRW 12.1.2023, AfW 15.8.2023) und Menschenrechtsaktivisten (FH 1.2023; vgl. FIDH 12.8.2022, AA 26.6.2023, AfW 15.8.2023). Auch von gezielten Tötungen wird berichtet (HRW 11.1.2024; vgl. AA 26.6.2023). Menschenrechtsorganisationen berichten auch über Entführungen und Ermordungen ehemaliger Angehöriger des Staatsapparats und der Sicherheitskräfte (AA 26.6.2023; vgl. HRW 11.1.2024, AfW 15.8.2023). Weiterhin berichten Menschenrechtsorganisationen von Rache- und Willkürakten im familiären Kontext - also gegenüber Familienmitgliedern oder zwischen Stämmen/Ethnien, bei denen die Täter den Taliban nahestehen oder Taliban sind. Darauf angesprochen, weisen Taliban-Vertreter den Vorwurf systematischer Gewalt zurück und verweisen wiederholt auf Auseinandersetzungen im familiären Umfeld. Eine nachprüfbare Strafverfolgung findet in der Regel nicht statt (AA 26.6.2023). Die NGO Afghan Witness berichtet im Zeitraum vom 15.1.2022 bis Mitte 2023 von 3.329 Menschenrechtsverletzungen, die sich auf Verletzungen des Rechts auf Leben, des Rechts auf Freiheit von Folter, der Pressefreiheit, der Versammlungsfreiheit, der Rechte der Frauen und mehr beziehen. Für denselben Zeitraum gibt es auch immer wieder Berichte über die Tötung und Inhaftierung ehemaliger ANDSF-Mitglieder. Hier wurden durch Afghan Witness 112 Fälle von Tötungen und 130 Inhaftierungen registriert, wobei darauf hingewiesen wurde, das angesichts der hohen Zahl von Fällen, in denen Opfer und Täter nicht identifiziert wurden, die tatsächliche Zahl wahrscheinlich höher ist (AfW 15.8.2023).

Die Taliban ließen wiederholt friedliche Proteste gewaltsam auflösen. Es kam zum Einsatz von scharfer Munition (AA 26.6.2023; vgl. HRW 12.10.2022, Guardian 2.10.2022) und es gibt auch Berichte über Todesopfer bei Protesten (FH 24.2.2022, AI 15.8.2022).

Afghan Witness konnte zwischen dem ersten und zweiten Jahr der Taliban-Herrschaft einige Unterschiede erkennen. So gingen die Taliban im ersten Jahr nach der Machtübernahme im August 2021 hart gegen Andersdenkende vor und verhafteten Berichten zufolge Frauenrechtsaktivisten, Journalisten und Demonstranten. Im zweiten Jahr wurde hingegen beobachtet, dass sich die Medien und die Opposition im Land aufgrund der Restriktionen der Taliban und der Selbstzensur weitgehend zerstreut haben, obwohl weiterhin über Verhaftungen von Frauenrechtsaktivisten, Bildungsaktivisten und Journalisten berichtet wird. Frauen haben weiterhin gegen die Restriktionen und Erlasse der Taliban protestiert, aber die Proteste fanden größtenteils in geschlossenen Räumen statt - offenbar ein Versuch der Demonstranten, ihre Identität zu verbergen und das Risiko einer Verhaftung oder Gewalt zu verringern. Trotz dieser Drohungen sind Frauen weiterhin auf die Straße gegangen, um gegen wichtige Erlasse zu protestieren (AfW 15.8.2023).

[…]

Religionsfreiheit

Etwa 99 % der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7 % und die Schiiten auf 7 bis 15 % der Gesamtbevölkerung geschätzt (CIA 1.2.2024; vgl. AA 26.6.2023). Andere Glaubensgemeinschaften machen weniger als 0,3 % der Bevölkerung aus (CIA 1.2.2024; vgl. USDOS 15.5.2023). Die Zahl der Ahmadiyya-Muslime im Land geht in die Hunderte. Zuverlässige Schätzungen über die Gemeinschaften der Baha'i und der Christen sind nicht verfügbar. Es gibt eine geringe Anzahl von Anhängern anderer Religionen. Es gibt keine bekannten Juden im Land (USDOS 15.5.2023).

Anhänger des Baha'i-Glaubens leben vor allem in Kabul und in einer kleinen Gemeinde in Kandahar. Im Mai 2007 befand der Oberste Gerichtshof, dass der Glaube der Baha'i eine Abweichung vom Islam und eine Form der Blasphemie sei. Auch wurden alle Muslime, die den Baha'i-Glauben annehmen, zu Abtrünnigen erklärt. Internationalen Quellen zufolge leben Baha'is weiterhin in ständiger Angst vor Entdeckung und zögerten, ihre religiöse Identität preiszugeben (USDOS 15.5.2023).

Sikhs sehen sich seit Langem Diskriminierungen im mehrheitlich muslimischen Afghanistan ausgesetzt (EUAA 23.3.2022; vgl. DW 8.9.2021). Als die Taliban im August 2021 nach dem Abzug der US-Truppen die Macht in der Hauptstadt wiedererlangt hatten, floh eine weitere Welle von Sikhs aus Afghanistan (EUAA 23.3.2022; vgl. TrI 12.11.2021). Nach der Machtübernahme gaben die Taliban öffentliche Erklärungen ab, wonach deren Rechte geschützt werden würden (EUAA 23.3.2022; vgl. USCIRF 3.2023, USDOS 15.5.2023). Trotz dieser Zusicherungen äußerten sich Sikh-Führer in Medienerklärungen im Namen ihrer Gemeinschaft jedoch besorgt über deren Sicherheit (EUAA 23.3.2022; vgl. USDOS 15.5.2023). Berichten zufolge lebten mit Ende 2022 nur noch neun Sikhs und Hindu in Afghanistan (USDOS 15.5.2023).

