JudikaturBVwG

I424 2298008-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
07. Januar 2025

Spruch

I424 2298005-1/4E

I424 2298008-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Barbara EBNER, Bakk.phil. als Einzelrichterin über die Beschwerden von

1. XXXX , geb. XXXX , StA Türkei, vertreten durch: BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt III. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.07.2024, Zl. XXXX , und

2. XXXX , geb. XXXX , StA Türkei, vertreten durch: BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt III. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.07.2024, Zl. XXXX ,

zu Recht:

A)

Den Beschwerden wird Folge gegeben und die Spruchpunkte III. der angefochtenen Bescheide werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Türkei. Am 16.04.2024 wurden sie anlässlich ihrer Ausreise aus Österreich zurück in ihren Herkunftsstaat von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Flughafen Wien/Schwechat einer Ausreisekontrolle unterzogen. Dabei wurde festgestellt, dass sie die höchstzulässige Aufenthaltsdauer der ihnen erteilten Visa C um 10 Tage überschritten hatten.

2.Aufgrund dieses Sachverhaltes wurde gegen die Beschwerdeführer Anzeige wegen einer Übertretung des § 120 Abs. 1a FPG erstattet und ihnen nach Zahlung einer Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils EUR 500,00 die Ausreise in die Türkei gestattet.

3. Die Anzeigeerstattung wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) am selben Tag zur Kenntnis gebracht.

4. Mit Parteiengehör vom 16.04.2024 informierte das BFA die Beschwerdeführer über den sich aus der Anzeige ergebenden Sachverhalt, legte die anzuwendenden Rechtsvorschriften dar, kündigte die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme an und forderte die Beschwerdeführer zur Erstattung einer Stellungnahme auf. Das Parteiengehör in deutscher Sprache wurde den Beschwerdeführern noch am Flughafen übergeben, wobei in weiterer Folge keine Stellungnahme übermittelt wurde.

5. Mit den verfahrensgegenständlichen Bescheiden vom 23.07.2024 erließ das BFA gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkte I.), stellte fest, dass ihre Abschiebung in die Türkei zulässig ist (Spruchpunkte II.) und erließ gegen sie ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkte III.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführer die höchstzulässige Aufenthaltsdauer ihrer Visa C überschritten und sich für einen 10-tägigen Zeitraum unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hätten. Sie würden über keine amtliche Meldeadresse im Bundesgebiet verfügen und hätten auch keine Angaben zu ihrem Aufenthaltsort gemacht, während sie in Österreich gewesen seien. Dies verdeutliche, dass Rechtsstaatlichkeit für sie nur eine untergeordnete Rolle spiele. Durch ihr Verhalten hätten die Beschwerdeführer sowohl nationale als auch europäische Rechtsvorschriften verletzt und gezeigt, dass sie nicht Willens seien, sich an die Gesetze und behördlichen Anordnungen zu halten. Auch sei nicht davon auszugehen, dass sie sich bei einem neuerlichen Aufenthalt in Österreich an die gesetzlichen Bestimmungen halten würden, da sie trotz nachweislicher Aufforderung nicht mit der Behörde kooperiert hätten. In Zusammenschau sei eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gegeben. Auch bestehe kein schützenswertes Privat- und Familienleben im Bundesgebiet.

