BundesrechtInternationale VerträgeEuropäisches Übereinkommen über Staatenimmunität

Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität

In Kraft seit 11. Juni 1976
Up-to-date

KAPITEL 1

Immunität von der Gerichtsbarkeit

ARTIKEL 1

Art. 1

(1) Ein Vertragsstaat, der vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats ein Verfahren anhängig macht oder einem solchen als Intervenient beitritt, unterwirft sich für das Verfahren der Gerichtsbarkeit der Gerichte dieses Staates.

(2) Ein solcher Vertragsstaat kann vor den Gerichten des anderen Vertragsstaats für eine Widerklage Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen,

a) wenn sich die Widerklage aus dem Rechtsverhältnis oder aus dem Sachverhalt herleitet, auf die sich die Hauptklage stützt;

b) wenn dieser Staat Immunität von der Gerichtsbarkeit nach diesem Übereinkommen nicht hätte beanspruchen können, wäre vor den Gerichten des anderen Staates eine besondere Klage gegen ihn erhoben worden.

(3) Ein Vertragsstaat, der vor dem Gericht eines anderen Vertragsstaats eine Widerklage erhebt, unterwirft sich der Gerichtsbarkeit der Gerichte dieses Staates sowohl für die Haupt- als auch für die Widerklage.

ARTIKEL 2

Art. 2

Ein Vertragsstaat kann vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn er sich verpflichtet hat, sich der Gerichtsbarkeit dieses Gerichts zu unterwerfen, und zwar

a) durch internationale Vereinbarung,

b) durch ausdrückliche Bestimmung in einem schriftlichen Vertrag oder

c) durch nach Entstehen der Streitigkeit ausdrücklich erklärte Zustimmung.

ARTIKEL 3

Art. 3

(1) Ein Vertragsstaat kann vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn er sich vor Geltendmachung der Immunität zur Hauptsache einläßt. Weist er jedoch nach, daß er von den Tatsachen, auf Grund welcher er Immunität hätte beanspruchen können, erst nachträglich Kenntnis erlangen konnte, so kann er die Immunität beanspruchen, wenn er sich auf diese Tatsachen so bald wie möglich beruft.

(2) Tritt ein Vertragsstaat vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats auf, um Immunität zu beanspruchen, so gilt dies nicht als Verzicht auf die Immunität.

ARTIKEL 4

Art. 4

(1) Vorbehaltlich des Artikels 5 kann ein Vertragsstaat vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn das Verfahren eine von dem Staat in einem nicht völkerrechtlichen Vertrag eingegangene Verpflichtung betrifft und die Verpflichtung im Gerichtsstaat zu erfüllen ist.

(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,

a) wenn der Vertrag zwischen Staaten geschlossen worden ist,

b) wenn die Vertragsparteien schriftlich etwas anderes vereinbart haben,

c) wenn der Vertrag von dem Staat in seinem Hoheitsgebiet geschlossen worden ist und die Verpflichtung des Staates seinem Verwaltungsrecht unterliegt.

ARTIKEL 5

Art. 5

(1) Ein Vertragsstaat kann vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn das Verfahren einen zwischen dem Staat und einer natürlichen Person geschlossenen Arbeitsvertrag betrifft und die Arbeit im Gerichtsstaat zu leisten ist.

(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,

a) wenn die natürliche Person im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens die Staatsangehörigkeit des Staates hat, der ihr Arbeitgeber ist,

b) wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses weder Angehörige des Gerichtsstaats war noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Staat hatte oder

c) wenn die Vertragsparteien schriftlich etwas anderes vereinbart haben, sofern nicht nach dem Recht des Gerichtsstaats dessen Gerichte wegen der Art der Streitigkeit ausschließlich zuständig sind.

(3) Wird die Arbeit für ein Büro, eine Agentur oder eine andere Niederlassung im Sinne des Artikels 7 geleistet, so ist Absatz 2 Buchstaben a und b nur anzuwenden, wenn die natürliche Person im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat hatte, der ihr Arbeitgeber ist.

ARTIKEL 6

Art. 6

(1) Ein Vertragsstaat kann vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn er sich gemeinsam mit einer oder mehreren Privatpersonen an einer Gesellschaft, Vereinigung oder juristischen Person beteiligt, die ihren tatsächlichen oder satzungsmäßigen Sitz oder ihre Hauptniederlassung im Gerichtsstaat hat, und wenn das Verfahren die Beziehungen betrifft, die sich aus dieser Beteiligung zwischen dem Staat einerseits und der Gesellschaft, Vereinigung oder juristischen Person oder weiteren Beteiligten anderseits ergeben.

(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn schriftlich etwas anderes vereinbart worden ist.

ARTIKEL 7

Art. 7

(1) Ein Vertragsstaat kann vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn er im Gerichtsstaat ein Büro, eine Agentur oder eine andere Niederlassung hat, durch die er auf die gleiche Weise wie eine Privatperson eine gewerbliche, kaufmännische oder finanzielle Tätigkeit ausübt, und wenn das Verfahren diese Tätigkeit des Büros, der Agentur oder der Niederlassung betrifft.

(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn alle Streitparteien Staaten sind oder wenn die Parteien schriftlich etwas anderes vereinbart haben.

ARTIKEL 8

Art. 8

Ein Vertragsstaat kann vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn sich das Verfahren bezieht

a) auf ein Patent, ein gewerbliches Muster oder Modell, ein Warenzeichen, eine Dienstleistungsmarke oder ein anderes gleichartiges Recht, das im Gerichtsstaat angemeldet, hinterlegt, eingetragen oder auf andere Weise geschützt ist, wenn der Staat Anmelder, Hinterleger oder Inhaber ist;

b) auf die Behauptung, der Staat habe im Gerichtsstaat ein solches, dort geschütztes und einem Dritten zustehendes Recht verletzt;

c) auf die Behauptung, der Staat habe im Gerichtsstaat ein dort geschütztes und einem Dritten zustehendes Urheberrecht verletzt;

d) auf das Recht zum Gebrauch einer Firma im Gerichtsstaat.

