BundesrechtVerordnungenSchlichtungsstellen-Geschäftsordnung

Schlichtungsstellen-Geschäftsordnung

SchliSt-Geo.
In Kraft seit 16. September 1987
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§ 1 Errichtung

Eine Schlichtungsstelle gemäß § 144 ArbVG ist für einen Streitfall auf Antrag eines der Streitteile zu errichten.

§ 2

(1) Die Schlichtungsstelle ist am Sitz des mit Arbeits- und Sozialrechtssachen in erster Instanz befaßten Gerichtshofes (§ 3 ASGG), in dessen Sprengel der Betrieb liegt, zu errichten.

(2) Bei Streitigkeiten über den Abschluß, die Änderung oder die Aufhebung einer Betriebsvereinbarung, deren Geltungsbereich Betriebe umfaßt, die in zwei oder mehreren Sprengeln liegen, ist für die Errichtung der Schlichtungsstelle der Sitz des Unternehmens, dem die Betriebe angehören, maßgebend. Der Sitz des Unternehmens bestimmt sich nach der Eintragung im Firmenbuch; liegt eine solche nicht vor, so ist der Ort, an dem die Verwaltung des Unternehmens geführt wird, maßgebend.

(3) Durch Vereinbarung der Streitteile kann die Schlichtungsstelle am Sitz eines anderen mit Arbeits- und Sozialrechtssachen in erster Instanz befaßten Gerichtshofes errichtet werden. Liegt eine solche Vereinbarung nicht bereits bei der Antragstellung (§ 3) vor, so ist sie spätestens mit dem Antrag auf Bestellung des Vorsitzenden der Schlichtungsstelle dem Präsidenten des nach Abs. 1 oder 2 in Betracht kommenden Gerichtshofes vorzulegen. Dieser hat den Antrag auf Entscheidung der Streitigkeit durch die Schlichtungsstelle unverzüglich dem Präsidenten des Gerichtshofes, an dessen Sitz nach der vorgelegten Vereinbarung die Schlichtungsstelle errichtet werden soll, weiterzuleiten.

§ 3 Antragstellung

(1) Der Antrag auf Entscheidung der Streitigkeit durch die Schlichtungsstelle ist schriftlich von einem der Streitteile oder von beiden Streitteilen an den Präsidenten des nach § 2 in Betracht kommenden Gerichtshofes zu richten. Liegt kein gemeinsamer Antrag der Streitteile vor, so hat der Antragsteller gleichzeitig den anderen Streitteil von der Antragstellung in Kenntnis zu setzen.

(2) Antragsberechtigt sind, wenn sich die Betriebsvereinbarung, deren Abschluß, Änderung oder Aufhebung Streitgegenstand ist,

1. auf eine Arbeitnehmergruppe oder auf einen Betrieb, in dem ein gemeinsamer Betriebsrat besteht, bezieht, der Betriebsrat sowie der Betriebsinhaber;

2. auf alle im Betriebsausschuß vertretenen Arbeitnehmergruppen bezieht, der Betriebsausschuß sowie der Betriebsinhaber;

3. auf zwei oder mehrere Betriebe eines Unternehmens im Sinne des § 40 Abs. 4 ArbVG bezieht, unter Bedachtnahme auf § 113 Abs. 4 ArbVG der Zentralbetriebsrat sowie die Unternehmensleitung.

(3) Der Zentralbetriebsrat ist zur Antragstellung auch in den Fällen des Abs. 2 Z 1 und 2 berechtigt, wenn eine entsprechende Kompetenzübertragung gemäß § 114 ArbVG vorliegt.

§ 4

(1) Richtet sich der Antrag an den Präsidenten eines Gerichtshofes, an dessen Sitz die Schlichtungsstelle nicht zu errichten ist (§ 2), so hat der Präsident dieses Gerichtshofes den Antrag unverzüglich an den Präsidenten des nach § 2 in Betracht kommenden Gerichtshofes weiterzuleiten. Der Antragsteller ist von der Weiterleitung des Antrages in Kenntnis zu setzen.

