JudikaturBVwG

I412 2199121-3 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
14. Mai 2025

Spruch

I412 2199121-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , StA. KONGO, DEMOKRATISCHE REPUBLIK, vertreten durch: Rechtsanwalt Dr. Gregor KLAMMER gegen den Bescheid des BFA Regionaldirektion Wien (BFA-W) vom 25.02.2025, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid vom 25.02.2025 wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Behörde aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin beantragte am 16.08.2022 die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gem. § 55 Abs. 1 AsylG.

Mit Verbesserungsauftrag vom 19.09.2022 wurde diese von der belangten Behörde aufgefordert, den Antrag bei der Behörde persönlich einzubringen, eine Antragsbegründung und einen Nachweis über eine erfolgreich absolvierte Integrationsprüfung auf mind. Niveau A2 beizufügen, sowie die erforderlichen Identitätsdokumente vorzulegen.

Am 18.10.2022 wurden via Fax folgende Unterlagen übermittelt: Antragsbegründung, Teilbesuchsbestätigung VHS Deutschkurs B1 vom 28.02.2019, Mitgliedsbestätigung des XXXX – Freie Christengemeinde - Pfingstgemeinde vom 31.05.2022, Arbeitsvorvertrag vom 20.09.2021 über eine in Aussicht gestellte Beschäftigung im Ausmaß von 20 Wochenstunden mit XXXX übermittelt. Gleichzeitig wurde ein Antrag auf Heilung des Mangels der Reisepassvorlage gestellt.

Am 01.03.2023 wurden ein weiterer Arbeitsvorvertrag vom 10.02.2023 über eine in Aussicht gestellte Beschäftigung im Ausmaß von 10 Wochenstunden mit XXXX sowie Insgesamt 6 Praktikumsbestätigungen vom 10.08.2021, 04.10.2021, 11.01.2022, 02.03.2022, 01.06.2022 und 03.10.2022 über angeblich unbezahlte Praktika in den Zeiträumen Juli-August 2021, Oktober-November 2021, Jänner-Februar 2022, März-April 2022, Juni-August 2022 und Oktober-November 2022 bei XXXX übermittelt.

Am 10.08.2023 wurde die Beschwerdeführerin niederschriftlich einvernommen und am 08.09.2023 wurde via Fax ein Zeugnis über die Integrationsprüfung übermittelt.

Am 13.08.2024 wurde via Mail folgende Unterlagen übermittelt: Zeugnis zur Integrationsprüfung B1 vom 15.07.2024, Schreiben XXXX Versicherung zur Service-Card, Empfehlungsschreiben von XXXX (StA. Kongo), XXXX (Verein XXXX ), XXXX (Verein XXXX ), Dr. XXXX (Psychologin/Psychotherapeutin), XXXX (StA. Kongo), XXXX (Mitglied der Kirchengemeinde), XXXX (Arbeitgeber)

Am 11.10.2024 wurde durch die rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerdeführerin eine Säumnisbeschwerde eingebracht.

Mittels Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 15.10.2024 wurde der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt sei, ihren gegenständlichen Antrag abzuweisen und gegen sie eine Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot zu erlassen.

Weiters wurden mehrere Fragen zur persönlichen Situation und zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin gestellt und eine Frist von 14 Tagen zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

Dieses Schriftstück wurde ihrem rechtsfreundlichen Vertreter nachweislich am 18.10.2024 zugestellt, am 31.10.2024 wurde eine Stellungnahme übermittelt.

Am 07.02.2025 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine durch die rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerdeführerin eingebrachte Säumnisbeschwerde ein. Diese wurde zuständigkeitshalber an die belangte Behörde weitergeleitet und diese zur Beschwerde- und Aktenvorlage an das Bundesverwaltungsgericht aufgefordert.

Mit E-Mail des gleichen Tages wurde von der belangten Behörde mitgeteilt, dass die Frist zur gegenständlichen Säumnisbeschwerde übersehen worden sei. Der Antrag wäre entscheidungsreif und sei die Bescheiderstellung noch diese Woche beabsichtigt gewesen.

Von der belangten Behörde wurde um Mitteilung ersucht, ob eine Fristverlängerung von ca. zwei Wochen eingeräumt werden könne, oder ob der Akt vorgelegt werden solle.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.02.2025, GZ I424 2199121-2/4Z wurde die belangte Behörde unter Hinweis auf § 16 Abs. 2 VwGVG aufgefordert, den gegenständlichen Verwaltungsakt vorzulegen und zur schriftliche Stellungnahme insbesondere dazu, ob aus Sicht der belangten Behörde die im gegenständlichen Fall aufgetretene Verzögerung auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen sei bzw. warum die Behörde die Ansicht vertrete, dass kein Verschulden vorliege. Insbesondere wurde um eine chronologische Darstellung der getätigten Verfahrensschritte ersucht und aufgefordert, im Falle von längerer Untätigkeit der Behörde darzustellen, warum es zu dieser Untätigkeit gekommen sei.

Am 12.03.2025 langte der Bescheid der belangten Behörde vom 25.02.2025 zur GZ.: 1175262607/222865170 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Mit diesem Bescheid wurde der Antrag der BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 16.08.2022 abgewiesen (Spruchpunkt I.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.), festgestellt, dass die Abschiebung der BF in ihren Herkunftsstaat zulässig ist (Spruchpunkt III.), eine Frist für die freiwillige Ausreise im Ausmaß von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt IV.) und ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.). Der genannte Bescheid wurde dem Rechtsvertreter der BF am 03.03.2025 nachweislich zugestellt.