ARTIKEL 9

Art. 9

Ein Vertragsstaat kann vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn sich das Verfahren bezieht

a) auf ein Recht des Staates an unbeweglichem Vermögen, auf den Besitz oder den Gebrauch solchen Vermögens durch den Staat oder

b) auf seine Pflichten, die ihm als Inhaber von Rechten an unbeweglichem Vermögen oder als Besitzer obliegen oder sich aus dem Gebrauch eines solchen Vermögens ergeben,

sofern das unbewegliche Vermögen im Gerichtsstaat gelegen ist.

ARTIKEL 10

Art. 10

Ein Vertragsstaat kann vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn das Verfahren ein Recht an beweglichem oder unbeweglichem Vermögen betrifft, das zu einer Erbschaft oder Schenkung gehört oder erb- oder herrenlos ist.

ARTIKEL 11

Art. 11

Ein Vertragsstaat kann vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaates Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn das Verfahren den Ersatz eines Personen- oder Sachschadens betrifft, das schädigende Ereignis im Gerichtsstaat eingetreten ist und der Schädiger sich bei Eintritt des Ereignisses in diesem Staat aufgehalten hat.

ARTIKEL 12

Art. 12

(1) Hat ein Vertragsstaat schriftlich zugestimmt, daß bestehende oder künftige zivil- oder handelsrechtliche Streitigkeiten einem schiedsrichterlichen Verfahren unterworfen werden, so kann er vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet oder nach dessen Recht das schiedsrichterliche Verfahren stattfinden soll oder stattgefunden hat, Immunität von der Gerichtsbarkeit für kein Verfahren beanspruchen, das

a) die Gültigkeit oder die Auslegung der Schiedsvereinbarung,

b) das schiedsrichterliche Verfahren,

c) die Aufhebung des Schiedsspruchs

betrifft, sofern nicht die Schiedsvereinbarung etwas anderes vorsieht.

(2) Absatz 1 ist auf eine Schiedsvereinbarung zwischen Staaten nicht anzuwenden.

ARTIKEL 13

Art. 13

Artikel 1 Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn ein Vertragsstaat in einem Verfahren, das vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats anhängig und in dem er nicht Partei ist, geltend macht, er habe ein Recht an dem den Gegenstand des Verfahrens bildenden Vermögen, sofern der Staat Immunität hätte beanspruchen können, wäre das Verfahren gegen ihn gerichtet gewesen.

ARTIKEL 14

Art. 14

Dieses Übereinkommen darf nicht so ausgelegt werden, daß es ein Gericht eines Vertragsstaats nur deshalb daran hindert, Vermögenswerte wie etwa ein Treuhandvermögen oder eine Konkursmasse zu verwalten oder dessen Verwaltung zu veranlassen oder zu überwachen, weil ein anderer Vertragsstaat ein Recht an dem Vermögen hat.

ARTIKEL 15

Art. 15

Ein Vertragsstaat kann vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit beanspruchen, wenn das Verfahren nicht unter die Artikel 1 bis 14 fällt; das Gericht muß die Durchführung eines solchen Verfahrens auch dann ablehnen, wenn sich der Staat daran nicht beteiligt.

KAPITEL II

Verfahrensvorschriften

ARTIKEL 16

Art. 16

(1) Die nachstehenden Vorschriften gelten für Verfahren gegen einen Vertragsstaat vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats.

(2) Die zuständigen Behörden des Gerichtsstaats übermitteln

- die Urschrift oder eine Abschrift des das Verfahren einleitenden Schriftstücks,

- eine Abschrift jeder gegen den beklagten Staat ergangenen Versäumungsentscheidung

auf diplomatischem Weg dem Außenministerium des beklagten Staates zur etwaigen Weiterleitung an die zuständige Behörde. Diesen Urkunden ist erforderlichenfalls eine Übersetzung in die Amtssprache oder in eine der Amtssprachen des beklagten Staates beizufügen.

(3) Die Zustellung der in Absatz 2 bezeichneten Urkunden gilt als mit ihrem Eingang beim Außenministerium bewirkt.

(4) Die Fristen zur Beteiligung am Verfahren und die Rechtsmittelfristen bei Versäumungsentscheidungen beginnen zwei Monate nach dem Eingang des das Verfahren einleitenden Schriftstücks oder der Abschrift der Entscheidung beim Außenministerium.

(5) Ist es Sache des Gerichts, die Fristen zur Beteiligung am Verfahren oder die Rechtsmittelfristen bei Versäumungsentscheidungen zu bestimmen, so kann es dem Staat keine Frist setzen, die vor Ablauf von zwei Monaten nach dem Eingang des das Verfahren einleitenden Schriftstücks oder der Abschrift der Entscheidung beim Außenministerium endet.

(6) Beteiligt sich ein Vertragsstaat an dem Verfahren, so gilt dies als Verzicht auf alle Einwendungen gegen die Art der Zustellung des das Verfahren einleitenden Schriftstücks.

(7) Hat sich der Vertragsstaat nicht an dem Verfahren beteiligt, so kann eine Versäumungsentscheidung gegen ihn nur ergehen, wenn festgestellt ist, daß ihm das der Einleitung des Verfahrens dienende Schriftstück nach Absatz 2 übermittelt worden ist und daß die in den Absätzen 4 und 5 vorgesehenen Fristen für die Beteiligung am Verfahren eingehalten worden sind.

ARTIKEL 17

Art. 17

Einem Vertragsstaat darf zur Sicherung der Verfahrenskosten keine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung auferlegt werden, unter welcher Bezeichnung es auch sei, die im Gerichtsstaat nicht von einem Angehörigen dieses Staates oder von einer Person verlangt werden könnte, die dort ihren Wohnsitz oder Aufenthalt hat. Der Staat, der vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats als Kläger auftritt, hat alle ihm auferlegten Verfahrenskosten zu zahlen.