Die Möglichkeiten der konkreten Religionsausübung für Nicht-Muslime waren und sind durch gesellschaftliche Stigmatisierung, Sicherheitsbedenken und die spärliche Existenz von Gebetsstätten extrem eingeschränkt (USCIRF 3.2023; vgl. AA 26.6.2023). Mit der rigorosen Durchsetzung ihrer strengen Auslegung der Scharia gegenüber allen Afghanen verletzen die Taliban die Religions- und Glaubensfreiheit von religiösen Minderheiten (USCIRF 3.2023). Nominal haben die Taliban religiösen Minderheiten die Zusicherung gegeben, ihre Religion auch weiterhin ausüben zu können (USCIRF 3.2023; vgl. AA 26.6.2023); insbesondere der größten Minderheit, den überwiegend der schiitischen Konfession angehörigen Hazara. In der Praxis ist der Druck auf Nicht-Sunniten jedoch hoch und die Diskriminierung von Schiiten im Alltag verwurzelt (AA 26.6.2023).

Trotz ständiger Versprechen, alle in Afghanistan lebenden ethnischen und religiösen Gemeinschaften zu schützen, ist die Taliban-Regierung nicht in der Lage oder nicht willens, religiöse und ethnische Minderheiten vor radikaler islamistischer Gewalt zu schützen, insbesondere in Form von Angriffen der Gruppierung Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP) und Fraktionen der Taliban selbst (USCIRF 3.2023).

In einigen Gebieten Afghanistans (unter anderem Kabul) haben die Taliban alle Männer zur Teilnahme an den Gebetsversammlungen in den Moscheen verpflichtet und/oder Geldstrafen gegen Einwohner verhängt, die nicht zu den Gebeten erschienen sind (RFE/RL 19.1.2022) bzw. gedroht, dass Männer, die nicht zum Gebet in die Moschee gehen, strafrechtlich verfolgt werden könnten (BAMF 10.1.2022; vgl. RFE/RL 19.1.2022).

[…]

Ethnische Gruppen

In Afghanistan leben laut Schätzungen zwischen 34,3 (NSIA 4.2022) und 38,3 Millionen Menschen (8am 30.3.2022; vgl. CIA 1.2.2024). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (STDOK 7.2016; vgl. CIA 1.2.2024), da die Behörden des Landes nie eine nationale Volkszählung durchgeführt haben. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass keine der ethnischen Gruppen des Landes eine Mehrheit bildet, und die genauen prozentualen Anteile der einzelnen Gruppen an der Gesamtbevölkerung Schätzungen sind und oft stark politisiert werden (MRG 5.1.2022).

Die größten Bevölkerungsgruppen sind Paschtunen (32-42 %), Tadschiken (ca. 27 %), Hazara (ca. 9-20 %) und Usbeken (ca. 9 %), gefolgt von Turkmenen und Belutschen (jeweils ca. 2 %) (AA 26.6.2023).

Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.3.2023a).

Die Taliban gehören mehrheitlich der Gruppe der Paschtunen an. Seit der Machtübernahme der Taliban werden nicht-paschtunische Ethnien in staatlichen Stellen zunehmend marginalisiert. So gibt es in der Taliban-Regierung z. B. nur wenige Vertreter der usbekischen und tadschikischen Minderheit sowie lediglich einen Vertreter der Hazara (AA 26.6.2023).

Die Taliban haben wiederholt erklärt, alle Teile der afghanischen Gesellschaft zu akzeptieren und ihre Interessen berücksichtigen zu wollen. Aber selbst auf lokaler Ebene werden Minderheiten, mit Ausnahmen in ethnisch von Nicht-Paschtunen dominierten Gebieten vor allem im Norden, kaum für Positionen im Regierungsapparat berücksichtigt, da diese v. a. paschtunischen Taliban-Mitgliedern vorbehalten sind. Darüber hinaus lässt sich keine klare, systematische Diskriminierung von Minderheiten durch die Taliban-Regierung feststellen, solange diese den Machtanspruch der Taliban akzeptieren (AA 26.6.2023).

[…]

Tadschiken

Die Volksgruppe der Tadschiken ist die zweitgrößte Volksgruppe in Afghanistan. Sie machen etwa 27 bis 30 % der afghanischen Bevölkerung aus (MRG 5.2.2021b; vgl. AA 26.6.2023). Sie üben einen bedeutenden politischen Einfluss in Afghanistan aus und stellen den Großteil der afghanischen Elite, die über ein beträchtliches Vermögen innerhalb der Gemeinschaft verfügt. Während sie in der vor-sowjetischen Ära hauptsächlich in den Städten, in und um Kabul und in der bergigen Region Badakhshan im Nordosten siedelten, leben sie heute in verschiedenen Gebieten im ganzen Land, allerdings hauptsächlich im Norden, Nordosten und Westen Afghanistans (MRG 5.2.2021b).

Als rein sesshaftes Volk kennen die Tadschiken im Gegensatz zu den Paschtunen keine Stammesorganisation (MRG 5.2.2021b). Heute werden unter dem Terminus tājik - „Tadschike“ - fast alle Dari/persisch sprechenden Personen Afghanistans, mit Ausnahme der Hazara, zusammengefasst (STDOK 7.2016).

[…]

Relevante Bevölkerungsgruppen

[...]

Personen denen vorgeworfen wird, von westlichen Werten beeinflusst zu sein

Berichten zufolge haben die Taliban das Ziel, die afghanische Gesellschaft zu "reinigen" (JS 20.4.2023; vgl. WP 18.2.2023) und "ausländischen" Einfluss aus Afghanistan zu vertreiben (CTC Sentinel 9.8.2022). Die afghanische Gesellschaft soll von allem "gesäubert" werden, was die Taliban als "westliche" Werte ansehen, einschließlich Bildung für Mädchen, Beschäftigung und Bewegungsfreiheit für Frauen sowie Meinungs- und Versammlungsfreiheit (JS 20.4.2023).

