JudikaturBVwG

W240 2312348-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
22. August 2025

Spruch

W240 2312348-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Tanja FEICHTER über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , StA Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.04.2025, Zl. 1310170410/250036551, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte nach Einreise in das Bundesgebiet am 06.06.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Mit Bescheid vom 13.02.2023, Zl. 1310170410/221783264, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt und gemäß§ 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3. Mit Schreiben des BFA vom 09.01.2025 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass mit 09.01.2025 ein Aberkennungsverfahren gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten eingeleitet worden sei, da sich aufgrund des Regimewechsels in seinem Herkunftsstaat Syrien die Umstände, beziehungsweise die Voraussetzungen, die zur Zuerkennung des Schutzstaus geführt hätten, wesentlich geändert hätten.

Das BFA hole aktuell Informationen zur allgemeinen Lage in Syrien ein und werde den Beschwerdeführer dann auffordern, dazu und zu seinen persönlichen Umständen Stellung zu nehmen. Er müsse auf dieses Schreiben weder antworten noch mit der Behörde in Kontakt treten.

Der Beschwerdeführer wurde darauf hingewiesen, dass er bis zur rechtskräftigen Beendigung oder Einstellung des Aberkennungsverfahren jedenfalls zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei.

4. Mit Schriftsatz vom 18.02.2025 brachte der Beschwerdeführer vor, dass das Aberkennungsverfahren gegen ihn zu Unrecht geführt werde. Zudem brachte der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Anträge auf Einstellung des Aberkennungsverfahrens und auf Feststellung des (Weiter-)Bestehens der Flüchtlingseigenschaft ein.

5. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 22.04.2025 wies das BFA die Anträge auf Einstellung des am 09.01.2025 eingeleiteten Aberkennungsverfahren und auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft zurück. Begründend wurde ausgeführt, die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Rechtsprechung sei nicht geeignet, eine Einstellungspflicht der Behörde zu begründen. Das Gesetz sehe ein Antragsrecht auf Erlassung eines Feststellungsbescheides über das Zukommen der Flüchtlingseigenschaft nicht vor und es bestehe im konkreten Fall auch kein öffentliches Interesse ein solches festzustellen.

6. Am 28.04.2025 wurde beim BFA Beschwerde gegen den Bescheid vom 22.04.2025 eingebracht. In der Beschwerde wurde zusammengefasst vorgebracht, dass schon die Einleitung des Aberkennungsverfahrens Eingriffe in die Rechtspositionen des Beschwerdeführers mit sich bringen würde und dazu auf die Bestimmungen des§ 35 Abs. 4 Z 1 AsylG 2005, des § 34 Abs. 4 Z 1 AsylG 2005 und des § 11a Abs. 7 StbG hingewiesen. Das anhängige Aberkennungsverfahren bedeute für den Beschwerdeführer ein Erteilungshindernis im Verfahren zur Zusammenführung mit seinen Familienangehörigen. Mit § 35 Abs. 1 AsylG 2005 würden in dem von dieser Norm erfassten Anwendungsbereich die Bestimmungen der Richtlinie 2003/86/EG (in der Folge: FamilienzusammenführungsRL) umgesetzt werden. In Art. 1 FamilienzusammenführungsRL werde klar zum Ausdruck gebracht, dass es sich beim „Recht auf Familienzusammenführung“ um ein solches derjenigen Person handelt, die sich bereits „rechtmäßig im Gebiet der Mitgliedstaaten aufhält“, sohin der Bezugsperson. Es könne nicht zweifelhaft sein, dass schon mit der Einleitung des Aberkennungsverfahrens in das unionsrechtlich gewährleistete Recht auf Familienzusammenführung eingegriffen werde. Die Einleitung des Aberkennungsverfahrens wirke dahingehend rechtsgestaltend, dass sie dem Beschwerdeführer die Eigenschaft nehme, als Bezugsperson im Verfahren zur Erteilung von Einreisetiteln seiner Familienangehörigen zu fungieren. Die belangte Behörde hätte daher meritorisch über den Antrag auf Einstellung absprechen müssen. Gleiches gelte für den Antrag auf Feststellung des Fortbestandes der Flüchtlingseigenschaft. Weil Grund für die Einleitung des Aberkennungsverfahrens die Annahme der Behörde sei, dass die dem Beschwerdeführer bislang zukommende Flüchtlingseigenschaft erloschen sei, bestehe rechtliches Interesse, dieses strittig gewordene Rechtsverhältnis zu klären. Nachdem der von der belangten Behörde herangezogene Aberkennungstatbestand des § 7 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 die Beendingung der Flüchtlingseigenschaft voraussetze, sei das weitere Bestehen dieses Rechts auf Innehabung der Flüchtlingseigenschaft strittig geworden. Gerade wenn die belangte Behörde die Rechtsmeinung vertrete, es komme dem Beschwerdeführer kein Anspruch auf Erledigung eines auf die Einstellung des Verfahrens gerichteten Antrags zu, stelle sich der Antrag auf Feststellung des Fortbestehens der Flüchtlingseigenschaft auch als letztes und einziges taugliches Mittel dar, um Rechtsschutz zu erlangen. Ein Zuwarten bis zur abschließenden Entscheidung der Behörde im Aberkennungsverfahren sei dem Beschwerdeführer nicht zumutbar, weil schon die Einleitung des Verfahrens Rechtsfolgen nach sich ziehe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid vom 13.02.2023, Zl. 1310170410/221783264, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt und gemäß§ 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Mit Schreiben des BFA vom 09.01.2025 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass mit 09.01.2025 ein Aberkennungsverfahren gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten eingeleitet worden sei.

Mit Schriftsatz vom 18.02.2025 stellte der Beschwerdeführer Anträge auf Einstellung des Aberkennungsverfahrens und Feststellung des (Weiter)Bestehens der Flüchtlingseigenschaft.

Mit Bescheid vom 22.04.2025 wies das BFA diese Anträge zurück.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers sowie der Verfahrensgang ergeben sich zweifelsfrei und unbestritten aus dem vorliegen Verwaltungsakt im Zusammenhang mit der gegenständlichen Beschwerde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

Zum Antrag auf Einstellung des Aberkennungsverfahrens:

Zunächst ist festzuhalten, dass im AsylG 2005 kein Recht auf Einstellung eines eingeleiteten Aberkennungsverfahrens normiert ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum rechtlichen Interesse an der bescheidmäßigen Feststellung der Einstellung eines Verfahrens ausgesprochen, dass ein solches Interesse zuverneinen sei, wenn erst durch die Bescheiderlassung im amtswegig eingeleiteten Verfahren ein Eingriff in die Rechtsposition der Partei erfolgt (vgl. VwGH 31.01.2001, 98/09/0159; 04.05.2023, Ra 2023/09/0014).

Im gegenständlichen Antrag macht der Beschwerdeführer in der Begründung des Einstellungseintrags geltend, dass durch den Rechtsakt der Einleitung eines Aberkennungsverfahrens in sein unionsrechtlich gewährleistetes Recht auf Familienzusammenführung eingegriffen und über ein den Beschwerdeführer betreffendes Rechtsverhältnis abgesprochen werde. Die Einleitung des Aberkennungsverfahrens würde dem Beschwerdeführer nämlich die Eigenschaft nehmen, als Bezugsperson im Verfahren zur Erteilung von Einreisetiteln für seine Familienangehörigen zu fungieren.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 nur eine von mehreren im österreichischen Recht vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung darstellt, und zwar mit dem asylspezifischen Zweck für die nachziehenden Personen nach Einreise in das Bundesgebiet ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 zu eröffnen und ihnen denselben Schutz dem bereits in Österreich aufhältigen Angehörigen zukommt, zu gewähren. Die FamilienzusammenführungsRL hat nicht zum Regelungsinhalt, wann einem Familienangehörigen eines anerkannten Flüchtlings ebenfalls der Flüchtlingsstatus zuzuerkennen ist, sondern enthält nur Vorgaben dazu, unter welchen Voraussetzungen einem Familienangehörigen ein für den Zweck der Familienzusammenführung vorgesehener Aufenthaltstitel zu erteilen ist.

Sofern sich eine Familienzusammenführung durch Inanspruchnahme des § 35 AsylG 2005 als nicht möglich erweist, steht es einem Antragsteller frei, einen anderen Weg im Rahmen weiterer ebenfalls die FamilienzusammenführungsRL umsetzender Vorschriften zu beschreiten, um die Familienzusammenführung zu erreichen. Insbesondere ist hier § 46 NAG zu erwähnen, der im Rahmen der Familienzusammenführung die Erteilung eines Aufenthaltstitels an einen Familienangehörigen ermöglicht, wenn der Zusammenführende Asylberechtigter ist und § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt (§ 46 Abs 1 Z 2 lit c NAG).

