IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch März & Partner, An der Kapuzinermauer 3, 89312 Günzburg, über die Beschwerde vom 5. April 2022 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 7. März 2022 betreffend Nachsicht gemäß § 236 Bundesabgabenordnung (BAO), Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Schreiben des Finanzamtes Klagenfurt vom 29. August 2018 wurde die Beschwerdeführerin (Bf) aufgefordert, bis 10. Dezember 2018 eine Meldung der wirtschaftlichen Eigentümer gemäß § 5 Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz (WiEReG) vorzunehmen, widrigenfalls eine Zwangsstrafe in Höhe von € 1.000,00 festgesetzt werde.
Mit Schreiben vom 10. Oktober 2018 teilte die Bf mit, dass sie nach dem WiEReG nur dann zur Meldung verpflichtet sei, wenn sich der wirtschaftliche Eigentümer nicht aus dem Firmenbuch ergebe. Aus dem Firmenbuch ergebe sich Herr ***1*** als wirtschaftlicher und rechtlicher Eigentümer, weshalb keine Meldepflicht bestehe.
Mit Bescheid des Finanzamtes Klagenfurt vom 9. Jänner 2019 wurde über die Bf gemäß § 111 BAO eine Zwangsstrafe über € 1.000,00 verhängt, da keine entsprechende Meldung nach § 5 WiEReG erfolgt sei. Gleichzeitung wurde die Bf aufgefordert, die unterlassene Meldung bis 19. April 2019 nachzuholen, widrigenfalls eine Zwangsstrafe in Höhe von € 4.000,00 festgesetzt werde.
Mit Bescheid des Finanzamtes Klagenfurt vom 30. April 2019 wurde über die Bf gemäß § 111 BAO eine Zwangsstrafe über € 4.000,00 verhängt, da keine entsprechende Meldung nach § 5 WiEReG erfolgt sei.
Mit Eingabe vom 13. Oktober 2020 beantragte die Bf die Nachsicht der Zwangsstrafen im Gesamtbetrag von € 5.000,00 mit der Begründung, die Meldung sei mit Schreiben vom 10. Dezember 2018 (gemeint wohl 10. Oktober 2018) bereits erfolgt.
Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 7. März 2022 wurde der Antrag um Bewilligung der Nachsicht in Höhe von € 5.000,00 abgewiesen, da keine sachliche oder persönliche Unbilligkeit erkannt werden konnte.
Gegen diesen Bescheid hat die Bf mit Eingabe vom 5. April 2022 binnen offener Frist Beschwerde erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, es liege ein entschuldbares Verhalten vor. Wegen des eingestellten Geschäftsbetriebes sei die Geschäftsstelle der Bf im Jahre 2018 nur mehr gelegentlich aufgesucht worden. Das Schreiben vom August 2018 habe den Geschäftsführer der Bf erst gegen Jahresende erreicht. Dieser teilte dem Finanzamt Klagenfurt den wirtschaftlich Berechtigten mit Schreiben vom 10. Dezember 2018 (gemeint wohl 10. Oktober 2018) mit, da die Gesellschaft über keine technische Einrichtung verfügte, die Meldung über das österreichische Portal vorzunehmen. Diese Vorgangsweise sei telefonisch mit dem Finanzamt Klagenfurt abgesprochen worden.
Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Österreich vom 4. Mai 2022, wurde die Beschwerde mit der Begründung abgewiesen, die Sach- und Rechtslage sei unverändert.
Mit Eingabe vom 8. Juni 2022 stellte die Bf den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).
In der Beschwerdevorlage vom 22. September 2022 führte das Finanzamt Österreich aus, die behauptete telefonische Auskunft erscheine nicht schlüssig und äußerst unwahrscheinlich, da das Finanzamt weder technisch noch rechtlich in der Lage sei, eine amtswegige Meldung durchzuführen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Mit Bescheiden des Finanzamtes Klagenfurt vom 9. Jänner 2019 und 30. April 2019 wurden über die Bf gemäß § 111 BAO Zwangsstrafen über € 1.000,00 bzw. € 4.000,00 verhängt, da keine entsprechende Meldung nach § 5 WiEReG erfolgte.
Die Bf vertrat die Ansicht, sie sei nicht zur Meldung verpflichtet, da sich der wirtschaftliche und rechtliche Eigentümer aus dem Firmenbuch ergebe. Eine Vereinbarung einer ausnahmsweisen schriftlichen Meldung mit dem Finanzamt bestand nicht.
