JudikaturBVwG

G310 2307611-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
EU-Recht
16. Juni 2025

Spruch

G310 2307611-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER über die Beschwerde der ungarischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 15.01.2025, Zl XXXX zu Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (BF) beantragte am 27.11.2023 die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung.

Mit Schreiben vom 25.09.2024 informierte die Bezirkshauptmannschaft XXXX das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) darüber, dass die BF die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht erfülle, da sie trotz Aufforderung keine für die Erledigung des Antrages notwendigen Nachweise vorlegte.

Mit Schreiben vom 10.10.2024 wurde die BF vom BFA von der beabsichtigten Erlassung einer Ausweisung in Kenntnis gesetzt und zugleich zur dahingehenden Stellungnahme aufgefordert, welche am 13.11.2024 beim BFA einlangte.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die BF gemäß § 66 Abs 1 FPG iVm § 55 Abs 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.). Ihm wurde gemäß § 70 Abs 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.). Die Ausweisung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die BF aktuell nicht erwerbstätig sei, keinen Krankenversicherungsschutz aufweise und selbst über keine ausreichenden Existenzmittel verfüge. Die BF werde von ihrem Lebensgefährten und ihrer Mutter finanziell unterstützt, mit denen sie in einem gemeinsamen Haushalt lebe. Weitere integrationsverstärkenden Momente haben nicht festgestellt werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte Beschwerde der BF, mit der sie primär dessen ersatzlose Erhebung begehrt. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Die BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass sie seit November 2023 bei ihrer Mutter in Österreich lebe, welche sie bereits zuvor finanziell unterstützt habe. Mit ihnen gemeinsam wohne auch der Lebensgefährte der BF, mit welchem sie bereits in Ungarn drei Jahre in einem Haushalt gelebt habe, der in einem aufrechten Dienstverhältnis stehe und ebenfalls für den Unterhalt der BF aufkomme. Zudem besuche die BF einen Deutschkurs, habe einen Integrationskurs absolviert und sei aktiv auf Arbeitssuche. Der Beschwerde wurde unter anderem die Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses beigelegt.

Das BFA legte die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor und beantragte, diese als unbegründet abzuweisen.

Über Aufforderung übermittelte die Rechtsvertretung der BF dem BVwG mit Schreiben vom 10.06.2025, eine Stellungnahme, wonach die BF derzeit beim Arbeitsmarktservice (AMS) gemeldet ist und bei ihrem Lebensgefährten mitversichert ist. Der Stellungnahme wurden unter anderem die aktuelle Terminvereinbarung sowie die Betreuungsvereinbarung mit dem AMS, die Bestätigung über die Mitversicherung, Lohnzettel des Lebensgefährten beigelegt.

Feststellungen:

Die am XXXX geborene BF ist ungarische Staatsbürgerin. Ihre Muttersprache ist Ungarisch; sie verfügt aufgrund des Besuchs eines Deutschkurses über Deutschkenntnisse im unbekannten Ausmaß. Die BF ist ledig, etwaige Sorgepflichten sind nicht bekannt.

Die BF ist seit XXXX .2023 durchgehend mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet und lebt mit ihrer Mutter, deren Lebensgefährten und ihrem Lebensgefährten in einem gemeinsamen Haushalt. Mit ihrem Lebensgefährten hat die BF bereits drei Jahre in Ungarn in einem gemeinsamen Haushalt gelebt und ist dieser in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis in einem Entsorgungsunternehmen. Die BF weist eine aufrechte Krankenversicherung auf.

Am XXXX .2023 beantragte die BF die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung. Eine Ausstellung ist bislang nicht erfolgt.

Von XXXX .2023 bis XXXX .2023, von XXXX .2024 bis XXXX .2024 und von XXXX .2024 bis XXXX .2024 bezog die BF Arbeitslosengeld. Beschäftigungszeiten im Bundesgebiet liegen keine vor.

Die BF ist beim AMS arbeitssuchend gemeldet und hat eine entsprechende Betreuungsvereinbarung abgeschlossen.