Während einer vom Dänischen Flüchtlingsrat (DRC) am 28.11.2022 organisierten Konferenz gab Dr. Liza Schuster, Dozentin für Soziologie an der University of London, an, dass diejenigen, die nach 2021 ausgereist sind, von den Taliban oft als "Verräter" angesehen werden. Einzelne Taliban-Mitglieder erklären in weitverbreiteten Videoaufnahmen, dass es eine Sünde sei, Afghanistan zu verlassen, und diejenigen, die gehen, werden als Sünder bezeichnen. Darüber hinaus erklärte Dr. Schuster, dass die Taliban Profile in den sozialen Medien kontrollieren und Personen deshalb der moralischen Korruption bezichtigt wurden. Familienangehörige von Ausgereisten wurden laut Dr. Schuster auch von Taliban-Beamten und Nachbarn schikaniert, unter anderem durch Vertreibungen und aggressive Verhöre (DRC 28.11.2022; vgl. EUAA 12.2023).

So haben sie in einigen Gegenden Anweisungen gegen das Kürzen von Bärten erlassen und Männern geraten, keine westliche Kleidung zu tragen (RFE/RL 17.6.2022). Obwohl keine allgemeine Kleiderordnung für Männer erlassen wurde (India Today 28.7.2023; vgl. EUAA 12.2023), finden sich auf Social Media Angaben von jungen afghanischen Männern, die von Taliban-Kämpfern geschlagen wurden, weil sie "westliche" Kleidung wie Jeans trugen (WION 27.7.2023). Auch wurde Regierungsangestellten angeordnet, sich einen Bart wachsen zu lassen und eine Kopfbedeckung zu tragen. Es wurde berichtet, dass in bestimmten Fällen gegen jene vorgegangen wurde, die sich nicht an diese Anordnungen gehalten haben (Afintl 1.3.2024; vgl. REU 28.3.2022). Ein Taliban-Beamter rief dazu auf, die Krawatte nicht mehr zu tragen, da sie ein Symbol für das christliche Kreuz sei (BAMF 31.12.2023; vgl. AT 26.7.2023), wobei die Taliban bereits im Jahr 2022 Studenten und Lehrende dazu aufriefen, keine Krawatten zu tragen (TN 15.4.2022).

Im Februar 2024 hielt ein hochrangiger Taliban Medienschaffende in Afghanistan dazu an, auf das Rasieren von Bärten und das Fotografieren zu verzichten. Er sagte weiter, dass der Bartwuchs im Islam obligatorisch sei und dass es eine große Sünde sei, ihn zu rasieren (KaN 21.2.2024; vgl. KP 21.2.2024). Zuvor hatte der Gouverneur der Taliban in Kandahar kürzlich eine schriftliche Anweisung an alle Institutionen und Behörden der Taliban in dieser Provinz herausgegeben, die das Fotografieren von formellen und informellen Treffen und Zeremonien verbietet (KP 21.2.2024; vgl. WION 19.2.2024). Im März 2024 gab ein Sprecher des Ministeriums für die Verbreitung von Tugend und die Verhinderung von Lastern an, dass "dünne Kleidung" im Widerspruch zur Scharia und der afghanischen Kultur stehen würde, und forderte Händler auf, auf die Einfuhr solcher Kleidung zu verzichten (Afintl 1.3.2024).

Es gibt jedoch auch Berichte über Menschen, die in Kabul in bestimmten Teilen der Stadt T-Shirts und westliche Kleidung mit US-Motiven trugen (NYT 29.6.2023; vgl. SIGA 25.7.2023). Es wird auch darauf hingewiesen, dass man sich in Afghanistan praktisch alles kaufen kann, wenn man das Geld dazu hat (SIGA 25.7.2023). Außerdem berichtete die New York Times über Fast-Food-Restaurants und Bodybuilding-Fitnessstudios, die es in Kabul-Stadt gibt. Die Autoren erklären sich diese Dissonanz damit, dass in Kabul gemäßigtere Beamte tätig sind, als in der Kernzone der Taliban in Kandahar (NYT 29.6.2023).

Während einigen Quellen zufolge Musik in Afghanistan verboten ist (KP 6.2.2024; vgl. UNGA 9.9.2022), berichten andere, dass das Spielen von Musik in der Öffentlichkeit verboten sei (BBC 31.7.2023) und dass Taliban Veranstaltungen, bei denen Musik gespielt wird, unterbrechen und Menschen wegen des Spielens von Musik verhaften (Rukhshana 22.7.2022; vgl. KP 6.2.2024), während in einigen Lokalen in Kabul weiterhin Musik gespielt wird (SIGA 25.7.2023; vgl. NYT 29.6.2023). In Kandahar wurde durch das Ministerium für die Verbreitung von Tugend und die Verhinderung von Lastern das Spielen und Hören von Musik in der ganzen Stadt verboten (8am 27.6.2023) und in Kabul forderten die Taliban Besitzer von Hochzeitssälen auf, keine Musik zu spielen (RFE/RL 12.6.2023). Berichten zufolge konfiszieren Taliban Musikinstrumente und verbrennen sie öffentlich (DW 31.7.2023; vgl. RFE/RL 18.8.2023) und gehen auch gegen Personen vor, die Musik in Privatfahrzeugen oder auf Telefonen abspielen (Afintl 31.7.2023).“

Auszug aus der EUAA Country Guidance zu Afghanistan vom Mai 2024:

„Refugee Status

[…]

Ethnic and religious minorities

[…]

Tajiks

Mainly in Tajik-dominated areas in the northeast provinces, it was reported that civilians have been subjected to house searches, arbitrary arrests, detentions, extrajudicial killings, torture and displacement because of perceived association with the NRF. Some sources identified an ethnic dimension in the targeting and identified ethnic Tajiks as prone to violations, also in Kabul City, while other sources have discarded such accounts [Country Focus 2023, 4.3.1., p. 67; 4.5.1., p. 83].