(2) Liegt kein gemeinsamer Antrag der Streitteile vor, so hat der Präsident des Gerichtshofes, an dessen Sitz die Schlichtungsstelle zu errichten ist, unbeschadet der Verständigungspflicht des Antragstellers nach § 3 Abs. 1, den anderen Streitteil vom Antrag in Kenntnis zu setzen. Gleichzeitig ist jedem der Streitteile eine Ausfertigung der für die jeweilige Gruppe (Arbeitgeber oder Arbeitnehmer) vom Bundesminister für Arbeit und Soziales erstellten und beim Gerichtshof aufliegenden Beisitzerliste (§ 145 ArbVG) mit der Aufforderung zur fristgerechten Nominierung der Beisitzer (§ 5 Abs. 4) zu übermitteln.

§ 5 Zusammensetzung der Schlichtungsstelle und Bestellung der Mitglieder

(1) Die Schlichtungsstelle besteht aus einem Vorsitzenden und vier Beisitzern.

(2) Liegt ein einvernehmlicher Antrag der Streitteile hinsichtlich der Person des Vorsitzenden vor, so ist diese vom Präsidenten des Gerichtshofes zum Vorsitzenden zu bestellen, sofern sie dem Kreis der Berufsrichter angehört, die bei dem Gerichtshof mit Arbeits- und Sozialrechtssachen befasst sind, und zur Übernahme des Amtes bereit ist.

(3) Kommt eine Einigung der Streitteile auf die Person des Vorsitzenden innerhalb von zwei Wochen ab Antragstellung (§ 3) nicht zustande, so ist der Vorsitzende auf Antrag eines der Streitteile vom Präsidenten des Gerichtshofes aus dem Kreis der Berufsrichter, die bei dem Gerichtshof mit Arbeits- und Sozialrechtssachen befasst sind, zu bestellen. Die Bestellung bedarf der Zustimmung des zu Bestellenden.

(4) Jeder der Streitteile hat dem Präsidenten des Gerichtshofes schriftlich zwei Beisitzer namhaft zu machen. Einer der beiden Beisitzer ist der für die betreffende Gruppe (Arbeitgeber oder Arbeitnehmer) vom Bundesminister für Arbeit und Soziales erstellten und vom Präsidenten des Gerichtshofes den Streitteilen übermittelten Beisitzerliste zu entnehmen. Der zweite Beisitzer soll aus dem Kreis der im Betrieb bzw. Unternehmen Beschäftigten namhaft gemacht werden; er muß eingenberechtigt sein und die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. Hat einer der beiden Streitteile binnen zwei Wochen ab Antragstellung die Nominierung der Beisitzer nicht oder nicht vollständig vorgenommen, so hat der Präsident des Gerichtshofes die noch fehlenden Beisitzer aus der Liste der Beisitzer jener Gruppe (Arbeitgeber oder Arbeitnehmer), welcher der Säumige angehört, zu bestellen.

(5) Mit der Nominierung haben die Streitteile eine Erklärung des Nominierten über dessen Zustimmung zur Bestellung vorzulegen, sofern dieser nicht aus einer Beisitzerliste namhaft gemacht wird. Fehlt diese Zustimmungserklärung, so ist dem betreffenden Streitteil die Behebung dieses Mangels binnen einer angemessenen Frist aufzutragen, nach deren fruchtlosem Ablauf die Nominierung nicht mehr zu berücksichtigen ist.

(6) Der Präsident des Gerichtshofes hat den Vorsitzenden der Schlichtungsstelle sowie die Beisitzer unverzüglich mit Bescheid zu bestellen. Die Bestellung des Vorsitzenden und der Beisitzer ist jedem Streitteil bekanntzugeben.

§ 6 Angelobung

Der Präsident des Gerichtshofes hat den Beisitzern vor Antritt ihres Amtes durch Handschlag das Gelöbnis gewissenhafter Ausübung ihres Amtes und der Amtsverschwiegenheit abzunehmen. Die Tatsache der Angelobung ist in einer Niederschrift festzuhalten.

