JudikaturBVwG

W263 2315877-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
18. Juli 2025

Spruch

W263 2315877-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a KERSCHBAUMER als Vorsitzende und den fachkundigen Laienrichter Mag. NORTH, MBA als Beisitzer sowie die fachkundige Laienrichterin Mag.a DE BUCK-LAINER als Beisitzerin über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 26.03.2025, VN: XXXX , aufgrund des Vorlageantrages nach Beschwerdevorentscheidung vom 10.06.2025, XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Das Arbeitsmarktservice XXXX (im Folgenden: „AMS“ oder „belangte Behörde“) wies der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30.01.2025 einen Stellenvorschlag als Mitarbeiterin in der Produktion bei der XXXX zu.

2. Nach Aufnahme einer Niederschrift am 24.03.2025 sprach das AMS mit Bescheid vom 26.03.2025 aus, dass die Beschwerdeführerin den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 iVm § 10 AlVG für 42 Bezugstage (Leistungstage) ab 17.02.2025 verloren habe. Nachsicht werde nicht erteilt. Begründend wurde ausgeführt, dass das AMS am 17.02.2025 Kenntnis darüber erlangt habe, dass die Beschwerdeführerin das Zustandekommen einer zugewiesenen, zumutbaren Beschäftigung als Produktionsarbeiterin bei der XXXX ohne triftigen Grund vereitelt habe. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen würden nicht vorliegen bzw. könnten nicht berücksichtigt werden.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 01.04.2025 fristgerecht Beschwerde.

4. Im Verfahren über die Beschwerde erließ das AMS gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 Abs. 2 und § 58 AlVG eine Beschwerdevorentscheidung vom 10.06.2025, mit der die Beschwerde abgewiesen und festgestellt wurde, dass 1. der Tatbestand des § 10 iVm § 38 AlVG erfüllt worden sei und 2. Nachsichtsgründe gemäß § 10 Abs. 3 iVm § 38 AIVG nicht vorliegen würden.

5. Die Beschwerdeführerin stellte am 18.06.2025 fristgerecht einen Vorlageantrag, in welchem sie sich insbesondere gegen den angeführten kollektivvertraglichen Mindestlohn wandte.

6. Der Vorlageantrag und die Beschwerde wurden dem Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss des Aktes des Verwaltungsverfahrens vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist in XXXX wohnhaft und steht im Notstandshilfebezug.

Das AMS wies der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30.01.2025 einen Stellenvorschlag als Mitarbeiterin in der Produktion bei der XXXX zu.

Im Begleitschreiben wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, sich umgehend und so wie im Inserat beschrieben zu bewerben.

Das zugewiesene Stellenangebot lautete wie folgt:

„ XXXX

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Das Mindestentgelt für die Stelle als Mitarbeiter_in in der Produktion beträgt 2.030,00 EUR brutto pro Monat auf Basis Vollzeitbeschäftigung. Bereitschaft zur Überzahlung.

Auftragsnummer: XXXX

Kundennummer: XXXX “

Der potentielle Dienstgeber verfügt über die Gewerbeberechtigung für das Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe und über eine Gewerbeberechtigung für Mechatroniker für Elektromaschinenbau und Automatisierung verbunden mit Mechatroniker für Maschinen- und Fertigungstechnik; Mechatroniker für Elektronik, Büro- und EDV-Systemtechnik; Mechatroniker für Medizingerätetechnik (verbundenes Handwerk).

Es kam dann am 13.02.2025 zu einem Vorstellungsgespräch mit Herrn XXXX , bei dem die Beschwerdeführerin nach ihren Lohnvorstellungen gefragt wurde. Die Beschwerdeführerin nannte die Summe von 3.000,- brutto. Der Dienstgeber trat daraufhin nicht in Lohnverhandlungen ein und die Beschwerdeführerin wurde nicht eingestellt.

Die Beschwerdeführerin war von 05.05.2025 bis 08.05.2025 bei der XXXX beschäftigt. Ansonsten ist sie bis zumindest Ende Juni 2025 kein anderes Arbeitsverhältnis eingegangen, das über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt wird.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergaben sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden und soweit unbedenklichen wie unzweifelhaften Verfahrensakten des AMS und des Bundesverwaltungsgerichts. Insbesondere liegen im Akt die gegenständliche Zuweisung sowie das Begleitschreiben ein und sind in ihrem Inhalt unbestritten. Ebenso ergaben sich die zwei vorliegenden Gewerbeberechtigungen des potentiellen Dienstgebers bereits aus den vorgelegten Akteninhalten des Verwaltungsaktes und konnten diese der Vollständigkeit halber durch eine Nachschau im Gewerbeinformationssystem Austria und auf der Homepage der Wirtschaftskammer Österreich (WKO Firmen A-Z) nochmals bestätigt werden.

