Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie die Hofräte Dr. Chvosta und Mag. Schartner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des B H, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember 2023, G313 2271327 1/6E, betreffend Erlassung eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein im Jahr 2000 geborener kosovarischer Staatsangehöriger, hielt sich mit kurzen Unterbrechungen im Zeitraum von Oktober 2021 bis November 2022 aufgrund eines mehrmals ausgestellten Visums D für Saisoniers rechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet auf.
2 Aus Anlass einer Verkehrskontrolle wies er sich am 2. März 2023 gegenüber Sicherheitsorganen mit der Behauptung, Doppelstaatsbürger zu sein, unter anderem mit einem griechischen Führerschein aus. Da der Führerschein Fälschungsmerkmale aufwies, wurde der danach ebenfalls vorgelegte griechische Reisepass des Revisionswerbers einer urkundentechnischen Untersuchung unterzogen, die laut Bericht vom 30. März 2023 ergab, dass es sich um eine verfälschte Urkunde handle. Seine während der Gültigkeitsdauer des Visums D aufgenommene Erwerbstätigkeit in einem Forstunternehmen hatte der Revisionswerber auch danach im Dezember 2022 und nach seiner Wiedereinreise unter Vorlage der griechischen Dokumente ab Mitte Jänner 2023 beim selben Arbeitgeber fortgesetzt, wobei er jeweils in einer ihm zur Verfügung gestellten Arbeiterunterkunft mit Meldung als Nebenwohnsitz gewohnt hatte.
3Daraufhin wurde der Revisionswerber aufgrund eines Festnahmeauftrages am 30. März 2023 festgenommen und anschließend in ein Polizeianhaltezentrum eingeliefert. Wegen seines Fehlverhaltens sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) nach dessen Vernehmung mit Bescheid vom 31. März 2023 aus, dass dem Revisionswerber (von Amts) wegen kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005 erteilt werde (Spruchpunkt I.), erließ gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt II.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung in den Kosovo fest (Spruchpunkt III.). Ferner verhängte das BVwG über den Revisionswerber gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG nicht gewährt und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA VG aberkannt (Spruchpunkte V. und VI.).
4 Noch am Tag der Bescheiderlassung entsprach der Revisionswerber, über den zwischenzeitlich die Schubhaft verhängt worden war, seiner Ausreiseverpflichtung. Aufgrund seiner Ausreise wurde das wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden gegen den Revisionswerber eingeleitete Strafverfahren, in dem bereits ein Strafantrag gestellt worden war, abgebrochen. Mit rechtskräftiger Strafverfügung vom 19. Juli 2023 wurde über den Revisionswerber dann noch wegen unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet eine Geldstrafe von 500 € verhängt.
5 Am 10. Mai 2023 hatte der Revisionswerber im Kosovo seine Verlobte, die seit November 2010 im Bundesgebiet gemeldet ist und über einen Aufenthaltstitel „Rot Weiß Rot Karte plus“ verfügt, mit welcher der Revisionswerber in Österreich jedoch noch keinen gemeinsamen Haushalt geführt hatte, geheiratet.
6Der ausschließlich gegen Spruchpunkt IV. des Bescheides vom 31. März 2023 erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 19. Dezember 2023 insofern statt, als es die Dauer des Einreiseverbotes auf drei Jahre herabsetzte. Im Übrigen wies es (implizit) die Beschwerde als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach es überdies aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist.
8 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
10 In dieser Hinsicht macht der Revisionswerber lediglich eine Verletzung der Verhandlungspflicht geltend, die er in der Zulässigkeitsbegründung damit begründet, dass er in seiner Beschwerde, in der er auch die Durchführung einer Verhandlung beantragt hatte, „all die Widersprüche“ im angefochtenen Bescheid aufgezeigt und weitere Unterlagen vorgelegt habe.
11 Was das Erfordernis der Durchführung einer mündlichen Verhandlung anbelangt, erlaubt § 21 Abs. 7 BFAVG das Unterbleiben einer Verhandlung trotz deren ausdrücklicher Beantragung, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof auch wiederholt darauf hingewiesen, dass bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer Verhandlung besondere Bedeutung zukomme, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK (sonst) relevanten Umstände. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zu Gunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann allerdings eine Verhandlung unterbleiben (vgl. etwa VwGH 24.10.2024, Ra 2024/21/0057, Rn. 14, mwN).