6. Gegen Spruchpunkt III. dieser Bescheide erhoben die Beschwerdeführer durch ihre Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Sie brachten zusammengefasst vor, im Besitz von Touristenvisa gewesen zu sein, welche von 14.03.2024 bis 20.04.2024 für die Dauer von 23 Tagen gültig gewesen seien. Sie hätten ihre in Österreich aufenthaltsberechtigte und berufstätige Tochter besucht. Aufgrund eines Irrtums seien sie davon ausgegangen, dass ihre Visa bis zum 20.04.2024 gültig seien. Sie hätten die verhängte Strafe in Höhe von 500 EUR vor Ort bezahlt und seien sofort ausgereist. Zu keinem Zeitpunkt hätten sie die Absicht gehabt, die Gültigkeitsdauer ihrer Visa zu missachten oder sich illegal im Bundesgebiet aufzuhalten. Aufgrund der unerwarteten Situation am Flughafen seien die Beschwerdeführer völlig verwirrt gewesen. Als sie die Strafe bezahlt hätten, sei ihnen seitens der Grenzbeamten zugesichert worden, dass somit die Sache erledigt sei. Da sie keine Deutschkenntnisse hätten, hätten sie den Inhalt des ihnen ausgehändigten Schreibens nicht verstehen können, außerdem seien sie in Eile gewesen, um ihren Flug noch rechtzeitig erwischen zu können. Aus diesen Gründen hätten sie keine Stellungnahme eingebracht. Die Beschwerdeführer würden ihr Fehlverhalten, welches bloß auf einem Irrtum beruhe, bereuen. Eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gehe von ihnen nicht aus. Es bestünden keine objektiv nachvollziehbaren Gründe für die Annahme, dass die Beschwerdeführer ihr Fehlverhalten wiederholen würden. Aufgrund des auf drei Jahre bemessenen Einreiseverbotes könnten die Beschwerdeführer ihre Tochter nicht mehr besuchen, was einen erheblichen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben darstelle.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Die Erstbeschwerdeführerin heißt XXXX und wurde am XXXX in XXXX in der Türkei geboren. Der Zweitbeschwerdeführer heißt XXXX und wurde am XXXX in XXXX in der Türkei geboren. Sie sind Staatsangehörige der Türkei, miteinander verheiratet und leben derzeit in XXXX .

Die Beschwerdeführer sind der deutschen Sprache nicht mächtig.

1.2 Im Bundesgebiet lebt ihre gemeinsame Tochter XXXX , geb. am XXXX in XXXX . Sie ist ebenfalls türkische Staatsangehörige, Inhaberin eines gültigen Aufenthaltstitels Rot-Weiß-Rot-Karte Plus und in Österreich berufstätig.

Ihre Tochter war an Eierstockkrebs erkrankt und wurde erfolgreich operiert. Sie unterzieht sich zur Nachsorge einer Antikörpertherapie.

1.3 Die Beschwerdeführer reisten unter Verwendung eines vom österreichischen Generalkonsulat in Istanbul am 09.01.2024 für eine Aufenthaltsdauer von 23 Tagen ausgestellten und vom 14.03.2024 bis zum 20.04.2024 gültigen Visums C am 15.03.2024 rechtmäßig von der Türkei über den Flughafen Wien-Schwechat in das Bundesgebiet ein, um ihre Tochter zu besuchen und sie zu unterstützen. Am 16.04.2024 verließen sie das Bundesgebiet im Wege des Flughafens Wien-Schwechat und kehrten in die Türkei zurück.

Ihr Visum lief am 06.04.2024 ab, sodass ihr Aufenthalt ab dem 07.04.2024 auf keiner rechtlichen Grundlage mehr beruhte. Sie gingen irrigerweise davon aus, dass die ihnen ausgestellten Visa C ein Aufenthaltsrecht bis zum Ablauf der Gültigkeit am 20.04.2024 einräumten.

Die Beschwerdeführer streben keinen über einen fallweisen Aufenthalt zu Urlaubs- und Besuchszwecken hinausgehenden dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet an.

1.4 Am 16.04.2024 erfolgte eine Anzeige der Beschwerdeführer durch das SPK Schwechat gemäß § 120 Abs. 1a FPG 2005 aufgrund ihres unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet von 07.04.2024 bis 16.04.2024, nach Ablauf der höchstzulässigen Aufenthaltsdauer der ihnen erteilten Visa. Es wurde von den Beschwerdeführern eine Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils EUR 500,00 eingehoben.

