JudikaturVwGH

Ra 2025/20/0429 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
15. September 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des B E, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum und Mag.a Andrea Blum, Rechtsanwälte in Linz, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23. Mai 2025, W240 22770482/6E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1Dem Revisionswerber, einem Staatsangehörigen des Irak, wurde bereits in Griechenland am 27. Oktober 2022 der Flüchtlingsstatus zuerkannt. Weiters wurde ihm mit Gültigkeit von 27. Oktober 2022 bis 26. Oktober 2025 von Seiten der griechischen Behörden ein Aufenthaltstitel ausgestellt und ein Reisedokument ausgehändigt. Nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet stellte er am 26. Juni 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 7. August 2023 gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurück, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) eine Anordnung zur Außerlandesbringung und stellte gemäß § 61 Abs. 2 FPG fest, dass die Abschiebung nach Griechenland zulässig sei.

3Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11. Dezember 2023 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG stattgegeben und der Bescheid vom 7. August 2023 behoben.

4Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 30. September 2024 wurde der Antrag auf internationalen Schutz erneut gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich der Revisionswerber nach Griechenland zurückzubegeben habe. Ihm wurde neuerlich keine Aufenthaltsberechtigung aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Anordnung zur Außerlandesbringung erlassen und die Abschiebung nach Griechenland für zulässig erklärt.

5 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 23. Mai 2025 als unbegründet abgewiesen. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

6 Die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde wurde von diesem mit Beschluss vom 12. August 2025, E 1923/2025 5, abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revisiongesondert nach § 28 Abs. 3 VwGG vorgebrachten Gründe zu überprüfen.

10Nach § 4a AsylG 2005 ist für die Beurteilung der Frage, ob ein Antrag auf internationalen Schutz gemäß dieser Bestimmung als unzulässig zurückzuweisen ist, darauf abzustellen, ob dem Fremden in einem EWRStaat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat (vgl. VwGH 20.11.2020, Ra 2020/20/0350 bis 0351, mwN).

11 Soweit der Revisionswerber zur Begründung der Zulässigkeit der Revision geltend macht, ihm drohe aufgrund der Abschaffung des HELIOS Programms sowie aufgrund nicht weiter definierter NGOBerichte eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte, ist darauf hinzuweisen, dass bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (VwGH 12.5.2025, Ra 2025/20/0152 bis 0154, mwN). Dies gilt auch, wenn die Prüfung nicht in Bezug auf den Herkunftsstaat, sondern einen anderen Staat, der als Zielstaat für eine Abschiebung in Betracht gezogen wird, vorzunehmen ist.

12 Dass das Bundesverwaltungsgericht von dieser Rechtsprechung abgewichen ist, ist aufgrund des diesbezüglich unsubstantiierten Vorbringens in der Revision nicht zu erkennen. Das Bundesverwaltungsgericht stützte seine Einzelfallprüfung zudem vertretbar auch auf andere Umstände als das Bestehen des konkret genannten Integrationsprogramms und berücksichtigte unter anderem, dass der Revisionswerber gesund und arbeitsfähig sei, ihn seine Familie finanziell unterstützen könne und ihm aufgrund des Besitzes eines griechischen Konventionspasses auch die Erlangung weiterer wichtiger Dokumente für den Zugang zum Arbeitsmarkt und zur Gesundheitsversorgung möglich sei. Eine Möglichkeit zur gesundheitlichen Notfallversorgung sei zum derzeitigen Zeitpunkt jedenfalls gegeben.

13Soweit sich der Revisionswerber in diesem Zusammenhang auch gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes wendet, legt er die Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung mit der alleinigen Behauptung einer unschlüssigen und den Länderberichten widersprechende Argumentation des Verwaltungsgerichtes nicht dar (zum im Revisionsverfahren anzulegenden Maßstab bei der Überprüfung der Beweiswürdigung vgl. etwa VwGH 16.7.2025, Ra 2025/20/0284 bis 0286, mwN).

14 Da das lediglich abstrakt gehaltene Vorbringen zum Verstoß gegen die Verhandlungspflicht keinen Bezug zum hier vorliegenden Fall aufweist, war schon deshalb darauf nicht weiter einzugehen.

15 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 15. September 2025