Die BF ist strafgerichtlich unbescholten und arbeitsfähig. Sie leidet an keiner lebensbedrohlichen physischen oder psychischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes.

Über diese Feststellungen hinausgehende Integrationsschritte liegen nicht vor.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsaktes des BVwG.

Die Feststellungen basieren insbesondere auf den Angaben der BF in der Beschwerde und in den Stellungnahmen sowie auf den Informationen aufgrund von Abfragen im Zentralen Melderegister (ZMR), Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), Strafregister und beim Dachverband der Sozialversicherungsträger.

Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit der BF ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt. Ihre ungarischen Sprachkenntnisse sind aufgrund ihrer Herkunft plausibel. Deutschkenntnisse sind aufgrund des Aufenthaltes in Österreich und der Absolvierung von Deutschkursen glaubhaft.

Die Feststellungen zu ihren privaten und familiären Anknüpfungen im Bundesgebiet beruhen auf den entsprechenden Angaben der BF in der Beschwerde sowie den Stellungnahmen, den Auszügen aus dem Melderegister und den entsprechenden Abfragen im Sozialversicherungsregister.

Die Wohnsitzmeldungen der BF in Österreich sind im Zentralen Melderegister dokumentiert. Die vom Lebensgefährten der BF im Inland ausgeübten Erwerbstätigkeit sowie der Bezug von Geldleistungen des AMS durch die BF und deren aufrechten Krankenversicherung sind dem Versicherungsdatenauszug zu entnehmen. Die Beantragung der Anmeldebescheinigung ist im IZR gespeichert.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der BF geht aus dem Strafregister hervor.

Es gibt keine Hinweise auf gravierende gesundheitliche Probleme der BF. Es ist daher von ihrer Arbeitsfähigkeit auszugehen.

Es gibt keine Anhaltspunkte für über die Feststellungen hinausgehende soziale Anbindungen des BF im Inland oder für weitere Integrationsbemühungen.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Als Staatsangehörige Ungarns ist die BF EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG.

Gemäß § 66 Abs 1 FPG können EWR-Bürger dann ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs 3 NAG - unter anderem wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen nach § 51 NAG - das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden.

Schon das nachhaltige Bemühen um eine Arbeitsstelle, sofern dieses Bemühen objektiv nicht aussichtslos ist, kann ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht vermitteln (vgl. VwGH 26.1.2017, Ra 2016/21/0264; VwGH 26.2.2013, 2010/22/0104; VwGH 23.2.2012, 2010/22/0011; EuGH (Große Kammer) 15.9.2015, Alimanovic, C-67/14). Dem wird auch in § 66 Abs 1 FrPolG 2005 mit der in den ersten Satz aufgenommenen Einschränkung ("es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden") Rechnung getragen.

Die Registrierung der BF beim AMS als „Arbeit suchend“, der Abschluss einer Betreuungsvereinbarung sowie die Wahrnehmung von Beratungsterminen spricht dafür, dass die BF ernsthaft und nachhaltig bemüht ist, Arbeit zu finden und dies objektiv nicht aussichtslos ist (vgl. VwGH 29.04.2024, RA 2021/21/0128).

Darüber hinaus befindet sich die BF in einer langjährigen Beziehung mit ihrem ungarischen Lebensgefährten, der im Inland einer Vollzeitbeschäftigung nachgeht und mit der BF zusammenlebt. Sie haben bereits in Ungarn drei Jahre in häuslicher Gemeinschaft gelebt und wird die BF von ihm finanziell unterstützt, weswegen von einer Angehörigeneigenschaft im Sinne des § 52 Abs 1 Z 4 NAG auszugehen ist.

Daher erweist sich die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Ausweisung somit als nicht rechtskonform. Dies bedingt zugleich auch die Gegenstandslosigkeit des der BF gewährten Durchsetzungsaufschubs. Beide Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids sind daher in Stattgebung der Beschwerde ersatzlos zu beheben.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Da im vorliegenden Fall bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt die (von keiner Seite beantragte) Beschwerdeverhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, zumal der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde abschließend geklärt werden konnte.

Zu Spruchteil B)

Die Revision ist wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen.