IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 20. Juni 2024 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 7. Juni 2024 betreffend Zwangsstrafen 2024 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Es wird auf den Verfahrensgang der Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: Bf) zur Hauptsache bzgl der Einkommensteuer 2021 zu RV/7102786/2024 verwiesen.
Weiters wird ausgeführt:
Seitens der belangten Behörde wurde die Bf zur Vorbereitung der Vorlage des Beschwerdeverfahrens an das Bundesfinanzgericht noch im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens mit Schreiben vom 21.11.2023 (mittels Databox) ersucht, bis zum 14.12.2023 bekannt zu geben, warum die Ausbildung ihres Sohnes in Graz erfolge, da sie auch an Standorten in Wien angeboten werde. Diese Ermittlungsschritte wurden jedoch abermals nicht fristgerecht durch die Bf beantwortet.
Mit Schreiben vom 04.03.2024 (mittels RSb hinterlegt am 20.03.2024) erging eine Erinnerung an das Ergänzungsersuchen vom 21.11.2023. Darin wurde der Bf eine weitere angemessene Frist zur Beantwortung bis zum 18.03.2024 eingeräumt sowie die Konsequenz, die Festsetzung einer Zwangsstrafe in der Höhe von 150,00 Euro, angedroht. Diesem Schreiben wurde von der Bf wieder nicht fristgerecht nachgekommen, lediglich wurde ein kurzes Mail am 29.03.2024 übermittelt, mit der Bitte um Fristerstreckung von weiteren 4 Wochen. Da auch diese weitere von der Behörde genehmigte Frist von der Bf nicht eingehalten wurde, erließ das Finanzamt mit 07.06.2024 den Bescheid über die Festsetzung einer Zwangsstrafe in der Höhe von 150,00 Euro und setzte erneut eine Frist zur Beantwortung mit 28.06.2024. Durch diesen Bescheid vom 07.06.2024 und der dazu ergangenen Beschwerde durch die Bf ergab sich ein weiteres, nämlich gegenständliches, Verfahren der Bf für die von der belangten Behörde verhängte Zwangsstrafe in der Höhe von 150,00 Euro. Die vorgelagerten Ermittlungsschritte der belangten Behörde blieben bis zum heutigen Tage unbeantwortet.
Mit 20.06.2024 brachte die Bf via FinanzOnline eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 07.06.2024 ein und gab an, dass diese eine "ZO-Belastung" ausgewiesen gesehen habe auf ihrem Abgabenkonto, ihr eine solche "ZO-Androhung" sowie auch der "ZO-Bescheid" nicht zugegangen seien. Auch wäre ihr keine Abgabenerklärung bekannt, deretwegen sie eine solche "ZO-Androhung/Festsetzung" erhalten hätte.
Am 22.07.2024 erließ die belangte Behörde die Beschwerdevorentscheidung und wies die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend gab die Behörde an, dass die Zwangsstrafe im Schreiben vom 04.03.2025 mangels Beantwortung von Ergänzungsersuchen angedroht wurde und in weiterer Konsequenz nach Nichteinhaltung der Fristen für die Beantwortung auch festgesetzt habe.
Im Vorlageantrag vom 28.08.2024 wurde von der Bf angeführt, dass die belangte Behörde den Vorlageantrag in der Hauptsache wegen der Einkommensteuer 2021 noch nicht an das Bundesfinanzgericht vorgelegt hätte und somit "schlichtweg ignoriert" habe. "Mit dem (leider ignorierten) Vorlageantrag in der Hauptsache geht das gesamte Verfahren an das BFG über und die belangte Behörde ist somit nicht mehr zuständig. Die Verhängung einer Ordnungsstrafe (Anmerkung Gericht: gemeint ist hier wohl die Zwangsstrafe) ist daher ebenfalls rechtswidrig erfolgt."
Die Beschwerde wurde mit Vorlagebericht vom 28.01.2025 an das Bundesfinanzgericht vorgelegt.
Der Antrag zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde in gegenständlichem Beschwerdeverfahren gem § 274 Abs 1 Z 1 lit b BAO im Vorlageantrag gestellt.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde mit Ladung vom 28.07.2025 für den 30.09.2025 ausgeschrieben. Die Ladung wurde der belangten Behörde elektronisch, der Bf mittels RSb postalisch übermittelt. Die postalische Ladung der Bf erfolgte am (laut Zentralen Melderegister) Hauptwohnsitz, hinterlegt wurde diese Ladung am Nebenwohnsitz.
Zur mündlichen Verhandlung ist der Vertreter der belangten Behörde erschienen. Die Bf bzw ein Vertreter der Bf ist nicht zur Verhandlung erschienen.
Die mündliche Verhandlung fand somit in Abwesenheit der Bf statt. Nach kurzer Wiedergabe des Verfahrensganges, gab es ein kein weiteres Vorbringen der belangten Behörde.