Die Feststellungen zum Vorstellungsgespräch und zum geäußerten Lohnwunsch der Beschwerdeführerin ergaben sich aus den soweit gleichlautenden Angaben der Beschwerdeführerin (vgl. insb. den Vorlageantrag) und des potentiellen Dienstgebers.

Aus den eingeholten Sozialversicherungsdaten ergab sich seit der gegenständlichen Zuweisung lediglich die festgestellte Beschäftigung bei der XXXX . Ansonsten ergaben sich keine Hinweise auf eine aufgenommene Beschäftigung.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.

Zu A) Stattgabe der Beschwerde und Behebung der Beschwerdevorentscheidung:

3.2.Die im gegenständlichen Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) lauten auszugsweise:

„Arbeitswilligkeit

§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 des Arbeitsmarktförderungsgesetzes (AMFG), BGBl. Nr. 31/1969, durchführenden Dienstleister vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

(2) Eine Beschäftigung ist zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung. Die zumutbare tägliche Wegzeit für Hin- und Rückweg beträgt jedenfalls eineinhalb Stunden und bei einer Vollzeitbeschäftigung jedenfalls zwei Stunden. Wesentlich darüber liegende Wegzeiten sind nur unter besonderen Umständen, insbesondere wenn am Wohnort lebende Personen üblicher Weise eine längere Wegzeit zum Arbeitsplatz zurückzulegen haben oder besonders günstige Arbeitsbedingungen geboten werden, zumutbar.

(3) In den ersten 100 Tagen des Bezuges von Arbeitslosengeld auf Grund einer neu erworbenen Anwartschaft ist eine Vermittlung in eine nicht dem bisherigen Tätigkeitsbereich entsprechende Tätigkeit nicht zumutbar, wenn dadurch eine künftige Beschäftigung im bisherigen Beruf wesentlich erschwert wird. In den ersten 120 Tagen des Bezuges von Arbeitslosengeld auf Grund einer neu erworbenen Anwartschaft ist eine Beschäftigung in einem anderen Beruf oder eine Teilzeitbeschäftigung nur zumutbar, wenn das sozialversicherungspflichtige Entgelt mindestens 80 vH des der letzten Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld entsprechenden Entgelts beträgt. In der restlichen Zeit des Bezuges von Arbeitslosengeld ist eine Beschäftigung in einem anderen Beruf oder eine Teilzeitbeschäftigung nur zumutbar, wenn das sozialversicherungspflichtige Entgelt mindestens 75 vH des der letzten Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld entsprechenden Entgelts beträgt. Entfällt im maßgeblichen Bemessungszeitraum mindestens die Hälfte der Beschäftigungszeiten auf Teilzeitbeschäftigungen mit weniger als 75 vH der Normalarbeitszeit, so ist während des Bezuges von Arbeitslosengeld eine Beschäftigung in einem anderen Beruf oder eine Teilzeitbeschäftigung nur zumutbar, wenn das sozialversicherungspflichtige Entgelt mindestens die Höhe des der letzten Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld entsprechenden Entgelts erreicht. Der besondere Entgeltschutz nach Teilzeitbeschäftigungen gilt jedoch nur, wenn die arbeitslose Person dem Arbeitsmarktservice Umfang und Ausmaß der Teilzeitbeschäftigungen durch Vorlage von Bestätigungen ehemaliger Arbeitgeber nachgewiesen hat. Ist die Erbringung eines solchen Nachweises mit zumutbaren Bemühungen nicht möglich, so genügt die Glaubhaftmachung.

[…]

§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person

1. sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 AMFG durchführenden Dienstleister zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder

2. sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu entsprechen oder durch ihr Verschulden den Erfolg der Nach(Um)schulung vereitelt, oder

3. ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder

4. auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen,

so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.

(2) […]

(3) Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.

[…].“

Gemäß § 38 AlVG sind diese Bestimmungen sinngemäß auf die Notstandshilfe anzuwenden.

Die Bestimmungen des § 9 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 AlVG sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zugrunde liegenden Gesetzeszwecks, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm zumutbare Beschäftigung anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. VwGH 19.09.2007, 2006/08/0157, u.v.a.).

