Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofrätin Dr. in Oswald und den Hofrat Mag. Pichler als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Wagner, über die Revision des E A, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2024, G316 2233753 2/8E, betreffend Erlassung eines befristeten Einreiseverbots (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber ist ein 1983 geborener Staatsangehöriger von Nordmazedonien, der im März 2002 erstmalig in das Bundesgebiet eingereist ist. Im Bundesgebiet leben neben der Ehefrau des Revisionswerbers seine vier zwischen 2005 und 2015 geborenen Kinder und sein Vater.
2Dem Revisionswerber wurden, nachdem er zwischenzeitig in seinen Herkunftsstaat zurückgekehrt war, beginnend ab Februar 2006 wiederholt Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zuletzt mit einer Gültigkeit bis Dezember 2017erteilt. Im Zuge des Verlängerungsverfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels verständigte die Niederlassungsbehörde im Jänner 2018 das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gemäß § 25 Abs. 1 NAG, weil hinsichtlich des Revisionswerbers nicht mehr sämtliche allgemeine Erteilungsvoraussetzungen für die Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels vorlägen. Mit Bescheid vom 17. Juli 2019 erließ das BFA gegen den Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFAVG eine Rückkehrentscheidung und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass eine Abschiebung des Revisionswerbers nach Nordmazedonien zulässig sei. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung erkannte das BFA gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFAVG die aufschiebende Wirkung ab und gewährte dem Revisionswerber somit keine Frist für die freiwillige Ausreise. Außerdem erließ das BFA gegen den Revisionswerber gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 3 Z 1 FPG ein auf fünf Jahre befristetes Einreiseverbot. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
3 Am 22. Juni 2023 wurde der Revisionswerber von Beamten der Finanzpolizei auf einer Baustelle in Bad Hall bei der Durchführung von Pflasterarbeiten, die von einem Bauunternehmen auszuführen waren, betreten, und daraufhin von Beamten der Landespolizeidirektion Oberösterreich festgenommen. Der Revisionswerber wurde in weiterer Folge in Schubhaft genommen, aus der er am 7. Juli 2023 wieder entlassen wurde. Am selben Tag reiste der Revisionswerber freiwillig in seinen Herkunftsstaat aus.
4Mit Bescheid vom 19. Juli 2024 erließ das BFA gegen den Revisionswerber gestützt auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I.) und stellte fest, dass eine Abschiebung des Revisionswerbers nach Nordmazedonien gemäß § 52 Abs. 9 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.). Ferner erließ das BFA gegen den Revisionswerber gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt III.).
5 Die nur gegen Spruchpunkt III. dieses Bescheides erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig erklärt.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist.
7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
9 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird vorgebracht, das BVwG hätte eine mündliche Verhandlung durchführen müssen, um sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber zu verschaffen, zumal dies auch für die Festlegung der Dauer des Einreiseverbots erforderlich sei. Auch seien die Feststellungen, die das BVwG zum Familienleben des Revisionswerbers getroffen habe, nicht ausreichend und zu wenig umfassend.
10 Was das Erfordernis der Durchführung einer mündlichen Verhandlung anbelangt, erlaubt § 21 Abs. 7 BFAVG das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof auch wiederholt darauf hingewiesen, dass bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer Verhandlung besondere Bedeutung zukomme, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK (sonst) relevanten Umstände. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zu Gunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann allerdings eine Verhandlung unterbleiben (VwGH 8.5.2025, Ra 2024/21/0073, Rn. 11, mwN).
11 Im vorliegenden Fall konnte das BVwG in Bezug auf die Gefährdungsprognose vom Vorliegen eines solchen eindeutigen Falls ausgehen, zumal sich der Revisionswerber unstrittigtrotz eines aufrechten Einreiseverbots im Bundesgebiet aufgehalten hat, weshalb der Aufenthalt des Revisionswerbers als qualifiziert rechtswidrig einzustufen ist (vgl. idS VwGH 27.4.2023, Ro 2020/21/0007, Rn. 10, betreffend eine Übertretung des § 120 Abs. 1c FPG, wonach unter anderem ein Aufenthalt im Bundesgebiet trotz eines aufrechten Einreiseverbotes eine Verwaltungsübertretung darstellt). In diesem Zusammenhang sind auch die Gesetzesmaterialien zu § 120 Abs. 1c FPG (IA 2285/A, 25. GP 75/76) zu berücksichtigen, denen zufolge bei einer Einreise trotz aufrechten Einreiseverbotes davon auszugehen sei, die für die Erlassung des seinerzeitigen Einreiseverbotes maßgeblich gewesenen Umstände, insbesondere die vom Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit, seien nach wie vor gegeben. Somit konnte das BVwG im vorliegenden Fall schon wegen des Aufenthalts des Revisionswerbers im Bundesgebiet während der Gültigkeit eines aufrechten Einreiseverbotes annehmen, dass vom Revisionswerber weiterhin eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht und daher ein eindeutiger Fall vorliegt, der das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung (ausnahmsweise) ermöglicht (vgl. auch VwGH 21.12.2021, Ra 2020/21/0135, Rn. 11, wonach eine qualifizierte Verletzung einer Ausreiseverpflichtung die Verhängung eines Einreiseverbotes erforderlich macht).
12 Im Zusammenhang mit der Interessenabwägung hat das BVwG insbesondere die familiären Anknüpfungspunkte des Revisionswerbers im Bundesgebiet berücksichtigt und in seine Beurteilung miteinbezogen, welche Möglichkeiten bestehen, dass der Revisionswerber ungeachtet eines aufrechten Einreiseverbotes weiterhin mit seinen Angehörigen in auch persönlichem Kontakt stehen kann. Weitere persönliche Interessen des Revisionswerbers, die das BVwG in seiner Interessenabwägung berücksichtigen hätte können, sind nicht ersichtlich. Da das BVwG in seiner Interessenabwägung auch sämtliche für den Revisionswerber sprechenden Gesichtspunkte berücksichtigt hat, durfte es auch im Zusammenhang mit der Interessenabwägung von einem eindeutigen Fall ausgehen und daher von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen.
13Soweit in der Zulässigkeitsbegründung der Revision unzureichende Ermittlungen und Feststellungen zur familiären Situation des Revisionswerbers im angefochtenen Erkenntnis gerügt werden, wird ein Verfahrensmangel geltend gemacht. Die nur allgemein gehaltenen Ausführungen lassen jedoch jegliche Relevanzdarstellung vermissen (zur Notwendigkeit, die Relevanz eines geltend gemachten Verfahrensmangels in konkreter Weise darzulegen, vgl. etwa VwGH 19.11.2020, Ra 2020/21/0338, Rn. 10, mwN).
14 Die Revision war daher nach Durchführung eines Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 4. November 2025
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