JudikaturBVwG

W167 2298893-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
16. Dezember 2024

Spruch

W167 2298893-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a Daria MACA-DAASE als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen vom XXXX , mit dem der Antrag auf Befreiung von der Kostenbeteiligung und der Rezeptgebühr abgelehnt wurde und den Antrag auf Wiedereinsetzung:

A)

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird als verspätet zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

B)

Die Revision gegen A.1 und A.2 ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Seit XXXX bezieht der Beschwerdeführer (BF) eine Erwerbsunfähigkeitspension von der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen (belangte Behörde, SVS).

2. Am XXXX stellte der BF bei der SVS einen Antrag auf Befreiung von der Kostenbeteiligung und der Rezeptgebühr wegen geringen Einkommens.

3. Mit angefochtenem Bescheid wurde der Antrag auf Befreiung von der Kostenbeteiligung und der Rezeptgebühr abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass das für die Beurteilung maßgebliche monatliche Nettoeinkommen, die monatlichen Nettobezüge der im gemeinsamen Haushalt lebenden Tochter mitberücksichtigt, den im Jahr XXXX maßgebenden erhöhten Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende übersteige.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schreiben vom XXXX Beschwerde.

5. Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt und der Stellungnahme dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Ausgeführt wurde, dass die Beschwerde nach dem Ende der Rechtsmittelfrist eingelangt und diese als verspätet anzusehen sei.

6. Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) übermittelte dem BF mit Schreiben vom XXXX einen Verspätungsvorhalt und gewährte dem BF eine zweiwöchige Frist zur Stellungnahme.

7. Mit Schreiben vom XXXX , persönlich abgegeben am XXXX , führte der BF im Wesentlichen aus, dass er aufgrund seiner Behinderung in seiner Mobilität eingeschränkt sei und er deshalb die Frist nicht einhalten habe können. Zusätzlich erschwere ihm sein Alter von XXXX , aufgrund von zunehmender Vergesslichkeit, die fristgerechte Bearbeitung solcher Angelegenheiten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der angefochtene Bescheid der SVS vom XXXX , einschließlich der Rechtsmittelbelehrung, welche auf die vierwöchige Rechtsmittelfrist hinweist, wurde per Einschreiben an den BF gesendet. Am XXXX wurde der Bescheid bei der Poststelle hinterlegt und die Abholfrist begann am XXXX zu laufen. Der BF wurde über die Hinterlegung verständigt.

Der BF brachte seine Beschwerde, mit XXXX datiert, persönlich am XXXX bei der SVS ein.

In seiner Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt des Bundesverwaltungsgerichts ersuchte der BF um „Nachsicht und Berücksichtigung seiner besonderen Umstände“ und verweis auf Einschränkungen durch seine Behinderung sowie sein Alter und die damit einhergehende Vergesslichkeit.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.

Im angefochtenen Bescheid ist die Rechtsmittelbelehrung mit der vierwöchigen Rechtsmittelfrist ersichtlich.

Die Hinterlegung und Abholfrist sowie die Verständigung der Hinterlegung gehen aus dem von der SVS vorgelegten Rückschein hervor.

Die SVS legte in der Stellungnahme vom XXXX dar, dass der BF die Beschwerde am XXXX persönlich eingebracht habe.

Die Angaben zu den Gründen für die verspätete Einbringung der Beschwerden ergeben sich aus der Stellungnahme des BF zum Verspätungsvorhalt.

Der festgestellte Sachverhalt wurde vom BF nicht bestritten bzw. beruht auf seinen eigenen Angaben. Von der Durchführung der mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall abgesehen werden, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zurückweisungen

3.1. Es ist zu prüfen, ob im Beschwerdefall die Beschwerdefrist versäumt wurde:

Gemäß § 32 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Gemäß § 33 Abs. 1 AVG werden der Beginn und Lauf einer Frist durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert.

Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen.

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, wurde die vierwöchige Beschwerdefrist in der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides vom XXXX richtig angeführt.

Am XXXX , wurde der per Einschreiben verschickte Bescheid vom XXXX , wie oben erörtert, nachweislich bei der Poststelle hinterlegt. Am XXXX , den XXXX , begann die Abholfrist.

Gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz (ZustG) gelten Dokumente mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt.