Die Verpflichtung einer arbeitslosen Person, eine vom AMS vermittelte oder sich sonst bietende Beschäftigung innerhalb der Zumutbarkeitsgrenzen des § 9 Abs. 2 bis 4 AlVG anzunehmen, deren Verletzung gemäß § 10 AlVG mit dem Verlust von Geldleistungen durch mindestens sechs Wochen sanktioniert ist, dient dem gerechtfertigten Ziel der Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Das Gesetz überlässt es aber der arbeitslosen Person selbst, vorerst die näheren Bedingungen der ihr von der regionalen Geschäftsstelle bekannt gegebenen oder der sonst sich bietenden Beschäftigung (wie Inhalt der Arbeitsverpflichtung, Arbeitszeit, Entlohnung und ähnliches) mit dem potentiellen Arbeitgeber zu besprechen, und verpflichtet sie sodann, dessen Angebot – wenn dieses nach den gesetzlichen Kriterien zumutbar ist – anzunehmen (vgl. VwGH 23.02.2005, 2003/08/0039).

Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der im angefochtenen Bescheid verhängten Sanktion nach § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG ist des Weiteren, dass die zugewiesene Beschäftigung als zumutbar und auch sonst als geeignet in Betracht kommt, dass der Arbeitslose ein Verhalten gesetzt hat, das geeignet war, das Zustandekommen der Beschäftigung zu vereiteln, und dass dieses Verhalten kausal für das Nichtzustandekommen sowie vorsätzlich darauf gerichtet war.

Nach § 10 Abs. 3 AlVG ist der Verlust des Anspruchs in berücksichtigungswürdigen Fällen wie z.B. bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.

Die Beschwerdeführerin brachte insbesondere vor, dass ihre Lohnvorstellung von 3.000,00 Euro brutto branchenüblich sei. Weiters sei der kollektivvertragliche Mindestlohn für Handelsarbeiter 2.123,00 Euro brutto und nicht 2.030,00 Euro brutto. Ihr wäre als gelernte Maschinenbautechnikerin mindestens 2.885,37 Euro gemäß dem Kollektivvertrag für das Eisen- und Metallverarbeitende Gewerbe zu zahlen.

Damit vermochte sie die Rechtswidrigkeit der Beschwerdevorentscheidung aus folgenden Gründen aufzuzeigen:

3.3. Zur Zuweisung einer zumutbaren Beschäftigung:

„Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass in Fällen, in denen Normen der kollektiven Rechtsgestaltung auf ein zugewiesenes Beschäftigungsverhältnis anwendbar sind, diese Normen den verbindlichen Maßstab für die Beurteilung der „angemessenen Entlohnung“ der Beschäftigung im Sinn des § 9 Abs. 2 AlVG darstellen. Das Angebot einer unterkollektivvertraglichen Entlohnung lässt die zugewiesene Beschäftigung – trotz der rechtlichen Durchsetzbarkeit des kollektivvertraglichen Mindestlohnes – als unzumutbar erscheinen (vgl. zum Ganzen VwGH 1.6.2017, Ra 2016/08/0120, mwN).

Zwar entspricht es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass eine arbeitslose Person vom AMS zu einer Beschäftigung zugewiesen werden kann, sofern diese nicht evident unzumutbar ist bzw. das AMS nicht von vornherein (etwa auf Grund eines diesbezüglichen Einwands des oder der Arbeitslosen) Kenntnis von einem die Unzumutbarkeit begründenden Umstand hat. Es liegt dann an der arbeitslosen Person, beim Vorstellungsgespräch mit dem potentiellen Dienstgeber bzw. der potentiellen Dienstgeberin die näheren Bedingungen der bekannt gegebenen Beschäftigungsmöglichkeit zu erörtern (vgl. etwa VwGH 9.6.2015, Ra 2015/08/0004, mwN).