Davon abgesehen sind die Beschwerdeführer unbescholten. Sie wurden insbesondere nicht strafgerichtlich verurteilt.

1.5 Während ihres Aufenthaltes in Österreich waren die Beschwerdeführer behördlich nicht gemeldet. Den Beschwerdeführern wurde während ihres Aufenthaltes von ihrer Tochter Unterkunft gewährt.

2. Beweiswürdigung:

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in die Verfahrensakten des BFA unter zentraler Berücksichtigung der bekämpften Bescheide, des Vorbringens der Beschwerdeführer sowie des Inhaltes der Beschwerdeschriftsätze einschließlich der im Verfahren vorgelegten Urkunden sowie die amtswegig eingeholten Auszüge aus dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister, dem zentralen Melderegister, dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger und dem Strafregister.

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

2.1 Die Identität, Staatsangehörigkeit und Herkunft der Beschwerdeführer steht in Anbetracht ihrer im Original bei der Ausreisekontrolle und im Zuge der Erlangung ihrer Visa C vorgewiesenen türkischen Reisepässe zweifelsfrei fest. Ihre Angehörigeneigenschaft geht aus dem Beschwerdeschriftsatz hervor. Ihr derzeitiger Wohnort ergibt sich aus den vom SPK Schwechat im Zuge der verwaltungsstrafrechtlichen Anzeige am 16.04.2024 erhobenen Daten (AS 1).

Den Angaben im Beschwerdeschriftsatz, wonach die Beschwerdeführer der deutschen Sprache nicht mächtig sind, konnte aufgrund ihres Lebensmittelpunktes in der Türkei Glauben geschenkt werden.

2.2 Die Feststellungen zur im Bundesgebiet lebenden Tochter der Beschwerdeführer ergeben sich aus dem Beschwerdeschriftsatz und den von den Beschwerdeführern in Vorlage gebrachten Unterlagen, darunter eine Kopie des Aufenthaltstitels ihrer Tochter, ein Anstellungsvertrag der XXXX vom 09.12.2021 und eine Kopie der E-Card ihrer Tochter.

Aus dem Beschwerdeschriftsatz und einem in Vorlage gebrachten Auszug aus dem eJournal des XXXX vom 06.08.2024 ergibt sich die Feststellung zur weiterführenden Behandlung der in Remission befindlichen Krebserkrankung der Tochter der Beschwerdeführer.

2.3 Die Feststellungen zur legalen Einreise der Beschwerdeführer auf dem Luftweg, zur Art und Gültigkeitsdauer der ihnen erteilten Visa und zu der am 16.04.2024 erfolgten Ausreise ergeben sich unstrittig aus den Verwaltungsakten, insbesondere den vorliegenden Kopien der Reisepässe der Beschwerdeführer samt Visum sowie Einreise- und Ausreisestempel. Den entsprechenden Feststellungen der belangten Behörde wurde in der Beschwerde nicht entgegengetreten.

Dass die Beschwerdeführer bei ihrem Aufenthalt im Bundesgebiet die höchstzulässige Aufenthaltsdauer von 23 Tagen überschritten haben und ihr Aufenthalt demgemäß ab dem 07.04.2024 unrechtmäßig war, wird in der Beschwerde zugestanden.

Die persönlichen und familiären Umstände im Hinblick auf den Aufenthalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet ergeben sich aus den glaubwürdigen Vorbringen der Beschwerdeführer im Beschwerdeschriftsatz, dem keine anderweitigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens entgegenstehen.