12Einen solchen eindeutigen Fall durfte das BVwG sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose nach § 53 Abs. 2 FPG (Vorliegen einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit) als auch hinsichtlich der nach § 9 BFAVG iVm Art. 8 EMRK vorgenommenen Interessenabwägung vertretbar unterstellen. Die Umstände, auf die das Einreiseverbot gestützt wurde, nämlich der mehrmonatige unrechtmäßige Aufenthalt des Revisionswerbers im Bundesgebiet, die Verwendung gefälschter Ausweisdokumente und die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ohne arbeitsmarktrechtliche Bewilligung, waren schon in der Beschwerde unbestritten geblieben und indizieren wegen dieses fremdenrechtlich bedeutsamen Fehlverhaltens des Revisionswerbers und überdies wegen der infolge Bestrafung nach dem FPG gegebenen Verwirklichung des Tatbestandes der Z 3 des § 53 Abs. 2 FPG die in der genannten Norm angeführte Gefährdungsprognose. Umstände, die gegen diese Annahme sprechen könnten, werden in der Revision nicht konkret dargetan.
13 In der Beschwerde wurde zwar worauf sich die Revision in der Zulässigkeitsbegründung beziehen dürfte die Widersprüchlichkeit der Bescheidbegründung insofern behauptet, als das BFA einerseits bei einem weiteren Aufenthalt des Revisionswerbers im Bundesgebiet die erneute Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ohne entsprechende Bewilligung befürchtet und andererseits ausgeführt habe, dass der Revisionswerber sein Visum D „vermutlich problemlos verlängern“ hätte lassen können, sodass nicht nachvollziehbar sei, weshalb der Revisionswerber in nunmehriger Kenntnis der möglichen Konsequenzen nochmals eine Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung aufnehmen sollte. Allerdings ergänzte das BFA diese aus dem Zusammenhang gerissene Passage dahingehend, dass es der Revisionswerber (statt der Verlängerung des Visums) vorgezogen habe, sich als „EU Bürger“ auszugeben, um sich ein mit der Niederlassungs und Erwerbsfreizügigkeit verbundenes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zu erschleichen; und zwar wie er selbst angegeben habe weil er einen „längeren Aufenthalt“ beabsichtigt habe, um mit seinem Einkommen die Familie im Kosovo zu unterstützen. Die daraus gezogene Schlussfolgerung des BFA, es sei „höchst wahrscheinlich“, der Revisionswerber werde auch in Zukunft einer nicht genehmigten Erwerbstätigkeit nachgehen, musste daher vom BVwG vor diesem Hintergrund nicht als „widersprüchlich“ angesehen werden, zumal der Revisionswerber in der Vernehmung überdies angegeben hatte, er habe auch wegen seiner Verlobten „einen längeren Aufenthalt in Österreich“ gewollt. Diese Gefährdungsprognose durfte aber auch vom BVwG, das dem BFA insoweit „beipflichtete“, trotz der nachträglichen Heirat des Revisionswerbers aufrecht erhalten werden, weil der Revisionswerber dadurch nicht ohne Weiteres und sofort in Österreich aufenthaltsberechtigt wäre, jedoch das Interesse an einem Zusammenleben mit seiner Ehefrau evident weiter gesteigert wurde und der Wunsch nach finanzieller Unterstützung seiner Familie im Kosovo durch eine Erwerbstätigkeit offenbar weiterhin aufrecht war. Die erwähnten Beschwerdeausführungen vermochten daher weder die Rechtswidrigkeit des Bescheides des BFA aufzuzeigen noch (in Verbindung mit der vorgelegten Heiratsurkunde) eine Verhandlungspflicht auszulösen.
14 Was nämlich die mit Schriftsatz vom 12. Juni 2023 vorgelegte Heiratsurkunde des Revisionswerbers betrifft, ist einerseits darauf hinzuweisen, dass das Vorbringen zur mittlerweile erfolgten Eheschließung vom BVwG seiner Entscheidung ohnehin zugrunde gelegt wurde, und andererseits einzubeziehen war, dass die Eheschließung iSd § 9 Abs. 2 Z 8 BFA VG im Bewusstsein des wenn auch noch nicht rechtskräftig erlassenen Einreiseverbots erfolgte und bisher kein gemeinsamer Haushalt bestand. Im Übrigen hat das BVwG den privaten und familiären Interessen des Revisionswerbers durch eine (u.a.) deshalb vorgenommene angemessene Herabsetzung der (in der Beschwerde auch kritisierten) Dauer des Einreiseverbotes ohnehin Rechnung getragen. Eine weitere Herabsetzung dieser Dauer war entgegen der Meinung in der Revisionnicht deshalb geboten, weil der Revisionswerber fristgerecht freiwillig ausgereist ist; das eröffnet vielmehr (nur) die Möglichkeit eines Antrags auf Verkürzung oder Aufhebung des Einreiseverbotes nach § 60 Abs. 1 FPG bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen.
15 Eine in der Revision dann noch für erforderlich gehaltene Vernehmung der Ehefrau des Revisionswerbers im Rahmen einer Verhandlung vor dem BVwG wurde aber im Beschwerdeverfahren gar nicht beantragt; auch dieser Einwand ist daher nicht zielführend.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 8. Mai 2025