Dass einem Drittstaatsangehörigen die Zuerkennung desselben Schutzstatus wie dem bereits in Österreich lebenden Fremden versagt bleibt, kann somit von vornherein nicht zur Verletzung der FamilienzusammenführungsRL führen (vgl. VwGH 22.11.2017,Ra 2017/19/0218, Rz 37-39).

Der Beschwerdeführer ist trotz Einleitung des Aberkennungsverfahrens hinsichtlich des Status des Asylberechtigten bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens Asylberechtigter und steht ihm und seinen Familienangehörigen deshalb auch § 46 Abs. 1 Z 2 lit c NAG für die Zwecke der Familienzusammenführung zur Verfügung.

Zudem ist darauf hinzuweisen, dass obgleich das gegen den Beschwerdeführer eingeleitete Aberkennungsverfahren dazu führt, dass das BFA im Verfahren auf Erteilung von Einreisetiteln keine positive Mitteilung hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit der Stattgabe der Anträge auf internationalen Schutz seiner Familienmitglieder abgeben darf, damit noch kein absoluter Verlust der Möglichkeit der Familienzusammenführung einhergeht. Im Falle einer Einstellung des Aberkennungsverfahrens seitens des BFA oder dem rechtskräftigen Abschluss des Aberkennungsverfahrens zugunsten des Beschwerdeführers steht den Familienangehörigen jedenfalls eine erneute Antragstellung auf Erteilung von Einreisetiteln offen.

Soweit die Beschwerde auf § 11a Abs. 7 StbG (Staatsbürgerschaftsgesetz) hinweist, ist festzuhalten, dass diese Bestimmung unter anderem auf einen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens zehn Jahren im Bundesgebiet abstellt. Der Beschwerdeführer hat nicht dargetan, dass diese zeitliche Voraussetzung auch nur annähernd erfüllt wäre und gibt es diesbezüglich auch keinerlei Anhaltspunkte.

In einer Gesamtbetrachtung ist somit nicht zu erkennen, dass bereits durch die Einleitung des Aberkennungsverfahrens hinsichtlich des Status des Asylberechtigten in die Rechtspositionen des Beschwerdeführers eingegriffen wird. Eine Antragslegitimation liegt dementsprechend nicht vor und wurde der Antrag auf Einstellung des eingeleiteten Aberkennungsverfahrens vom BFA zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.

Zum Feststellungsantrag auf Weiterbestehen der Flüchtlingseigenschaft:

Die Erlassung eines Feststellungsbescheides ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann zulässig, wenn sie entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn eine gesetzliche Regelung zwar nicht besteht, aber die Erlassung eines solchen Bescheides im öffentlichen Interesse liegt, oder wenn sie insofern im Interesse einer Partei liegt, als sie für die Partei ein notwendiges Ziel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt.

Dieses rechtliche Interesse ist nur dann gegeben, wenn dem Feststellungsbescheid im konkreten Fall die Eignung zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung des Antragstellers zu beseitigen (vgl. VwGH 5.5.2022, Ra 2022/03/0086, mwN). Gegenstand von Feststellungsbescheiden sind daher Rechte und Rechtsverhältnisse einer antragstellenden Partei, die verbindlich festgestellt werden (vgl. VwGH 21.10.2022, Ra 2022/03/0217).

Das AsylG normiert kein Recht einen Antrag auf Feststellung des Weiterbestehens der Flüchtlingseigenschaft zu stellen. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die Feststellung des Weiterbestehens der Flüchtlingseigenschaft im gegenständlichen Fall ein notwendiges Ziel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung für den Antragsteller darstellt.

Gemäß § 7 Abs 4 AsylG ist die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und 2 mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt.

Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass eine Person nicht schon aufgrund der Einleitung eines Aberkennungsverfahrens ihre Flüchtlingseigenschaft verliert. Dem Beschwerdeführer kommt somit trotz Mitteilung über die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens weiterhin die Flüchtlingseigenschaft zu. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde ist das Recht auf Innehabung der Flüchtlingseigenschaft nicht strittig geworden.

Der Feststellungantrag des Beschwerdeführers geht somit ins Leere und wurde vom BFA zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision somit gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.