Die Beschwerdeführer bringen in diesem Zusammenhang vor, dass sie irrigerweise davon ausgegangen sind, bis zum Ablauf der Gültigkeitsdauer ihrer Visa C am 20.04.2024 in Österreich bleiben zu können. Dieses Vorbringen ist im Zweifel als wahr zu erachten. Den vorliegenden Visa ist zu entnehmen, dass die Gültigkeitsdauer der den Beschwerdeführern erteilten Visa von 14.03.2024 bis 20.04.2024 nicht mit der höchstzulässigen Aufenthaltsdauer von lediglich 23 Tagen korrespondierte. Der Text der den Beschwerdeführer ausgestellten Visa ist in Deutsch, Englisch und Französisch verfasst und es ist durchaus denkbar, dass die türkischsprachigen Beschwerdeführer übersehen haben könnten, dass die ihnen erteilten Visa keinen Aufenthalt für den gesamten Gültigkeitszeitraum ermöglichten. Schließlich kann das Bundesverwaltungsgericht keinen Grund erkennen, weshalb die Beschwerdeführer aus anderweitigen Motiven als aufgrund eines Irrtums die höchstzulässige Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet überschreiten sollten. Es ist jederzeit eine neuerliche Einladung möglich und die vorsätzliche Missachtung fremdenrechtlicher Vorschriften in Hinblick auf beabsichtigte weitere Besuche ihrer erst kürzlich von einer schweren Erkrankung genesenen Tochter wäre als hinderlich anzusehen. Der Sachverhalt bietet insgesamt keinen Anlass für die Annahme, dass eine vorsätzliche Übertretung fremdenrechtlicher Vorschriften vorliegt.

In Anbetracht der den Beschwerdeführern zuletzt zum Zweck des Besuchs ihrer Tochter erteilten Visa C sowie des Umstandes, dass die Tochter der Beschwerdeführer im Bundesgebiet niedergelassen ist, steht aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes fest, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführer in Österreich Urlaubs- und Besuchszwecken diente. Weitergehende Absichten, etwa sich dauerhaft im Bundesgebiet niederzulassen, können nicht erkannt werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich der Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführer nach wie vor in der Türkei befindet.

2.4 Der Inhalt der Strafanzeige des SPK Schwechat vom 16.04.2024 und die Einhebung einer Sicherheitsleistung ergibt sich zweifelsfrei aus den in den Verwaltungsakten aufliegenden Kopien.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführer in Österreich ergibt sich aus den amtswegig eingeholten Strafregisterauszügen vom 27.08.2024.

2.5 Die Feststellung, dass die Beschwerdeführer während ihres Aufenthaltes in Österreich über keine behördliche Meldeadresse verfügten, ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das zentrale Melderegister. Die Feststellung, wonach sie bei ihrer Tochter lebten ergibt sich aus dem Beschwerdeschriftsatz.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zu A)

3.1 Gegenständlich wurde ausschließlich gegen Spruchpunkte III. der Bescheide (Erlassung eines auf drei Jahre befristeten Einreiseverbotes gegen die Beschwerdeführer) Beschwerde erhoben, weshalb die übrigen Spruchpunkte I. und II., mit denen gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde und die Zulässigkeit ihrer Abschiebung in die Türkei festgestellt wurde, keiner Befassung bedürfen.

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG 2005 kann vom Bundesamt mit Bescheid mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitpunkt nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten einzureisen und sich dort aufzuhalten.

§ 53 Abs. 2 FPG 2005 zufolge ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Bei der Bemessung eines Einreiseverbotes ist eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, bei der die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen hat, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchem zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt.

Allerdings ist bei der Erlassung eines Einreiseverbotes eine Gefährdungsprognose zu treffen und ist hierfür nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist, sowie dass dabei nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen ist. Das gilt, auch dann, wenn im Rahmen der Interessenabwägung ein vom Fremden gesetztes (Fehl-)Verhalten im Hinblick auf die damit beeinträchtigten öffentlichen Interessen einbezogen werden soll (vgl. VwGH 12.09.2023, Ra 2021/20/0449).

Auch aus einem einmaligen Fehlverhalten – entsprechende Gravidität vorausgesetzt – kann eine maßgebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit abgeleitet werden (VwGH 22.01.2021, Ra 2020/21/0457).

