JudikaturVwGH

Ra 2024/18/0624 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
29. November 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter sowie die Hofrätinnen Dr. in Gröger und Dr. in Sabetzer als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision des M S, vertreten durch Ing. Mag. Niyazi Bahar, Rechtsanwalt in 2225 Zistersdorf, Kirchenplatz 16, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. September 2024, I403 2294595 1/14E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber ist türkischer Staatsbürger und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe. Er stellte am 6. Oktober 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Lauf des Verfahrens im Wesentlichen damit begründete, wegen Grundstückstreitigkeiten von einer verfeindeten Familie bedroht und verfolgt zu werden. Darüber hinaus befürchte er, bei seiner Rückkehr als Kurde im Zuge seines Wehrdienstes in den Kriegsgebieten in Syrien eingesetzt zu werden.

2 Mit Bescheid vom 23. Mai 2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des Revisionswerbers sowie seiner Rechtsvertretung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

4 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, dem Revisionswerber drohe keine Verfolgung aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) sowie keine Verletzung seiner nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gewährleisteten Rechte. Es sei nicht glaubhaft gemacht worden, dass der Revisionswerber von einer verfeindeten Familie verfolgt werde. Einer asylrelevanten Verfolgung aufgrund einer allfälligen Wehrdienstverweigerung sei der Revisionswerber ebenfalls nicht ausgesetzt. Zur Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit hielt das BVwG fest, dass am Vortag der Verhandlung von der Rechtsvertretung des Revisionswerbers eine Vertagungsbitte mit einer Besuchsbestätigung eines Allgemeinmediziners sowie einem Rezept für ein Schmerzmittel und einer Überweisung an ein Röntgeninstitut mit der Diagnose „chronische Lumbalgie“ übermittelt worden sei. Der bloße Hinweis auf Rückenschmerzen und eine Überweisung wegen Lumbalgie reichten nicht aus, um die nach näher genannter Judikatur erforderliche Triftigkeit der Abwesenheit darzutun. Die Verhandlung habe daher in Abwesenheit durchgeführt werden können.

5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das BVwG habe in Abweichung von näher dargestellter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trotz Vertagungsbitte den Revisionswerber und „die bekannten Zeugen“ (Cousin und die Freundin des Revisionswerbers) nicht persönlich vernommen. Es habe verkannt, dass bei Krankheit und Bescheinigung des Verhinderungsgrundes eine Ausnahme bestehe, der Ladung Folge zu leisten.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung wiederholt festgehalten, dass das Nichterscheinen einer Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung die Durchführung der Verhandlung nicht hindert (vgl. § 17 VwGVG iVm § 42 Abs. 4 AVG). Voraussetzung für die Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit der Partei ist eine „ordnungsgemäße Ladung“. Davon kann dann nicht gesprochen werden, wenn einer der in § 19 Abs. 3 AVG genannten das Nichterscheinen des Geladenen rechtfertigenden Gründe vorliegt. Eine rechtswirksam geladene Partei hat die zwingenden Gründe für ihr Nichterscheinen darzutun. Sie muss etwa im Fall einer Erkrankung nicht nur deren Vorliegen behaupten und dartun, sondern auch die Hinderung am Erscheinen bei der Verhandlung aus diesem Grund. Die Triftigkeit des Grundes des Nichterscheinens muss überprüfbar sein (vgl. etwa VwGH 3.3.2022, Ra 2020/18/0463, mwN).

11 Die Vertagungsbitte vom 4. September 2024 (Vortag der Verhandlung) wurde vom BVwG dahingehend gewürdigt, dass den vorgelegten Unterlagen lediglich Rückenschmerzen des Revisionswerbers zu entnehmen seien, diese jedoch für sich genommen nicht ausreichen würden, um die Abwesenheit des Revisionswerbers von der mündlichen Verhandlung zu rechtfertigen. Die Revision enthält kein substantielles Vorbringen, um diese Einschätzung des BVwG als fehlerhaft erkennen zu können.

12 Weiters macht die Revision geltend, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern im Herkunftsstaat drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen könne, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischer oder religiöser Überzeugung beruhe oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werde und den Sanktionen wie etwa der Anwendung von Folter oder Haftstrafen jede Verhältnismäßigkeit fehle (Hinweis auf VwGH 25.7.2024, Ra 2024/01/0152, mwN). Dem ist zu erwidern, dass das BVwG die in der zitierten hg. Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für die Asylgewährung gegenständlich schon auf der Sachverhaltsebene für nicht gegeben ansah. Dem hält die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nichts Stichhaltiges entgegen.

13 Soweit die Revision schließlich pauschal eine Verletzung des Amtswegigkeitsprinzips vorbringt, weil das BVwG den Cousin und die Freundin des Revisionswerbers nicht einvernommen habe, obwohl diese sein Vorbringen stützen hätten können, ist zu erwidern, dass die Frage, ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung darstellt (vgl. etwa VwGH 29.8.2022, Ra 2022/18/0165, mwN). Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass dem BVwG bei dieser Beurteilung ein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender Fehler unterlaufen wäre, weil ihm unter Berücksichtigung der ihm vorliegenden Beweisergebnisse die amtswegige Erhebung der angesprochenen Beweise als „erforderlich“ im Sinne des § 18 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 erscheinen hätte müssen.

14 Wenn der Revisionswerber vermeint, das Unterbleiben seiner persönlichen Einvernahme durch das BVwG verletze ebenfalls das Amtswegigkeitsprinzip, genügt es darauf hinzuweisen, dass die Verhandlung in Abwesenheit des Revisionswerbers wegen der mangelnden Triftigkeit seiner Begründung zum Nichterscheinen erfolgte und die Revision dem nichts entgegensetzt (s. oben).

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 29. November 2024

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