ARTIKEL 18

Art. 18

Gegen einen Vertragsstaat, der in einem Verfahren vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Partei ist, dürfen keine Zwangs- oder Strafmaßnahmen verhängt werden, weil er es ablehnt oder unterläßt, Beweismittel beizubringen. Das Gericht kann jedoch aus einer solchen Ablehnung oder Unterlassung die ihm gerechtfertigt scheinenden Schlüsse ziehen.

ARTIKEL 19

Art. 19

(1) Ein Gericht, vor dem ein Verfahren anhängig ist, in dem ein Vertragsstaat Partei ist, hat auf Antrag einer Partei oder, wenn sein innerstaatliches Recht dies gestattet, von Amts wegen die Klage zurückzuweisen oder das Verfahren auszusetzen, wenn ein anderes auf demselben Sachverhalt beruhendes und denselben Gegenstand betreffendes Verfahren zwischen denselben Parteien

a) vor einem Gericht dieses Vertragsstaats anhängig und als erstes eingeleitet worden ist oder

b) vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats anhängig ist, als erstes eingeleitet worden ist und zu einer Entscheidung führen kann, die der an dem Verfahren beteiligte Staat nach Artikel 20 oder 25 zu erfüllen hätte.

(2) Jeder Vertragsstaat, dessen Recht es den Gerichten gestattet, die Klage zurückzuweisen oder das Verfahren auszusetzen, wenn vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats bereits ein auf demselben Sachverhalt beruhendes und denselben Gegenstand betreffendes Verfahren zwischen denselben Parteien anhängig ist, kann durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation erklären, daß seine Gerichte an Absatz 1 nicht gebunden sind.

KAPITEL III

Wirkungen der Entscheidungen

ARTIKEL 20

Art. 20

(1) Ein Vertragsstaat hat die gegen ihn ergangene Entscheidung eines Gerichts eines anderen Vertragsstaats zu erfüllen,

a) wenn er nach den Artikeln 1 bis 13 Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen konnte und

b) wenn die Entscheidung nicht oder nicht mehr Gegenstand eines Einspruchs gegen eine Versäumungsentscheidung, einer Berufung oder eines anderen ordentlichen Rechtsmittels oder einer Kassationsbeschwerde sein kann.

(2) Ein Vertragsstaat ist jedoch nicht verpflichtet, eine solche Entscheidung zu erfüllen,

a) wenn dies offensichtlich gegen die öffentliche Ordnung dieses Staates verstieße,

b) wenn ein auf demselben Sachverhalt beruhendes und denselben Gegenstand betreffendes Verfahren zwischen denselben Parteien

i) vor einem Gericht dieses Staates anhängig und als erstes eingeleitet worden ist oder

ii) vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats anhängig ist, als erstes eingeleitet worden ist und zu einer Entscheidung führen kann, die der an dem Verfahren beteiligte Staat nach dem Übereinkommen zu erfüllen hätte;

c) wenn die Wirkungen der Entscheidung unvereinbar sind mit denen einer anderen zwischen denselben Parteien ergangenen Entscheidung

i) eines Gerichtes des Vertragsstaats, sofern das Verfahren vor diesem Gericht als erstes eingeleitet worden und diese andere Entscheidung ergangen ist, bevor die Entscheidung die Voraussetzungen des Absatzes 1 Buchstabe b erfüllt hat, oder

ii) eines Gerichtes eines anderen Vertragsstaats, sofern dessen

Entscheidung als erste die in diesem Übereinkommen vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt hat;

d) wenn Artikel 16 nicht eingehalten worden ist und der Staat sich an dem Verfahren nicht beteiligt oder gegen eine Versäumungsentscheidung kein Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Ferner ist ein Vertragsstaat in den in Artikel 10 bezeichneten Fällen nicht verpflichtet, die Entscheidung zu erfüllen,

a) wenn die Gerichte im Gerichtsstaat nicht zuständig gewesen wären, hätten sie die in dem Staat, gegen den die Entscheidung ergangen ist, geltenden Zuständigkeitsvorschriften – mit Ausnahme der Zuständigkeitsvorschriften in der Anlage zu diesem Übereinkommen – entsprechend angewendet;

b) wenn das Gericht wegen der Anwendung eines anderen Rechtes als desjenigen das nach den Regeln des internationalen Privatrechts dieses Staates anzuwenden gewesen wäre, zu einem anderen Ergebnis gekommen ist als demjenigen, zu dem die Anwendung des von diesen Regeln bezeichneten Rechtes geführt hätte.

Ein Vertragsstaat kann sich jedoch auf die Ablehnungsgründe der Buchstaben a und b nicht berufen, wenn er mit dem Gerichtsstaat durch ein Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen verbunden ist und die Entscheidung die Voraussetzungen dieses Abkommens hinsichtlich der Zuständigkeit und gegebenenfalls des anzuwendenden Rechtes erfüllt.

ARTIKEL 21

Art. 21

(1) Ist gegen einen Vertragsstaat eine Entscheidung ergangen und erfüllt er sie nicht, so kann die Partei, die sich auf die Entscheidung beruft, von dem zuständigen Gericht dieses Staates eine Feststellung darüber verlangen, ob die Entscheidung nach Artikel 20 erfüllt werden muß. Wenn sein Recht ihm dies gestattet, kann auch der Staat, gegen den die Entscheidung ergangen ist, das Gericht anrufen.

(2) Vorbehaltlich des Artikels 20 darf das Gericht des betreffenden Staates die Entscheidung in der Sache selbst nicht nachprüfen.