3.2 Im gegenständlichen Fall ist den Beschwerdeführern eine Übertretung des § 120 Abs. 1a FPG 2005 vorzuwerfen, wobei festzuhalten ist, dass diesbezüglich keine rechtskräftigen Verwaltungsstrafbescheide vorliegen. Die Beschwerdeführer erstatteten lediglich eine Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Mindeststrafe, damit sie das Bundesgebiet mit ihrem geplanten Flug verlassen konnten.

Weitere den Beschwerdeführern anzulastende Verwaltungsübertretungen oder strafgerichtliche Verurteilungen liegen nicht vor. Die Beschwerdeführer vermochten im gegenständlichen Verfahren glaubhaft zu machen, dass die Übertretung des § 120 Abs. 1a FPG 2005 auf unzureichende Sprachkenntnisse und eine unzureichende Auseinandersetzung mit dem Inhalt der ihnen erteilten Visa C zurückzuführen ist. Zwar ist ihnen in diesem Zusammenhang zumindest leichte Fahrlässigkeit anzulasten, zumal bei einem Aufenthalt in einem Drittstaat stets die sorgfältige Beachtung der erteilten Berechtigungen erwartet werden darf, von einer vorsätzlichen Missachtung der fremdenrechtlichen Bestimmungen ist indes nicht auszugehen.

In jedem Fall kann das Bundesverwaltungsgericht in Anbetracht des den Feststellungen entnehmbaren Gesamtverhaltens der Beschwerdeführer nicht erkennen, dass ein neuerlicher Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Die Beschwerdeführer reisten in das Bundesgebiet ein, um ihre Tochter zu besuchen. Ihr Lebensmittelpunkt ist in der Türkei, sie sind bereits in einem fortgeschrittenen Alter. Der Unterhalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet war gesichert und sie reisten – wenn auch um zehn Tage verspätet – freiwillig und ohne vorangegangene Aufforderung in den Herkunftsstaat zurück. Die Überschreitung der zulässigen Aufenthaltsdauer um lediglich zehn Tage ist erst im Zuge der Ausreisekontrolle am Flughafen - also im Zuge der freiwilligen Ausreise der Beschwerdeführer - aufgefallen. Darüber hinaus ist die Überschreitung der Aufenthaltsdauer um 10 Tage als nur geringfügig einzustufen. Die Beschwerdeführer unternahmen auch keinen Versuch, Grenzkontrollen zu umgehen. Der Sachverhalt steht auch nicht in Zusammenhang mit einer missbräuchlichen Asylantragstellung. Ein nachvollziehbarer Grund, weshalb die Beschwerdeführer durch die bewusste Missachtung der fremdenrechtlichen Bestimmungen die Möglichkeit weiterer Besuche bei ihrer erst kürzlich von einer Krebserkrankung genesenen Tochter gefährden und eine künftige Visumablehnung riskieren hätten sollen, ist nicht ersichtlich.

Den Ausführungen der belangten Behörde, wonach der illegale Aufenthalt der Beschwerdeführer die Ressourcen der Republik Österreich enorm belasten könne, insbesondere im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen wie Gesundheitswesen, Bildung und Sozialhilfe und zudem auch negative Auswirkungen auf die Wirtschaft, den Arbeitsmarkt und die Arbeitsplatzsicherheit für legale Einwohner haben könne, kann hingegen nicht beigetreten werden. Es können im Falle der über 70-jährigen Beschwerdeführer, die ihren Lebensmittelpunkt in der Türkei haben, keinerlei Hinweise erblickt werden, dass diese die Absicht hegen würden, in Österreich Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen oder sich einen Zugang zum Arbeitsmarkt zu verschaffen bzw. sich in Österreich ihren Lebensunterhalt auf illegale Art und Weise zu verdienen.