The Taliban have reportedly conducted reprisal attacks, including arbitrary arrests and killings of civilians in areas associated with resistance groups, mostly in Panjshir Province, but also in the provinces Baghlan, Takhar and in Daykundi [Country Focus 2023, 4.3., p. 65; 4.3.1. pp. 66]. Individuals originating from Panjshir Province have, according to several sources, been arrested in Kabul City for suspected links to NRF [Country Focus 2023, 4.3.1., p. 67].

Regarding the forced evictions of local communities, including Hazara, Tajik and Uzbek communities, in northeastern provinces as well as in Hazarajat, in favour of formerly displaced Pashtuns returning to their areas of origin and Kuchi nomads (also Pashtuns), a source noted that such a phenomenon could be attributed to the Taliban’s strategy aimed at gaining political and military control over these areas rather than for the purpose of ‘Pashtunisation’ of the country. It was reported that, even in provinces with a homogenous ethnic composition, such disputes have re-emerged, often along tribal or clan-based lines. However, forced evictions and displacement of minority groups were reportedly facilitated or tolerated by the de facto authorities, and in the disputes involving returning Pashtun (mainly Kuchis) refugees from Pakistan, local Taliban authorities reportedly sided with the Pashtun Kuchis leading to the local population, mainly Uzbeks and Tajiks, being evicted from their houses and lands [Country Focus 2023, 4.3.3., p. 69; 4.5.1., p. 83].

Conclusions and guidance

Do the acts qualify as persecution under Article 9 QD?

Acts reported to be committed against individuals under this profile are of such severe nature that they amount to persecution (e.g. abduction, collective punishments, torture, execution).

What is the level of risk of persecution (well-founded fear)?

The individual assessment whether there is a reasonable degree of likelihood for the applicant to face persecution should take into account whether they would be perceived as having an affiliation to NRF, with Tajiks from Panjshir and Andarab district (Baghlan province) being particularly at risk. See 3.4. Individuals perceived as members or supporters of the National Resistance Front (NRF).“

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie des Gerichtsaktes des BVwG, insbesondere aus der mündlichen Verhandlung und dem persönlichen Eindruck, den der erkennende Richter dort gewinnen konnte.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zum Namen, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit des BF ergeben sich aus der Einsicht in den vom BF vorgelegten afghanischen Reisepass (vgl. AS 63 und 91). Die Feststellungen zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des BF ergeben sich aus seinen entsprechenden übereinstimmenden und damit glaubhaften Angaben im Laufe des Verfahrens (vgl. EB, AS 4; EV BFA, AS 77; Verhandlungsprotokoll S 6).

Die Feststellung zum Wohnort des BF in Afghanistan ergibt sich aus seinen entsprechenden übereinstimmenden und damit glaubhaften Angaben im Rahmen der Erstbefragung und vor dem BFA (vgl. EB, AS 5; EV BFA, AS 77). Die Feststellungen zur Schulbildung und Hilfstätigkeiten des BF im Supermarkt seines Vaters in Afghanistan beruhen ebenso auf seinen diesbezüglichen gleichlautenden und damit glaubhaften Angaben vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung (vgl. EV BFA, AS 77; Verhandlungsprotokoll S 7). Dass sich der BF davon abgesehen im Boxsport betätigte und an diversen Boxkämpfen teilgenommen hat, ergibt sich aus seinen entsprechenden Angaben im Laufe des Verfahrens und insbesondere auch durch die Vorlage eines Konvoluts an Fotografien (vgl. AS 93 bis 137), die augenscheinlich im Zusammenhang mit Boxkämpfen stehen, sowie Dokumenten (vgl. AS 151 bis 155).

Die Feststellung, dass zwei Onkeln und zwei Tanten des BF in Afghanistan leben, beruht auf seinen entsprechenden Angaben in der mündlichen Verhandlung (vgl. Verhandlungsprotokoll S 10). Die Feststellung, dass seine Eltern und Schwester im Iran aufhältig sind, stützt sich auf seine entsprechenden übereinstimmenden und damit glaubhaften Angaben vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung (vgl. EV BFA, AS 78; Verhandlungsprotokoll S 5, 6) sowie auch darauf, dass der BF einen Mietvertrag seiner Eltern im Iran vorlegte (vgl. OZ 8).

Die Feststellungen zur Ausreise aus Afghanistan und deren Kosten sowie zur Weiterreise nach Österreich ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Laufe des Verfahrens (vgl. EB, AS 6, 7; EV BFA, AS 82; Verhandlungsprotokoll S 5, 7). Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt (vgl. AS 4).

