G310 2313240-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER über die Beschwerde der ungarischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 22.04.2025, Zl. XXXX , betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbots zu Recht:
A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass Spruchpunkt I. zu lauten hat: „Gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG wird gegen die Beschwerdeführerin ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.“
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin (BF) wurde am XXXX .2023 im Bundesgebiet wegen des Verdachts Raubdelikte begangen zu haben festgenommen und zunächst in die Justizanstalt XXXX eingeliefert.
Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX .2024, XXXX , wurde die BF wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 erster Fall StGB und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Jahren verurteilt.
Mit Schreiben des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 20.12.2023 wurde sie aufgefordert, sich zu der beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu äußern und Fragen zu ihrem Aufenthalt in Österreich und zu ihrem Privat- und Familienleben zu beantworten. Die BF erstattete keine Stellungnahme.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde gegen die BF gemäß § 67 Abs 1 und 3 FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt III.). Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit ihrer strafgerichtlichen Verurteilung und dem Fehlen beruflicher, privater oder familiärer Anknüpfungspunkte begründet.
Die BF erhob dagegen eine Beschwerde und beantragte eine mündliche Verhandlung anzuberaumen sowie den Bescheid zur Gänze zu beheben. Hilfsweise wurde die Reduzierung der Dauer des Aufenthaltsverbotes und die Rückverweisung an die erste Instanz beantragt.
Die Beschwerde wurde zusammengefasst damit begründet, dass die BF seit 2023 in Österreich lebe und hier auch gearbeitet habe. Durch falsche Versprechungen sei Sie in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Mittlerweile habe sie sich einen Freundeskreis aufgebaut. Das Privatleben der BF in Österreich sei vom BFA nicht ausreichend berücksichtigt worden. Zwischenzeitlich sei bereits ein Gesinnungswandel eingetreten und möchte die BF nach der Haft ein normales Leben führen. Auch gehe sie in der Haft einer Arbeit nach.
Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem Antrag vor, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Feststellungen:
Die BF ist eine am XXXX geborene ungarische Staatsbürgerin. Sie besitzt einen gültigen ungarischen Personalausweis. Ihre Muttersprache ist Ungarisch. Die BF ist ledig, hat keine Sorgepflichten und arbeitete zuletzt als Prostituierte.
In Ungarn besuchte sie acht Jahre lang die Grundschule, eine Berufsausbildung schloss sie nicht ab. Die BF verfügt über kein Vermögen und hatte zum Zeitpunkt ihrer Verurteilung in Österreich monatliche Verpflichtungen in der Höhe von EUR 100,00.
Wohnsitzmeldungen im Bundesgebiet liegen für die Zeiträume von XXXX 2022 bis XXXX .2022 sowie von XXXX .2023 bis XXXX .2024. Seit XXXX .2023 wird die BF in Justizanstalten Österreichs angehalten.
Eine Anmeldebescheinigung wurde von der BF bislang nicht beantragt. Von XXXX .2022 bis XXXX .2022 und von XXXX .2023 bis XXXX .2023 war die BF als Arbeiterin im Bundesgebiet beschäftigt.
Am XXXX 2015 wurde die BF vom Gericht XXXX , XXXX , aufgrund der Behinderung der Justiz, einer falschen Anschuldigung während eines Straf- oder Gerichtsverfahrens bzw. einer falschen Zeugenaussage (ECRIS Code: XXXX ) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr und vier Monaten, zur Bewährung ausgesetzt auf zwei Jahre, verurteilt.
Der Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen XXXX vom XXXX .2024 liegt zugrunde, dass die BF zusammen mit zwei weiteren ungarischen Staatsbürgern in XXXX und an anderen Orten
I./ mit Gewalt gegen seine Person eine fremde bewegliche Sache mit Bereicherungsvorsatz wegegenommen haben, indem sie den im Urteil genannten Personen heimlich Betäubungsmittel („K.O.-Tropfen“) in deren Getränke mischten und nach Einsetzen der Wirkung, die im Urteil angeführten Wertgegenstände und Bargeld der bewusstlosen Opfer an sich nahmen, und zwar,
A./ als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung (§ 12 StGB)
1./ am XXXX 2023 in XXXX an der Wohnadresse von GA aus dessen Geldbörse Bargeld in der Höhe von EUR 200,00, zwei versperrte Tresore, wobei einer davon an der Wand verankert war mitsamt der darin befindlichen Waffe, Schmuck, Uhren und Bargeld im Gesamtwert von ca. EUR 23.00,00;
2./ am XXXX 2023 in XXXX an der Wohnadresse von MAD zwei Mobiltelefone, einen Standtresor mit ca. 60 kg, diverse Wertgegenstände und Bargeld im Gesamtwert von ca. EUR 3.500,00;
3./ am XXXX .2023 in XXXX an der Wohnadresse von EWS Bargeld in der Höhe von EUR 50,00;
4./ am XXXX .2023 in XXXX an der Wohnadresse von WE diversen Schmuck, Markenkleidung sowie Bargeld im Gesamtwert von ca. EUR 33.500,00;
5./ am XXXX .2023 in XXXX an der Wohnadresse von MJ Schmuck, Uhren und Bargeld im Gesamtwert von ca. 3.600,00;
6./ am XXXX .2023 in XXXX an der Wohnadresse von RW Schmuck und Bargeld im Gesamtwert von ca. EUR 1.000,00.
