JudikaturBVwG

W226 2316936-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
07. August 2025

Spruch

W226 2316936-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Ukraine, vertreten durch B S Böhmdorfer/Schender/Völk Rechtsanwälte GmbH, vom 18.06.2025, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl beschlossen:

A)

Die Säumnisbeschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Ukraine, reiste gemeinsam mit seiner Ehefrau, einer ukrainischen Staatsangehörigen und den gemeinsamen Kindern, auch ukrainische Staatsbürger, am XXXX über XXXX aus der Ukraine aus. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer als Vertriebener iSd Verordnung der Bundesregierung über ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht für aus der Ukraine Vertriebene (in der Folge: VertriebenenVO) registriert und erfolgte die Einreisegestattung (AS 1 – 4).

Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel gemäß § 62 AsylG 2005 iVm § 1 Abs. 1 Z 1 VertriebenenVO erteilt, laut Aktenlage wurde der ausgestellte Ausweis für Vertriebene am XXXX bis XXXX verlängert (AS 97 – 99).

2. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz (AS 67).

3. Bei seiner Erstbefragung am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes verwies der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Russisch auf seinen bisherigen Aufenthalt im Bundesgebiet als Vertriebener. Er habe Österreich seit seiner Einreise am XXXX nicht mehr verlassen und halte sich gemeinsam mit seiner Familie somit durchgehend als Vertriebener im Bundesgebiet auf.

Inhaltlich verwies der Beschwerdeführer auf näher dargestellte politisch motivierte Verfolgungshandlungen, die er befürchte.

4. Am 09.01.2025 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: „BFA“ oder „belangte Behörde“). Der Beschwerdeführer verwies erneut auf seine individuelle Gefährdung im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat und belegte dies – auch in weiteren schriftlichen Eingaben – mit diversen Beweismitteln.

5. Mit Schriftsatz vom 18.06.2025 erhob der – damalige – Rechtsvertreter des Beschwerdeführers Säumnisbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Die Behörde habe seit über sechs Monaten nicht über seinen oa. Antrag auf internationalen Schutz entschieden.

6. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt langten am 01.08.2025 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist ebenso wie seine Ehegattin und seine Kinder ukrainischer Staatsangehöriger.

Der Beschwerdeführer ist seit Einreise in das Bundesgebiet als Vertriebener iSd VertriebenenVO registriert.

Dem Beschwerdeführer kommt somit ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht nach der VertriebenenVO (bis 04.03.2026) zu.

Dem Beschwerdeführer wurde – ebenso wie seiner ukrainischen Ehegattin und den gemeinsamen Kindern – ein Ausweis für Vertriebene, im Fall des Beschwerdeführers zuletzt gültig bis XXXX ausgestellt. Laut Zentralem Fremdenregister haben die Ehegattin und die gemeinsamen Kinder inzwischen Ausweise für Vertriebene mit Gültigkeit 04.03.2026 erhalten.

Der Beschwerdeführer stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

Das BFA hat bis dato nicht über diesen Antrag entschieden.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem vom BFA übermittelten Verwaltungsakt und können als unstrittig angesehen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Gemäß § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

3.2. Gemäß § 22 Abs. 8 AsylG 2005 ist u.a. im Falle der Erlassung einer Verordnung gemäß § 62 Abs. 1 AsylG 2005 der Fristenlauf von Verfahren Betroffener nach diesem Bundesgesetz für die Dauer des vorübergehenden Schutzes gehemmt.

Die Verordnung der Bundesregierung über ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht für aus der Ukraine Vertriebene, BGBl. II Nr. 92/2022 ist eine aufgrund des § 62 Abs. 1 AsylG 2005 erlassene Verordnung und lautet wie folgt:

„§ 1. Folgende Personengruppen haben nach ihrer Einreise ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet:

1. Staatsangehörige der Ukraine mit Wohnsitz in der Ukraine, die aus dieser aufgrund des bewaffneten Konfliktes ab dem 24. Februar 2022 vertrieben wurden,

2. sonstige Drittstaatsangehörige oder Staatenlose mit einem vor dem 24. Februar 2022 gewährten internationalen Schutzstatus oder vergleichbaren nationalen Schutzstatus jeweils gemäß ukrainischem Recht, die aus der Ukraine aufgrund des bewaffneten Konfliktes ab dem 24. Februar 2022 vertrieben wurden und

3. Familienangehörige gemäß § 2,

sofern nicht Ausschlussgründe im Sinne des Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2001/55/EG über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten, ABl. L 212 vom 7.8.2001 S. 12, vorliegen.