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt des BFA sowie dem vor dem BVwG geführten Verfahren und im Besonderen der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass der BF ausreichend Zeit und Gelegenheit hatte, eventuelle Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel und geeignete Nachweise zur Untermauerung seines Vorbringens vorzulegen. Der BF konnte seine Fluchtgeschichte, er habe seit dem Jahr 2017 im Zuge seiner Tätigkeit als Boxkämpfer Angehörige des Militärs oder der Polizei trainiert und sei von den Taliban vor deren Machtübernahme 2018 oder 2019 aufgefordert worden, Mitglieder der Taliban zu trainieren, weswegen die Taliban nach ihm gesucht hätten und er im Falle einer Rückkehr Verfolgung durch die Taliban fürchte, jedoch gesamtheitlich nicht glaubhaft machen:

Hervorzuheben gilt dabei, dass der BF sowohl vor dem BFA als auch in der mündlichen Verhandlung in keiner Weise seine fluchtauslösenden Ereignisse konkret und detailreich schildern konnte. Exemplarisch führte der BF zwar stets ins Treffen, er sei im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Boxkämpfer insbesondere deswegen ins Visier der Taliban geraten, weil er entweder Angehörige der Polizei oder des Militärs (siehe zu diesem Widerspruch weiter unten) trainiert habe (vgl. EV BFA, AS 81, 83, 84, 86; Verhandlungsprotokoll S 7, 9, 10), doch ging er vor dem BFA dazu überhaupt nicht ins Detail und waren ebenso seine Ausführungen dazu in der mündlichen Verhandlung äußerst spärlich, als er lediglich konkretisierte, er sei zweimal wöchentlich mit Dienstautos zwecks des Trainings der Angehörigen des Militärs in XXXX abgeholt und wieder nach Hause gefahren worden (vgl. Verhandlungsprotokoll S 10). Es bleibt somit völlig unklar, was das behauptete Training der Angehörigen der Polizei oder des Militärs konkret umfasst hat oder wie es ausgestaltet war und hat es der BF damit unterlassen durch konkrete Erfahrungen, Erinnerungen oder Details von dieser doch schließlich zur Flucht führenden Tätigkeit zu überzeugen. Auch sonst hielt sich der Beschwerdeführer in seinem mit den Fluchtgründen zusammenhängenden Vorbringen äußerst knapp und vage. Zwar erwähnte der BF sowohl vor dem BFA als auch in der mündlichen Verhandlung Bedrohungen durch die Taliban seinen Eltern gegenüber (vgl. EV BFA, AS 79, 80, 83; Verhandlungsprotokoll S 5, 10), doch vermochte er auch hierbei abgesehen vom bloßen Umstand der behaupteten erfolgten Bedrohungen keinerlei weiterer Details dazu zu schildern. Es wird dabei nicht verkannt, dass der BF seinen Erzählungen zur Folge im Zeitpunkt der Bedrohungen durch die Taliban nicht persönlich anwesend gewesen sei, sondern bereits Afghanistan verlassen habe, doch ist es schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass der BF dazu, da er wohl von seinen Eltern oder sonst von diesen Bedrohungen erfahren habe, keine weiteren Informationen darüber liefern konnte. So fehlen auch in Bezug auf diesen Aspekt nämlich gänzlich grundlegende Informationen, wie etwa von wie vielen Personen diese Bedrohungen ausgesprochen worden seien, unter welchen Rahmenbedingungen diese Bedrohungen ausgesprochen worden seien oder was den konkreten Inhalt dieser Bedrohungen dargestellt habe – wobei nicht verkannt wird, dass der BF den Inhalt einer Drohung im Verfahren nannte (vgl. EV BFA, AS 83; Verhandlungsprotokoll S 10), da er jedoch stets von mehreren Drohungen sprach, fehlen die Ausführungen zu den Inhalten der weiteren Drohungen. Gerade dieses Erzählverhalten des BF und die fehlende Erzähldichte vermittelten dem erkennenden Richter den Eindruck, dass der BF nicht von tatsächlich Erlebtem berichtete und ist die Glaubwürdigkeit seines Fluchtvorbringens aus diesem Grund bereits erheblich geschmälert.

Indem sich der BF im Laufe des Verfahrens jedoch zusätzlich auch in multiple Widersprüche verwickelte, wird die Unglaubwürdigkeit seines Fluchtvorbringens untermauert. Besonders schwer wiegt dabei, dass der BF sowohl vor dem BFA als auch in der mündlichen Verhandlung zwar das Verschwinden von Personen, die ebenso mit dem Boxsport in Verbindung stehen würden, nach der Machtübernahme durch die Taliban tragend bei seiner Erzählung zu seinen Fluchtgründen artikulierte (vgl. EV BFA, AS 79, 80, 83, 84, 85; Verhandlungsprotokoll S 10), doch war er nicht in der Lage dieses Verschwinden gleichbleibend zu schildern. Während er im Rahmen seiner freien Erzählung vor dem BFA nämlich noch erzählte, dass drei seiner Kollegen aus der afghanischen Box-Nationalmannschaft (vgl. EV BFA, AS 84) etwa einen Monat nach der Machtübernahme der Taliban verschwunden seien (vgl. EV BFA, AS 80), sprach er in der mündlichen Verhandlung sodann widersprüchlich davon, dass zwei Personen, die mit ihm gemeinsam einen Boxclub in XXXX besucht hätten, 15 Tage nach der Machtübernahme der Taliban verschwunden seien (vgl. Verhandlungsprotokoll S 10). Der BF nannte damit erstens eine unterschiedliche Anzahl an Personen, die nach der Machtübernahme der Taliban verschwunden seien. Zweitens nannte er einen anderen Zeitpunkt des Verschwindens der Personen und führte er drittens eine andere Art und Weise aus, in welcher Beziehung er zu diesen verschwundenen Personen stand, als er vor dem BFA – wie gerade geschrieben – ausdrücklich noch davon berichtete, dass die verschwundenen Personen Kollegen der afghanischen Box-Nationalboxmannschaft seien und in der mündlichen Verhandlung lediglich davon sprach, dass sie einen Boxclub mit ihm besucht hätten; dass die verschwunden Personen auch Kollegen des BF seien und er mit diesen gemeinsam in der afghanischen Box-Nationalmannschaft gewesen sei, ist seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung hingegen überhaupt nicht mehr zu entnehmen. Damit zusammenhängend gilt auch zu erwähnen, dass er seinen Besuch eines Boxclubs erstmals in der mündlichen Verhandlung erwähnte und vor dem BFA von der Existenz dieses Boxclubs noch überhaupt keine Rede war.