Mit Beschluss vom 24.03.2025, GZ 424 2199121-2/6E wurde das Säumnisbeschwerdeverfahren gemäß § 16 Abs 1 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte BGBl. I. 33/2013 in der geltenden Fassung (VwGVG) eingestellt.

Gegen den am 25.02.2025 erlassenen Bescheid der belangten Behörde wurde am 31.03.2025 Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhoben, und vorgebracht, die belangte Behörde sei aufgrund der Erlassung des Bescheides nach Ablauf der Dreimonatsfrist nach Stellung der Säumnisbeschwerde unzuständig.

Mit Schreiben vom 03.04.2025 wurde die gegenständliche Rechtssache dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt erschließt sich aus dem Verfahrensgang und der darin enthaltenen, nicht in Zweifel gezogenen Tatsachen.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben mittels Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde sowie den Gerichtsakt zu I424 2199121-2 sowie insbesondere in die Säumnisbeschwerde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Maßgebliche Rechtsgrundlagen:

§ 16 VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 109/2021, lautet:

„Nachholung des Bescheides

§ 16. (1) Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann die Behörde innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten den Bescheid erlassen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, ist das Verfahren einzustellen.

(2) Holt die Behörde den Bescheid nicht nach, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen. Gleichzeitig hat die Behörde den Parteien eine Mitteilung über die Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht zuzustellen; diese Mitteilung hat den Hinweis zu enthalten, dass Schriftsätze ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht unmittelbar bei diesem einzubringen sind.“

3.2. Zur Entscheidung:

Infolge einer zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde geht nach Vorlage derselben oder ungenütztem Ablauf der Nachfrist des § 16 Abs. 1 VwGVG 2014 die Zuständigkeit, über die betriebene Verwaltungsangelegenheit zu entscheiden, auf das Verwaltungsgericht über.

Gleichzeitig erlischt die Zuständigkeit der Behörde spätestens mit Ablauf der dreimonatigen Nachfrist, die mit dem Einbringungszeitpunkt der Säumnisbeschwerde zu laufen begonnen hat (vgl. zB VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0421). Der Zuständigkeitsübergang tritt unabhängig von einer allfälligen nachträglichen Bescheiderlassung alleine aufgrund des ungenützten Verstreichens der dreimonatigen Nachholfrist nach Einbringung einer zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde ein (vgl. zB VwGH 19.09.2017, Ro 2017/20/0001).

Im vorliegenden Fall ist diese Frist zur Nachholung des Bescheids durch die belangte Behörde schon aufgrund des Datums des angefochtenen Bescheides (25.02.2025) offenkundig abgelaufen, da sie – spätestens – drei Monate nach dem Einlangen der Säumnisbeschwerde am 11.10.2024, mithin jedenfalls bereits mit Ablauf des 11.01.2025 endete.

Auch mit einem nach Ablauf der Nachfrist gemäß § 16 Abs. 1 VwGVG 2014 erlassenen Bescheid hat die Partei zunächst den von ihr mit ihrer Säumnisbeschwerde verfolgten Anspruch auf Entscheidung durchgesetzt, auch wenn dabei eine gesetzliche Bestimmung - nämlich, die zwischenzeitig eingetretene Zuständigkeit des VwG zur Entscheidung in der Sache - verletzt wurde. Diese Gesetzesverletzung geltend zu machen, ist in erster Linie der Disposition der Partei überlassen, als ihr die Entscheidung darüber offensteht, ob sie den Bescheid in Rechtskraft erwachsen lässt oder Beschwerde gegen den nachgeholten Bescheid erhebt. Die Gesetzesverletzung ist in dem allfälligen Beschwerdeverfahren vom Verwaltungsgericht zu klären, während das Säumnisbeschwerdeverfahren als Rechtsschutzziel (nur) die Herbeiführung einer Entscheidung in der betreffenden Verwaltungsangelegenheit vor Augen hat und nicht die Richtigkeit der Entscheidung (vgl. zB VwGH 19.09.2017, Ro 2017/20/0001).

Die Unzuständigkeit der belangten Behörde wurde in der Beschwerde ausdrücklich geltend gemacht und wäre vom Bundesverwaltungsgericht auch amtswegig aufzugreifen (vgl. zB VwGH 19.09.2017, Ro 2017/20/0001).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der bekämpfte Bescheid zu beheben.

Der Vollständigkeit halber ist auszuführen, dass die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Unzuständigkeit der außerhalb der Nachfrist entscheidenden Behörde auch nicht zum Wiederaufleben der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes, aufgrund der Säumnisbeschwerde in der Sache selbst anstelle der Verwaltungsbehörde zu entscheiden, führt (vgl. VwGH 20.12.2017, Ro 2017/03/0019).

Da das Bundesverwaltungsgericht mit dieser Entscheidung den angefochtenen Bescheid vom 25.02.2025 aufgehoben hat, wird die belangte Behörde im Folgenden über den – nun wieder offenen – Antrag der Beschwerdeführerin zu entscheiden haben.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.