III./ am XXXX .2023 in XXXX den Reisepass von MAD mit dem Vorsatz unterdrückt haben, zu verhindern, dass dieser im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht wird.
Die kriminelle Vereinigung, bestehend aus der BF, einer weiteren ungarischen Staatsbürgerin und einem ungarischen Staatsbürger, wurde im Spätsommer 2023 begründet. Die drei Personen führten eine Dreiecksbeziehung. Beabsichtigt war, über eine Online-Datingplattform Kontakt zu gebrechlichen Männern gehobenen Alters herzustellen und ein Treffen in deren Wohnung zu vereinbaren, wo diesen ein Betäubungsmittel verabreicht werden sollte. Die kriminelle Vereinigung war darauf ausgerichtet, sich auch unbestimmte Zeit, jedoch zumindest für mehrere Monate arbeitsteilig und wiederholt schwere Raubtaten zur Aufbesserung ihrer Vermögenslage zu begehen. Aufgrund von Streitigkeiten wegen der Entlohnung schied die BF im XXXX 2023 aus der kriminellen Vereinigung aus und beabsichtigte, von da an ihren Lebensunterhalt als Prostituierte verdienen zu wollen.
Bei der Strafbemessung wurde das reumütige Geständnis und der Beitrag zur Wahrheitsfindung mildernd, die heimtückische Tatbegehung, die Faktenmehrheit, die Tatbegehung ausschließlich gegenüber betagten Opfern sowie das Zusammentreffen von einem Verbrechen und einem Vergehen hingegen erschwerend gewertet.
Die BF verbüßt die Freiheitsstrafe derzeit in der Justizanstalt XXXX . Der früheste Termin für eine bedingte Entlassung fällt auf den XXXX .2027. Das errechnete Strafende ist am XXXX .2031.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG.
Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit der BF ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt und der Eintragung des Personalausweises im Fremdenregister.
Ihre ungarischen Sprachkenntnisse sind aufgrund ihrer Herkunft plausibel und war auch bei der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht für Strafsachen XXXX eine Dolmetscherin für die ungarische Sprache zugegen.
Die Feststellungen zu den persönlichen und finanziellen Verhältnissen sowie zur Schul- und Berufslaufbahn beruhen auf den Ausführungen im Strafurteil.
Die Wohnsitzmeldungen gehen aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) hervor. Ihre Erwerbstätigkeiten wurde anhand des Sozialversicherungsauszuges festgestellt.
Das Fehlen einer Anmeldebescheinigung ergibt sich daraus, dass kein entsprechender Eintrag im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) festgestellt werden konnte.
Die Festnahme der BF wird anhand der Vollzugsinformation festgestellt.
Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung der BF, dem zu Grunde liegenden Sachverhalt sowie der berücksichtigten Strafbemessungsgründe ergeben sich aus dem Strafurteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX , in welchem auch die Verurteilung in Ungarn angeführt ist.
Die Feststellungen zum Strafvollzug basieren auf der Vollzugsinformation, den Wohnsitzmeldungen in Justizanstalten laut ZMR sowie dem Strafregister.
Rechtliche Beurteilung:
Zu dem in der Beschwerde behaupteten Verfahrensmangel ist festzuhalten, dass allein der Umstand, dass das BFA die BF nicht persönlich einvernommen hat, das Parteiengehör nicht verletzt, wenn dem Recht auf Parteiengehör auf andere geeignete Weise entsprochen wird. Hier hatte die BF vor der Bescheiderlassung ausreichend Gelegenheit, im Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme Stellung zu nehmen.
Aufgrund der ihr im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gebotenen Möglichkeit, sich zum Inhalt des angefochtenen Bescheides zu äußern, ist jedenfalls von der Sanierung einer allfälligen Verletzung des Parteiengehörs auszugehen, zumal der angefochtene Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vollständig wiedergibt und in der Beschwerde kein weiteres Tatsachenvorbringen erstattet wurde (siehe VwGH 10.09.2015, Ra 2015/09/0056).
Zu Spruchteil A):
Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen den BF als EWR-Bürger im Sinne des § 2 Abs 4 Z 8 FPG zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen einen EWR-Bürger, der den Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatte, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Bei einer besonders schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden, so z.B. bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren (§ 67 Abs 3 Z 1 FPG).
Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (siehe VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091).
Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).
Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Gemäß § 9 BFA-VG ist (ua) die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG, durch das in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:
Da sich die BF erst wieder seit XXXX 2023 in Österreich aufhielt und bereits im XXXX 2023 begann Raubdelikte zu verüben, ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 zweiter bis vierter Satz FPG („tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“) anzuwenden.
