Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. in Zeifogel, in der Rechtssache der Revision des I S, vertreten durch Mag. Dr. Sebastian Siudak, Rechtsanwalt in Linz, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 2. Mai 2025, L532 23014411/14E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Türkei und der kurdischen Volksgruppe zugehörig, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 14. August 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Diesen Antrag stützte er darauf, dass er in seinem Herkunftsstaat polizeilichen Druck aufgrund des politischen Engagements seines Bruders erfahren habe. Als der Revisionswerber schon in Österreich gewesen sei, habe er erfahren, dass auch gegen ihn Strafermittlungen eingeleitet worden seien, weil er in der Vergangenheit politische Beiträge auf Facebook veröffentlicht und dabei die HPG und YPG verteidigt habe. Es werde ihm ein Propagandadelikt zur Last gelegt.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 27. August 2024 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 5. Juni 2025, E 1469/2025 5, ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revisiongesondert gemäß § 28 Abs. 3 VwGG vorgebrachten Gründe zu überprüfen.
8 Der Revisionswerber wendet sich in der Begründung der Zulässigkeit der von ihm erhobenen Revision gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes, mit der seinem Vorbringen, weshalb er asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat befürchte, kein Glauben geschenkt wurde.
9Der Verwaltungsgerichtshof ist nach ständiger Rechtsprechung als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Bundesverwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 10.2.2025, Ra 2025/20/0015 bis 0021, mwN).
10 Im Fall der Behauptung einer asylrelevanten Verfolgung durch die Strafjustiz im Herkunftsstaat bedarf es einer Abgrenzung zwischen der legitimen Strafverfolgung („prosecution“) einerseits und der Asyl rechtfertigenden Verfolgung aus einem der Gründe des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK („persecution“) andererseits. Keine Verfolgung im asylrechtlichen Sinn ist im Allgemeinen in der staatlichen Strafverfolgung zu erblicken. Allerdings kann auch die Anwendung einer durch Gesetz für den Fall der Zuwiderhandlung angeordneten, jeden Bürger des Herkunftsstaates gleich treffenden Sanktion unter bestimmten Umständen „Verfolgung“ im Sinne der GFK aus einem dort genannten Grund sein; etwa dann, wenn das den nationalen Normen zuwiderlaufende Verhalten des Betroffenen im Einzelfall auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht und den Sanktionen jede Verhältnismäßigkeit fehlt.
11Um feststellen zu können, ob die strafrechtliche Verfolgung wegen eines auf politischer Überzeugung beruhenden Verhaltens des Asylwerbers einer Verfolgung im Sinne der GFK gleichkommt, kommt es somit entscheidend auf die angewendeten Rechtsvorschriften, aber auch auf die tatsächlichen Umstände ihrer Anwendung und die Verhältnismäßigkeit der verhängten Strafe an (vgl. zum Ganzen VwGH 28.2.2024, Ra 2023/20/0619, mwN).
12 Der Revisionswerber spricht in diesem Zusammenhang in seinem Zulässigkeitsvorbringen das in der Türkei anhängige Strafverfahren wegen Terrorpropaganda an.
13Der Revisionswerber, der letztlich die Begehung der ihm in der Türkei vorgeworfenen Handlungen nicht bestreitet, setzt den Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes zu einer allfälligen Verfolgung aufgrund seiner politischen Überzeugung bezogen auf seine Person und sein konkretes Strafverfahren nichts Entscheidungsrelevantes entgegen. Er bezieht sich selektiv auf Aussagen aus Länderberichten (aus denen er seine eigenen Schlüsse zieht) und stellt Mutmaßungen zu einem künftig im Herkunftsstaat zu erwartenden unfairen und unangemessenen Strafverfahren wegen eines Propagandadeliktes in den Raum. Erläuterungen dazu, aus welchen Gründen das Bundesverwaltungsgericht den Eintritt solcher Ereignisse im Zeitpunkt seiner Entscheidung als maßgeblich wahrscheinlich hätte ansehen müssen, bleibt der Revisionswerber schuldig. Da nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung nicht genügt, ist es für die Gewährung von Asyl nicht ausreichend, derselben eine bloß theoretisch denkbare Möglichkeit eines Verfolgungsszenarios zugrunde zu legen (vgl. VwGH 23.6.2025, Ra 2024/20/0638 bis 0641, mwN).
14 Der Revisionswerber verweist darauf, dass die Länderfeststellungen im angefochtenen Erkenntnis Mängel der Rechtsstaatlichkeit und des Justizwesens in der Türkei dokumentierten. Dass es derartige Mängel auch im konkreten Strafverfahren gegen den Revisionswerber gegeben habe oder geben wird, legt er aber nicht (substantiiert) dar.
15 Dass aber die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre, wird vom Revisionswerber, der in erster Linie seine eigenen Erwägungen an die Stelle jener des Bundesverwaltungsgerichtes gesetzt wissen will, nicht dargetan.
16 Im Gesamten vermag der Revisionswerber nicht darzutun, dass die strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn in der Türkei als asylrelevante Verfolgung und nicht als (legitime) Strafverfolgung anzusehen seien.
17Die Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung des Weiteren gegen die Versagung der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und bringt vor, der Revisionswerber sei entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes - unter Hinweis auf näher genannte Berichte - bei Rückkehr in sein Heimatland unzumutbaren und den Bestimmungen des Art. 3 EMRK widersprechenden Haftumständen ausgesetzt.
18 Das Bundesverwaltungsgericht setzte sich unter Zugrundelegung aktueller Länderberichte mit der Situation kurdischer Häftlinge auseinander und begründete eingehend, dass der Revisionswerber bei einer möglichen - Verbüßung einer Strafhaft in türkischen Haftanstalten keiner realen Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre. Dass diese Beurteilung eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unvertretbarkeit aufweisen würde, zeigt der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung nicht auf.
19 In der Revision wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 1. September 2025