(3) Wird vor einem Gericht eines Staates ein Verfahren nach Absatz 1 eingeleitet,

a) so ist den Parteien in dem Verfahren rechtliches Gehör zu gewähren,

b) so sind die von der Partei, die sich auf die Entscheidung beruft, vorgelegten Urkunden von der Beglaubigung und allen anderen gleichartigen Förmlichkeiten befreit,

c) so darf von der Partei, die sich auf die Entscheidung beruft, wegen ihrer Staatsangehörigkeit, ihres Wohnsitzes oder ihres Aufenthalts weder eine Sicherheitsleistung noch eine Hinterlegung, unter welcher Bezeichnung es auch sei, verlangt werden,

d) so ist die Partei, die sich auf die Entscheidung beruft, zum Armenrecht unter Bedingungen zuzulassen, die mindestens ebenso günstig sind wie diejenigen, die für eigene Staatsangehörige mit Wohnsitz oder Aufenthalt in diesem Staat gelten.

(4) Jeder Vertragsstaat bezeichnet das Gericht oder die Gerichte im Sinne des Absatzes 1 und verständigt davon den Generalsekretär des Europarats bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde.

ARTIKEL 22

Art. 22

(1) Ein Vertragsstaat hat einen Vergleich zu erfüllen, an dem er als Partei beteiligt ist und der in einem Verfahren vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats geschlossen worden ist; Artikel 20 ist auf einen solchen Vergleich nicht anwendbar.

(2) Erfüllt der Staat den Vergleich nicht, so kann von dem in Artikel 21 vorgesehenen Verfahren Gebrauch gemacht werden.

ARTIKEL 23

Art. 23

In einem Vertragsstaat darf gegen das Vermögen eines anderen Vertragsstaats weder eine Zwangsvollstreckung durchgeführt noch eine Sicherungsmaßnahme getroffen werden, außer in dem Fall und in dem Ausmaß, in denen der Staat selbst ausdrücklich in Schriftform zugestimmt hat.

KAPITEL IV

Bestimmungen, deren Annahme freigestellt ist

ARTIKEL 24

Art. 24

(1) Vorbehaltlich des Artikels 15 kann jeder Staat bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde oder jederzeit danach durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation erklären, daß seine Gerichte über die Fälle der Artikel 1 bis 13 hinaus in Verfahren gegen einen anderen Vertragsstaat in demselben Ausmaß wie in Verfahren gegen Nichtvertragsstaaten entscheiden können. Diese Erklärung läßt die Immunität von der Gerichtsbarkeit unberührt, die fremde Staaten hinsichtlich der in Ausübung der Hoheitsgewalt vorgenommenen Handlungen (acta iure imperii) genießen.

(2) Die Gerichte eines Staates, der die Erklärung nach Absatz 1 abgegeben hat, dürfen jedoch in einem Verfahren gegen einen anderen Vertragsstaat nicht entscheiden, wenn ihre Zuständigkeit nur auf einen oder mehrere der in der Anlage zu diesem Übereinkommen bezeichneten Gründe gestützt werden kann, sofern sich der andere Vertragsstaat nicht zu Hauptsache einläßt, ohne die Einrede der mangelnden Zuständigkeit des Gerichts erhoben zu haben.

(3) Auf Verfahren, die nach diesem Artikel gegen einen Vertragsstaat anhängig gemacht werden, ist Kapitel II anzuwenden.

(4) Die Erklärung nach Absatz 1 kann durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation zurückgenommen werden. Die Zurücknahme wird drei Monate nach ihrem Eingang wirksam, berührt aber nicht die vor Ablauf dieser Frist eingeleiteten Verfahren.

ARTIKEL 25

Art. 25

(1) Jeder Vertragsstaat, der die Erklärung nach Artikel 24 abgegeben hat, muß in anderen als den Fällen der Artikel 1 bis 13 die Entscheidung eines Gerichts eines anderen Vertragsstaats, der die Erklärung ebenfalls abgegeben hat, erfüllen,

a) wenn die Voraussetzungen des Artikels 20 Absatz 1 Buchstabe b vorliegen und

b) wenn das Gericht nach den folgenden Absätzen als zuständig anzusehen ist.

(2) Der Vertragsstaat ist jedoch nicht verpflichtet, eine solche Entscheidung zu erfüllen,

a) wenn einer der Ablehnungsgründe des Artikels 20 Absatz 2 vorliegt oder

b) wenn Artikel 24 Absatz 2 verletzt worden ist.

(3) Vorbehaltlich des Absatzes 4 gilt ein Gericht eines Vertragsstaats als zuständig im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe b,

a) wenn seine Zuständigkeit durch eine Vereinbarung anerkannt ist, die zwischen dem Gerichtsstaat und dem anderen Vertragsstaat in Kraft ist,

b) bei Fehlen einer Vereinbarung zwischen den beiden Staaten über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilsachen, wenn die Gerichte im Gerichtsstaat zuständig gewesen wären, hätten sie die in dem Staat, gegen den die Entscheidung ergangen ist, geltenden Zuständigkeitsvorschriften – mit Ausnahme der Zuständigkeitsvorschriften in der Anlage zu diesem Übereinkommen – entsprechend angewendet. Diese Bestimmung gilt nicht für den Bereich des Vertragsrechts.

(4) Vertragsstaaten, die eine Erklärung nach Artikel 24 abgegeben haben, können in einer Zusatzvereinbarung zu diesem Übereinkommen die Voraussetzungen festlegen, unter denen ihre Gerichte als zuständig im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe b anzusehen sind.

(5) Erfüllt der Staat die Entscheidung nicht, so kann von dem in Artikel 21 vorgesehenen Verfahren Gebrauch gemacht werden.

