IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende ***V***, den Richter ***R*** sowie die fachkundigen Laienrichter Leopold Pichlbauer und Mag. Peter Neumann in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***RA***, über die Beschwerde vom 11. März 2024 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 13. Februar 2024, mit dem der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 12. Dezember 2022 zurückgewiesen wurde, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11. Juni 2025 in Anwesenheit der Schriftführerin Kerstin Nicole Schinagl zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid vom 02.03.2022 hat das Finanzamt gemäß § 9 iVm §§ 80ff BAO die Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma ***A*** GmbH in Höhe von 30.609,60 € gegenüber dem Beschwerdeführer geltend gemacht.
Mit Schreiben vom 12.12.2022 wurde mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer Herrn ***RA***, die Vertretungsvollmacht einschließlich Zustellvollmacht erteilt habe. Gleichzeitig wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §§ 308 ff BAO eingebracht. Im selben Schreiben wurde auch die Zustellung des Haftungsbescheides vom 02.03.2022, die Einstellung der Vollstreckung, die Aussetzung der Einhebung sowie die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat beantragt und Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom 02.03.2022 eingebracht.Begründend wurde im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass der Haftungsbescheid vom 02.03.2022 nicht in Rechtskraft erwachsen sei. Am 08.03.2022 soll versucht worden sein, den Haftungsbescheid dem Beschwerdeführer persönlich iSd § 13 ZustellG in der ***Adr***, zuzustellen. Wegen Nichtantreffens des Beschwerdeführers bzw. eines potenziellen Ersatzempfängers iSd § 16 ZustellG soll noch am selben Tag dort eine Verständigung der Hinterlegung im Postkasten erfolgt sein. Es sei jedoch keine schriftliche Verständigung iSd § 17 Abs. ZustellG hinterlassen worden. Der Beschwerdeführer sei an diesem Tag nicht in der ***Adr***, gewesen, das Postfach sei von seiner Mutter ***M*** ausgeräumt worden. Diese könne bezeugen, dass am verfahrensgegenständlichen Tag keine wie immer geartete Verständigung iSd § 17 Abs. 2 ZustellG im Postfach hinterlegt worden sei. Es werde beantragt, den Beschwerdeführer und Frau ***M*** als Zeugen zu laden und dazu einzuvernehmen.Von der Existenz des verfahrensgegenständlichen Haftungsbescheides habe der Beschwerdeführer erst durch einen Lohnpfändungsbescheid, der seinem Arbeitgeber zugestellt worden sei, und darauffolgend genauer durch Akteneinsicht des ausgewiesenen Rechtsvertreters Kenntnis erlangt.Der Wiedereinsetzungsantrag werde eventualiter gestellt, weil der Antragsteller davon ausgehe, dass der den Fristlauf auslösende Haftungsbescheid nicht rechtswirksam zugestellt worden sei. Ausgehend von einem allfällig gesetzmäßig bewirkten Zustellvorgang sei die Unkenntnis ein Ereignis iSd § 308 Abs. 1 BAO.Der Antragsteller habe von einem Hinterlegungsvorgang nicht Kenntnis erlangt, sodass ihn an einer allfälligen Fristversäumnis kein wie immer geartetes Verschulden treffen würde. Die Nichteinhaltung einer Frist ohne Kenntnis eines allfälligen Beginns eines Fristenlaufes könne kein Verschulden begründen. Zum Beweis für die unverschuldete Unkenntnis des behaupteten Zustellvorgangs werde die Einvernahme des Antragstellers sowie der Zeugin ***M***, ***Adr***, beantragt.Zumal der Antrag fristgerecht iSd § 308 BAO erfolge, werde der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumnis der Frist zur Erhebung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid vom 02.03.2022 gestellt.Zugleich werde die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und Beschwerde gegen den Haftungsbescheid erhoben.
