Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des slowakischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2024, Zl. XXXX , betreffend die Erlassung einer Vollstreckungsverfügung gemäß § 8 Abs 1 VVG zu Recht:
A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der in Österreich vorbestrafte Beschwerdeführer (BF), ein slowakischer Staatsangehöriger mit guten Deutschkenntnissen, ist aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung zu einer fünfjährigen Freiheitstrafe durch das Landesgericht XXXX vom XXXX (Datum der letzten Tat: XXXX ), seit XXXX in österreichischen Justizanstalten in Untersuchungs- bzw. Strafhaft. Er wurde am XXXX im Beisein einer Dolmetscherin für Slowakisch vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) im Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vernommen. Die Dolmetscherin verzeichnete dafür eine Gebühr von EUR 129,60, die antragsgemäß bestimmt wurde.
Mit dem Mandatsbescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der BF gemäß § 53 Abs 1 BFA-VG zum Ersatz der Kosten der Durchsetzung der gegen ihn gesetzten aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der bereits entstandenen Dolmetschkosten von EUR 129,60 verpflichtet. Eine dagegen erhobene Vorstellung wurde als verspätet zurückgewiesen.
Mit der nunmehr angefochtenen Vollstreckungsverfügung, die dem BF am XXXX .2024 durch persönliche Übergabe in der Justizanstalt zugestellt wurde, wurde gemäß § 8 Abs 1 VVG ausgesprochen, dass seine Pflicht zur Leistung von EUR 129,60 wahrscheinlich sei und zur Sicherung dieser Leistung die einstweilige Verfügung getroffen werde, dass ein Betrag von EUR 35,61 von den in seinem Besitz befindlichen Geldmitteln einbehalten werde. Die einstweilige Verfügung sei gemäß § 8 Abs 2 VVG sofort vollstreckbar. Die Vollstreckungsverfügung wurde mit § 8 VVG und § 3 Abs 3 BFA-VG sowie damit begründet, dass im Verfahren zur Durchsetzung der gegen den BF gesetzten aufenthaltsbeendenden Maßnahme am XXXX .2024 ein Kostenbescheid gemäß § 53 Abs 1 BFA-VG über EUR 129,60 erlassen worden sei. Das BFA sei gemäß § 3 Abs 3 BFA-VG Vollstreckungsbehörde für die von ihm erlassenen Bescheide und wende dabei das VVG an.
Gegen diese Vollstreckungsverfügung richtet sich die am XXXX .2024 zur Post gegebene und am XXXX .2024 beim BFA eingelangte Beschwerde des BF, mit der er vorbringt, dass er aufgrund seiner guten Deutschkenntnisse gar keinen Dolmetscher gebraucht hätte. Die ihm gestellten Fragen hätte er allenfalls auch schriftlich beantworten können. Er hätte vorab darüber informiert werden müssen, dass die Beiziehung eines Dolmetschers für ihn kostenpflichtig sei. Daher ersuche er darum, von ihm kein Geld dafür zu verlangen.
Die Beschwerde wurde mit einem Teil der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vorgelegt, wo sie am XXXX .2024 einlangte.
Das BVwG forderte das BFA mit Schreiben vom XXXX .2025 zur vollständigen Vorlage der Verwaltungsakten auf. Die Annahme, wonach die Gefahr bestehe, dass sich der BF der Zahlung der Dolmetschgebühren entziehen oder deren Vollstreckung vereiteln oder gefährden würde, sei zu begründen. Es würden Informationen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des BF sowie zur Höhe des einbehaltenen Betrags fehlen. Das Datum der Postaufgabe der Beschwerde sei nachzuweisen, weil der Poststempel auf der vorgelegten Kopie unleserlich sei.
Das BFA erstattete am XXXX .2025 eine Stellungnahme, in der angegeben wird, dass gegen den BF ein Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots anhängig sei, in dem die Dolmetschkosten angefallen seien. Bei der Einvernahme am XXXX .2024 habe er angegeben, in der Slowakei ein Nettoeinkommen von EUR 2.500 zu beziehen und dort mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Sohn ein Reihenhaus mit Garten zu bewohnen. Der einbehaltene Betrag ergebe sich daraus, dass die Justizanstalt XXXX mitgeteilt habe, dass er über Eigengeld von EUR 35,61 verfüge. Die Beschwerde sei laut Poststempel am XXXX .2024 zur Post gegeben worden. Der Kostenakt werde am Postweg übermittelt.
Mittlerweile wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 FPG ein befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, zu dessen Durchsetzung ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs 1 Z 2 BFA-VG erlassen wurde.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens.
Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF in Österreich gehen aus dem Strafregister hervor, ebenso das Datum seiner letzten Straftat. Die Anhaltung in Justizanstalten ergibt sich aus dem Zentralen Melderegister und aus den Angaben des BF in der Beschwerde.
