JudikaturVwGH

Ra 2025/20/0234 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
23. Juli 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Stüger, über die Revision des M S, vertreten durch Mag. Dr. Sebastian Siudak, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Blütenstraße 15/5/5.13, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. April 2025, W284 23085521/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1Der (im Jahr 1985 geborene) Revisionswerber ist Staatsangehöriger des Iran und der Volksgruppe der Perser zugehörig. Er stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 28. Juni 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Er gab im Rahmen der Erstbefragung an, mit dem Flugzeug vom Iran in die Türkei gereist zu sein. Von dort sei er via Bulgarien, Serbien und Ungarn nach Österreich weitergereist. Eigentlich habe er nach Deutschland gelangen wollen, weil „es ein gutes Land“ sei. Er habe (im Iran) an Demonstrationen gegen die Regierung teilgenommen. Deswegen drohe ihm eine langjährige Haftstrafe. Daher sei er geflüchtet.

2 Im Rahmen des weiteren Asylverfahrens, das vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch am 28. Juni 2023 zugelassen worden war, betonte der Revisionswerber bei seiner Vernehmung am 12. November 2024 zunächst, „unbedingt“ nach Deutschland gelangen und nicht in Österreich bleiben zu wollen. Er habe in Deutschland viele Bekannte und in Köln weitschichtige Verwandte, zu denen er eigentlich habe gelangen wollen. Zum Grund der Flucht aus dem Herkunftsstaat gab er an, dass er nicht dem Islam, sondern einem „mystischen Kreis“ angehöre. Im Iran werde „der mystische Kreis auch als Islamanhänger bezeichnet, damit sie aktiv bleiben“ könnten. „Es“ gehöre „jedoch nicht zum Islam.“ Es handle sich um den mystischen Kreis Erfan e Halgheh. Am 22. Oktober 1401 (nach iranischer Zeitrechnung) seien im Iran zwei Personen, die Aktivisten gewesen seien, zum Tod verurteilt und erhängt worden. An diesem Tag habe der Revisionswerber an einer Demonstration gegen dieses Todesurteil teilgenommen. Es seien aber an diesem Tag auch „viele Beamten, Militär, Basij unterwegs“ gewesen. „Sie“ hätten deshalb „nicht richtig“ demonstrieren können. Der Revisionswerber habe die Kennzeichen von Fahrzeugen „der Beamten, etc.“ fotografiert und gefilmt. Diese Daten habe er an Personen, die „auf Social Media aktiv“ seien, weitergeleitet. Mittels der Kennzeichen hätten „die anderen“ die Besitzer der Kennzeichen identifizieren können; „also“ wo sie wohnten und wie sie hießen. Der Revisionswerber habe das gemacht, damit „sie“ Angst bekämen und „die Leute“ bei der Demonstration nicht störten. Es seien „Basij, Beamte, Soldaten“ gekommen und hätten Demonstranten festgenommen. Er habe flüchten können, aber sie hätten sein Handy „erwischt“. „Die Beamten, etc.