Mit Bescheid vom 13.02.2024 wies das Finanzamt den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 12.12.2022 zurück.Begründend wurde ausgeführt, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde, bei der die Frist wahrzunehmen gewesen sei, eingebracht werden müsse. Im Fall der Versäumung einer Frist habe der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen.Es werde behauptet, dass der Beschwerdeführer die Hinterlegungsnachricht vom 08.03.2022 bezüglich des Haftungsbescheides nicht erhalten habe und somit keine Kenntnis über das Haftungsverfahren bis zum 26.09.2022 (Kenntnis der Lohnpfändung) gehabt hätte. Dem sei entgegenzuhalten, dass dem Beschwerdeführer bereits am 01.02.2022 eine Hinterlegungsmeldung zum Haftungsvorhalt vom 27.01.2022, am 08.03.2022 eine Hinterlegungsanzeige zum Haftungsbescheid sowie am 08.04.2022 eine Kopie des Haftungsbescheides mit normalem Kuvert und die Haftungsmahnung vom 31.05.2022 zugestellt worden seien. Da weder die normal versendete Kopie des Haftungsbescheides noch die Haftungsmahnung an die Behörde zurückgeschickt worden seien, sei davon auszugehen, dass diese auch zugestellt worden seien.Es sei nicht glaubwürdig, dass der Beschwerdeführer erst am 26.09.2022 Kenntnis von der Haftungsschuld erlangt habe. Somit sei der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht binnen drei Monaten eingebracht worden und daher zurückzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 11.03.2024 wurde gegen den Bescheid vom 13.02.2024 das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht. Es sei nicht maßgeblich, ob dem Beschwerdeführer irgendwelche Mahnungen oder Kopien übermittelt worden seien. Maßgeblich sei ausschließlich die Beurteilung der Frage, wann der Beschwerdeführer Kenntnis vom Haftungsbescheid erlangt habe. Da der Beschwerdeführer keine Nachricht von der Hinterlegung erhalten habe, sei der Haftungsbescheid bis zum heutigen Tag nicht rechtswirksam zugestellt worden. Vom angeblich rechtskräftigen Haftungsbescheid habe der Beschwerdeführer erst durch die Lohnpfändung am 26.09.2022 Kenntnis erlangt. Es sei irrelevant, ob der Beschwerdeführer allenfalls bereits zuvor Kenntnis gehabt habe, dass möglicherweise ein Haftungsbescheid auf ihn zukommen würde.Es werde der Antrag gestellt, das Bundesfinanzgericht möge der Beschwerde dahingehend Folge geben, dass der eventualiter gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §§ 308 ff BAO bewilligt werde.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 09.04.2024 wurde die Beschwerde vom 12.03.2024 als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde auf die Begründung des Bescheides vom 13.02.2024 verwiesen.
Mit Schreiben vom 22.04.2024 wurde die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht sowie auf Senatsbesetzung und Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Mit Bericht vom 01.07.2024 legte das Finanzamt die gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Es werde die Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdeführer habe jedenfalls zumindest seit April 2022 durch die neuerliche Versendung des Haftungsbescheides am 08.04.2022 (Kuvert sei nicht retourniert worden) Kenntnis über das Haftungsverfahrens. Weiters sei am 31.05.2022 eine Haftungsmahnung versandt worden (auch diese sei nicht zurückgekommen). Somit sei der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 12.12.2022 nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten gestellt worden.
Mit Schreiben vom 19.12.2024 ersuchte das Bundesfinanzgericht die zuständige Postfiliale um Auskunft, in welcher Form an der Adresse ***AdrBF***, die Verständigung über einen Zustellvorgang erfolgen würden, ob über die Zustellung des Schriftstückes vom 02.03.2022 am 08.03.2022 Details erinnerlich seien und ob es Beschwerden des Beschwerdeführers über Probleme mit der Postzustellung gegeben habe. Schließlich wurde um Stellungnahme zur Behauptung des Beschwerdeführers ersucht, wonach er auch Schriftstücke, die ohne Zustellnachweis verschickt worden seien, nicht erhalten habe.
Am 22.01.2025 langte beim Verwaltungsgericht eine schriftliche Stellungnahme des Zustellorgans ein, wonach die Verständigung über den Zustellvorgang in der vorgesehenen Form entsprechend den geltenden Dienstvorschriften erfolgt sei. Details über die Zustellung des Schriftstückes vom 02.03.2022 seien aufgrund des langen Zeitraumes nicht mehr erinnerlich. Auch ob der Beschwerdeführer Beschwerden über Probleme mit der Postzustellung geäußert habe, könne nicht mehr mit Sicherheit gesagt werden. Bezüglich der Behauptung des Beschwerdeführers, er habe auch Schriftstücke ohne Zustellnachweis nicht erhalten, sei anzumerken, dass eine Überprüfung der ordnungsgemäßen Versendung und des tatsächlichen Zuganges ohne Zustellnachweis nicht möglich sei. Aufgrund des erheblichen Zeitablaufes könne sich das Zustellorgan nicht mehr erinnern, ob möglicherweise Schriftstücke ohne Zustellnachweis nicht zugestellt worden seien.
