JudikaturBVwG

W150 2313217-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
01. Juli 2025

Spruch

W150 2313217-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KLEIN als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren am XXXX 1996, StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, FN 525828b, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich vom 23.04.2025, Zahl: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Dem Beschwerdeführer (im Folgenden auch: „BF“) wurde mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden auch: „BFA“ oder „belangte Behörde“) vom 07.02.2025 mitgeteilt, dass am 07.02.2025 ein Aberkennungsverfahren gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten eingeleitet worden sei, weil sich aufgrund des Regimewechsels in Syrien die Umstände bzw. Voraussetzungen, die zur Zuerkennung des Schutzstatus geführt haben, wesentlich geändert hätten. Das BFA hole aktuell Informationen zur allgemeinen Lage in Syrien ein und werde den BF dann auffordern, dazu und zu seinen persönlichen Umständen Stellung zu nehmen. Der BF müsse auf dieses Schreiben weder antworten noch mit der Behörde in Kontakt treten. Das Schreiben enthält den Hinweis, dass der BF bis zur rechtskräftigen Beendigung oder der Einstellung des Aberkennungsverfahrens jedenfalls zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei.

2. Am 11.03.2025 stellte der BF Anträge auf Einstellung des Aberkennungsverfahren und Feststellung des (Weiter)Bestehens der Flüchtlingseigenschaft.

3. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 23.04.2025 wies das BFA den Antrag auf Einstellung des am 07.02.2025 eingeleiteten Aberkennungsverfahren und den Antrag auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft zurück.

4. Am 20.05.2025 wurde beim BFA Beschwerde gegen den Bescheid vom 23.04.2025 eingebracht. In der Beschwerde wurde auf das Antragsbegehren verwiesen und zusammengefasst ausgeführt, dass sich an die Einleitung des Aberkennungsverfahrens direkte Rechtsfolgen knüpfen würden (§ 34 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005, § 35 Abs. 4 Z 1 AsylG 2005, § 11a Abs. 7 StbG). Die Einleitung des Aberkennungsverfahrens gegenüber dem BF als Bezugsperson stehe einer positiven Prognoseentscheidung im Verfahren zur Familienzusammenführung entgegen. Der Umstand, dass der BF nicht selbst antragstellende Partei des Verfahrens gemäß § 35 AsylG 2005 sei, spreche ebenso wenig gegen ein Rechtschutzinteresse. Das Recht auf Familienzusammenführung würde sich gerade auch aus dem subjektiven Recht des BF gemäß Art. 8 EMRK über den Schutz seines Familienlebens und dem Recht auf Familienzusammenführung gemäß der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (Familienzusammenführungs-RL) ergeben. Aus Art. 1 der Familienzusammenführungs-RL ergebe sich unzweifelhaft, dass es sich beim „Recht auf Familienzusammenführung“ um ein Recht der im Mitgliedstaat aufhältigen Bezugsperson handle. Somit werde schon mit der Einleitung des Aberkennungsverfahren in eine Rechtsposition des BF eingegriffen, da ihm die Eigenschaft genommen werde, als Bezugsperson im Verfahren zur Erteilung von Einreisetiteln seiner Familienangehörigen zu fungieren. Die belangte Behörde hätte daher meritorisch über den Antrag absprechen müssen.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde in der Beschwerde ausgeführt, dass gerade wenn man der Ansicht der belangten Behörde folge, dass ein Antrag auf Einstellung in der gegenständlichen Fallkonstellation nicht zulässig sei, es sich bei dem Feststellungantrag um das letzte und einzige Mittel handle, welches notwendig sei, um das Recht auf Achtung des Familienlebens und auf Familienzusammenführung des BF für die Zukunft klarzustellen.

5. Die Beschwerde wurde von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden auch: „BVwG“) am 21.05.2025 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Mit Schreiben des BFA vom 07.02.2025 wurde dem BF gemäß § 7 Abs. 2a AsylG 2005 mitgeteilt, dass mit 07.02.2025 ein Aberkennungsverfahren gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten eingeleitet worden sei.