§ 7 Befangenheit

(1) Der Vorsitzende der Schlichtungsstelle sowie Beisitzer, die von den Streitteilen aus einer Beisitzerliste namhaft gemacht worden sind oder in Ermangelung eines Nominierungsvorschlages vom Präsidenten des Gerichtshofes aus einer Beisitzerliste bestellt worden sind, haben sich der Ausübung ihres Amtes zu enthalten, wenn Gründe der im § 7 AVG angeführten Art vorliegen.

(2) Die in Abs. 1 angeführten Mitglieder der Schlichtungsstelle haben ihre Befangenheit dem Präsidenten des Gerichtshofes unverzüglich bekanntzugeben; dieser hat sie mit Bescheid ihres Amtes zu entheben. Beisitzer haben außerdem den Vorsitzenden der Schlichtungsstelle von ihrer Befangenheit in Kenntnis zu setzen.

(3) Der Präsident des Gerichtshofes hat im Falle der Amtsenthebung des Vorsitzenden oder eines Beisitzers wegen Befangenheit unverzüglich eine Ersatzbestellung vorzunehmen. Wurde der befangene Beisitzer von einem Streitteil namhaft gemacht, so hat der Präsident des Gerichtshofes zuvor diesen Streitteil aufzufordern, binnen acht Tagen nach Zustellung der Aufforderung eine Ersatznominierung vorzunehmen; § 5 Abs. 4 ist sinngemäß anzuwenden.

(4) Der Präsident des Gerichtshofes hat den Streitteilen sowie dem Vorsitzenden der Schlichtungsstelle die Ersatzbestellung unverzüglich bekanntzugeben.

§ 8 Verfahren

(1) Die Schlichtungsstelle hat in einer mündlichen Verhandlung zwischen den Streitteilen zu vermitteln, Vorschläge zur Beilegung der Streitigkeit zu erstatten und auf eine Vereinbarung der Streitteile hinzuwirken. Kommt zwischen den Streitteilen keine Vereinbarung zustande und wird der Antrag nicht zurückgezogen, so hat die Schlichtungsstelle eine Entscheidung zu fällen. Vor der Beschlußfassung über die Entscheidung ist den Streitteilen Gelegenheit zu geben, Regelungsvorschläge zu erstatten.

(2) Der Vorsitzende der Schlichtungsstelle beruft die Verhandlung ein, führt den Vorsitz und leitet das Verfahren. Die Mitglieder der Schlichtungsstelle sind zur Verhandlung rechtzeitig und schriftlich zu laden. Der Verhandlungsort ist nach den Bestimmungen des § 40 Abs. 1 AVG festzulegen; auf einvernehmlichen Antrag der Streitteile hat die Verhandlung im Betrieb stattzufinden.

(3) Die Verhandlung ist nicht öffentlich. Der Verhandlung können Sachverständige und Auskunftspersonen sowie rechtskundige Bedienstete aus dem Personalstand des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales beigezogen werden.

§ 9 Verhandlungs- und Beschlußfähigkeit

(1) Die Schlichtungsstelle ist, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, verhandlungs- und beschlußfähig, wenn der Vorsitzende und die Beisitzer anwesend sind. Erscheint auch nur einer der Beisitzer nicht zur Verhandlung, so ist sie zu vertagen.

(2) Wurde eine Verhandlung bereits einmal vertagt, weil ein Beisitzer des einen Streitteiles ohne rechtmäßigen Hinderungsgrund nicht erschienen ist, und ist in der fortgesetzten Verhandlung abermals derselbe Beisitzer oder der andere für denselben Streitteil bestellte Beisitzer oder sind beide Beisitzer dieses Streitteils unentschuldigt nicht erschienen, so wird die Verhandlung und Entscheidung der Schlichtungsstelle nicht gehindert, wenn der Vorsitzende und mindestens ein Beisitzer des anderen Streitteiles anwesend sind.

(3) Bei der Beschlußfassung über die Entscheidung stimmt der Vorsitzende, ausgenommen im Falle des Abs. 4, nicht mit. Kommt eine Stimmenmehrheit nicht zustande, so ist eine weitere Beratung durchzuführen und neuerlich abzustimmen. Bei dieser Abstimmung stimmt auch der Vorsitzende mit, wobei er seine Stimme als letzter abgibt. Die Beisitzer dürfen sich weder in der ersten noch in der zweiten Abstimmung der Stimme enthalten.