Zur Wahrung des Parteiengehörs wurde die Stellungnahme in Zusammenhang mit der Postzustellung mit Schreiben vom 23.01.2025 den Parteien übermittelt übermittelt.Das Schreiben wurde bislang keiner Beantwortung zugeführt.
Mit Schreiben vom 06.05.2025 wurden folgende Fragen an die Zeugin ***M*** gerichtet und um Beantwortung binnen zwei Wochen ab Zustellung ersucht:1. Waren Sie am 08.03.2022 an der Adresse ***AdrBF***, anwesend? 2. Haben Sie an diesem Tag den Postkasten entleert? 3. War eine Hinterlegungsanzeige, die Ihren Sohn ***Bf1*** betraf, im Postkasten? Haben Sie diese Hinterlegungsanzeige Ihrem Sohn ausgehändigt? 4. Gab es an der Adresse ***AdrBF***, öfter Schwierigkeiten mit der Postzustellung? Gingen Poststücke verloren? Können Sie Beispiele dafür nennen? Haben sich Sie oder Ihr Sohn diesbezüglich bei der zuständigen Postfiliale beschwert? Ist Ihnen von anderen Bewohnern des Hauses bekannt, dass es Problem mit der Postzustellung gab? Wenn ja, können Sie Namen nennen? 5. Ist ihr Postkasten jemals aufgebrochen oder beschädigt worden? Wenn ja, wann?
Am 28.05.2025 langte das Antwortschreiben der Zeugin ***M*** beim Bundesfinanzgericht ein. Nach drei Jahren könne sich die Zeugin nicht mehr erinnern, ob sie am 08.03.2022 anwesend gewesen sei und den Postkasten entleert habe. Mit Sicherheit könne sie sagen, dass sich im März 2022 keine Hinterlegungsanzeige im Postkasten befunden habe. Hätte sich eine Hinterlegungsanzeige im Postkasten befunden, hätte die Zeugin diese ihrem Sohn ausgehändigt. Das Schriftstück wäre dann auch von ihm angeholt worden.Die Frage, ob Poststücke verloren gegangen seien, könne die Zeugin nicht beantworten. Bei der Postfiliale habe sie sich nicht beschwert, da sie nicht gewusst hätte, welche Poststücke verlorengegangen seien. Sie habe sich auch nie mit Nachbarn über die Post unterhalten. Der Postkasten sei nicht beschädigt worden.Im Nachhinein habe die Zeugin erfahren, dass es um einen Bescheid des Finanzamtes über mehr als 30.000,00 € gehe. Das hätte ihr Sohn nie akzeptiert.
Mit Beschluss vom 06.06.2025 zu GZ RV/5100394/2024 wurde die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom 12.12.2022 gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht am 11.06.2025 führte die beschwerdeführende Partei ergänzend aus, dass es verwunderlich sei, dass über den Antrag betreffend Zustellung des Haftungsbescheides nie abgesprochen worden sei. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei lediglich ein Eventualantrag. Dem Einwand des Finanzamtsvertreters, dass aus Sicht des Finanzamtes der Haftungsbescheid bereits rechtskräftig zugestellt worden sei, entgegnete die beschwerdeführende Partei, dass aus ihrer Sicht, die Zustellung nicht richtig erfolgt sei. Es sei eine nichtige Zustellung, es habe eine neuerliche Zustellung zu erfolgen. Seitens des Finanzamtes wurde auf das bisherige Vorbringen verwiesen, wonach der Haftungsbescheid zugestellt worden sei, so wie auch die Kopie desselben.Die beschwerdeführende Partei behauptete, dass sie auch die Kopie nicht erhalten hätte. Abgesehen davon, müsste eine ordnungsgemäße Zustellung immer mit RSb oder RSa erfolgen. Selbst eine allfällige Kenntnis des Inhaltes ersetze keine ordnungsgemäße Zustellung des Haftungsbescheides.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Mit Schreiben vom 27.01.2022 teilte das Finanzamt dem Beschwerdeführer mit, dass die Geltendmachung der Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der ***A*** GmbH beabsichtigt ist. Das Schriftstück wurde am 01.02.2022 durch Hinterlegung zugestellt, nicht behoben und an das Finanzamt retourniert.
