JudikaturVwGH

Ra 2016/17/0241 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
29. August 2017

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des D H in I, vertreten durch die Reiffenstuhl Reiffenstuhl Rechtsanwaltspartnerschaft OG in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 41/9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. April 2016, W107 2120130-1/3E, betreffend bescheidmäßige Feststellung der Auszahlungsverpflichtung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Vorstand für den Geschäftsbereich I der Agrarmarkt Austria), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat der Agrarmarkt Austria Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Der Revisionswerber hat in der Vergangenheit sowohl die Gewährung von Förderungen nach dem Österreichischen Programm zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft (ÖPUL 2007) als auch die Gewährung einer Rinderprämie beantragt.

2 Für die Antragsjahre 2008 bis 2013 wurden dem Revisionswerber Förderungen im Rahmen des ÖPUL 2007 in Höhe von EUR 1.900,80 (2008), EUR 25.144,52 (2009), EUR 9.157,52 (2010), EUR 32.132,14 (2011), EUR 42.185,14 (2012) sowie EUR 32,238,00 (2013) gewährt.

3 Zuletzt wurde ihm für das Jahr 2013 eine Rinderprämie mit Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich I der Agrarmarkt Austria vom 26. März 2014 in Höhe von EUR 16.917,97 gewährt.

4 Aufgrund nachträglich festgestellter Flächenänderungen wurden die in den Jahren 2008 bis 2013 gewährten Prämien im Rahmen des ÖPUL 2007 zum überwiegenden Teil rückgefordert. Aufgrund der Rückforderungen wurde die Rinderprämie von der AMA einbehalten. Diese "Verrechnungen" sind auf "Konto-Informationen" der AMA ersichtlich.

5 Mit Schreiben vom 19. August 2015 stellte der Revisionswerber im Zusammenhang mit der bescheidmäßigen Gewährung der Mutterkuh-Rinderprämie für das Jahr 2013 und der Verweigerung der Auszahlung der zuerkannten Beträge einerseits den Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht im "Fall der Nichtgewährung auf Bescheiderlassung" sowie andererseits auf Feststellung, dass die Behörde verpflichtet sei, die zuerkannte Mutterkuh-Rinderprämie für das Jahr 2013 in näher genannter Höhe auszuzahlen.

6 Mit Bescheid vom 20. Oktober 2015 wies die AMA den Antrag auf Feststellung der Verpflichtung der Behörde, die zuerkannte Mutterkuh-Rinderprämie auszuzahlen, als unzulässig zurück. Zur Akteneinsicht führte die AMA in der Begründung ua aus, es habe keine die Akteneinsicht verweigernde Verfahrensanordnung bestanden; vielmehr stehe ein Aktenkonvolut zur Abholung bereit.

7 Die dagegen erhobene Beschwerde, die mit dem Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verbunden war, wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) als unbegründet ab. Es führte aus, dass ein Feststellungsbescheid nur dann zu erlassen sei, wenn ein rechtliches Interesse bestehe; zur Klärung der Frage, ob die Aufrechnung zulässig gewesen sei, stünden andere Verfahren vor den ordentlichen Gerichten oder dem Verfassungsgerichtshof gem Art 137 B-VG offen. Es sei nicht ersichtlich, dass die AMA die Akteneinsicht verweigert habe. Vielmehr habe es "offensichtlich intensive Bemühungen" gegeben, dem Revisionswerber sämtliche - auch den privatwirtschaftlichen Bereich betreffende - Aktenteile zugänglich zu machen. Zur Nichtdurchführung der mündlichen Verhandlung verwies das BVwG auf § 24 Abs 4 VwGVG.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

9 Zur Zulässigkeit wird weitwendig vorgebracht, das BVwG sei zu Unrecht von der Verhandlungspflicht abgewichen. Es sei ein Zeuge zum Beweis der verweigerten Akteneinsicht beantragt worden sowie die Beischaffung verschiedener Verfahrensunterlagen. Der Sachverhalt sei nicht ordnungsgemäß ermittelt worden, die Beweiswürdigung mangelhaft, die Akteneinsicht sei verweigert worden. Es seien keine Feststellungen getroffen worden, ob der Feststellungsantrag zumutbar sei; das Parteiengehör sei verletzt worden. Bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren sowie der Akteneinsicht wäre das BVwG zum Ergebnis gelangt, den Anträgen Folge zu geben. Überdies bestünde ein rechtliches Interesse an der Erlassung des Feststellungsbescheides gem § 14 INVEKOS-CC-V, eine Aufrechnungserklärung sei nicht mit Bescheid verfügt worden. Es gebe kein anderes Verfahren, in dem die Auszahlung der strittigen Beträge geklärt werden könne. Ein Zivilverfahren sei ihr nicht zumutbar, weshalb ein Verstoß gegen die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliege.

10 Die Revision erweist sich als unzulässig:

11 Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, sind gemäß § 34 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

13 Nach § 34 Abs 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs 3 VwGG) zu überprüfen.

14 Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird. Die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, muss sich aus dieser gesonderten Darstellung ergeben (vgl VwGH vom 22. Februar 2016, Ra 2015/17/0090, mwH).