Ebensowenig kann den Beschwerdeführern eine Verletzung der Meldepflicht angelastet werden. Dadurch, dass den Beschwerdeführern in der Wohnung ihrer Tochter für einen zwei Monate nicht überschreitenden Zeitraum unentgeltlich Unterkunft gewährt wurde und sie ihren ständigen Hauptwohnsitz in der Türkei haben ist der Ausnahmetatbestand des § 2 Abs. 3 Z 1 MeldeG erfüllt.

Auch sind die Beschwerdeausführungen, wonach die Beschwerdeführer aufgrund der unerwarteten Situation am Flughafen völlig verwirrt gewesen seien, ihnen seitens der Grenzbeamten zugesichert worden sei, dass mit Zahlung der Sicherheitsleistung die Sache erledigt sei und sie aufgrund fehlender Deutschkentnisse den Inhalt des ihnen von der belangten Behörde ausgehändigten Parteiengehörs nicht verstehen können hätten und sie außerdem in Eile gewesen seien, um ihren Flug rechtzeitig erwischen zu können und sie aus diesen Gründen keine Stellungnahme eingebracht hätten, plausibel und nachvollziehbar. Ein fehlender Wille, mit den Behörden zu kooperieren kann den Beschwerdeführern hingegen nicht angelastet werden.

Der gegenständliche Sachverhalt stellt sich aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes als erstmalige und nur geringfügige Störung der öffentlichen Ordnung dar. Dem Bundesamt ist zwar zuzugestehen, dass eine Überschreitung der zulässigen Visumdauer grundsätzlich eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung indiziert und eine Gefährdungsannahme unter bestimmten Umständen berechtigt sein kann. Ein unrechtmäßiger Aufenthalt per se rechtfertigt jedoch – neben der Erlassung einer Rückkehrentscheidung – nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht immer auch noch die Verhängung eines Einreiseverbotes (VwGH 19.05.2019, Ra 2019/21/0104 mwN). Vielmehr ist auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen.

Ausgehend von den vorstehenden Überlegungen ist daher aufgrund der Umstände und insbesondere des glaubhaft gemachten Irrtums von einem nur geringfügigen Maß an Verschulden und einer nur äußerst geringfügigen Störung der öffentlichen Ordnung auszugehen. Das durch die übertretene Norm geschützte Rechtsgut wurde durch die Verwirklichung des Tatbestandes des § 120 Abs 1a FPG nur geringfügig und kurzfristig beeinträchtigt, weshalb es nicht erforderlich ist, den Beschwerdeführern für einen bestimmten Zeitraum die legale Einreise und den legalen Aufenthalt in Österreich und im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten zu verbieten.

Im Hinblick auf die anzustellende Prognose tritt hinzu, dass die wider die Beschwerdeführer verhängte Sicherheitsleistung von je EUR 500,00 entrichtet wurde. Den Beschwerdeführern kann dahingehend Glauben geschenkt werden, dass sie ihre fehlende Sorgfalt bereuen und geht das Gericht davon aus, dass die Zahlung der Sicherheitsleistung von insgesamt € 1.000,00 auch eine spezialpräventive Wirkung entfalten wird. Der Sachverhalt bietet keinen Anlass für die Befürchtung, dass hinkünftig weitere Übertretungen der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen erfolgen und geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die erfolge Geldzahlung und das gegenständliche Verfahren eine hinreichende Veranlassung darstellen, dass die Beschwerdeführer in Zukunft die erlaubte Aufenthaltsdauer bzw. die sonst mit ihrem Sichtvermerk verbundenen Einschränkungen beachten und dazu auch entsprechende Erkundigungen beim Konsulat und/oder ihren Angehörigen einholen werden. Der zusätzlichen Verhängung eines Einreiseverbotes bedarf es im gegenständlichen Ausnahmefall nicht.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Die Beschwerdeführer beantragten die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2).

Da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der Bescheid im Umfang seiner Anfechtung aufzuheben war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, im Einzelnen zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Erlassung von Einreiseverboten ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor und wird eine solche auch in der Beschwerde nicht dargetan.