Am 02.03.2022 erließ das Finanzamt Österreich den Bescheid, mit dem die Haftung gemäß §§ 9, 80 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma ***A*** GmbH iHv 30.609,60 € gegenüber dem Beschwerdeführer geltend gemacht wurde.
Der Haftungsbescheid wurde laut aktenkundigem Rückschein nach einem Zustellversuch am 08.03.2022 durch Hinterlegung gemäß § 17 ZuStG zugestellt. Der Beginn der Abholfrist ist mit 08.03.2022 beurkundet. Durch Ankreuzen des entsprechenden Kästchens auf dem Rückschein ist ferner dokumentiert, dass eine Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung eingelegt wurde.
Die hinterlegte Sendung wurde nicht behoben und am 29.03.2022 an das Finanzamt Österreich retourniert.
Am 08.04.2022 wurde der Haftungsbescheid in Kopie, diesmal ohne Zustellnachweis, versendet. Das diesbezügliche Kuvert wurde seitens der Post nicht retourniert.
Am 31.05.2022 wurde eine Mahnung in Zusammenhang mit der Haftungsschuld ohne Zustellnachweis versendet. Das diesbezügliche Kuvert wurde seitens der Post nicht retourniert.
Am 26.09.2022 wurde der Lohnpfändungsbescheid dem Arbeitgeber des Beschwerdeführers zugestellt.
Am 12.12.2022 langte der Schriftsatz betreffend Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom 02.03.2022 beim Finanzamt Österreich ein.
Mit Beschluss vom 06.06.2025 zu GZ RV/5100394/2024 wurde die Beschwerde vom 12.12.2022 gegen den Haftungsbescheid vom 02.03.2022 gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.
2. Beweiswürdigung
Der Beschwerdeführer behauptet, es sei in Zusammenhang mit der Zustellung des Haftungsbescheides vom 02.03.2022 keine schriftliche Verständigung iSd § 17 Abs. 2 ZustG in der Abgabeeinrichtung hinterlassen worden. Er selbst sei am 08.03.2022 nicht an der Adresse ***AdrBF*** gewesen. Das Postfach sei von seiner Mutter ausgeräumt worden, die bezeugen könne, dass am verfahrensgegenständlichen Tag keine wie immer geartete Verständigung iSd § 17 Abs. 2 ZuStG im Postfach hinterlegt worden sei.
Das Verwaltungsgericht geht gemäß § 167 Abs. 2 BAO unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung davon aus, dass diese Verständigung in die für die Abgabestelle des Beschwerdeführers bestimmte Abgabeeinrichtung eingelegt wurde. Diese Überzeugung wurde aufgrund der glaubwürdigen Aussage der Zustellerin gewonnen, wonach der Zustellvorgang in der dafür vorgesehenen Form entsprechend den geltenden Dienstvorschriften erfolgt ist.
Darüber hinaus liegt ein von der Zustellerin der Post ordnungsgemäß ausgestellter Rückschein über die Zustellung des Haftungsbescheides vor. Dem Rückschein ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass der Zustellversuch am 08.03.2022 stattgefunden hat. Da dieser erfolglos war und das Zustellorgan Grund zur Annahme hatte, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, füllte es die Verständigung über die Hinterlegung aus. Daraus ist ersichtlich, dass das Dokument beim Postamt 4030 am 08.03.2022 hinterlegt und ab diesem Datum zur Abholung bereitgehalten wurde.
Der Beweis, dass eine Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, wird durch den eine öffentliche Urkunde darstellenden Zustellnachweis (Rückschein) erbracht, gegen den jedoch der Gegenbeweis zulässig ist. Behauptet jemand, es liege ein Zustellmangel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet sind. (vgl. Rechtssatznummer 4 zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.11.2016, 2013/05/0175).
Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, die Zustellung sei mangelhaft gewesen, weil keine schriftliche Verständigung von der Hinterlegung an der Abgabeeinrichtung hinterlassen worden sei, was auch die Mutter des Beschwerdeführers bezeugen könne, ist darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf § 17 Ab. 4 ZuStG weder eine Beschädigung noch die Entfernung der Hinterlegungsanzeige durch andere Personen Einfluss auf die Gültigkeit der Zustellung hat. Darin kann allenfalls ein Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen. Die Unwirksamkeit der Zustellung kann daraus nicht abgeleitet werden (vgl. Rechtssatznummer 3 zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes VwGH vom 13.10.2016, Ra 2015/08/0213).
Dass das Zustellorgan überhaupt keine Hinterlegungsanzeige ausgestellt bzw. diese nicht an der Abgabeeinrichtung hinterlassen hätte, kann nicht mit den glaubwürdigen Ausführungen der Zeugin ***Z1*** in Einklang gebracht werden. Es gibt keinen logischen Grund dafür, dass das Zustellorgan den Zustellnachweis ordnungsgemäß ausstellt und ihn dann nicht an der Abgabeeinrichtung hinterlässt. Dass kein Zustellnachweis hinterlassen wurde, konnte auch die Zeugin ***M*** nicht bezeugen. Dafür hätte sie im Zeitpunkt des Zustellversuches neben dem Zustellorgan stehen und sehen müssen, dass es sich nach erfolglosem Zustellversuch ohne eine Verständigung in den Briefkasten einzulegen von der Abgabestelle entfernt. Derartiges wird aber nicht behauptet.
Was nun die Behauptung des Beschwerdeführers anlangt, im Postkasten sei am 08.03.2022 keine Hinterlegungsanzeige gewesen, so wird diese von ihm nicht begründet. Der Beschwerdeführer legte nicht dar, ob das Fehlen einer Verständigung über den Zustellvorgang durch ein Versehen des Zustellorgans (was aufgrund der obigen Ausführungen auszuschließen ist) oder durch nachträgliche Entfernung durch Dritte verursacht wurde.Auch die Zeugin ***M*** konnte nur darauf hinweisen, dass sich im März 2022 keine Hinterlegungsanzeige im Postkasten befunden hätte. Da ihrer Aussage nach der Postkasten nicht beschädigt worden war, konnte auch sie nicht erklären, warum die (von der Zustellerin in den Postkasten eingelegte) Hinterlegungsanzeige bei Entleerung des Postkastens dort nicht aufgefunden wurde.
Das Finanzamt hat am 08.04.2022 dem Beschwerdeführer eine Kopie des Haftungsbescheides und am 31.05.2022 eine Mahnung - jeweils ohne Zustellnachweis - geschickt. Dies wurde im Bescheid vom 13.02.2024 (Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages) sowie im Vorlagebericht vom 01.07.2024, dem nach der Judiktur des Verwaltungsgerichtshofes Vorhaltecharakter zukommt, dargelegt. Im gesamten Verfahren wurde nicht behauptet, dass diese Schriftstücke dem Beschwerdeführer nicht zugegangen seien. Erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung behauptete die beschwerdeführende Partei, dass sie die Kopie des Haftungsbescheides nicht erhalten habe. Wäre ihr die Kopie des Haftungsbescheides tatsächlich nicht zugekommen, hätte die beschwerdeführende Partei mit Sicherheit schon in der Beschwerde darauf hingewiesen. Das Finanzamt hat die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages nämlich ua damit begründet, dass eine Kopie des Haftungsbescheides übermittelt worden sei. Es wäre also auf der Hand gelegen, dass die beschwerdeführende Partei in der Beschwerde darauf hingewiesen hätte, dass sie die Kopie nicht erhalten habe und nicht nur darauf, dass es nicht maßgeblich sei, ob dem Beschwerdeführer irgendwelche Mahnungen oder Kopien übermittelt worden seien. Wenn dann im Rahmen der mündlichen Verhandlung schließlich behauptet wird, der Beschwerdeführer habe die Kopie des Haftungsbescheides nicht erhalten, so sieht der Senat darin eine bloße Schutzbehauptung.
