Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des J K, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum und Mag. a Andrea Blum, Rechtsanwälte in Linz, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 8. Juli 2025, W192 22928221/5E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 20. Juni 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 21. März 2024 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revisiongesondert gemäß § 28 Abs. 3 VwGG vorgebrachten Gründe zu überprüfen.
7 Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht habe sich in seiner Beweiswürdigung zu Unrecht auf Widersprüche im Fluchtvorbringen bei der Erstbefragung und der niederschriftlichen Vernehmung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gestützt.
8Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 1.9.2025, Ra 2025/20/0335, mwN).
9Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zwar wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Gleichwohl hat der Verwaltungsgerichtshof aber betont, dass es nicht generell unzulässig ist, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (vgl. VwGH 12.5.2025, Ra 2025/20/0052, mwN).
10So ist es auf dem Boden des § 19 Abs. 1 AsylG 2005 weder der Behörde noch dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten in den Angaben der Erstbefragung zu späteren Angaben unter Abklärung und in der Begründung vorzunehmender Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sindeinzubeziehen (vgl. wiederum VwGH 12.5.2025, Ra 2025/20/0052, mwN).
11 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in seiner Beweiswürdigung nicht allein auf die Unvereinbarkeit des Fluchtvorbringens bei der Erstbefragung und bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gestützt, sondern auch auf weitere für sich betrachtet tragfähige Erwägungen, welchen in der Revision nicht substantiiert entgegengetreten wird. Der Revisionswerber zeigt nicht auf, dass die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes insgesamt unvertretbar wäre.
12 Soweit der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung meint, es müsse durch weitere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Frage geklärt werden, inwieweit es zulässig sei, einen Flüchtling in ein Land abzuschieben, in dem seit der Machtübernahme der Taliban im Jahr 2021 das Leben von Repression und Unsicherheit geprägt sei, wird damit keine vom Verwaltungsgerichtshof (erstmals) zu lösende grundsätzliche Rechtsfrage aufgezeigt.
13Abgesehen davon, dass sich aus den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes nicht ableiten lässt, dass der Revisionswerber als Flüchtling anzusehen sei, ist ihm zu entgegnen, dass anhand seines Vorbringens nicht zu sehen ist, dass und inwieweit die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorhandenen Leitlinien zur Prüfung, wann aus dem Blickwinkel einer drohenden Verletzung des Art. 3 EMRK subsidiärer Schutz zu gewähren ist, einer Ergänzung bedürften (vgl. zu diesen Leitlinien etwa VwGH 25.4.2022, Ra 2021/20/0448; sowie darauf Bezug nehmend etwa VwGH 1.7.2024, Ra 2024/20/0347; jeweils insbesondere auch mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung; vgl. ferner zu einem ähnlichen Vorbringen VwGH 1.9.2025, Ra 2025/20/0341, mwN). Dass das Bundesverwaltungsgericht diese Leitlinien missachtet oder in unvertretbarer Weise zur Anwendung gebracht habe, wird mit dem Revisionsvorbringen nicht dargetan.
14 Wenn der Revisionswerber weiter zur Begründung der Zulässigkeit der Revision diverse Begründungsmängel geltend macht, ist darauf hinzuweisen, dass, wenn Verfahrensmängel als Zulässigkeitsgründe ins Treffen geführt werden, auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden muss. Dies setzt voraus, dass auf das Wesentliche zusammengefasstjene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. erneut VwGH 1.9.2025, Ra 2025/20/0341, mwN). Eine solche Relevanzdarstellung ist der Revision nicht zu entnehmen.
15 Schließlich behauptet der Revisionswerber, dass eine Verletzung der Verhandlungspflicht vorliege, legt aber über diese Behauptung hinausgehend nicht auf den konkreten Fall bezogen dar, inwiefern das Bundesverwaltungsgericht von den Leitlinien der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung nach § 21 Abs. 7 BFAVG abgewichen wäre (vgl. dazu grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018; sowie aus der dem folgenden Rechtsprechung etwa VwGH 23.7.2025, Ra 2025/20/0234, mwN).
16 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 13. Oktober 2025