Auffällig ist des Weiteren, dass der BF vor dem BFA nicht einheitlich anführen konnte, ob er als Boxkämpfer Angehörige der Polizei oder des Militärs trainiert habe. Vor dem BFA führte er zunächst nämlich an, dass er Angehörige des Militärs trainiert habe (vgl. EV BFA, AS 81), schilderte an einer späteren Stelle der Einvernahme vor dem BFA jedoch dann von der Polizei (vgl. EV BFA, AS 83) und führte schließlich nach dezidierter Aufforderung um Klarstellung, wen er nun trainier habe, sowie auch nach erfolgter Rückübersetzung vor dem BFA explizit an, dass er Angehörige der Polizei trainiert habe (vgl. EV BFA, AS 84, 89) und war der BF damit schon nicht in der Lage einheitliche Angaben innerhalb einer Einvernahme zu schildern. In der mündlichen Verhandlung sprach der BF im starken Gegensatz zu seinen letzten Angaben vor dem BFA jedoch wieder erneut davon, dass er Soldaten bzw. Offiziere trainiert habe (vgl. Verhandlungsprotokoll S 7, 9, 10). Es ist für den erkennenden Richter nicht nachvollziehbar, hätte der BF tatsächlich Angehörige des Militärs oder der Polizei trainiert, wieso er nicht stringent angeben kann, wen er genau trainiert habe.

Ferner schilderte der BF auch jene Situation unterschiedlich, in der er von den Taliban aufgefordert worden sei, Mitglieder der Taliban selbst zu trainieren. Vor dem BFA gab er dazu nämlich schlichtweg an, dass „die“ den BF im Jahr 2018 oder 2019 gefragt hätten, ob er „welche“ trainieren könne, was er abgelehnt habe (vgl. EV BFA, AS 84, 86). In der mündlichen Verhandlung konstruierte der BF diese Aufforderung zur Zusammenarbeit hingegen weiter und führte nunmehr aus, dass ihn ein bestimmter Junge, der mit ihm im Boxclub XXXX trainiert habe, aufgefordert habe, mitzukommen und Taliban zu trainieren, was er abgelehnt habe (vgl. Verhandlungsprotokoll S 9, 10). Nach dem Vorbringen des BF vor dem BFA war jedoch – wie bereits weiter oben geschrieben – von der Existenz eines Boxclubs noch überhaupt keine Rede und erwähnte er vor dem BFA ebenso wenig, dass diese Aufforderung zur Zusammenarbeit mit den Taliban von einer konkreten Person ausgegangen sei.

Der BF konnte auch die angeblich erfolgten Bedrohungen durch die Taliban nicht einheitlich und klar schildern. Vor dem BFA gab der BF dahingehend an, die Taliban hätten nach dem BF im Supermarkt und bei Nachbarn nach ihm gefragt. Die Taliban hätten Fotos von ihm, die von seinem Vater im familieneigenen Supermarkt aufgehängt worden seien, vernichtet (vgl. EV BFA, AS 79). Zudem seien die Taliban ein paarmal bei seinen Eltern zuhause gewesen. Seine Mutter habe nach einem Besuch durch die Taliban alles bzw. Beweise dafür verbrannt, dass der BF Trainer für Angehörige der Polizei gewesen sei (vgl. EV BFA, AS 83). In der mündlichen Verhandlung führte er hingegen weder an, dass die Taliban nach ihm im Supermarkt und bei Nachbarn gefragt hätten noch, dass die Taliban Fotos von ihm im familieneigenen Supermarkt vernichtet hätten noch, dass seine Mutter Beweise verbrannt habe. Er gab in der mündlichen Verhandlung hingegen lediglich an, dass die Taliban „ständig“ bzw. zwei- oder dreimal bei seinen Eltern zuhause gewesen seien und nach ihm gefragt hätten (vgl. Verhandlungsprotokoll S 5, 10).

Letztlich verstrickte sich der BF in zeitlicher Hinsicht in Widersprüche. Zwar ordnete der BF die Geschehnisse in der mündlichen Verhandlung rund um seine Ausreise zeitlich gar nicht ein bzw. tätigte er dazu überhaupt keine Angaben. Vor dem BFA gab er dahingehend jedoch zunächst an, er habe mit dem Zeitpunkt der Machtübernahme der Taliban mit dem Arbeiten aufgehört (vgl. EV BFA, AS 79). Sodann wich er von dieser Angabe ab und führte an, seine Mutter habe ihm an dem Tag geraten, nicht mehr zur Arbeit zu gehen, als die bereits weiter oben genannten Personen verschwunden seien (vgl. EV BFA, AS 79). Unter Berücksichtigung dessen, dass der BF vor dem BFA auch anführte, dass diese Personen etwa einen Monat nach der Machtübernahme der Taliban verschwunden seien (vgl. EV BFA, AS 80), bedeutet dies, dass der BF etwa einen Monat – sohin etwa 30 Tage – nach der Machtübernahme der Taliban noch gearbeitet habe und ihm erst zu diesem Zeitpunkt angeraten worden sei, seine Arbeit niederzulegen. Schließlich gab der BF davon erneut divergierend an, er sei nach dem Verschwinden dieser Personen noch weitere 20 Tage zur Arbeit gegangen (vgl. EV BFA, AS 83). Der BF vermochte diesen Widerspruch vor dem BFA auch nicht plausibel zu erklären, als er dazu unter anderem rechtfertigend ausführte, er habe nach der Machtübernahme der Taliban noch 20 Tage gearbeitet (vgl. EV BFA, AS 85). Mit dieser gebotenen Erklärung löst der BF die entstandenen Unklarheiten jedoch in keiner Weise auf, sondern lieferte vielmehr eine weitere, neue Variante dessen, wann er seine Arbeit niedergelegt habe.