Es wurde auch nicht behauptet, dass es grundsätzlich Schwierigkeiten mit der Postzustellung gegeben hätte. Beim zuständigen Postamt sind keine derartigen Beschwerden evident. Die Poststücke sind auch nicht (wegen Unzustellbarkeit) an das Finanzamt zurückgeschickt worden. Es wurde auch nicht behauptet, dass es grundsätzlich Schwierigkeiten mit der Postzustellung gegeben hätte. Beim zuständigen Postamt sind keine derartigen Beschwerden evident. Die Zeugin ***M*** hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass sie nicht wisse, ob Poststücke verloren gegangen seien, daher habe sie auch keine diesbezügliche Beschwerde beim Postamt eingebracht. Diese Aussage lässt aber darauf schließen, dass es grundsätzlich keine Probleme mit der Postzustellung gab. Im Normalfall merkt man nämlich, wenn die Post nicht ordnungsgemäß zugestellt wird. So kommt es beispielsweise zu Mahnungen, wenn Rechnungen nicht zugestellt und daher auch nicht bezahlt werden.
Alle Indizien sprechen daher für eine Zustellung dieser Schriftstücke, sodass es das Verwaltungsgericht als erwiesen ansieht, dass die Kopie des Haftungsbescheides und die Mahnung zur Entrichtung der Haftungsschuld in den Postkasten des Beschwerdeführers eingeworfen worden sind. Bei Annahme eines üblichen Postweges sind die Schriftstücke jedenfalls Mitte April 2022 bzw. Mitte Juni 2022 zugestellt worden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
§ 308 BAO lautet:(1) Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 124/2003)(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde (Abgabenbehörde oder Verwaltungsgericht), bei der die Frist wahrzunehmen war bzw. bei der die Verhandlung stattfinden sollte, eingebracht werden. Bei Versäumnis einer Beschwerdefrist (§ 245) oder einer Frist zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 264) gilt § 249 Abs. 1 dritter Satz sinngemäß. Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen.(4) Wenn die Zuständigkeit zur Abgabenerhebung auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen ist, kann der Antrag unter gleichzeitiger Nachholung der versäumten Handlung auch bei der Abgabenbehörde eingebracht werden, die im Zeitpunkt der Antragstellung zur Abgabenerhebung zuständig ist.(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. Nr. 680/1994)
Ein Ereignis ist dann "unvorhergesehen", wenn die Partei es nicht einberechnet hat und seinen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die ihr zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte. Es ist "unabwendbar", wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht verhindern konnte, auch wenn sie dessen Eintritt voraussah. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit nicht die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Die Einhaltung von Rechtsmittelfristen erfordert von der Partei und ihrem Vertreter größtmögliche Sorgfalt.
Ob im Beschwerdefall ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist den Haftungsbescheid vom 02.03.2022 betreffend zulässig ist, hängt davon ab, ob die Heranziehung zur Haftung überhaupt bescheidwirksam wurde. Eine Voraussetzung für einen berechtigten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand iSd § 308 BAO ist nämlich das Versäumen einer Frist. Soweit das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei darauf hinausläuft, dass ein Zustellmangel vorliegt, weil beim Zustellvorgang des erstinstanzlichen Bescheides von der Zustellerin keine Verständigung von der Hinterlegung an der Abgabestelle zurückgelassen worden wäre, so läge bei Zutreffen dieser Behauptung ein Zustellmangel vor. Eine Hinterlegung ohne schriftliche Verständigung oder eine fehlerhafte derartige Verständigung entfaltet keine Rechtswirksamkeit (VwGH 12.11.1996, 95/19/0392). Wenn der Haftungsbescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt worden wäre, wäre jedoch die Beschwerdefrist gar nicht versäumt worden. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer nicht versäumten Frist ist aus dem Gesetz nicht ableitbar. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand würde bereits aus diesem Grund nicht in Frage kommen.
Dass der Haftungsbescheid vom 02.03.2022 entsprechend den Vorschriften des § 17 ZustellG durch Hinterlegung am 08.03.2022 rechtswirksam zugestellt wurde, wurde jedoch bereits im Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom 06.06.2025, RV/5100394/2024, festgestellt und wird diesbezüglich auf diese Entscheidung verwiesen.
Die Unkenntnis von einer gesetzmäßigen Zustellung kann jedoch ein Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sein, der vom Beschwerdeführer jedoch nicht nur zu behaupten, sondern vielmehr durch taugliche Bescheinigungsmittel glaubhaft zu machen ist.
Der diesbezügliche Antrag muss binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde, bei der die Frist wahrzunehmen war, eingebracht werden.