Der Bescheid wurde dem BF daher am XXXX , rechtswirksam zugestellt und endete die vierwöchige Rechtsmittelfrist daher am XXXX .

Die Beschwerde wurde jedoch, wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, am XXXX – daher verspätet – vom BF persönlich bei der SVS eingebracht.

3.2. Aufgrund der Stellungnahme des BF zum Verspätungsvorhalt ist zu prüfen, ob ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorliegt und ob dieser Antrag rechtzeitig erfolgte:

Das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz bestimmt:

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) […]

(3) In den Fällen des Abs. 1 ist der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen und zwar bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde und ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht; […] Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(4a) […]

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.

In seiner Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt (OZ 4) gab der BF an, ihm sei bewusst, dass die Frist zur Einbringung der Beschwerde abgelaufen sei, bitte höflich um Nachsicht und Berücksichtigung seiner besonderen Umstände (Einschränkung in seiner Mobilität und sonstigen Reaktionsfähigkeit aufgrund 80%-iger Behinderung was zur Folge hatte, dass der BF die Beschwerdefrist nicht einhalten konnte; Alter erschwere aufgrund zunehmender Vergesslichkeit die fristgerechte Bearbeitung solcher Angelegenheiten). Er bitte daher um eine erneute Überprüfung und wohlwollende Entscheidung unter Berücksichtigung seiner Behinderung und seines Alters gemäß § 13 Abs- 3 AVG, der besondere Rücksicht auf behinderte und ältere Personen bei der Wahrung von Fristen nähme.

Zunächst ist zu prüfen, ob dieses Vorbringen als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu werten ist. Auch wenn keine entsprechende Bezeichnung erfolgte, ergibt sich aus dem Vorbringen, dass der BF um „Nachsicht und Berücksichtigung“ seiner besonderen Umstände bitte, Gründe für die Versäumung der Beschwerdefrist anführt und eine Beseitigung der Fristversäumnis wünscht. Dies ist im konkreten Fall vor dem Hintergrund der Judikatur des VwGH als Antrag auf Wiedereinsetzung zu werten (vergleiche Hengstschläger/Leeb, AVG § 72 Rz 110 mit Judikaturnachweis [Stand 1.1.2020, rdb.at]).

Voraussetzung für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist die Versäumung einer Frist und ein daraus resultierender Rechtsnachteil (§ 33 Abs. 1 VwGVG). Da der BF die Beschwerdefrist versäumt hat (siehe oben 3.1.), führt dies zu einem Rechtsnachteil für den BF.

Es ist daher weiters zu prüfen, ob der BF rechtzeitig den Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt hat. Gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. Von einer Kenntnis der Verspätung eines Rechtsmittels ist bereits zu dem Zeitpunkt auszugehen, zu dem die Partei die Verspätung bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen konnte und musste (vergleiche VwGH 09.06.2022, Ra 2022/10/0013, mit Judikaturverweis sowie Hengstschläger/Leeb, AVG § 72 Rz 101 f. mit weiteren Nachweisen [Stand 1.1.2020, rdb.at]).

Der BF hätte bei gehöriger Aufmerksamkeit bereits spätestens bei der Einbringung der Beschwerde am XXXX erkennen müssen, dass diese verspätet war. Der am XXXX eingebrachte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erweist sich daher im Hinblick auf die Zweiwochenfrist als verspätet und war zurückzuweisen.

Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass die vorgebrachten Mobilitäts- und Reaktionseinschränkungen und eine Vergesslichkeit aufgrund des Alters von XXXX Jahren, die zu einer Verzögerung bei der Einreichung der Beschwerde geführt hätten, kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 33 VwGVG sind.

3.3. Soweit der BF in seiner Stellungnahme auf § 13 Abs. 3 AVG hinwies, ist anzumerken, dass dieser im gegenständlichen Verfahren nicht anwendbar ist, da es sich im Beschwerdefall um eine verspätete – und keine mangelhafte – Beschwerde handelte.

3.4. Der Antrag auf Wiedereinsetzung und die Beschwerde waren daher als verspätet zurückzuweisen.

Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen ist dem Bundesverwaltungsgericht daher verwehrt (vgl. VwGH 16.11.2005, 2004/08/0117).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Rechtslage ist eindeutig, die herangezogene Judikatur wurde zitiert.