In einer Gesamtschau präsentierte der BF damit sowohl vor dem BFA als auch vor dem BVwG hinsichtlich seines die Taliban betreffenden Fluchtvorbringens eine bloße Rahmengeschichte und enthielt sein diesbezügliches Vorbringen einige Widersprüchlichkeiten. Es ist somit nicht glaubhaft, dass der BF und seine Familie aufgrund seiner Tätigkeit als Boxkämpfer ins Visier der Taliban geraten seien und deswegen von den Taliban wie auch immer gearteten Repressalien ausgesetzt gewesen seien. Es wird nicht verkannt, dass die behaupteten Vorfälle schon etwas zurückliegen und deshalb Erinnerungslücken einer vollkommen detaillierten Erzählung entgegenstehen können. Dass der BF die Ereignisse jedoch in einer derart oberflächlichen und nicht stringenten Weise schildern würde, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätten sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen und wären sie von fluchtauslösender Intensität, sodass nicht davon auszugehen ist, dass die Angaben des BF zu einer konkreten Bedrohungssituation durch die Taliban den Tatsachen entsprechen. Die erzählte Geschichte erweckte daher den Eindruck, dass es sich lediglich um eine auswendig gelernte Geschichte handelt und konnte der BF damit gesamtheitlich sein die Taliban betreffendes Fluchtvorbringen nicht glaubhaft machen.

Wie festgestellt und bereits weiter oben ausgeführt, konnte der BF jedoch glaubhaft machen, dass er im Boxsport tätig war. In der Beschwerde wird damit zusammenhängend ausgeführt, dass die Sportausübung in der Freizeit, wie auch der Kampfsport, unter der Herrschaft der Taliban verboten sei, wobei dazu auf einen Artikel des BBC vom 29.08.2024 Bezug genommen wird (vgl. Beschwerdeschrift AS 350, 351). In der Beschwerde nicht erwähnt wird jedoch, dass diesem herangezogenen Artikel des BBC unter anderem auch zu entnehmen ist, dass die Taliban ihre Haltung dem Boxsport gegenüber in einigen Fällen gemildert haben und im Jahr 2022 etwa ein bekannter MMA Kämpfer Afghanistans in Kabul eine Pressekonferenz abhalten konnte, um einen bevorstehenden Kampf anzukündigen, den er in Russland gewann. Bei seiner Rückkehr nach Afghanistan wurde er von Regierungsvertretern außerdem empfangen, die für Fotos posierten. Damit in Übereinstimmung stehend ergibt sich aus der Einsicht in den öffentlich zugänglichen Facebook-Account „Afghanistan National Boxing Federation - ANBF“, dass regelmäßig Postings hochgeladen und in Kabul aktuell Boxbewerbe geführt werden. Der BF bestätigte diese Informationen in der mündlichen Verhandlung ebenso (vgl. Verhandlungsprotokoll S 9). Sohin besteht auch unter der Herrschaft der Taliban die Möglichkeit, den Boxsport auszuüben und lässt sich aus dem in der Beschwerde herangezogenen Bericht sowie dem Umstand dessen, dass auch aktuell Boxbewerbe stattfinden, ableiten, dass es zu keiner Verfolgung von Personen alleine deswegen kommt, weil sie sich im Boxsport betätigen.

Die Feststellungen, dass der BF in Afghanistan keiner individuellen Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt war, ergibt sich daraus, dass er – wie eben geschrieben – seine die Taliban betreffende Fluchtgeschichte nicht glaubhaft machen konnte und abgesehen davon, dass er alleinig vor dem BFA erwähnte, im Jahr 2019 sei vor dem familieneigenen Supermarkt eine Bombe gelegt worden, welche explodiert sei (vgl. EV BFA, AS 84), im gesamten Verfahren keine (glaubhaften) ihn persönlich treffenden Gefährdungsmomente schilderte. In Anbetracht dessen, dass diese vor dem BFA geschilderte Situation im Entscheidungszeitpunkt bereits etwa sechs Jahre zurückliegt und der BF diese Situation – trotz ausreichender Gelegenheit – nicht in der mündlichen Verhandlung erneut artikulierte, kann ihr jedoch keine Relevanz für das gegenständliche Verfahren zugemessen werden und hat der BF diese Situation insbesondere auch nie mit den Taliban in einen Zusammenhang gebracht. Dass der BF nie politisch tätig war, auch aus sonstigen Gründen nicht in das Blickfeld der Taliban geraten ist, in Afghanistan nie verhaftete wurde und in Afghanistan keinen Kontakt mit der Polizei, Gerichten oder Behörden hatte, beruht auf seinen Aussagen vor dem BFA (vgl. EV BFA, AS 82).

Daneben brachte der BF ebenso alleinig vor dem BFA noch vor, er habe aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tadschiken Probleme gehabt und würden die Taliban Tadschiken „nicht mögen“. Dazu im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA näher befragt, führte der BF jedoch ebenso aus, dass er aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Tadschiken nie persönlich bedroht worden sei (vgl. EV BFA, AS 81, 84), sodass bereits aus den eigenen Angaben des BF keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Tadschiken erkannt werden kann. Davon abgesehen ergibt sich auch aus den herangezogen, zitierten Länderinformationen für den BF keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer solchen Gefährdung. Der aktuellen EUAA Country Guidance zu Afghanistan vom Mai 2024 lässt sich damit zusammenhängend zwar entnehmen, dass in von Tadschiken dominierten Gebieten Zivilisten, welche aufgrund ihrer vermeintlichen Verbindung zur NRF (National Resistance Front of Afghanistan), Hausdurchsuchungen, willkürlichen Verhaftungen, Inhaftierungen, außergerichtlichen Tötungen, Folter und Vertreibungen ausgesetzt waren und sind derartige Repressalien auch von den Taliban ausgegangen. Gleichzeitig hängt eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung im Zusammenhang mit der Volksgruppenzugehörigkeit zu den Tadschiken aber eben tragend davon ab, ob die betroffene Person mit der NRF assoziiert wird. Da sich aus dem Vorbringen des BF im Verfahren gesamtheitlich nicht ableiten lässt, dass er mit der NRF in Verbindung steht, kann auch keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Tadschiken erkannt werden kann.