ARTIKEL 26

Art. 26

Abweichend von Artikel 23 kann eine Entscheidung, die gegen einen Vertragsstaat in einem Verfahren betreffend eine von dem Staat auf die gleiche Weise wie von einer Privatperson ausgeübte gewerbliche oder kaufmännische Tätigkeit ergangen ist, im Gerichtsstaat gegen das ausschließlich für eine solche Tätigkeit verwendete Vermögen des Staates vollstreckt werden, gegen den die Entscheidung ergangen ist,

a) wenn der Gerichtsstaat und der Staat, gegen den die Entscheidung ergangen ist, die Erklärung nach Artikel 24 abgegeben haben,

b) wenn das Verfahren, das zu der Entscheidung geführt hat, unter die Artikel 1 bis 13 fällt oder nach Artikel 24 Absätze 1 und 2 eingeleitet worden ist und

c) wenn die Entscheidung die Voraussetzungen des Artikels 20 Absatz 1 Buchstabe b erfüllt.

KAPITEL V

Allgemeine Bestimmungen

ARTIKEL 27

Art. 27

(1) Für die Zwecke dieses Übereinkommens schließt der Ausdruck „Vertragsstaat” einen Rechtsträger eines Vertragsstaats nicht ein, der sich von diesem unterscheidet und die Fähigkeit hat, vor Gericht aufzutreten, selbst wenn er mit öffentlichen Aufgaben betraut ist.

(2) Jeder in Absatz 1 bezeichnete Rechtsträger kann vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats wie eine Privatperson in Anspruch genommen werden; diese Gerichte können jedoch nicht über in Ausübung der Hoheitsgewalt vorgenommene Handlungen (acta iure imperii) des Rechtsträgers entscheiden.

(3) Ein solcher Rechtsträger kann in jedem Fall vor diesen Gerichten in Anspruch genommen werden, wenn sie unter gleichartigen Voraussetzungen in einem Verfahren gegen einen Vertragsstaat hätten entscheiden dürfen.

ARTIKEL 28

Art. 28

(1) Unbeschadet des Artikels 27 genießen die Gliedstaaten eines Bundesstaats keine Immunität.

(2) Ein Bundesstaat, der diesem Übereinkommen angehört, kann jedoch durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation erklären, daß seine Gliedstaaten sich auf die für Vertragsstaaten geltenden Vorschriften dieses Übereinkommens berufen können und die gleichen Pflichten haben wie diese.

(3) Ist eine Erklärung nach Absatz 2 abgegeben worden, so sind Zustellungen an einen Gliedstaat nach Artikel 16 an das Außenministerium des Bundesstaates vorzunehmen.

(4) Nur der Bundesstaat ist befugt, die in diesem Übereinkommen vorgesehenen Erklärungen, Notifikationen und Mitteilungen vorzunehmen, und nur er kann Partei eines Verfahrens nach Artikel 34 sein.

ARTIKEL 29

Art. 29

Dieses Übereinkommen ist nicht anzuwenden auf Verfahren betreffend

a) die soziale Sicherheit,

b) Schäden durch Kernenergie,

c) Zölle, Steuern, Abgaben und Geldstrafen.

ARTIKEL 30

Art. 30

Dieses Übereinkommen ist auf Verfahren nicht anzuwenden, die Ansprüche aus dem Betrieb von einem Vertragsstaat gehörenden oder von ihm verwendeten Seeschiffen, der Beförderung von Ladungen und Reisenden durch diese Schiffe oder der Beförderung von einem Vertragsstaat gehörenden Ladungen an Bord von Handelsschiffen zum Gegenstand haben.

ARTIKEL 31

Art. 31

Dieses Übereinkommen berührt nicht die Immunitäten oder Vorrechte, die ein Vertragsstaat für alle Handlungen oder Unterlassungen genießt, die von seinen Streitkräften oder im Zusammenhang mit diesen im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaats begangen werden.

ARTIKEL 32

Art. 32

Dieses Übereinkommen berührt nicht die Vorrechte und Immunitäten im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Aufgaben der diplomatischen Missionen und der konsularischen Vertretungen sowie der diesen angehörenden Personen.

ARTIKEL 33

Art. 33

Dieses Übereinkommen berührt nicht bestehende oder künftige internationale Übereinkünfte, die für besondere Rechtsgebiete Fragen behandeln, die Gegenstand dieses Übereinkommens sind.

ARTIKEL 34

Art. 34

(1) Zwischen zwei oder mehreren Vertragsstaaten entstehende Streitigkeiten über die Auslegung oder die Anwendung dieses Übereinkommens sind auf Antrag eines der an der Streitigkeit beteiligten Staaten oder im gegenseitigen Einvernehmen dem Internationalen Gerichtshof vorzulegen, es sei denn, daß sich die Parteien auf eine andere Art der friedlichen Beilegung einigen.

(2) Der Internationale Gerichtshof kann jedoch nicht angerufen werden

a) wegen einer Streitigkeit, die eine bereits in einem vor dem Gericht eines Vertragsstaats gegen einen anderen Vertragsstaat eingeleiteten Verfahren aufgeworfene Frage zum Gegenstand hat, bevor dieses Gericht eine den Voraussetzungen des Artikels 20 Absatz 1 Buchstabe b entsprechende Entscheidung erlassen hat,

b) wegen einer Streitigkeit, die eine bereits in einem vor dem Gericht eines Vertragsstaats nach Artikel 21 Absatz 1 eingeleiteten Verfahren aufgeworfene Frage zum Gegenstand hat, bevor dieses Gericht in dem Verfahren endgültig entschieden hat.

ARTIKEL 35

Art. 35

(1) Dieses Übereinkommen ist nur auf Verfahren anzuwenden, die nach seinem Inkrafttreten eingeleitet werden.

(2) Ist ein Staat Vertragspartei dieses Übereinkommens geworden, nachdem es in Kraft getreten ist, so ist es nur auf Verfahren anzuwenden, die nach seinem Inkrafttreten für den betreffenden Staat eingeleitet werden.