(4) Ist bei der ersten Abstimmung außer dem Vorsitzenden nur ein Beisitzer anwesend, so hat der Vorsitzende bereits an dieser teilzunehmen. Ein Beschluß der Schlichtungsstelle kommt in diesem Fall durch Übereinstimmung zwischen dem Vorsitzenden und dem Beisitzer zustande.

§ 10 Entscheidung

(1) Die Schlichtungsstelle hat die Entscheidung möglichst rasch innerhalb der durch die Anträge der Streitteile bestimmten Grenzen und unter Abwägung der Interessen des Betriebes einerseits und der Arbeitnehmerschaft (Arbeitnehmergruppe) andererseits zu fällen.

(2) Die Schlichtungsstelle ist bei ihrer Entscheidung an das übereinstimmende Vorbringen und die übereinstimmenden Anträge der Streitteile gebunden.

(3) Die Entscheidung der Schlichtungsstelle gilt als Betriebsvereinbarung.

(4) Gegen die Entscheidung der Schlichtungsstelle kann Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden.

§ 11 Niederschrift

(1) Über die Verhandlung und Entscheidung der Schlichtungsstelle ist eine Niederschrift zu führen, die den Gang der Verhandlung und den Wortlaut der Entscheidung festhält. Die Niederschrift ist vom Vorsitzenden, den Beisitzern und dem Schriftführer zu unterzeichnen.

(2) Zum Schriftführer ist vom Präsidenten des Gerichtshofes ein Bediensteter aus dem Personalstand dieses Gerichtshofes zu bestellen.

(3) Den Streitteilen sind schriftliche Ausfertigungen der Entscheidung der Schlichtungsstelle auszufolgen.

§ 12 Anwendung des AVG

Auf das Verfahren vor der Schlichtungsstelle ist im Übrigen, soweit im ArbVG nicht anderes bestimmt wird, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51 in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, anzuwenden.

§ 13 Gebührenfreiheit

Die im Verfahren vor den Schlichtungsstellen erforderlichen Schriften und Amtshandlungen sind von den Stempelgebühren und den Bundesverwaltungsabgaben befreit. Barauslagen gemäß § 76 Abs. 1 AVG sind von Amts wegen zu tragen.

§ 14 Kanzleigeschäfte

(1) Die Kanzleigeschäfte der Schlichtungsstelle sind von Bediensteten aus dem Personalstand des jeweils zuständigen mit Arbeits- und Sozialrechtssachen in erster Instanz befaßten Gerichtshofes zu besorgen.

(2) Die einzelnen Streitigkeiten, die bei den Schlichtungsstellen anhängig werden, sind in ein Register mit der Bezeichnung „Schl“ einzutragen. Hiebei sind die Bestimmungen und Anordnungen über die Führung der Cg- und Cga-Register (§§ 359 bis 363, 365, 367 bis 370 Geo. sowie P. II des Einführungserlasses des BMJ zum ASGG, JABl. Nr. 52/1986) sinngemäß anzuwenden.

§ 15 Übermittlung einer Entscheidungsausfertigung

Nach rechtskräftiger Erledigung des Verfahrens ist dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie den zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer je eine Ausfertigung der Entscheidung der Schlichtungsstelle zu übermitteln.

§ 16 Schlußbestimmung

(1) Mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung treten das

3. Hauptstück und, soweit darin die Geschäftsführung der Schlichtungsstellen geregelt wird, das 4. Hauptstück der Einigungsamts-Geschäftsordnung (EA-Geo), BGBl. Nr. 354/1974 in der Fassung BGBl. Nr. 561/1975 außer Kraft.

(2) § 2 Abs. 2, § 5 Abs. 2 und 3, § 6, § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 2, § 12 und § 13 dieser Verordnung in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 142/2012 treten mit 1. Mai 2012 in Kraft.

(3) § 10 Abs. 4 in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 242/2013 tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.