Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des A N, geboren am 1. Jänner 2001, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. Mai 2025, W144 23122681/3E, betreffend Auftrag zur Bescheiderlassung gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG in einer Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1Der aus Syrien stammende Revisionswerber stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 4. Oktober 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Da das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Entscheidung über diesen Antrag nicht innerhalb von sechs Monaten erlassen hatte, brachte der Revisionswerber mit Schriftsatz vom 5. Februar 2025 eine Säumnisbeschwerde ein, die von der Behörde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt wurde.
3Mit dem angefochtenen Erkenntnis trug das Bundesverwaltungsgericht der belangten Behörde gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG auf, den versäumten Bescheid innerhalb von acht Wochen ab Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses unter Zugrundelegung der in dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes festgelegten Rechtsanschauung zu erlassen (Spruchpunkt A). Des Weiteren erklärte es die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig (Spruchpunkt B).
In den Entscheidungsgründen gab das Bundesverwaltungsgericht gesetzliche Bestimmungen des AsylG 2005 sowie allgemeine Rechtssätze aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union, des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und des Verwaltungsgerichtshofes wieder, wann an sich von einer asylrechtlich relevanten Verfolgung und einer solchen im Fall der Weigerung, Militärdienst zu leisten, auszugehen sei. Weiters enthält die Begründungnach Wiedergabe des § 8 AsylG 2005 und von Bestimmungen der EMRKallgemein gehaltene Rechtssätze zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Verletzung des Art. 3 EMRK anzunehmen sei. Auch merkte das Bundesverwaltungsgericht nach Auflistung weiterer gesetzlicher Bestimmungen an, bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme könne ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden im Sinn des Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Es müsse daher überprüft werden, ob eine solche Maßnahme einen Eingriff und - wenn ein solcher gegeben sei - eine Verletzung des Privat- und Familienlebens des Fremden darstelle. Als Erwägungen zur „Frage der Zulässigkeit der Abschiebung“ gab das Bundesverwaltungsgericht in zusammengefasster Weiseallein den Wortlaut des § 50 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) wieder. Auf Basis dieser vom Bundesverwaltungsgericht geäußerten Rechtsansicht werde so das Verwaltungsgericht abschließend das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seiner Entscheidung eine aktuelle Lagebeurteilung zu den Verhältnissen in Syrien und im Speziellen der Herkunftsregion des Revisionswerbers zugrunde zu legen haben, wie beispielsweise den eben erschienenen Bericht COI CMS, Länderinformation der Staatendokumentation des BFA zu Syrien vom 08. Mai 2025, Version 12. Zu berücksichtigen und dem Revisionswerber im Rahmen einer Einvernahme vorzuhalten werde auch sein so das Verwaltungsgericht weiter , dass er sich seit dem Jahr 2021 nicht mehr in Syrien aufgehalten habe, sodass eine individuell konkrete Verfolgungsgefahr durch die neuen Machthaber prima vista nicht naheliegend erscheine. Die belangte Behörde habe „den hier vorliegenden Sachverhalt“ innerhalb einer Frist von acht Wochen auf Basis des vom erkennenden Gericht geäußerten Rechtsansicht zu entscheiden.
4 Dagegen richtet sich die gegenständliche außerordentliche Revision. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Revision samt den Verwaltungsakten dem Verwaltungsgerichtshof vor, der mit prozessleitender Anordnung vom 3. Juni 2025 das Vorverfahren einleitete.
5 Mit Eingabe vom 8. Juli 2025 gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bekannt, dass dem Revisionswerber mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1. Juli 2025 der Status des Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt worden sei, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
6 Der Verwaltungsgerichtshof gab dem Revisionswerber mit prozessleitender Anordnung vom 31. Juli 2025 Gelegenheit dazu Stellung zu nehmen.
7 Der Revisionswerber bestätigte in seiner Stellungnahme die Zustellung des Bescheides vom 1. Juli 2025, äußerte sich aber zur Frage des allfälligen Wegfalls des rechtlichen Interesses nicht, sondern führte aus, dass, sollte der Verwaltungsgerichtshof aufgrund des Bescheides der belangten Behörde (vom 1. Juli 2025) vom Wegfall des Rechtsschutzinteresses im Revisionsverfahren ausgehen, er Kostenzuspruch begehre.
8Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist die Revision nach Anhörung des Revisionswerbers mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde.
9Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Prozessvoraussetzung für ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses an der inhaltlichen Erledigung. Ein solches ist immer dann zu verneinen, wenn es (etwa auf Grund geänderter Umstände) für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für ihn keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen somit insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung haben, wenn also durch Änderung maßgeblicher Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art das rechtliche Interesse des Revisionswerbers an der Entscheidung wegfällt. Liegt das Rechtsschutzbedürfnis schon bei Einbringung der Revision nicht vor, ist diese unzulässig (§ 34 Abs. 1 VwGG), fällt die Voraussetzung erst nach Einbringung einer zulässigen Revision weg, so führt dies zu einer Einstellung des Verfahrens als gegenstandslos nach § 33 Abs. 1 VwGG (vgl. VwGH 30.6.2025, Ra 2025/20/0073, Rn 23; mwN).
10 Das ist hier der Fall, weil zwischenzeitig dem Antrag des Revisionswerbers stattgegeben und ihm die damit begehrte Rechtsposition rechtskräftig zuerkannt wurde. Die im Verfahren betreffend den Säumnisschutz erhobeneRevision war somit als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren nach Anhörung des Revisionswerbers gemäß § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.
11Fällt bei einer Revision oder einem Fristsetzungsantrag das Rechtsschutzinteresse nachträglich weg, so ist dies gemäß § 58 Abs. 2 VwGG bei der Entscheidung über die Kosten nicht zu berücksichtigen; würde hiebei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden.
12Der Kostenzuspruch an den Revisionswerber gründet sich auf § 58 Abs. 2 erster Satz VwGG iVm §§ 47 ff VwGG.
13 Der Revision wäre unter Außerachtlassung des zwischenzeitlichen Wegfalls des RechtsschutzinteressesErfolg beschieden gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im bereits zitierten Erkenntnis vom 30. Juni 2025, Ra 2025/20/0073, mit den maßgeblichen Voraussetzungen einer Entscheidung im Säumnisbeschwerdeverfahren gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG auseinandergesetzt. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG kann daher auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen werden.
14 Den darin aufgestellten Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall schon deshalb nicht entsprochen, weil es maßgebliche Rechtsfragen im Spruch nicht angeführt und auch in den nachstehenden Entscheidungsgründen nicht dargelegt hat, sondern ohne im konkreten Fall zu lösende Rechtsfragen zu entscheiden einzig unter Darlegung von Rechtsvorschriften und Rechtssätzen aus der Judikatur sowie Mutmaßungen der Verwaltungsbehörde die Erlassung des versäumten Bescheides unter Setzung einer Nachfrist aufgetragen hat.
Wien, am 8. September 2025