15 Die Erlassung eines Feststellungsbescheides ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ua dann zulässig, wenn die betreffende bescheidmäßige Feststellung im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse einer Partei gelegen ist (vgl zB das Erkenntnis vom 20. Dezember 1996, 93/17/0008). Der Feststellungsantrag ist jedoch ein subsidiärer Rechtsbehelf; ein Feststellungsbescheid ist daher ua dann unzulässig, wenn die strittige Frage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen Verfahrens entschieden werden kann (vgl das Erkenntnis vom 29. März 1993, 92/10/0039).

16 Wie der Verwaltungsgerichtshof auch im Zusammenhang mit Feststellungsbescheiden hinsichtlich von Rechten und Rechtsverhältnissen auf dem Gebiet der Marktordnung ausgesprochen hat, ist eine Feststellung in dem oben dargestellten Sinn dann nicht ein notwendiges, letztes und einziges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung, wenn über die im Feststellungsbescheid behandelte Frage (hier: der Verpflichtung der Auszahlung) in einem eigenen Verfahren abzusprechen ist, wozu auch eine Klage gemäß Art 137 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof zählt (vgl das hg Erkenntnis vom 20. Dezember 1996, 93/17/0008, im Zusammenhang mit der Rückforderung eines Hartkäsetauglichkeitszuschlages vom Be- und Verarbeitungsbetrieb, das hg Erkenntnis vom 22. November 1996, 92/17/0207, sowie das hg Erkenntnis vom 24. Juni 1996, 95/17/0255).

17 Wenn der Revisionswerber vorbringt, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung stelle sich im Zusammenhang mit der Zulässigkeit seines Feststellungsantrages insofern, als es keine bescheidmäßig ausgesprochene Aufrechnungserklärung gebe, ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof auch dazu bereits ausgesprochen hat, dass für den Fall der Aufrechnung strittiger privatrechtlicher Forderungen gegen zuerkannte öffentlich-rechtliche Forderungen zur Durchsetzung des öffentlichrechtlichen Anspruches die Klage nach Art 137 B-VG beim Verfassungsgerichtshof offen steht (so VwGH vom 24. März 1993, 89/12/0116, und das Erkenntnis des VfGH vom 2. Oktober 1996, A 7/96).

18 Soweit sich der Revisionswerber darauf beruft, dass in seinem Fall aus § 14 INVEKOS-CC-V 2010 die Zulässigkeit eines solchen Feststellungsbescheides auf Antrag abzuleiten sei, ist Folgendes auszuführen:

19 Gemäß § 14 INVEKOS-CC-Verordnung 2010, BGBl II Nr 492/2009, aufgehoben durch BGBl II Nr 100/2015, konnte die AMA Feststellungsbescheide erlassen, wenn eine Partei wegen der Strittigkeit oder Unsicherheit von Rechtsverhältnissen oder rechtserheblichen Tatsachen - wie insbesondere das Vorliegen eines oder mehrerer Betriebe oder das Bestehen von Zahlungsansprüchen - Gefahr lief, Nachteile zu erleiden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Verordnungsbestimmung in seinem Erkenntnis vom 16. Mai 2011, 2011/17/0007, ausgesprochen, dass § 14 leg cit zwanglos auch als Präzisierung der hg Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Feststellungsbescheiden auf Antrag verstanden werden könne. Die Bestimmung wäre insofern dahin zu verstehen, dass sie nur die Erlassung eines Feststellungsbescheides über Antrag (und nicht von Amts wegen) regle (vgl den in dieser Bestimmung enthaltenen Hinweis auf die Gefahr einer Partei, Nachteile zu erleiden).

Vor dem Hintergrund des dem Revisionswerber offen stehenden Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof nach Art 137 B-VG zur Klärung der Auszahlungsverpflichtung ist ein solcher Nachteil iSd § 14 leg cit für den Revisionswerber jedoch nicht erkennbar.

20 Soweit die Verletzung der Pflicht zur Gewährung von Akteneinsicht sowie das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung gerügt wird, ist auszuführen, dass die Zulässigkeit der Revision voraussetzt, dass die Revision von der Lösung einer geltend gemachten Rechtsfrage tatsächlich abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser behauptete Verfahrensmangel abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für die Revisionswerber günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl VwGH vom 9. Oktober 2014, Ra 2014/18/0036 bis 0039).

21 Im Hinblick darauf, dass sich das BVwG mit der behaupteten Nichtgewährung der Akteneinsicht näher auseinandergesetzt hat, ist - auch vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Feststellungsanträgen - nicht ersichtlich, welche Relevanz dieser behauptete Verfahrensmangel für den Verfahrensausgang haben könnte, sodass keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt (vgl VwGH vom 4. Juli 2016, Ra 2016/04/0047). Gleiches gilt auch für das Vorbringen, das BVwG habe zu Unrecht keine mündliche Verhandlung durchgeführt, weil Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Zulässigkeit des Antrags auf Erlassung eines Feststellungsbescheides war und nicht eine inhaltliche Entscheidung über einen solchen Antrag (vgl VwGH vom 21. Dezember 2016, Ra 2016/12/0056, RZ 34).

22 Die vorliegende Revision war daher nach § 34 Abs 1 iVm Abs 3 VwGG wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG mit Beschluss zurückzuweisen.

23 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr 518/2013 idF Nr 8/2014.

Wien, am 29. August 2017

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