“ hätten Angst gehabt, dass es zum Tumult komme. Deshalb hätten sie mehr (offenbar gemeint: auch unbeteiligte) Personen festgenommen. Der Revisionswerber sei dann nicht nach Hause gegangen. Er habe in der Gegend gelebt, in der die Demonstration stattgefunden habe. Deshalb sei er nicht nach Hause gegangen, sondern sei geflüchtet. Er sei untergetaucht, bis sein Bruder verstorben sei. Vier Tage vor seiner Ausreise seien zwei Personen zu seiner Mutter gekommen und hätten nach dem Revisionswerber gefragt. Sie hätten der Mutter gesagt, dass er sich innerhalb von 72 Stunden beim Geheimdienst (Ethelat) melden solle. Dann sei er geflüchtet. Der Revisionswerber sei „Trainer von Erfan e Halgheh, politisch aktiv, etc.“ gewesen. „All diese Informationen“ seien auf dem Handy gewesen. Am 26. Oktober 1401 seien „sie“ auch bei seiner Firma gewesen und hätten nach ihm gefragt. Seitdem habe der Revisionswerber gewusst, dass „sie“ gewusst hätten, wer er sei und, und dass „sie“ ihn finden würden. Er wisse nicht, ob sein verstorbener Bruder „vor den Behörden“ über den Revisionswerber gesprochen habe. Aber der Bruder habe, als er nach Hause gekommen sei, zum Revisionswerber gesagt, er solle aufpassen. Der Revisionswerber habe nicht mehr nachfragen können, was der Bruder genau gemeint habe, weil dieser über Nacht gestorben sei. Das sei einen Monat vor der Ausreise des Revisionswerbers geschehen. Der Bruder sei zuvor acht Tage von der Regierung in Haft angehalten worden. Er habe Unruhen und Aufstände in der Stadt fotografiert und gefilmt gehabt und diese Aufnahmen an Menschenrechtsaktivisten weitergegeben. Als diese festgenommen worden seien, habe „dieser“ den Bruder verraten, woraufhin er festgenommen worden sei. „Sie“ hätten ihn befragt. Dann sei er freigelassen worden. Gott wisse, der Bruder sei so erschrocken gewesen, dass er nicht habe weiterleben können. Er sei schlafen gegangen und im Schlaf gestorben. In der Todesurkunde des Bruders stehe, dass die Todesursache unbekannt sei. Nach der Flucht von der Demonstration habe sich der Revisionswerber vier Tage lang versteckt gehalten. Dann seien zwei Beamte in Zivil zu seiner Arbeitsstätte gekommen. Ein Kollege habe ihn darüber informiert. Der Revisionswerber habe damit gewusst, dass sie hinter ihm her seien. Sie seien dann nochmals bei seiner Mutter gewesen, als er bereits ausgereist gewesen sei. Über Befragen gab der Revisionswerber an, er habe wegen seiner Beteiligung bei Erfan e Halgheh keine Probleme gehabt. Aber er habe Freunde gehabt, die Probleme gehabt hätten. Sie hätten immer in Angst gelebt. Sie hätten auf ihren Handys Nachrichten gehabt. Sie hätten ständig Angst gehabt, verfolgt zu werden. Ihr Anführer sei zehn Jahre in Einzelhaft gewesen. Über weiteres Befragen, weshalb sich der Revisionswerber vom Islam abgewandt habe, führte er aus, dass er „nicht vom Islam weg“ sei. Er wolle den Islam und alle anderen Glaubensrichtungen detailliert studieren. Er interessiere sich für jeden Glauben. Den Islam habe er aber in den letzten zwölf Jahren im Iran nicht ausgeübt. Deswegen habe er aber im Iran nie Probleme gehabt.