(3) Dieses Übereinkommen ist nicht auf Verfahren und Entscheidungen anzuwenden, die Handlungen, Unterlassungen oder Tatbestände aus der Zeit, bevor das Übereinkommen zur Unterzeichnung aufgelegt worden ist, zum Gegenstand haben.

KAPITEL VI

Schlußbestimmungen

ARTIKEL 36

Art. 36

(1) Dieses Übereinkommen liegt für die Mitgliedstaaten des Europarats zur Unterzeichnung auf. Es bedarf der Ratifikation oder der Annahme. Die Ratifikations- oder Annahmeurkunden werden beim Generalsekretär des Europarats hinterlegt.

(2) Dieses Übereinkommen tritt drei Monate nach Hinterlegung der dritten Ratifikations- oder Annahmeurkunde in Kraft.

(3) Für jeden Unterzeichnerstaat, der das Übereinkommen später ratifiziert oder annimmt, tritt es drei Monate nach Hinterlegung seiner Ratifikations- oder Annahmeurkunde in Kraft.

ARTIKEL 37

Art. 37

(1) Nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens kann das Ministerkomitee des Europarats auf Grund eines mit Einstimmigkeit der abgegebenen Stimmen gefaßten Beschlusses jeden Nichtmitgliedstaat einladen, dem Übereinkommen beizutreten.

(2) Der Beitritt geschieht durch Hinterlegung einer Beitrittsurkunde beim Generalsekretär des Europarats und wird drei Monate nach der Hinterlegung wirksam.

(3) Notifiziert jedoch ein Staat, der dem Übereinkommen bereits beigetreten ist, dem Generalsekretär des Europarats einen Einspruch gegen den Beitritt eines anderen Nichtmitgliedstaats, bevor dieser Beitritt wirksam geworden ist, so ist das Übereinkommen auf die Beziehungen zwischen diesen beiden Staaten nicht anzuwenden.

ARTIKEL 38

Art. 38

(1) Jeder Staat kann bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde das oder die Hoheitsgebiete bezeichnen, auf die dieses Übereinkommen Anwendung findet.

(2) Jeder Staat kann bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde oder jederzeit danach durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Erklärung die Geltung dieses Übereinkommens auf jedes weitere in der Erklärung bezeichnete Hoheitsgebiet erstrecken, dessen internationale Beziehungen er wahrnimmt oder für das er Vereinbarungen treffen kann.

(3) Jede nach Absatz 2 abgegebene Erklärung kann in bezug auf jedes darin genannte Hoheitsgebiet nach Maßgabe des Artikels 40 zurückgenommen werden.

ARTIKEL 39

Art. 39

Vorbehalte zu diesem Übereinkommen sind nicht zugelassen.

ARTIKEL 40

Art. 40

(1) Jeder Vertragsstaat kann dieses Übereinkommen durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation für sich kündigen.

(2) Die Kündigung wird sechs Monate nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär wirksam. Das Übereinkommen bleibt jedoch auf die vor Ablauf dieser Frist eingeleiteten Verfahren und auf die in diesen Verfahren ergangenen Entscheidungen anwendbar.

ARTIKEL 41

Art. 41

Der Generalsekretär des Europarats notifiziert den Mitgliedstaaten des Rates und jedem Staat, der diesem Übereinkommen beigetreten ist,

a) jede Unterzeichnung;

b) jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde;

c) jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Übereinkommens nach den Artikeln 36 und 37;

d) jede nach Artikel 19 Absatz 2 eingegangene Notifikation;

e) jede nach Artikel 21 Absatz 4 eingegangene Notifikation;

f) jede nach Artikel 24 Absatz 1 eingegangene Notifikation;

g) jede Zurücknahme einer Notifikation nach Artikel 24 Absatz 4;

h) jede nach Artikel 28 Absatz 2 eingegangene Notifikation;

i) jede nach Artikel 37 Absatz 3 eingegangene Notifikation;

j) jede nach Artikel 38 eingegangene Erklärung;

k) jede nach Artikel 40 eingegangene Notifikation und den Zeitpunkt, zu dem die Kündigung wirksam wird.

Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig bevollmächtigen Unterzeichneten dieses Übereinkommen unterschrieben.

Geschehen zu Basel am 16. Mai 1972 in englischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Europarats hinterlegt wird. Der Generalsekretär des Europarats übermittelt allen Unterzeichnerstaaten und allen beitretenden Staaten beglaubigte Abschriften.

Anl. 1

Die Mitgliedstaaten des Europarats, die dieses Protokoll unterzeichnet haben, -

im Hinblick auf das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität – im folgenden als „Übereinkommen“ bezeichnet – und namentlich auf seine Artikel 21 und 34,

in dem Wunsch, das Vereinheitlichungswerk auf dem vom Übereinkommen erfaßten Gebiet dadurch weiter auszubauen, daß das Übereinkommen durch Bestimmungen ergänzt wird, die ein europäisches Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten vorsehen, -

haben folgendes vereinbart:

TEIL I

ARTIKEL 1

Anl. 1

(1) Ist gegen einen Staat, der Vertragspartei des Übereinkommens ist, eine Entscheidung ergangen und erfüllt er diese nicht, so kann die Partei, die sich auf die Entscheidung beruft, eine Feststellung darüber verlangen, ob die Entscheidung nach Artikel 20 oder 25 des Übereinkommens erfüllt werden muß, indem sie anruft

a) nach Artikel 21 des Übereinkommens das zuständige Gericht dieses Staates oder

b) das nach Teil II errichtete Europäische Gericht, sofern der Staat diesem Protokoll angehört, aber nicht die in Teil IV vorgesehene Erklärung abgegeben hat.

Die Wahl zwischen diesen beiden Möglichkeiten ist endgültig.