1.2. Mit Schriftsatz vom 11.03.2025 stellte der BF Anträge auf Einstellung des Aberkennungsverfahrens und Feststellung des (Weiter)Bestehens der Flüchtlingseigenschaft.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Identität des BF sowie der Verfahrensgang ergeben sich zweifelsfrei und unbestritten aus dem vorliegen Verwaltungsakt im Zusammenhang mit der gegenständlichen Beschwerde.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A) Abweisung der Beschwerde

3.1.1. Zum Antrag auf Einstellung des Aberkennungsverfahrens:

Zunächst ist festzuhalten, dass im AsylG 2005 kein Recht auf Einstellung eines eingeleiteten Aberkennungsverfahrens normiert ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum rechtlichen Interesse an der bescheidmäßigen Feststellung der Einstellung eines Verfahrens ausgesprochen, dass ein solches Interesse zu verneinen sei, wenn erst durch die Bescheiderlassung im amtswegig eingeleiteten Verfahren ein Eingriff in die Rechtsposition der Partei erfolgt (vgl. VwGH 31.01.2001, 98/09/0159; 04.05.2023, Ra 2023/09/0014).

Im gegenständlichen Antrag macht der BF in der Begründung des Einstellungseintrags geltend, dass schon mit der Einleitung des Aberkennungsverfahrens in eine seiner Rechtspositionen eingegriffen wird, da ihm die Eigenschaft genommen werde, als Bezugsperson im Verfahren zur Erteilung von Einreisetiteln seiner Familienangehörigen zu fungieren. Er verweist diesbezüglich auf die Familienzusammenführungs-RL.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 nur eine von mehreren im österreichischen Recht vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung darstellt, und zwar mit dem asylspezifischen Zweck für die nachziehenden Personen nach Einreise in das Bundesgebiet ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 zu eröffnen und ihnen denselben Schutz dem bereits in Österreich aufhältigen Angehörigen zu gewähren. Die Familienzusammenführungs-RL hat nicht zum Regelungsinhalt, wann einem Familienangehörigen eines anerkannten Flüchtlings ebenfalls der Flüchtlingsstatus zuzuerkennen ist, sondern enthält nur Vorgaben dazu, unter welchen Voraussetzungen einem Familienangehörigen ein für den Zweck der Familienzusammenführung vorgesehener Aufenthaltstitel zu erteilen ist. Sofern sich eine Familienzusammenführung durch Inanspruchnahme des § 35 AsylG 2005 als nicht möglich erweist, steht es einem Antragsteller frei, einen anderen Weg im Rahmen weiterer ebenfalls die Familienzusammenführungs-RL umsetzender Vorschriften zu beschreiten, um die Familienzusammenführung zu erreichen. Insbesondere ist hier § 46 NAG zu erwähnen, der im Rahmen der Familienzusammenführung die Erteilung eines Aufenthaltstitels an einen Familienangehörigen ermöglicht, wenn der Zusammenführende Asylberechtigter ist und § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt (§ 46 Abs. 1 Z 2 lit. c NAG). Dass einem Drittstaatsangehörigen die Zuerkennung desselben Schutzstatus wie dem bereits in Österreich lebenden Fremden versagt bleibt, kann somit von vornherein nicht zur Verletzung der Familienzusammenführungs-RL führen (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0218, Rz 37-39).

Der BF ist trotz Einleitung des Aberkennungsverfahrens hinsichtlich des Status des Asylberechtigten bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens Asylberechtigter und steht ihm und seinen Familienangehörigen deshalb auch § 46 Abs. 1 Z 2 lit. c NAG für die Zwecke der Familienzusammenführung zur Verfügung.

Zudem ist darauf hinzuweisen, dass obgleich das gegen den BF eingeleitete Aberkennungsverfahren dazu führt, dass das BFA im Verfahren auf Erteilung von Einreisetiteln keine positive Mitteilung hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit der Stattgabe der Anträge auf internationalen Schutz seiner Familienmitglieder abgeben darf, damit noch kein absoluter Verlust der Möglichkeit der Familienzusammenführung auf diesem Wege einhergeht. Im Falle einer Einstellung des Aberkennungsverfahrens seitens des BFA oder dem rechtskräftigen Abschluss des Aberkennungsverfahrens zugunsten des BF steht den Familienangehörigen jedenfalls eine erneute Antragstellung auf Erteilung von Einreisetiteln offen.

Soweit die Beschwerde auf § 11a Abs. 7 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 - StbG hinweist, ist festzuhalten, dass diese Bestimmung unter anderem auf einen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens zehn Jahren im Bundesgebiet abstellt. Der BF hat nicht dargetan, dass diese zeitliche Voraussetzung auch nur annähernd erfüllt wäre und es gibt diesbezüglich auch keinerlei Anhaltspunkte im Verwaltungsakt.