Der Geschäftsbetrieb der Bf war im Jahre 2018 bereits eingestellt. Mit Generalversammlungsbeschluss vom 23. Juni 2021 wurde die Bf aufgelöst und am ***2*** 2022 in Folge beendeter Liquidation im Firmenbuch gelöscht. Abwickler und Liquidator der Bf war ihr früherer Geschäftsführer ***1***, der auch zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist.
2. Beweiswürdigung
Gemäß § 167 Abs.1 BAO bedürfen Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises.
Gemäß § 167 Abs.2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB VwGH 23.9.2010, 2010/15/0078; 28.10.2010, 2006/15/0301; 26.5.2011, 2011/16/0011; 20.7.2011, 2009/17/0132).
Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt der vom Zollamt Klagenfurt Villach vorgelegten Verwaltungsakten. Aus dem Schreiben vom 10. Oktober 2018 ergibt sich unzweifelhaft, dass die Bf die Ansicht vertrat, sie sei nicht zur Meldung verpflichtet, da sich der wirtschaftliche und rechtliche Eigentümer aus dem Firmenbuch ergebe. Auf eine angebliche Vereinbarung mit dem Finanzamt, dass ausnahmsweise eine schriftliche Meldung ausreiche, wird dabei nicht Bezug genommen. Das Bundesfinanzgericht legt daher seiner Entscheidung den Sachverhalt zu Grunde, dass keine derartige Vereinbarung bestand, zumal für das Finanzamt Klagenfurt, nunmehr Finanzamt Österreich, auch keine technische Möglichkeit und keine rechtliche Zulässigkeit bestand, eine solche Meldung vorzunehmen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 236 Abs.1 BAO können auf Antrag des Abgabepflichtigen fällige Abgabenschuldigkeiten ganz oder zum Teil nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Gemäß Abs.2 leg. cit. findet Abs.1 auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.
Gemäß § 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. II 2005/435 idgF, kann die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO persönlicher oder sachlicher Natur sein.
Gemäß § 2 dieser Verordnung liegt eine persönliche Unbilligkeit vor, wenn die Einhebung 1. die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihn gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde; 2. mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme.
Gemäß § 3 dieser Verordnung liegt eine sachliche Unbilligkeit bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches 1. von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden; 2. in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die a.) dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn zuständigen Abgabenbehörde geäußert oder b.) vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung oder im Internet als Amtliche Veröffentlichung in der Findok veröffentlicht wurden, wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden.
Die Unbilligkeit der Einhebung einer Abgabe nach Lage des Falles kann eine persönliche oder sachliche sein (zB VwGH 20.5.2010, 2006/15/0337; 17.11.2010, 2007/13/0135).
Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liegt vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ereignis eintritt (zB VwGH 28.4.2004, 2001/14/0022; 30.1.2006, 2005/17/0245), sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Sachliche Unbilligkeit einer Abgabeneinhebung ist grundsätzlich in Fällen anzunehmen, in denen das ungewöhnliche Entstehen einer Abgabenschuld zu einem unproportionalen Vermögenseingriff beim Steuerpflichtigen führt. Der in der anormalen Belastungswirkung und verglichen mit ähnlichen Fällen, im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ereignissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der eine vom Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (VwGH 21.1.2009, 2008/17/0138, 20.11.2019, Ra 2018/15/0014).
Eine sachliche Unbilligkeit liegt nicht vor. Es ist geradezu Zweck einer Zwangsstrafe, das rechtlich gebotene Handeln eines Abgabenpflichtigen zu erzwingen.
Eine persönliche Unbilligkeit ergibt sich aus der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers und wird stets gegeben sein, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährdet.
Die Liquidation der Bf ist bereits abgeschlossen, eine persönliche Unbilligkeit kann daher nicht mehr vorliegen. Bei der offenkundigen Aussichtslosigkeit von Einbringungsmaßnahmen wird vom Finanzamt Österreich eine Löschung der Zwangsstrafen im Sinne des § 235 BAO in Betracht zu ziehen sein.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Zustellung an den Liquidator:
Obwohl die Beschwerdeführerin infolge beendeter Liquidation im Firmenbuch bereits gelöscht wurde, war das gegenständliche Erkenntnis an den ehemaligen Geschäftsführer der Beschwerdeführerin aus folgenden Gründen zuzustellen:
Laut Eintragung im Firmenbuch vom ***3*** 2021 wurde ***1** zum Liquidator der Bf bestellt. Mit Datum vom 15. Juni 2022 erging der Gesellschafterbeschluss, dass der Bericht des Liquidators über die Beendigung der Liquidation zur Kenntnis genommen und genehmigt werde, dem Liquidator die Entlastung erteilt werde und zum Verwahren der Bücher und Schriften der Gesellschaft für die gesetzlich vorgeschriebene Dauer ***1*** bestellt werde. Laut Eintragung im Firmenbuch am ***2*** 2022 wurde die Beschwerdeführerin infolge beendeter Liquidation gelöscht.