Die belangte Behörde beantragte in der mündlichen Verhandlung weiterhin die Abweisung der Beschwerde.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Zum Nichterscheinen der Bf zur mündlichen Verhandlung war festzustellen, dass die Ladung am Nebenwohnsitz hinterlegt wurde. Die Ladung wurde dem Bundesfinanzgericht nicht als nichtbehoben zurück übermittelt. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 30.09.2025 gilt somit gem § 17 ZustellG als zugestellt.
Festgestellt werden kann aus den aktenkundigen Unterlagen, dass die Bf mehrere Ergänzungsersuchen der belangten Behörde nicht beantwortet hat. Mittels hybrider Rückscheine in finanzinternen Datenbanken konnte vom Gericht festgestellt werden, dass die Schreiben der Behörde vom 04.03.2024 (Erinnerung Ergänzungsersuchen und Androhung Zwangsstrafe) am 20.03.2024, vom 07.06.2024 (Bescheid über die Festsetzung einer Zwangsstrafe) am 26.06.2024 und vom 22.07.2024 (Beschwerdevorentscheidung) am 19.08.2024 von der Bf abgeholt und somit zugestellt wurden.
Jene oa, nicht beantworteten Ergänzungsersuchen sowie die Androhung der Zwangsstrafe wurden jedoch erst im Rahmen des zur Hauptsache RV/7102786/2024 stattfindenden Rechtsmittelverfahrens der Bf zugestellt. Die Verhängung der Zwangsstrafe erfolgte zur Durchsetzung der amtswegigen Erforschung und Ermittlung nach Einbringung einer Bescheidbeschwerde gem § 243 BAO.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den aktenkundigen Unterlagen in gegenständlichem Beschwerdeverfahren und aus jenen Unterlagen im Verfahren zu RV/7102786/2024 sowie weiteren Ermittlungen in finanzinternen Datenbanken durch das Bundesfinanzgericht.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
§ 111 BAO lautet auszugsweise:
(1) Die Abgabenbehörden sind berechtigt, die Befolgung ihrer Anordnungen zur Erbringung von Leistungen, die sich wegen ihrer besonderen Beschaffenheit durch einen Dritten nicht bewerkstelligen lassen, durch Verhängung einer Zwangsstrafe zu erzwingen. Zu solchen Leistungen gehört auch die elektronische Übermittlung von Anbringen und Unterlagen, wenn eine diesbezügliche Verpflichtung besteht.
(2) Bevor eine Zwangsstrafe festgesetzt wird, muß der Verpflichtete unter Androhung der Zwangsstrafe mit Setzung einer angemessenen Frist zur Erbringung der von ihm verlangten Leistung aufgefordert werden. Die Aufforderung und die Androhung müssen schriftlich erfolgen, außer wenn Gefahr im Verzug ist.
Die Abgabenbehörde ist nach § 111 Abs 1 BAO dazu befugt, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zu erzwingen. Zweck der Zwangsstrafe ist es insbesondere, die Partei zur Erfüllung ihrer abgabenrechtlichen Pflichten zu verhalten (VwGH 15.12.2022, Ra 2022/13/0023 unter Verweis auf VwGH 26.03.2014, 2013/13/0022). Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Einreichung von Abgabenerklärungen eine mittels Zwangsstrafe nach § 111 BAO erzwingbare Leistung dar (VwGH 26.03.2014, 2013/13/0022; VwGH 24.05.2007, 2006/15/0366; VwGH 19.04.2018, Ra 2016/15/0030 unter Verweis auf VwGH 28.10.1998, 98/14/0091).
Eine gesetzliche Befugnis der Abgabenbehörde ergibt sich auch aus § 143 BAO (VwGH 12.06.2024, Ra 2023/13/0017). Gemäß § 143 BAO ist die Abgabenbehörde berechtigt, Auskunft über alle für die Erhebung von Abgaben maßgebenden Tatsachen zu verlangen. Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung schließt die Verbindlichkeit in sich, Urkunden und andere schriftliche Unterlagen, die für die Feststellung von Abgabenansprüchen von Bedeutung sind, vorzulegen oder die Einsichtnahme in diese zu gestatten.
Die Aufforderung zur Vorlage von Büchern, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren, sonstigen Schriften und Urkunden gem § 138 Abs 2 BAO (Stoll, BAO-Kommentar, 1196) bzw die Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen zur Durchführung einer abgabenbehördlichen Prüfung (VwGH 28.02.1989, 86/14/0033; Ritz, BAO2, § 111 Tz 2) fällt damit unter die auf Grund gesetzlicher Befugnisse nach § 111 Abs 1 BAO getroffenen Anordnungen (VwGH 22.02.2000, 96/14/0079).
Gem § 161 Abs 1 BAO hat die Abgabenbehörde (bei der Prüfung der Abgabenerklärungen) tunlichst durch schriftliche Aufforderung zu veranlassen, dass die Abgabepflichtigen unvollständige Angaben ergänzen und Zweifel beseitigen (Ergänzungsauftrag).