Lediglich der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass der BF im Falle einer Rückkehr nicht als „verwestlicht“ wahrgenommen würde und er daher auch keine Gefahr einer Verfolgung als Angehöriger der sozialen Gruppe der Rückkehrer aus westlichen Ländern besteht. Es ist darauf zu verweisen, dass der BF dies persönlich weder vor dem BFA noch in der mündlichen Verhandlung vorbrachte. In Hinblick auf die festgestellten Länderinformationen zur allgemeinen Lage von Rückkehrern in Afghanistan haben sich keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass alle Rückkehrer aus Europa gleichermaßen, bloß auf Grund ihrer Eigenschaft als Rückkehrer und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften, im Falle ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen würden, konkreter und individueller physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt zu sein. Dass es aufgrund des Umstandes, dass der BF als Rückkehrer aus Europa erkennbar ist, zu Ungleichbehandlungen kommen kann, ist nicht auszuschließen, es ist derzeit daraus jedoch nicht das Bestehen einer konkret drohenden Verfolgungsgefahr von entsprechender Intensität ersichtlich. Dass die Taliban afghanische Männer, die nach Afghanistan zurückkehren, alleine aufgrund eines langjährigen Auslandsaufenthalts als verwestlicht betrachten, lässt sich den festgestellten Länderinformationen nicht entnehmen.

Zusammengefasst konnte der BF weder durch die Beschwerde noch durch sein persönliches Vorbringen in der Einvernahme vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung eine drohende Verfolgung durch die Taliban in Afghanistan glaubhaft machen. Der BF verließ Afghanistan nicht wegen einer individuell konkreten Bedrohung oder Verfolgung. Aus den vorangegangenen Gründen erscheint es nicht glaubhaft, dass der BF in Afghanistan im Falle einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit individuell und konkret aufgrund bestimmter – in seiner Person gelegener – Eigenschaften bedroht oder verfolgt würde und er vermochte keine anderslautenden Befürchtungen glaubhaft zu machen.

Im Verfahren sind auch keine Hinweise hervorgekommen, aus denen sich eine Bedrohung oder Verfolgung des BF aus einem sonstigen Grund ergeben könnte. Somit steht fest, dass der BF im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Rasse, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter keiner konkreten Gefährdung oder Bedrohung ausgesetzt ist.

2.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen, insbesondere auf die Länderinformation der Staatendokumentation zu Afghanistan in der aktualisierten Fassung vom 31.01.2025. Da dieser aktuelle Länderbericht auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruht und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbietet, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht (wesentlich) geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2011/95/EU (in der Folge: Status-RL) verweist).

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066, mwN).

Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als „Verfolgung“ im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen (vgl. Art. 9 Abs. 1 StatusRL). Ob dies der Fall ist, haben die Asylbehörde bzw. das BVwG im Einzelfall zu prüfen und in einer die nachprüfende Kontrolle ermöglichenden Begründung darzulegen (vgl. VwGH 16.12.2021, Ra 2021/18/0387, mwN).

Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl. VwGH 02.09.2019, Ro 2019/01/0009, mwN).

Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist also, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht (vgl. VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, mwN).

Die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung ist auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden VwG vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom VwG nicht getroffen werden (vgl. VwGH 13.01.2022, Ra 2021/14/0386, mwN).

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass ein Asylwerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung („Vorverfolgung“) für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn der Asylwerber daher im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, ob er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. – des Verwaltungsgerichts) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 03.09.2021, Ra 2021/14/0108, mwN). Auf den Entscheidungszeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des BF, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt, kommt den konkreten Vorbringen des BF zu seinen Fluchtgründen (drohende Verfolgung durch die Taliban aufgrund seiner Tätigkeit als Boxkämpfer; Volksgruppenzugehörigkeit zu den Tadschiken; Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Rückkehrer aus westlichen Ländern) keine Glaubhaftigkeit zu, zumal innerhalb der Angaben des BF einige Widersprüche und Ungereimtheiten auftraten, er im Verfahren durchwegs äußerst vage und oberflächlich blieb und das Fluchtvorbingen letztlich auch nicht mit den herangezogenen Länderberichten in Einklang zu bringen ist. Dem BF ist es deshalb entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.

Soweit die Beschwerde „einen landeskundigen SV zu beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation in Afghanistan und den spezifischen vom BF vorgebrachten Punkten befasst“ beantragt, ist festzuhalten, dass ein solches bloß allgemeine Vorbringen, das nicht aufzeigt, zum Nachweis welcher konkreten Tatsachen der Beweis dienen soll, auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis hinausläuft, zu dessen Aufnahme das Verwaltungsgericht nicht verpflichtet ist (vgl. VwGH 05.06.2024, Ra 2023/09/0058, mwN).

Im gegenständlichen Fall sind somit die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK, nicht gegeben. Auch die Durchsicht der aktuellen Länderberichte erlaubt es nicht anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen. Sohin kann nicht erkannt werden, dass dem BF aus den von ihm ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.

Auch sonst haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung des BF aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen.

Entsprechend den oben getätigten Ausführungen ist es dem BF nicht gelungen, darzutun, dass ihm im Herkunftsstaat Afghanistan asylrelevante Verfolgung droht, weshalb die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen im Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des BVwG auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.