Die Auflösung und Löschung einer im Firmenbuch eingetragenen juristischen Person hat bloß deklaratorischen Charakter (VwGH 17.5.2004, 2003/17/0134) und beendet die Rechtsfähigkeit nicht, solange Vermögen vorhanden ist (OGH 19.6.2006, 8 ObA 46/06g) und Rechtsverhältnisse zu Dritten nicht vollständig abgewickelt - also z.B. Abgaben noch festzusetzen - sind (Ritz, BAO³, § 79, Tz 10, 11; VwGH 21.9.2005, 2001/13/0059; 11.11.2009, 2006/13/0187).
Die Rechts- und Parteifähigkeit einer GmbH bleibt daher auch nach ihrer Löschung im Firmenbuch solange erhalten, als noch Abwicklungsbedarf besteht, was dann der Fall ist, wenn Abgabenverbindlichkeiten einer solchen Gesellschaft bescheidmäßig festzusetzen sind. An eine im Firmenbuch bereits gelöschte GmbH gerichtete Bescheide ergehen daher grundsätzlich rechtswirksam (VwGH 28.6.2007, 2006/16/0220).
Bis zur Vollbeendigung braucht die aufgelöste Gesellschaft - so wie bisher - einen gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter. In der Zeit zwischen Auflösung und Vollbeendigung (vollständige Abwicklung aller Rechts¬verhältnisse) fungiert grundsätzlich der vormalige Geschäftsführer als "geborener Liquidator"(VwGH 23.6.1993, 91/15/0157; 17.12.1993, 92/15/0121; UFS 17.12.2008, RV/0527-K/06; UFS 12.3.2009, RV/0292-K/07; UFS 23.5.2011, RV/2748-W/09). An ihn können an die Gesellschaft adressierte Erledigungen bis zur Bestellung eines Liquidators noch zugestellt werden.
Der Auflösung folgt i.d.R. die Liquidation oder Abwicklung (§ 89 GmbHG). Während dieser Zeit wird eine Kapitalgesellschaft gemäß § 93 GmbHG durch die im Firmenbuch eingetragenen Liquidatoren oder Abwickler vertreten. Nach Beendigung der Liquidation und Entlastung der Liquidatoren erfolgt die Löschung im Firmenbuch. Mit ihr endet auch das Liquidatorenamt. Sollten in weiterer Folge noch Bescheide an die im Firmenbuch gelöschte Gesellschaft erlassen werden, regelt § 80 Abs. 3 BAO, dass Zustellungsvertreter einer gelöschten GmbH nach Beendigung der Liquidation ist, wer gemäß § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war. Die Vertreterstellung des Verwahrers betrifft insbesondere Außenprüfungen (§ 147 Abs. 1) sowie offene Rechtsmittelverfahren (vgl. Ritz BAO5, Rz. 10 ff, zu § 80 BAO). Die Vertretungsregelung des § 80 Abs. 3 BAO erfasst nur jene Fälle, in denen eine Liquidation nach § 89 GmbHG stattgefunden hat.
Nachdem im gegenständlichen Fall der Geschäftsführer der Bf zum Liquidator der Gesellschaft und mit Gesellschafterbeschluss vom 15. Juni 2022 zum Verwahrer der Bücher und Schriften der Gesellschaft für die gesetzlich vorgeschriebene Dauer bestellt wurde, ist dieser als Zustellvertreter der zwar bereits gelöschten, jedoch noch nicht handlungsunfähigen Gesellschaft anzusehen. Das gegenständliche Erkenntnis war daher an die Bf zu Handen des ***1** als Vertreter gemäß § 80 Abs. 3 BAO, zuzustellen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt und sich die Entscheidung auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützt, ist eine Revision nicht zulässig.
Klagenfurt am Wörthersee, am 4. Februar 2025