§ 2. Als Familienangehörige gelten

1. Ehegatten und eingetragene Partner der in § 1 Z 1 und 2 angeführten Personen

2. – 3. […]

sofern diese vor dem 24. Februar 2022 bereits als Familienangehörige einer in § 1 Z 1 oder 2 angeführten Person in der Ukraine aufhältig waren.

§ 3. […]

§ 4 (1) Das vorübergehende Aufenthaltsrecht besteht bis 4. März 2024.

(2) Ergeht ein Beschluss des Rates gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b oder 4 Abs. 2 der Richtlinie 2001/55/EG, endet das Aufenthaltsrecht zu dem im Beschluss genannten Zeitpunkt. (Anm. 1)

(3) Das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 1 oder 3 erlischt, wenn der Betreffende das Bundesgebiet nicht bloß kurzfristig verlässt.

Anm. 1: Das vorübergehende Aufenthaltsrecht besteht bis 4. März 2026 (vgl. Durchführungsbeschluss (EU) 2024/1836 des Rates)

§ 5. (1) Diese Verordnung tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft.

(2) § 4 in der Fassung der Verordnung der Bundesregierung, BGBl. II Nr. 27/2023, tritt eine Woche nach der Kundmachung in Kraft.“

3.3. § 8 VwGVG sieht vor, dass eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden kann, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist. Fehlt es an der Säumnis der Behörde, so ist die Säumnisbeschwerde mit Beschluss zurückweisen (vgl. VwGH vom 28.03.2019 Ra 2018/14/0286 und VwGH vom 02.05.2016 Ra 2016/11/0043).

3.4. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz; die belangte Behörde hat bis dato nicht über diesen Antrag entschieden. Soweit der Beschwerdeführer die Säumnis der belangten Behörde rügt, übersieht er jedoch, dass ihm – in seiner Eigenschaft als ukrainischer Staatangehöriger und zugleich Angehöriger einer ukrainischen Staatsangehörigen - ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht (bis 04.03.2026, vgl. § 4 Abs. 1 Vertriebenen VO iVm dem Durchführungsbeschluss (EU) 2024/1836) nach der gemäß § 62 Abs. 1 AsylG 2005 erlassenen VertriebenenVO zukommt. Insofern ist gemäß § 22 Abs. 8 AsylG 2005 der Fristenlauf im Verfahren über die Antragstellung auf internationalen Schutz für die Dauer dieses vorübergehenden Schutzes gehemmt und liegt keine Säumnis der belangten Behörde vor.

Wie dargestellt, wurde dem Beschwerdeführer bisher – im Gegensatz zu seinen Angehörigen – kein weiterer Ausweis für Vertriebene ausgestellt. Wie jedoch die belangte Behörde selbst im internen Schriftverkehr (AS 591) und selbst auf der eigenen Homepage zu „Informationen zur Verlängerung des Aufenthaltsrechts für Vertriebene aus der Ukraine“ zutreffend ausführt, besteht das Aufenthaltsrecht unabhängig von der fristgerechten Ausstellung des Dokuments „Ausweis für Vertriebene“. Der Beschwerdeführer ist somit unverändert als Fremder anzusehen, dem ein Aufenthaltsrecht gemäß der Verordnung der Bundesregierung BGBl. II Nr. 92/2022 zukommt.

Dieses Aufenthaltsrecht würde nur wegfallen, wenn die belangte Behörde – bescheidmäßig – im Sinne der genannten Verordnung (§1, letzter Satz) das Vorliegen von Ausschlussgründen im Sinne des Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2001/55/EG feststellt.

Solches ist bislang nicht erfolgt.

Die Säumnisbeschwerde ist sohin aufgrund Fristhemmung als unzulässig zurückzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die Entscheidung von vorliegender bisheriger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch wäre diese Rechtsprechung als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH vom 28.05.2014, Ro 2014/07/0053). Zur bisherigen Rechtsprechung ist beispielsweise auf BVwG vom 28.11.2024, W262 2301726/1/5E und daran anschließend VwGH vom 26.02.2025, Ra 2025/01/0013-4 zu verweisen.