(2) Beabsichtigt der Staat, unter den Voraussetzungen des Artikels 21 Absatz 1 des Übereinkommens ein eigenes Gericht anzurufen, so hat er dies der Partei mitzuteilen, zu deren Gunsten die Entscheidung ergangen ist; er kann sein Gericht erst anrufen, wenn sich die Partei nicht innerhalb von drei Monaten nach Empfang der Mitteilung an das Europäische Gericht gewendet hat. Nach Ablauf dieser Frist kann die Partei, zu deren Gunsten die Entscheidung ergangen ist, das Europäische Gericht nicht mehr anrufen.

(3) Vorbehaltlich der Artikel 20 und 25 des Übereinkommens darf das Europäische Gericht die Entscheidung in der Sache selbst nicht nachprüfen.

TEIL II

ARTIKEL 2

Anl. 1

(1) Zwischen zwei oder mehreren Staaten, die Vertragsparteien des Übereinkommens und dieses Protokolls sind, entstehende Streitigkeiten über die Auslegung oder die Anwendung des Übereinkommens sind auf Antrag eines der an der Streitigkeit beteiligten Staaten oder im gegenseitigen Einvernehmen dem nach Teil III dieses Protokolls errichteten Europäischen Gericht vorzulegen. Die diesem Protokoll angehörenden Staaten verpflichten sich, eine solche Streitigkeit keinem anderen Verfahren zur Beilegung zu unterwerfen.

(2) Hat die Streitigkeit eine Frage zum Gegenstand, die bereits in einem vor dem Gericht eines Mitgliedstaats des Übereinkommens gegen einen anderen Mitgliedstaat des Übereinkommens eingeleiteten Verfahren oder in einem Verfahren nach Artikel 21 des Übereinkommens eingeleiteten vor einem Gericht eines Mitgliedstaats des Übereinkommens aufgeworfen worden ist, so kann das Europäische Gericht nicht angerufen werden, bevor in dem betreffenden Verfahren endgültig entschieden worden ist.

(3) Das Europäische Gericht darf nicht wegen einer Streitigkeit angerufen werden, die sich auf eine Entscheidung bezieht, über die es auf Grund des Teiles I bereits befunden oder noch zu befinden hat.

ARTIKEL 3

Anl. 1

Dieses Protokoll darf nicht so ausgelegt werden, daß es das Europäische Gericht daran hindert, über Streitigkeiten zu befinden, die zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten des Übereinkommens über dessen Auslegung oder Anwendung entstehen und ihm im gegenseitigen Einvernehmen vorgelegt werden, selbst wenn diese Staaten oder einzelne unter ihnen diesem Protokoll nicht angehören.

TEIL III

ARTIKEL 4

Anl. 1

(1) Es wird ein Europäisches Gericht für Staatenimmunität errichtet, dessen Aufgabe es ist, über die ihm gemäß den Teilen I und II unterbreiteten Angelegenheiten zu entscheiden.

(2) Das Europäische Gericht besteht aus den Mitgliedern des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und, für jeden diesem Protokoll beigetreteten Nichtmitgliedstaat des Europarats, aus einer Persönlichkeit, die die für Mitglieder des genannten Gerichtshofs erforderliche Befähigung hat und mit Zustimmung des Ministerkomitees des Europarats von der Regierung dieses Staates für die Dauer von neun Jahren ernannt ist.

(3) Präsident des Europäischen Gerichts ist der Präsident des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

ARTIKEL 5

Anl. 1

(1) Wird das Europäische Gericht wegen einer Angelegenheit nach Teil I angerufen, so wird eine Kammer gebildet, die aus sieben Mitgliedern besteht. Von Amts wegen gehören dieser Kammer das Mitglied des Europäischen Gerichts an, das Angehöriger des Staates ist, gegen den die Entscheidung ergangen ist, sowie das Mitglied, das Angehöriger des Gerichtsstaats ist, oder in Ermangelung des einen oder des anderen eine von der Regierung des betreffenden Staates bestimmte Persönlichkeit, die als Mitglied der Kammer tätig werden soll. Die Namen der fünf anderen Mitglieder der Kammer werden vom Präsidenten des Europäischen Gerichts in Anwesenheit des Sekretärs des Gerichts durch das Los ermittelt.

(2) Wird das Europäische Gericht wegen einer Angelegenheit nach Teil II angerufen, so wird in der in Absatz 1 vorgesehenen Weise verfahren, jedoch gehören dieser Kammer von Amts wegen die Mitglieder des Europäischen Gerichts an, die Angehörige eines der an der Streitigkeit beteiligten Staaten sind, oder in Ermangelung eines solchen Mitglieds eine von der Regierung des betreffenden Staates bestimmte Persönlichkeit, die als Mitglied der Kammer tätig werden soll.

(3) Stellt sich in den vor der Kammer anhängigen Verfahren eine schwerwiegende, die Auslegung des Übereinkommens oder dieses Protokolls betreffende Frage, so kann die Kammer die Sache jederzeit an die Plenarversammlung des Europäischen Gerichts zur Entscheidung überwiesen. Die Sache muß überwiesen werden, wenn die Entscheidung über eine solche Frage zu einem Widerspruch mit einer früheren Entscheidung einer Kammer oder der Plenarversammlung des Europäischen Gerichts führen könnte. Die Überweisung ist endgültig. Die Entscheidung über die Überweisung bedarf keiner Begründung.

ARTIKEL 6

Anl. 1

(1) Das Europäische Gericht entscheidet über jede Einrede, mit der seine mangelnde Zuständigkeit geltend gemacht wird.

(2) Die Verhandlungen des Europäischen Gerichts sind öffentlich, sofern es nicht wegen außergewöhnlicher Umstände etwas anderes beschließt.