3 Des Weiteren enthält die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angefertigte Niederschrift über die Vernehmung des Revisionswerbers folgenden Passus: „AW legt Fotos einer Demonstration in Linz vor. Diese werden in Kopie zum Akt genommen.“ Dieser Niederschrift ist nicht zu entnehmen, dass der Revisionswerber dazu von sich aus weitere konkrete Angaben gemacht habe oder befragt worden sei.

4Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den vom Revisionswerber gestellten Antrag mit Bescheid vom 17. Jänner 2025 sowohl hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als auch hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab. Weiters sprach die Behörde aus, dass dem Revisionswerber eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen ihn gestützt auf § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 sowie § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFAVG) eine Rückkehrentscheidung erlassen, und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde nach § 55 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

5 In der Begründung ging das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl soweit für das Revisionsverfahren von Interesse unter Darlegung seiner beweiswürdigenden Erwägungen davon aus, dass den Angaben des Revisionswerbers zu einer Mitgliedschaft zu Erfan e Halgheh, deren Ansichten „dem Rahmen des iranischen Sufismus und somit einer Strömung des Islam“ entsprächen, sowie zur Teilnahme an einer Demonstration im Iran und einer daraus resultierenden Verfolgung nicht zu folgen sei. Aus den Feststellungen zur Lage im Iran ergebe sich zudem, dass nur iranische Staatsangehörige, die sich als Folge ihrer öffentlichkeitswirksamen Betätigung „für das Regime deutlich von der breiten Masse abheben (in der Öffentlichkeit besonders aktive Personen)“, Gefahr liefen, dass sich die iranischen Sicherheitsbehörden und die iranische Justiz mit ihnen befassten. Da der iranische Staat nicht jegliche Tätigkeit seiner Staatsangehörigen verfolgen könne, müsse sich sein Interesse auf Personen beschränken, die aufgrund ihrer exponierten Stellung, ihres Einflusses auf andere iranische Staatsangehörige und eines herausragenden Engagements eine potenzielle Gefahr für den ausschließlichen Machtanspruch des Regimes im Iran darstellen könnten. Auf die vom Revisionswerber bei der Vernehmung vorgelegten Fotos, die ihn bei der Teilnahme an einer Demonstration in Linz zeigen sollten, ging das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Bescheid nicht ein.

6 In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wendete sich der Revisionswerber gegen die Beweiswürdigung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, mit der seinem Vorbringen kein Glauben geschenkt wurde. Er brachte zudem hier bloß auszugsweise wiedergegeben vor, dass er nicht nur im Iran an regimekritischen Demonstrationen teilgenommen habe, sondern „auch in Österreich anlässlich des Todestages von Mahsa Amini am 16.09.2023“. Aus in der Beschwerde näher bezeichneten Berichten zum Iran ergebe sich, dass die iranischen Behörden eine „europaweite Kampagne der Belästigung, Überwachung, Entführung und Morddrohungen gegen politische Aktivist innen, die gegen die Regierung protestieren, betreiben würden“ und „regierungskritische Aktivist•innen, bei ihrer Rückkehr in den Iran ‚auf jeden Fall‘ verhaftet würden, und dass dies in den meisten Fällen sofort nach ihrer Ankunft geschehen würde“. Weiters sei den Berichten zu entnehmen, dass Rückkehrer aufgrund der Protestbewegung ab September 2022 verstärkt von den Sicherheitsdiensten überprüft würden. Aus Europa zurückkehrende Asylwerber seien gefährdet, von den iranischen Behörden befragt, verhaftet und in manchen Fällen auch gefoltert und getötet zu werden, wenn die Behörden sie mit politischem Aktivismus in Verbindung brächten. Der Revisionswerber beantragte ausdrücklich, im Verfahren über seine Beschwerde eine Verhandlung durchzuführen.

7 Das Bundesverwaltungsgericht nahm von der Durchführung der vom Revisionswerber beantragten Verhandlung Abstand. Es wies mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis die Beschwerde als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

