JudikaturVwGH

Ra 2025/14/0021 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
09. April 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed sowie die Hofrätin Dr. in Sembacher und den Hofrat Mag. Schartner, Bakk., als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. in Zeitfogel, über die Revision des A A in F, vertreten durch Dr. Manfred Monitzer, Rechtsanwalt in 6365 Kirchberg, Lendstraße 16, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2024, W169 22716962/2E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Somalia, stellte erstmals am 5. März 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), den er im Wesentlichen mit der Verfolgung durch die Al Shabaab begründete.

2Mit Bescheid vom 4. April 2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag ab, erteilte dem Revisionswerber keine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte es mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit rechtskräftigem Erkenntnis vom 29. Februar 2024 als unbegründet ab.

4 Am 29. Oktober 2024 stellte der Revisionswerber den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er im Wesentlichen mit dem Fortbestehen der bereits in seinem Erstantrag vorgebrachten Fluchtgründe sowie ergänzend damit, dass seine Familie aufgrund seiner Flucht vor der Al Shabaab verhaftet und eingesperrt worden sei.

5Mit Bescheid vom 21. November 2024 wies das BFA diesen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte dem Revisionswerber keine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei. Unter einem erließ es gegen den Revisionswerber ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot und gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise.

6 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei. Es schloss sich unter anderem der Beurteilung der belangten Behörde an, dass es dem (neuen) Vorbringen des Revisionswerbers, wonach seine Familie aufgrund seiner Flucht von der Al Shabaab eingesperrt worden sei, an einem glaubhaften Kern fehle.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Der Revisionswerber wendet sich in der Zulässigkeitsbegründung der Revision zunächst gegen die Auffassung des BVwG, wonach im Zusammenhang mit dem im Folgeantrag behaupteten Fluchtgrund des Revisionswerbers eine entschiedene Sache vorgelegen sei. Unter Missachtung des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 9. September 2021, C18/20, und des in der Folge ergangenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 2021, Ro 2019/14/0006, habe das BVwG den gegenständlichen Folgeantrag lediglich anhand des § 68 Abs. 1 AVG und nicht anhand des Art. 40 Abs. 2 und 3 Verfahrensrichtlinie geprüft.

11Dem ist zu erwidern, dass das angesprochene Urteil des EuGH und das anschließend ergangene Erkenntnis VwGH 19.10.2021, Ro 2019/14/0006, einer Sichtweise entgegenstünde, wonach neues Sachverhaltsvorbringen in einem Folgeantrag unter Hinweis darauf unbeachtet bliebe, dass die Tatsachen schon im ersten Asylverfahren hätten vorgebracht werden können und müssen.

12 Im gegenständlichen Fall hat das BVwG allerdings dem Fluchtvorbringen bzw. der behaupteten Sachverhaltsänderung nämlich, dass die Familie des Revisionswerbers aufgrund seiner Flucht verhaftet und eingesperrt worden wäreden „glaubhaften Kern“ abgesprochen, was nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zurückweisung des Folgeantrags berechtigte. Diese Judikatur wurde durch das erwähnte Urteil des EuGH auch nicht berührt (vgl. VwGH 31.10.2022, Ra 2022/18/0259, mwN).

13Soweit sich die Revision gegen die beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG zum „glaubhaften Kern“ wendet, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach ständiger hg. Rechtsprechung nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhalts die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukommt; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrags darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, an den eine positive Entscheidungsprognose im obigen Sinne anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrags mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. dazu etwa grundliegend VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391, mwN).

14 Dass das BVwG fallbezogen von diesen Leitlinien abgewichen wäre und insbesondere die Erwägungen des BVwG zum fehlenden „glaubhaften Kern“ unzutreffend gewesen wären, legt die Revision nicht dar.

15 Der Revisionswerber begründet die Zulässigkeit der Revision weiters mit einer Verletzung der Verhandlungspflicht und einem damit einhergehenden Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz.

16Der Verwaltungsgerichtshof hat die Voraussetzungen, unter denen das BVwG von einer Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG absehen kann, in seiner ständigen Rechtsprechung näher präzisiert (vgl. dazu grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018). Dass das BVwG von diesen rechtlichen Leitlinien fallbezogen abgewichen wäre, legt die Revision nicht dar. Insbesondere zeigt die Revision mit ihrem Vorbringen, das BVwG hätte eine Beweiswürdigung ohne eigene Beweisaufnahme durchgeführt, nicht auf, dass das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung nicht geteilt hätte bzw. eine ergänzende Beweiswürdigung im Sinn der obigen Rechtsprechung vorgenommen hätte. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren - wozu auch Beschwerden gegen eine vor Zulassung des Verfahrens ausgesprochene Zurückweisung eines Antrags auf internationalen Schutz nach § 68 AVG zählen - besonderen Verfahrensvorschriften, nämlich § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA-VG, folgt (vgl. VwGH 17.2.2022, Ra 2022/18/0018, mwN). Dass das BVwG von den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren abgewichen und zur Abhaltung einer mündlichen Verhandlung verhalten gewesen wäre, wird in der Revision ebenfalls nicht aufgezeigt.

17Soweit die Revision eine Verletzung des Amtswegigkeitsprinzips vorbringt, weil das BVwG es unterlassen habe zu versuchen, eine angebliche Kontaktperson des Revisionswerbers in Somalia telefonisch zu sprechen, obwohl diese sein Vorbringen stützen hätten können, ist zu erwidern, dass die Frage, ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung darstellt (vgl. VwGH 29.11.2024, Ra 2024/18/0624, mwN). Die Revision vermag nicht darzulegen, dass dem BVwG bei dieser Beurteilung ein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender Fehler unterlaufen wäre, weil ihm unter Berücksichtigung der ihm vorliegenden Beweisergebnisse die amtswegige Erhebung der angesprochenen Beweise als „erforderlich“ im Sinne des § 18 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 erscheinen hätte müssen.

18Wenn die Revision - ausschließlich in den Revisionsgründen gemäß § 28 Abs. 1 Z 5 VwGG - zudem die Annahme des BVwG releviert, wonach sich die Lage im Herkunftsstaat des Revisionswerbers nicht geändert bzw. verschlechtert habe, legt sie nicht dar, in welchen Punkten das angefochtene Erkenntnis in diesem Zusammenhang von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Revision zu diesem Punkt keine gesonderte Zulässigkeitsbegründung nach § 28 Abs. 3 VwGG enthält. Schon deswegen ist sie insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt und damit nicht zulässig (VwGH 20.12.2024, Ra 2023/14/0302, mwN).

19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher zurückzuweisen.

Wien, am 9. April 2025