Der Mandatsbescheid vom XXXX .2024, aus dem die Dolmetschkosten hervorgehen, liegt vor, ebenso der Bescheid, mit dem die Vorstellung des BF zurückgewiesen wurde.
Es gibt keine aktenkundigen Hinweise auf finanzielle Mittel des BF, die über das Eigengeld laut Justizanstalt von EUR 35,61 hinausgehen.
Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots und eines Festnahmeauftrags gegen den BF gehen aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister hervor.
Rechtliche Beurteilung:
Steht die Pflicht zu einer Leistung fest oder ist sie wahrscheinlich, so kann die Vollstreckungsbehörde - hier also gemäß § 3 Abs 3 BFA-VG das BFA - gemäß § 8 Abs 1 VVG zur Sicherung der Leistung einstweilige Verfügungen treffen, wenn die Gefahr besteht, dass sich der Verpflichtete durch Verfügungen über Gegenstände seines Vermögens, durch Vereinbarungen mit dritten Personen oder durch andere Maßnahmen der Leistung entziehen und deren Vollstreckung vereiteln oder gefährden werde. Eine derartige einstweilige Verfügung ist nur dann zulässig, wenn die Gefahr, dass sich der Verpflichtete der Leistung entziehen oder deren Vollstreckung vereiteln oder gefährden werde, nicht auf andere Art gebannt werden kann (VwGH 25.06.1996, 96/05/0145). Eine solche Gefahr kann z.B. angenommen werden, wenn er in Vollstreckung eines Aufenthaltsverbots gegen seinen Willen in sein Heimatland abgeschoben werden muss (VwGH 18.05.2001, 97/02/0351).
Gemäß § 2 Abs 2 VVG dürfen Geldleistungen nur insoweit zwangsweise eingebracht werden, als dadurch der notwendige Unterhalt des Verpflichteten und der Personen, für die er nach dem Gesetz zu sorgen hat, nicht gefährdet wird. Dabei obliegt es grundsätzlich dem Verpflichteten im Vollstreckungsverfahren, Einkünfte und Vermögensverhältnisse sowie die gesetzlichen Sorgepflichten durch konkrete - tunlichst ziffernmäßige - Angaben darzutun und dies auch glaubhaft zu machen (siehe VwGH 18.05.2001, 97/02/0351).
Hier ergibt sich aus dem Akteninhalt in Zusammenschau mit dem Vorbringen des BF, dass er für ein Kind sorgepflichtig ist und voraussichtlich noch für längere Zeit in Strafhaft sein wird, zumal ausgehend von der Festnahme Anfang XXXX XXXX und der darauffolgenden Verurteilung zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe eine bedingte Entlassung frühestens Anfang XXXX möglich sein wird. Finanzielle Mittel des BF, die über das Eigengeld von EUR 35,61 hinausgehen, sind nicht ersichtlich, zumal er während des Strafvollzugs nicht die Möglichkeit hat, in der Slowakei ein Erwerbseinkommen zu erzielen, und Ansprüche auf die Arbeitsvergütung nach dem StVG und daraus herrührende Beträge während der Haft gemäß § 290 Abs 1 Z 16 EO unpfändbar sind. Geld, das ein Strafgefangener bei der Aufnahme in die Justizanstalt bei sich hat oder das später für ihn einlangt, ist ihm gemäß § 41 Abs 2 StVG als Eigengeld gutzuschreiben. Gemäß § 41 Abs 3 zweiter Satz StVG dürfen verwahrte Eigengeldbeträge bis zur Höhe des Existenzminimums nach § 291a Abs 1 iVm § 291 EO nur zugunsten von Ansprüchen auf Ersatz für vorsätzlich herbeigeführte Schäden am Anstaltsgut gepfändet werden.
Die Notwendigkeit der Beiziehung eines Dolmetschers für die Einvernahme des BF im Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und die Kostenersatzpflicht des BF können im Verfahren über die Beschwerde gegen eine Vollsteckungsverfügung gemäß § 8 Abs 1 VVG nicht aufgerollt werden. Die vom BF gemäß § 53 Abs 1 BFA-VG zu ersetzenden Dolmetschkosten dürfen aber derzeit nicht nach dem VVG eingebracht werden, weil dadurch sein notwendiger Unterhalt gefährdet wäre, zumal das ihm gutgeschriebene Eigengeld weit unter dem Existenzminimum liegt. Daher darf zu Sicherung des Kostenersatzanspruchs gegen den BF auch keine Vollstreckungsverfügung gemäß § 8 VVG erlassen werden. Der angefochtene Bescheid ist somit nicht rechtskonform und damit ersatzlos zu beheben.
Eine mündliche Beschwerdeverhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 4 VwGVG, weil der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte und die mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt.
Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist zuzulassen, weil – soweit überblickbar – keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu der über den vorliegenden Einzelfall hinaus relevanten Frage vorliegt, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen Eigengeld von Strafgefangenen zur Sicherung von im Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme entstandenen Dolmetschkosten gemäß § 8 VVG einbehalten werden kann.