Lässt das Stellenangebot aber erkennen, dass der potentielle Dienstgeber von einem unter dem Kollektivvertragstarif liegenden Entgeltanspruch ausgeht, ohne dass es sich dabei um ein offenkundiges (Schreib-)Versehen bzw. (wie in dem Fall, der dem soeben zitierten Erkenntnis Ra 2015/08/0004 zugrunde lag) eine bloße (fehlerhafte) Wissensmitteilung handelt, dann ist die Beschäftigung evident unzumutbar und darf der arbeitslosen Person von vornherein nicht zugewiesen werden. Eine dennoch erfolgte Zuweisung kann nicht die unter der Sanktion des § 10 AlVG stehende Verpflichtung zur Bewerbung begründen. Denn selbst wenn die Bereitschaft zur Überzahlung signalisiert wird, liegt ein – auch den allfälligen Verhandlungsspielraum über die Entlohnung determinierendes – kollektivvertragswidriges Angebot vor, das den gesetzlichen Zumutbarkeitskriterien widerspricht. In einer solchen Situation obliegt es nicht etwa der arbeitslosen Person, im Vorstellungsgespräch eine mit dem Kollektivvertrag im Einklang stehende Entlohnung zu erwirken, sondern ist es Sache des AMS, die potentielle Dienstgeberin auf die notwendige Einhaltung des Kollektivvertrags hinzuweisen, bevor überhaupt eine Zuweisung erfolgen kann.“ (VwGH 28.01.2025, Ra 2024/08/0026)

Im vorliegenden Fall wurde im Stelleninserat ein Mindestentgelt von 2.030,00 brutto pro Monat auf Basis einer Vollzeitbeschäftigung genannt. Das bezieht sich – wovon auch das AMS ausgeht – auf den Mindestgrundlohn für die Lohnstufe A. 1. (mit einer Betriebszugehörigkeit von einem Jahr bis zu zehn Jahren) gemäß dem Kollektivvertrag für Handelsarbeiter:innen für das Jahr 2024. Dieses Mindestgrundgehalt beträgt für das Jahr 2025 bei einer Betriebszugehörigkeit von bis zu einem Jahr richtigerweise 2.092,00 Euro, bei einer Betriebszugehörigkeit bis zu zehn Jahren richtigerweise 2.097,00 Euro. Insoweit ist im Inserat wohl aufgrund des Jahreswechsels ein Versehen unterlaufen.

Im Jahr 2025 beträgt der Mindestgrundlohn für die Lohnstufe A. 2. bei einer Betriebszugehörigkeit von bis zu einem Jahr 2.123,00 Euro pro Monat, bei einer Betriebszugehörigkeit von bis zu zehn Jahren 2.156,00 Euro pro Monat. Die folgenden Lohnstufen liegen jeweils darüber.

Für die Lohnstufe A. 1. werden im Kollektivvertrag folgende Tätigkeitsmerkmale genannt: „Arbeitnehmer:innen, die einfache Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten ausüben und nicht mit spezifischen Lagertätigkeiten betraut sind“. Angeführt sind beispielhaft: „Serviertätigkeit, Botendienste, Reinigungsarbeiten, Küchenhilfsdienste, Wächter:innen“.

Merkmale der Lohnstufe A. 2. sind: „Arbeiten zur Lagerung und Bereitstellung für Kommissioniertätigkeiten, sowie Arbeiten bei der Warenübernahme und Warenausgabe oder der Regalbetreuung; Verkaufsvorbereitung und Verpackungsarbeiten; Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten an Einrichtungen und Maschinen, soweit keine abgeschlossene Berufsausbildung im Sinne einer Professionist:in erforderlich ist; Beifahrer:innen in der Zustellung; Möbelmonteur:innen, die keinen ihrer Verwendung entsprechenden Lehrabschluss haben“.

Die Lohnstufe A. 3. wird umschrieben mit: „Arbeiter:innen mit Kommissioniertätigkeiten; Arbeiter:innen die einen Staplerschein haben und durch diesen betrieblich zum Einsatz kommen; Metallsortierer:innen im Handel mit Alt- und Abfallstoffen, Schrott und Altmetall; Möbelmonteur:innen mit Elektro- und Wasserausbildungszertifikat, sofern diese betrieblich zum Einsatz kommen und die keinen ihrer Verwendung entsprechenden Lehrabschluss haben; Kraftwagenlenker:innen von ein- und zweispurigen Fahrzeugen mit einem Gesamtgewicht bis 3,5 t sowie Kranführer:innen;“.

Unter die Lohngruppe A. 5. fallen u. a.: „Professionist:innen mit abgeschlossener Berufsausbildung, die für die Ausübung der Tätigkeit(en) im Betrieb Relevanz hat“.

Hier liegt der kollektivvertragliche Mindestlohn für eine Vollzeitbeschäftigung bereits bei 2.299,– Euro und steigt nach einem Jahr Betriebszugehörigkeit auf 2.314,– Euro pro Monat.