Aus den zitierten gesetzlichen Bestimmungen ergibt sich die Verpflichtung, Vorhalte zu beantworten bzw fehlende Unterlagen vorzulegen und der Behörde zuzuleiten. Demzufolge ist dem Finanzamt insofern zuzustimmen, als ein Abgabepflichtiger grundsätzlich auch zur Erfüllung der dem Gebot der Offenlegung dienenden Vorhaltsbeantwortung bzw Vorlage von Unterlagen - als gesetzlich angeordnete unvertretbare Handlungen - im Wege des § 111 BAO verhalten werden kann (siehe dazu etwa VwGH 19.04.1977, 2331/76; VwGH 28.02.1989, 86/14/0033; VwGH 16.11.1993, 89/14/0139; VwGH 28.10.1998, 98/14/0139).
Eine Einschränkung finden diese Überlegungen insoweit, als nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl VfGH 05.03.1979, B 175/76), welcher sich der Verwaltungsgerichtshof (vgl VwGH 13.02.1991, 90/13/0161; VwGH 18.09.1991, 91/13/0012) auch angeschlossen hat, eine Bf nicht zur Vorlage von der Stützung ihres Beschwerdebegehrens dienenden Beweismitteln mit Zwangsstrafe verhalten werden darf, weil ein solcher Zwang nach Ansicht der Höchstgerichte eine in die Verfassungssphäre reichende Rechtsverletzung bedeute. Keine gesetzliche Bestimmung ermächtige die Behörde, auf die Beschwerdeführer unmittelbaren Druck in Richtung eines Beweises der Beschwerdebehauptungen auszuüben. Die Nichtbeibringung nur der Stützung des Beschwerdebegehrens dienender Beweismittel durch eine Zwangsstrafe zu ahnden, laufe auf eine Bestrafung für die Behauptung der Erweislichkeit des Berufungsvorbringens hinaus; für eine die Rechtsverfolgung derart behindernde Vorgangsweise biete das Gesetz keine Handhabe (vgl dazu auch Ritz, BAO5, § 111 Tz 5; Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 111 E 20 f; Stoll, BAO-Kommentar, Seiten 1204 f; BFG 23.06.2014, RV/3100532/2013).
Wie oben im Verfahrensgang dargestellt wurde, ist die Bf im Zuge des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich der Einkommensteuer 2021 mit Schreiben vom 21.11.2023 ersucht worden, ihr Beschwerdebegehren betreffende Auskünfte zu erteilen und entsprechende Unterlagen bzw ihr Begehren stützende Beweismittel vorzulegen. Nachdem dieses Ergänzungsersuchen trotz Erinnerungsschreiben vom 04.03.2024 bis zur gesetzten Frist unbeantwortet blieb, wurde gegen die Bf wegen dieser Unterlassung - nach entsprechender Androhung - mit Bescheid vom 07.06.2024 die strittige Zwangsstrafe iHv 150,00 Euro verhängt.
Nachdem nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes keine Veranlassung besteht, von der oben angeführten, klaren höchstgerichtlichen Rechtsprechung im Zuge dieses Beschwerdeverfahrens abzuweichen, war im konkreten Fall davon auszugehen, dass die Bf nicht unter Androhung von Zwang zur Vorlage bzw Erstattung von ihr Beschwerdebegehren stützender Unterlagen bzw Auskünften angehalten hätte werden dürfen. Diese abgabenbehördliche Vorgangsweise war mit den Aufgaben der Abgabenbehörde im Rechtsmittelverfahren unvereinbar. Die Abgabenbehörde hätte vielmehr ihren gem § 114 f BAO auferlegten Pflichten mit der (bloßen) Aufforderung, Beweise bzw Unterlagen zu erbringen bzw Auskünfte zu erteilen, genügt. Der Umstand der Nichterbringung von Beweismitteln bzw der Nichterstattung von Auskünften wäre in Ausübung freier Beweiswürdigung gem § 167 BAO entsprechend zu würdigen werden gewesen.
Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Ergänzend wird noch ausgeführt, dass die Verhängung einer Zwangsstrafe im Beschwerdefall zwar überschießend war, es erübrigt sich jedoch ein Eingehen auf die rechtswirksame Zustellung in die Databox der Bf. Es soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass bei einer wirksamen Zustellung einer schriftlichen Aufforderung im Sinne des § 111 Abs 2 BAO die Voraussetzungen für die Verhängung der Zwangsstrafe erfüllt sind, wenn die von der Behörde gesetzte Frist (so sie als angemessen zu qualifizieren ist) bei Erlassung des erstinstanzlichen Bescheids ungenützt verstrichen ist (VwGH 10.08.2010, 2010/17/0082).
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die beschwerdegegenständliche strittige Rechtsfrage wurde im Sinne der oben zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung gelöst und daher war eine ordentliche Revision nicht zuzulassen.
Graz, am 1. Oktober 2025