In einer Gesamtbetrachtung ist somit nicht zu erkennen, dass bereits durch die Einleitung des Aberkennungsverfahrens hinsichtlich des Status des Asylberechtigten in die Rechtspositionen des BF eingegriffen wird. Eine Antragslegitimation liegt dementsprechend nicht vor und es wurde somit der Antrag auf Einstellung des eingeleiteten Aberkennungsverfahrens vom BFA zu Recht als unzulässig zurückgewiesen. Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zum Feststellungsantrag auf Weiterbestehen der Flüchtlingseigenschaft:

3.2.1. Die Erlassung eines Feststellungsbescheides ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann zulässig, wenn die betreffende bescheidmäßige Feststellung im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse einer Partei gelegen ist (vgl VwGH 20.12.1996, 93/17/0008). Der Feststellungsantrag ist jedoch ein subsidiärer Rechtsbehelf; ein Feststellungsbescheid ist daher unter anderem dann unzulässig, wenn die strittige Frage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen Verfahrens entschieden werden kann (vgl VwGH 29.03.1993, 92/10/0039). Wie der Verwaltungsgerichtshof auch im Zusammenhang mit Feststellungsbescheiden hinsichtlich von Rechten und Rechtsverhältnissen auf dem Gebiet der Marktordnung ausgesprochen hat, ist eine Feststellung in dem oben dargestellten Sinn dann nicht ein notwendiges, letztes und einziges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung, wenn über die im Feststellungsbescheid behandelte Frage in einem eigenen Verfahren abzusprechen ist bzw war (VwGH 29.08.2017, Ra 2016/17/0241).

Auch ohne besondere Rechtsgrundlage besteht nach der Rechtsprechung ein Rechtsanspruch auf Feststellung strittiger Rechte und Rechtsverhältnisse auf Antrag einer Person, die ein rechtliches Interesse an einer solchen Feststellung hat (siehe VwSlg 2604 A/1952; VwGH 19.10.1994, 94/12/0206; VfSlg 6050/1969; 11.697/1988). Ein solches Interesse an einer bescheidförmigen Feststellung ist dann anzunehmen, wenn die betreffende Feststellung für die Partei im Einzelfall ein notwendiges Mittel zweckentsprechender „Rechtsverteidigung“ (VfSlg 4460/1963; 9993/1984; 11.697/1988) oder „Rechtsverfolgung“ (VwGH 16.05. 2001, 2001/08/0046; 27.01.2004, 2000/10/0062; 30.03.2004, 2002/06/0199; VfSlg 16.684/2002; 17.055/2003) darstellt.

Dieses rechtliche Interesse ist nur dann gegeben, wenn dem Feststellungsbescheid im konkreten Fall die Eignung zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung des Antragstellers zu beseitigen (vgl. VwGH 05.05.2022, Ra 2022/03/0086, mwN). Gegenstand von Feststellungsbescheiden sind daher Rechte und Rechtsverhältnisse einer antragstellenden Partei, die verbindlich festgestellt werden (vgl. VwGH 21.10.2022, Ra 2022/03/0217).

Das AsylG 2005 normiert kein Recht auf Feststellung des Weiterbestehens der Flüchtlingseigenschaft. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die Feststellung des Weiterbestehens der Flüchtlingseigenschaft im gegenständlichen Fall ein notwendiges Ziel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung für den Antragsteller darstellt.

Gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 ist die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und 2 mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt.

Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass eine Person nicht schon aufgrund der Einleitung eines Aberkennungsverfahrens ihre Flüchtlingseigenschaft verliert. Dem BF kommt somit trotz Mitteilung über die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens weiterhin die Flüchtlingseigenschaft zu.

Der Feststellungantrag des BF geht somit ins Leere und wurde vom BFA zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.

Aus den zur Begründung des Feststellungsantrages angestellten Ausführungen zu den, von den Familienangehörigen des Antragstellers, eingeleiteten Familienverfahren gemäß § 35 AsylG 2005 ist für den Antragsteller nichts zu gewinnen. Gemäß § 35 Abs. 4 Z 1 AsylG 2005 darf das BFA eine positive Mitteilung im Verfahren auf Erteilung eines Einreisetitels nur erteilen, wenn gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7). Im Verfahren nach § 35 AsylG 2005 wird somit bloß darauf abgestellt, ob ein Aberkennungsverfahren anhängig ist. Ob die Flüchtlingseigenschaft der Bezugsperson besteht oder nicht, ist unerheblich.

3.2. Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungs-gerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision somit gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das BVwG konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.