In dem der Beschwerdeführerin zugewiesenen Stellenangebot wurde der zu erfüllende Aufgabenbereich wie folgt beschrieben: „Selbstständiges Durchführen von Arbeitsaufträgen, Zuschnitt von Aluminiumprofilen, Zusammenbau und Verkabelung von Lichteinsätzen, Verantwortung der Qualität für das Endprodukt“. Unter „Qualifikationen“ wurde angeführt: „technisches Verständnis und handwerkliches Geschick, elektrotechnische Kenntnisse von Vorteil, hohes Qualitäts- und Verantwortungsbewusstsein, hohe Lern- und Einsatzbereitschaft, zuverlässige und eigenständige Arbeitsweise sowie Deutschkenntnisse in Wort und Schrift“.

Vor dem Hintergrund dieser Ausschreibung ist es – ohne dass endgültig die Zuordnung der Beschwerdeführerin zu einer bestimmten höheren Lohnstufe unter Berücksichtigung ihrer Vordienstzeiten und Qualifikationen beurteilt werden müsste – jedenfalls ausgeschlossen, dass die angebotene Beschäftigung in die Lohnstufe A. 1. fällt („Arbeitnehmer:innen, die einfache Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten ausüben und nicht mit spezifischen Lagertätigkeiten betraut sind, z.B.: Serviertätigkeit, Botendienste, Reinigungsarbeiten, Küchenhilfsdienste, Wächter:innen“). Die inserierte Tätigkeit ist zwingend höher einzustufen.

Soweit die Beschwerdeführerin in ihrem Vorlageantrag wohl auch vorbringt, dass auf das Beschäftigungsverhältnis richtigerweise der Kollektivvertrag für Arbeiter:innen im Eisen- und Metallverarbeitenden Gewerbe anzuwenden gewesen wäre, ist dies rechtlich möglich. Der potentielle Dienstgeber verfügt nämlich neben der Gewerbeberechtigung für das Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe (LG Elektro- und Einsichtungsfachhandel) auch über eine Gewerbeberechtigung für Mechatroniker für Elektromaschinenbau und Automatisierung verbunden mit Mechatroniker für Maschinen- und Fertigungstechnik; Mechatroniker für Elektronik, Büro- und EDV-Systemtechnik; Mechatroniker für Medizingerätetechnik (verbundenes Handwerk), welche der Innung der Mechatroniker zuzuordnen ist. Auf die im Inserat angeführte XXXX und das Arbeitsverhältnis in der Produktion könnte daher auch der Kollektivvertrag für Arbeiter:innen im Eisen- und Metallverarbeitenden Gewerbe zur Anwendung gelangen (vgl. inbs. § 9 ArbVG).

Die Entlohnung gemäß diesem Kollektivvertrag liegt jedoch deutlich über jener des Kollektivvertrags für Handelsarbeiter:innen. So beträgt der kollektivvertragliche Mindestlohn nach dem Metallarbeiter-KV 2025 zumindest 2.516,58 Euro pro Monat für eine Vollzeitbeschäftigung. Eine abschließende rechtliche Beurteilung konnte daher auch insoweit unterbleiben, weil dies nichts daran geändert hätte, dass im Stellenangebot tatsächlich eine unterkollektivvertragliche Entlohnung ausgewiesen wurde, welche nicht nur die Erhöhung für das Jahr 2025 unberücksichtigt lässt, sondern auch auf einer Einstufung in eine zu niedrige Lohnstufe basiert.

Die angebotene – jedenfalls unterkollektivvertragliche – Entlohnung war somit selbst unter Berücksichtigung der angeführten Bereitschaft zur Überzahlung unzumutbar im Sinne des § 9 Abs. 2 AlVG. Die von der Beschwerdeführerin verlangte höhere Entlohnung konnte ihr daher – angesichts der kollektivvertragswidrigen und nicht bloß auf einem offenkundigen Irrtum im Sinne eines Schreibversehens beruhenden Einstufung durch den potentiellen Dienstgeber – nicht als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG angelastet werden. Eine abschließende Beurteilung, ob die Lohnforderung überhöht war, konnte somit – wie auch eine Auseinandersetzung mit möglichen Nachsichtsgründen und dem Beginn der ausgesprochenen Bezugssperre – unterbleiben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Im vorliegenden Beschwerdefall nahm das Bundesverwaltungsgericht von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG Abstand, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung ersatzlos aufzuheben war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Entscheidung folgt der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.