(3) Die Entscheidungen des Europäischen Gerichts werden mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder erlassen, mit Gründen versehen und in öffentlicher Verhandlung verkündet. Bringt die Entscheidung im ganzen oder in einzelnen Teilen nicht die übereinstimmende Ansicht des Europäischen Gerichts zum Ausdruck, so hat jedes Mitglied das Recht, eine Darlegung seiner eigenen Ansicht beizufügen.

(4) Die Entscheidungen des Europäischen Gerichts sind endgültig und für die Parteien verbindlich.

ARTIKEL 7

Anl. 1

(1) Das Europäische Gericht gibt sich seine Geschäftsordnung und bestimmt die Verfahrensvorschriften.

(2) Die Aufgaben des Sekretariats des Europäischen Gerichts werden vom Sekretär des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wahrgenommen.

ARTIKEL 8

Anl. 1

(1) Die Kosten für die Tätigkeit des Europäischen Gerichts werden vom Europarat getragen. Die Nichtmitgliedstaaten des Europarats, die dem Protokoll beigetreten sind, beteiligen sich daran in dem vom Ministerkomitee im Einvernehmen mit ihnen festzusetzenden Ausmaß.

(2) Die Mitglieder des Europäischen Gerichts erhalten für jeden Arbeitstag eine Entschädigung, deren Höhe vom Ministerkomitee festzusetzen ist.

TEIL IV

ARTIKEL 9

Anl. 1

(1) Jeder Staat kann bei der Unterzeichnung dieses Protokolls oder bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation erklären, daß er nur durch die Teile II bis V des Protokolls gebunden ist.

(2) Eine solche Notifikation kann jederzeit zurückgenommen werden.

TEIL V

ARTIKEL 10

Anl. 1

(1) Dieses Protokoll liegt für die Mitgliedstaaten des Europarats, die das Übereinkommen unterzeichnet haben, zur Unterzeichnung auf. Es bedarf der Ratifikation oder der Annahme. Die Ratifikations- oder Annahmeurkunden werden beim Generalsekretär des Europarats hinterlegt.

(2) Dieses Protokoll tritt drei Monate nach Hinterlegung der fünften Ratifikations- oder Annahmeurkunde in Kraft.

(3) Für jeden Unterzeichnerstaat, der das Protokoll später ratifiziert oder annimmt, tritt es drei Monate nach Hinterlegung seiner Ratifikations- oder Annahmeurkunde in Kraft.

(4) Ein Mitgliedstaat des Europarats kann dieses Protokoll nicht ratifizieren oder annehmen, ohne das Übereinkommen ratifiziert oder angenommen zu haben.

ARTIKEL 11

Anl. 1

(1) Jeder Staat, der dem Übereinkommen beigetreten ist, kann diesem Protokoll beitreten, nachdem es in Kraft getreten ist.

(2) Der Beitritt geschieht durch Hinterlegung einer Beitrittsurkunde beim Generalsekretär des Europarats und wird drei Monate nach der Hinterlegung wirksam.

ARTIKEL 12

Anl. 1

Vorbehalte zu diesem Protokoll sind nicht zugelassen.

ARTIKEL 13

Anl. 1

(1) Jeder Vertragstaat kann dieses Protokoll durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation für sich kündigen.

(2) Die Kündigung wird sechs Monate nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär wirksam. Das Protokoll bleibt jedoch auf die vor Ablauf dieser Frist nach seinen Bestimmungen eingeleiteten Verfahren anwendbar.

(3) Die Kündigung des Übereinkommens bewirkt zugleich die Kündigung dieses Protokolls.

ARTIKEL 14

Anl. 1

Der Generalsekretär des Europarats notifiziert den Mitgliedstaaten des Rates und jedem Staat, der dem Übereinkommen beigetreten ist,

a) jede Unterzeichnung dieses Protokolls;

b) jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde;

c) jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls nach den Artikeln 10 und 11;

d) jede nach Teil IV eingegangene Notifikation und die Zurücknahme einer solchen Notifikation;

e) jede nach Artikel 13 eingegangene Notifikation und den Zeitpunkt, zu dem die Kündigung wirksam wird.

Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig bevollmächtigten Unterzeichneten dieses Protokoll unterschrieben.

Geschehen zu Basel am 16. Mai 1972 in englischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Europarats hinterlegt wird. Der Generalsekretär des Europarats übermittelt allen Unterzeichnerstaaten und allen beitretenden Staaten beglaubigte Abschriften.

ANLAGE

Anl. 2

Die in Artikel 20 Absatz 3 Buchstabe a, Artikel 24 Absatz 2 und Artikel 25 Absatz 3 Buchstabe b genannten Zuständigkeitsgründe sind die folgenden:

a) das Vorhandensein von Vermögenswerten des Beklagten oder die Beschlagnahme von Vermögenswerten durch den Kläger im Gerichtsstaat, es sei denn,

- die Klage betrifft das Eigentum oder den Besitz an den Vermögenswerten oder eine andere Streitigkeit über diese Vermögenswerte;

- die Streitigkeit betrifft eine Forderung, die im Gerichtsstaat durch ein dingliches Recht gesichert ist;

b) die Staatsangehörigkeit des des (Anm.: richtig: nur einmal “des”) Klägers;

c) der Wohnsitz oder der gewöhnliche oder vorübergehende Aufenthalt des Klägers im Gerichtsstaat, es sei denn, die sich hierauf gründende Zuständigkeit wird für bestimmte vertragliche Beziehungen wegen der besonderen Natur des Vertragsgegenstands zugelassen;

d) die Tatsache, daß der Beklagte im Gerichtsstaat Geschäfte getätigt hat, es sei denn, die Streitigkeit betrifft diese Geschäfte;

e) die einseitige Bestimmung des Gerichts durch den Kläger, namentlich in einer Rechnung.

Dem Wohnsitz und dem gewöhnlichen Aufenthalt werden der tatsächliche und der satzungsmäßige Sitz und die Hauptniederlassung juristischer Personen gleichgestellt.