8 Das Bundesverwaltungsgericht ging soweit hier maßgeblich davon aus, dass der Revisionswerber den Iran weder aus Furcht vor persönlichen Eingriffen in seine körperliche Integrität noch wegen einer individuell konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung oder einer Lebensgefahr verlassen habe. Er habe den Asylantrag in Österreich deswegen gestellt, weil ihm die von ihm beabsichtigte Weiterreise nach Deutschland nicht gelungen sei. Möge der Revisionswerber im Iran auch an einer Demonstration (am 12. Jänner 2023) teilgenommen haben, so sei er doch weder Mitglied einer oppositionellen Gruppierung oder politischen Partei noch sei er sonst in das Blickfeld der iranischen Regierung geraten. Er sei nie aufgrund seiner religiös politischen Einstellung aufgefallen und nie persönlich bedroht worden. Es bestehe für ihn im Iran keine maßgebliche Gefahr, als Oppositioneller wahrgenommen zu werden oder bloß ins Blickfeld des iranischen Regimes zu geraten. Dem Revisionswerber drohe bei der Rückkehr in den Iran auch keine Verfolgung durch das iranische Regime aufgrund der Teilnahme an einer Demonstration in Linz oder aufgrund von Beiträgen in sozialen Medien. Im Rahmen seiner beweiswürdigenden Erwägungen führte das Bundesverwaltungsgericht bezogen auf das diesbezüglich in der Beschwerde erstmals erstattete Vorbringen aus, es seien hinsichtlich „etwaiger Nachfluchtgründe aufgrund des Verhaltens“ des Revisionswerbers in Österreich „3 Fotos bei einer Demonstration in Linz vorgelegt“ worden. Selbst wenn man nicht bezweifle, dass der Revisionswerber, der aufgrund der Bildqualität schlecht bis kaum erkennbar sei, an dieser Demonstration teilgenommen habe, läge kein Grund für die Annahme vor, dass den iranischen Behörden diese Teilnahme bekannt geworden sei. Aus den Länderberichten zum Iran ergebe sich nicht, dass der iranische Staat „gleichsam“ sämtliche gegen die iranische Regierung gerichtete Demonstrationen im In- und Ausland systematisch überwache, die daran teilnehmenden Personen ausforsche, die Internetaktivitäten weltweit nach regimekritischen Postings auf Social-Media-Plattformen oder sonstigen Kanälen durchsuche und dahinterstehende Verfasser gezielt identifiziere. Aus aktuellen Länderberichten ergebe sich zwar, dass iranische Geheimdienste unter anderem die Aufgabe hätten, Dissidenten im In- und Ausland zu überwachen. Allerdings stünden in ihrem Fokus insbesondere iranische Oppositionsgruppen. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ergänzte das Bundesverwaltungsgericht diese Erwägungen noch dahin, dass sich bezüglich des Vorbringens zu einem exilpolitischen Engagement in Österreich ergeben habe, dass die Teilnahme des Revisionswerbers an einer Demonstration in Linz sowie seine Präsenz in sozialen Netzwerken nur den oberflächlichen Anschein einer politischen Aktivität erwecken sollten und dies ausschließlich „zur Begründung eines Vorbringens im Asylverfahren“ erfolgt sei.

9 Das Absehen von der Durchführung der beantragten Verhandlung begründete das Bundesverwaltungsgericht soweit es auf § 21 Abs. 7 BFA VG Bezug nahm damit, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein „entsprechendes“ Ermittlungsverfahren durchgeführt habe. Der Revisionswerber sei „einmal polizeilich ‚erstbefragt‘ und einmal ausführlich vor der Behörde niederschriftlich einvernommen“ worden. Die Behörde habe ihre Beweiswürdigung, die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen trage, in gesetzmäßiger Weise offengelegt. Das Bundesverwaltungsgericht teile die tragenden Erwägungen. In der Beschwerde sei ein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender Sachverhalt nicht und in Detailfragen bloß unsubstantiiert behauptet worden. Da es sich im gegenständlichen Fall auch nach unionsrechtlichen Maßstäben um einen offensichtlich unbegründeten Antrag handle und die „höchstgerichtlich maßgeblichen Kriterien“ erfüllt seien, habe die Verhandlung entfallen dürfen.

10 Die dagegen erhobene Revision wurde vom Bundesverwaltungsgericht samt den Verfahrensakten dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorverfahren eingeleitet. Es wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revisionin einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

12 Der Revisionswerber wendet sich in der Begründung für die Zulässigkeit der Revision unter verschiedenen Aspekten gegen den Entfall der Verhandlung. Er bringt unter anderen vor, das Bundesverwaltungsgericht habe im Rahmen seiner Beweiswürdigung bewertet, ob vom Revisionswerber vorgelegte Bilder, die ihn (nach seinen Angaben) bei der Teilnahme an regimekritischen Demonstrationen in Linz zeigten, tatsächlich das Vorliegen von Nachfluchtgründe beweisen könnten. Es habe zunächst bewertet, ob der Revisionswerber darin überhaupt bei einer regimekritischen Demonstration in Linz zu sehen sei und ob eine solche Teilnahme einen relevanten Nachfluchtgrund darstelle. Diese Bilder habe der Revisionswerber zwar bereits dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt gehabt. Die Behörde habe allerdings zu diesen Bildern nicht Stellung bezogen. Auf das Vorliegen von Nachfluchtgründen sei die Behörde nicht eingegangen.