Bei den begangenen Raubüberfällen an betagten Männern handelt es sich um eine schwere Straftat, die die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar bedroht und an deren Verhinderung daher ein wichtiges Grundinteresse der Gesellschaft besteht. Die Vorgehensweise der BF, den Männern Betäubungsmittel zu verabreichen, erweist sich als sehr niederträchtig. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es Streitigkeiten um die Entlohnung waren, die sie von der Begehung von weiteren Raubdelikten abhielt und nicht ein eingetretener Gesinnungswandel.
Bei Raubdelikten besteht grundsätzlich ein vergleichsweise hohes Rückfallrisiko (ungefähr die Hälfte der Straftäter wird nach der Haftentlassung erneut straffällig; vgl ÖJZ 2005/55). Aktuell kann ihr daher keine positive Zukunftsprognose attestiert werden. Das gegen die BF erlassene Aufenthaltsverbot ist zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer dringend geboten, zumal seit der Tat noch nicht viel Zeit vergangen ist, und sich die BF noch in Strafhaft befindet. Die BF wird den Wegfall der durch ihre strafgerichtlichen Verurteilung indizierten Gefährlichkeit erst durch einen längeren Zeitraum des Wohlverhaltens in Freiheit nach dem Vollzug der Strafe unter Beweis stellenmüssen.
Der von der BF in der Beschwerde bekundeten Reue kommt keine entscheidende Bedeutung zu, zumal der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich – nach dem Vollzug einer Haftstrafe – in Freiheit wohlverhalten hat (siehe z.B. VwGH 26.01.2021, Ra 2020/14/0491). Da sich die BF im Entscheidungszeitpunkt noch in Strafhaft befindet, liegt kein maßgebliches Wohlverhalten vor. Aktuell kann ihr daher keine positive Zukunftsprognose attestiert werden. Angesichts der in § 44 StVG normierten Arbeitspflicht für Strafgefangene wirkt sich auch die Arbeit während der Haft nicht zu ihren Gunsten aus.
Der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben der BF muss verhältnismäßig sein. Auch diese Voraussetzung ist hier erfüllt, zumal die BF sich zuletzt erst seit XXXX 2023 in Österreich aufhielt. Auch den bisherigen Beschäftigungen von kommt keine besondere Relevanz zu. Selbst wenn die BF, wie in der Beschwerde angeführt, über einen Freundeskreis in Österreich verfügt, so hielt sie sich immer nur für wenige Monate im Bundesgebiet auf und verbrachte den überwiegenden Teil ihres Lebens in Ungarn.
Das Aufenthaltsverbot bezieht sich aber nur auf das österreichische Bundesgebiet. Allfällige Kontakte zu Freunden können auch durch Telefonate, elektronische Kommunikationsmittel (E-Mail, Internet) oder Besuche bei der BF in Ungarn oder in anderen Staaten, die nicht vom Aufenthaltsverbot umfasst sind, gepflegt werden.
Bei der Abwägung aller relevanten Umstände überwiegt hier das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung das persönliche Interesse der BF an einem Verbleib in Österreich, zumal das öffentliche Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen groß ist (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474).
Das vom BFA erlassene Aufenthaltsverbot erweist sich somit im Ergebnis dem Grunde nach als zulässig; die Voraussetzungen für ein unbefristetes Aufenthaltsverbot gegen den BF sind erfüllt.
Ein Aufenthaltsverbot in der Maximaldauer des § 67 Abs 2 FPG ist hier aber ausreichend, um der von der BF ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit wirksam zu begegnen. Das Aufenthaltsverbot ist daher mit zehn Jahren zu befristen, auch, weil der mögliche Strafrahmen von bis zu fünfzehn Jahren bei weitem nicht ausgeschöpft wurde, die BF im Strafverfahren ein Geständnis ablegte und dem Erstvollzug im Allgemeinen eine erhöhte spezialpräventive Wirkung zukommt. Während dieses Zeitraums wird es der BF möglich sein, ihre Lebenssituation nachhaltig zu stabilisieren. Eine weitere Reduktion scheitert an der Schwere der von ihr begangenen Straftaten. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist in diesem Sinn abzuändern.
Zu den Spruchpunkten II. und III. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
Da sich die BF kurz nach ihrer Einreise im XXXX 2023 durch die Begehung von Raubdelikten eine wesentliche Einnahmequelle verschaffte, besteht eine signifikante Wiederholungsgefahr. Dem BFA ist darin beizupflichten, dass ihre sofortige Ausreise nach der Haftentlassung im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Daher ist weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG zu beanstanden. Die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids sind rechtskonform.
Da der relevante Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt werden konnte und auch bei einem positiven Eindruck von der BF bei einer mündlichen Verhandlung keine weitere Herabsetzung oder gar ein Entfall des Aufenthaltsverbotes möglich wäre, liegt ein eindeutiger Fall vor, sodass eine Beschwerdeverhandlung, von deren Durchführung keine weitere Klärung der Angelegenheit zu erwarten ist, gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG unterbleibt.
Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose, die Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG und die Bemessung der Dauer eines Aufenthaltsverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (siehe VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284, 01.03.2018, Ra 2018/19/0014 und 10.07.2019, Ra 2019/19/0186). Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.
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