Als Hindernis iSd § 308 Abs. 3 BAO ist jenes Ereignis iSd § 308 Abs. 1 BAO zu verstehen, das die Fristeinhaltung verhindert hat. Besteht das unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis in einem Irrtum, so fällt dieses Hindernis bereits dann weg, sobald die Partei (oder ihr Vertreter) diesen Irrtum als solchen erkennen konnte und musste. Für den Lauf der Wiedereinsetzungs-frist kommt es somit auf den Zeitpunkt der zumutbaren Erkennbarkeit des Irrtums an, also auf den Wegfall des Irrtums oder der Umstände, unter denen er nicht in einer der Wiedereinsetzung entgegenstehenden Weise - somit bei Vorliegen eines den minderen Grad übersteigenden Versehens - vorwerfbar ist. (VwGH 14.12.2023, Ra 2020/13/0101)
Zu beurteilen ist daher, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht worden sei. Fristrelevant ist dabei, wann der Beschwerdeführer die Fristversäumung erkennen konnte und musste; es kommt auf den Zeitpunkt der zumutbaren Erkennbarkeit des Irrtums an. Maßgebend ist sohin, zu welchem Zeitpunkt der beschwerdeführenden Partei bei Anwendung pflichtgemäßer Aufmerksamkeit die Erkennbarkeit der Zustellung des Haftungsbescheides vom 02.03.2022 zuzumuten gewesen ist. Ab Kenntnis des Zustellvorganges ist die Partei nämlich in die Lage versetzt, durch geeignete Handlungen (zB Akteneinsicht) die Unkenntnis vom Inhalt des Bescheides zu beenden.
Am 01.02.2022 wurde der Vorhalt vom 27.01.2022 betreffend geplanter Haftungsinanspruchnahme durch Hinterlegung zugestellt. Das Finanzamt hat am 08.04.2022 dem Beschwerdeführer eine Kopie des Haftungsbescheides und am 31.05.2022 eine Mahnung geschickt. Im gesamten Verfahren wurde nicht behauptet, dass der Vorhalt vom 27.01.2022 und die Mahnung vom 31.05.2022 dem Beschwerdeführer nicht zugegangen seien. Die beschwerdeführende Partei weist lediglich darauf hin, dass es nicht maßgeblich sei, ob Kopien oder Mahnungen übermittelt worden seien. Dem ist insofern zuzustimmen, als dadurch keine rechtskräftige Zustellung des Haftungsbescheides vom 02.03.2022 bewirkt werden kann. Das ist auch nicht notwendig, zumal die rechtskräftige Zustellung bereits am 08.03.2022 bewirkt worden war (vgl. Ausführungen oben bzw. im Beschluss zu RV/5100394/2024). Die von Finanzamt durchgeführten Maßnahmen sind jedoch geeignet, dass der Beschwerdeführer bei Anwendung pflichtgemäßer Aufmerksamkeit erkennen hätte können und müssen, dass ihm ein Haftungsbescheid zugestellt worden ist. Wenn er die Kopie eines Haftungsbescheides erhält und nach etwas weniger als zwei Monaten gemahnt wird, die Haftungsschuld zu entrichten, muss für ihn zweifelsfrei ersichtlich gewesen sein, dass das Finanzamt die Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der ***A*** GmbH geltend gemacht hat, was bereits mit Vorhalt vom 27.01.2022 angekündigt worden war. Das Ignorieren dieser Indizien für die Zustellung eines Haftungsbescheides stellt ein Verschulden dar, das über einen minderen Grad des Versehens deutlich hinausgeht.
Zusammenfassend bedeutet das, dass für den Beschwerdeführer spätestens Mitte Juni 2022 (Zustellung der Mahnung) erkennbar gewesen ist, dass das Finanzamt über einen entsprechenden Titel verfügt, das heißt, dass ein Haftungsbescheid zugestellt worden ist.
Der mit Schreiben vom 12.12.2022 eingebrachte Wiedereinsetzungsantrag wurde somit jedenfalls nicht innerhalb der gesetzlich normierten Frist von drei Monaten eingebracht.
Der Spruch des Finanzamtes erweist sich damit als richtig, weshalb die hier anhängige Beschwerde - wie im Spruch ersichtlich - als unbegründet abzuweisen war.
3.2. Zu Spruchpunkt II.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.Das Bundesfinanzgericht folgt in seiner Entscheidung der dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Die Revision ist daher nicht zulässig.
Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Linz, am 11. Juni 2025