13 Die Revision ist aufgrund dieses Vorbringens zulässig. Sie ist auch berechtigt.

14 Gemäß dem hier anzuwendenden § 21 Abs. 7 BFAVG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

15Für die Beurteilung, ob im Sinn der im ersten Satz des § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ und die Durchführung einer Verhandlung nach dieser Bestimmung unterbleiben kann, sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgende Kriterien beachtlich:

16 Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFAVG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. dazu ausführlich VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018; sowie aus der dem folgenden Rechtsprechung etwa VwGH 24.9.2024, Ra 2024/20/0494, mwN).

17 Der Revisionswerber, der zwar bereits dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl während seiner vor dieser Behörde erfolgten Vernehmung Fotos vorgelegt hatte, auf denen er bei der Teilnahme an einer Demonstration zu sehen sei, erstattete (erst) in der Beschwerde ein zusätzliches darauf Bezug nehmendes neues Vorbringen, weshalb er im Herkunftsstaat aufgrund des in Österreich gesetzten Verhaltens Verfolgung befürchte. Er verwies in diesem Zusammenhang zudem auf Berichte zum Iran, die aus seiner Sicht zu berücksichtigen seien und aus denen sich ergebe, dass sich außerhalb des Irans regimekritisch betätigende iranische Staatsangehörige unter Beobachtung des iranischen Geheimdienstes stünden und bei der Rückkehr in den Iran gegen sie gerichtete Verfolgungshandlungen zu gewärtigen hätten. Davon, dass dieses Vorbringen dem Neuerungsverbot des § 20 BFA VG zu unterstellen gewesen wäre, ging das Bundesverwaltungsgericht nicht aus. Es traf im angefochtenen Erkenntnis zu diesem Vorbringen Feststellungen im Besonderen (auch) dahin, dass eine Teilnahme an der in Linz abgehaltenen Demonstration den Revisionswerber nicht in das Blickfeld iranischer Behörden gerückt habe und setzte den Befürchtungen des Revisionswerbers zu einer Verfolgung wegen der Teilnahme an Demonstrationen in Österreich den Inhalt von Berichten zum Verhalten iranischer Behörden in Bezug auf sich im Ausland gegen das iranische Regime engagierenden iranischen Staatsangehörigen entgegen. Resümierend ging es dann davon aus, dass der Revisionswerber (auch) aus dem erstmals in der Beschwerde geltend gemachten Grund keine Verfolgung im Iran zu gewärtigen habe. Vielmehr habe er nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ein Verhalten gesetzt, das für iranische Behörden uninteressant sei und das nur dazu habe dienen sollen, einen Grund für die Gewährung von Asyl zu konstruieren.

18 Damit hat das Bundesverwaltungsgericht zu einem in der Beschwerde neu erstatteten, sich auf einen entscheidungsmaßgeblichen Sachverhalt beziehenden Vorbringen Feststellungen getroffen, die im bei ihm bekämpften Bescheid noch nicht enthalten waren und die sich für die Entscheidung in Bezug auf diesen vom Revisionswerber als für eine Verfolgung im Heimatland geltend gemachten Grund als allein tragend darstellen. Es hat in diesem Zusammenhang auch wesentliche beweiswürdigende Erwägungen ins Treffen geführt, um den der rechtlichen Beurteilung zu unterwerfenden Sachverhalt einer umfänglichen Klärung zuzuführen und gegenüber den behördlichen Feststellungen zu vervollständigen. Es besteht daher anders als das Bundesverwaltungsgericht meint kein Zweifel, dass die oben dargestellten Voraussetzungen für die Abstandnahme von der Verhandlung nicht gegeben waren.

19Die Missachtung der Verhandlungspflicht führt im Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK und wie hierdes Art. 47 GRC zur Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, ohne dass im Revisionsverfahren die Relevanz dieses Verfahrensmangels geprüft werden müsste (vgl. auch dazu VwGH Ra 2024/20/0494, mwN).

20 Sohin war das angefochtene Erkenntnis zur Gänze, weil die rechtlich von der Versagung der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abhängenden Aussprüche ihre Grundlage verlierengemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Auf das übrige Vorbringen in der Revision war daher nicht weiter einzugehen.

21Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und Z 5 VwGG abgesehen werden.

22Die Zuerkennung von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 23. Juli 2025