Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Mag. Dr. Pieler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Schmied, LL.M., über die Revision des M O (alias A S), vertreten durch Mag. Ilhan Kizildag, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2025, L502 21741883/3E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe, reiste 2007 im Rahmen des Familiennachzugs in das Bundesgebiet ein und verfügte bis 24. August 2021 über den Aufenthaltstitel „Rot Weiß Rot Karte plus“.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erließ aufgrund der strafrechtlichen Verurteilungen des Revisionswerbers mit Bescheid vom 22. Juli 2021 eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung in die Türkei zulässig sei, verhängte ein Einreiseverbot für die Dauer von acht Jahren und erkannte einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung ab. Der Revisionswerber reiste am 22. Februar 2022 in die Türkei aus.
2 Am 14. Jänner 2025 stellte der Revisionswerber in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, es in der Türkei „nicht mehr auszuhalten“, Probleme mit Gläubigern aufgrund von Geldschulden gehabt zu haben und nicht zum Militär zu wollen.
3Mit Bescheid vom 5. Mai 2025 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab und erteilte ihm keine Aufenthaltsberechtigung aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.).
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides ab und behob den Bescheid im Umfang des Spruchpunktes III. ersatzlos. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
5 Begründend führte das BVwG soweit für das Revisionsverfahren relevant aus, der Revisionswerber habe keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen können. Dem Vorbringen zu seinen Schulden und den Drohungen durch Gläubiger sowie einem Gerichtsverfahren wegen seiner Geldschulden komme keine Asylrelevanz zu. Der türkische Staat sei grundsätzlich schutzfähig und schutzwillig.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Zur Begründung der Zulässigkeit der Revision bringt der Revisionswerber zunächst vor, es fehle an einheitlicher Rechtsprechung dahingehend, ob durch die Abweisung eines Asylantrags und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot in das Recht auf Privat- und Familienleben eingegriffen werden dürfe. Der Begriff des Privatlebens sei nicht erschöpfend definiert und der Familienbegriff sei weit auszulegen.
11 Zu diesem auch im Zusammenhang mit der Verletzung der Verhandlungspflicht sowie Ermittlungsmängeln des BVwG erstattetenVorbringen ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im (hier gegenständlichen) Bescheid vom 5. Mai 2025 weder eine Rückkehrentscheidung noch ein Einreiseverbot erlassen hat und damit solche auch nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens waren (vgl. VwGH 2.5.2023, Ra 2023/14/0118). Das diesbezügliche Vorbringen geht daher ins Leere.
12 In der Zulässigkeitsbegründung werden zudem Ermittlungsmängel im Zusammenhang mit der Beschaffung von Unterlagen durch einen bevollmächtigten Anwalt in der Türkei vorgebracht.
13 Diesbezüglich ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach für den Fall, dass Verfahrensmängel wie hier Ermittlungsmängel als Zulässigkeitsgründe ins Treffen geführt werden, schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargetan werden muss, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Dies setzt voraus, dass auf das Wesentliche zusammengefasstjene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 14.8.2025, Ra 2025/19/0020, mwN). Eine solche konkrete und fallbezogene Relevanzdarstellung lässt die vorliegende Zulässigkeitsbegründung mit ihren allgemein gehaltenen Ausführungen jedoch vermissen.
14 Überdies unterliegt es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG läge in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 18.9.2024, Ra 2024/19/0393, mwN). Im vorliegenden Fall lässt sich aus der Zulässigkeitsbegründung jedoch kein krasser, die Rechtssicherheit beeinträchtigender und daher eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfender Verfahrensfehler ableiten.
15Schließlich wendet sich der Revisionswerber gegen die Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nach dem auch hier maßgeblichen § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG ein Absehen von der mündlichen Verhandlung dann gerechtfertigt, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. zu diesen Leitlinien grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, sowie aus der jüngeren Rechtsprechung etwa VwGH 17.9.2025, Ra 2025/19/0306, mwN).
16 Der Revisionswerber vermag mit seinen pauschalen Ausführungen nicht darzulegen, inwiefern das BVwG von den in der dargelegten Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien abgewichen wäre.
17Mit dem Vorbringen, der Sachverhalt sei in Bezug auf die Probleme mit den Gläubigern nicht vollständig ermittelt worden, zeigt der Revisionswerber kein individuelles Verfolgungsszenario von asylrechtlicher Bedeutung auf, weshalb auch nicht ersichtlich ist, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt unvollständig erhoben worden wäre (vgl. VwGH 23.6.2025, Ra 2024/20/0638, mwN).
18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 30. Oktober 2025
Rückverweise