JudikaturVwGH

Ra 2025/08/0084 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
25. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin sowie den Hofrat Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der F GmbH, vertreten durch die Ehrenhöfer Häusler Rechtsanwälte GmbH in Wiener Neustadt, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Februar 2025, W156 22194421/76E, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer Angelegenheit des ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Gesundheitskasse; weitere Partei: Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis VwGH 27.8.2024, Ra 2021/08/0052, verwiesen. Diesem Erkenntnis lag zugrunde, dass die natürliche Person F.T. gegen einen gegenüber der X.T. GmbH (der nunmehrigen Revisionswerberin) ergangenen Beitragsnachverrechnungsbescheid vom 27. März 2019 Beschwerde erhoben hatte. Das Bundesverwaltungsgericht hatte über diese Beschwerde in der Sache entschieden. Der Verwaltungsgerichtshof gab der dagegen von F.T. erhobenen Revision statt und änderte das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts gemäß § 42 Abs. 4 VwGG dahingehend ab, dass die Beschwerde des F.T. mangels Legitimation zu ihrer Erhebung zurückgewiesen wurde.

2 Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht die von der Revisionswerberin gegen den Bescheid vom 27. März 2019 erhobene Beschwerde als verspätet zurück.

3 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass der Bescheid vom 27. März 2019 der Rechtsvertretung der Revisionswerberin am 1. April 2019 zugestellt worden sei. Mit Schriftsatz vom 14. Jänner 2020, der als „Vollmachtsbekanntgabe, ergänzendes Beschwerdevorbringen, Beweisanträge“ bezeichnet gewesen sei, sei durch die revisionswerbende GmbH Beschwerde gegen den Bescheid vom 27. März 2019 eingebracht worden. Ein der revisionswerbenden GmbH zuzurechnendes, als Beschwerde erkennbares Schreiben sei vor dem 14. Jänner 2020 weder bei der Österreichischen Gesundheitskasse (der belangten Behörde) noch beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

4Die Beschwerdefrist gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG habe mit Ablauf des 29. April 2019 geendet. Die gegenständliche Beschwerde vom 14. Jänner 2020, die am 15. Jänner 2020 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt sei und am 21. Jänner 2020 an die belangte Behörde übergeben worden sei, erweise sich somit als verspätet.

5Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

6 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).

7Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9Unter diesem Gesichtspunkt macht die Revisionswerberin zunächst geltend, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 63 Abs. 1 VwGG „in Fällen wie diesem, konkret bei einer Zurückweisung, die einer Aufhebung gleichkommt“. Die auf § 42 Abs. 4 VwGG gestützte „Zurückweisung der Revision“ des F.T. mit dem Erkenntnis VwGH 27.8.2024, Ra 2021/08/0052, habe für diesen den „Charakter einer vollinhaltlichen Stattgabe“ gehabt, weil er als Bescheidadressat und damit auch als Beitragsschuldner „aus dem Spiel genommen“ worden sei. Bezogen auf das Bundesverwaltungsgericht stelle sich jedoch die Frage, ob es mit dem „bloßen Austausch des Bescheidadressaten in Form eines fliegenden Wechsels von F.T. hin zur Rw [Revisionswerberin] bereits getan“ sei oder für das Verwaltungsgericht zusätzlicher bzw. welcher Handlungsbedarf bestehe. Es wäre Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichts gewesen, den Sachverhalt „AVG konform“ aufzubereiten und sich mit all jenen Fragen erkennbar zu beschäftigen, die nur die Revisionswerberin betreffen, die bisher aber noch keine Rolle gespielt hätten, weil es im Verfahren des F.T. auf sie nicht angekommen sei, beispielsweise wem das Bescheidverlangen vom 18. Februar 2018 zuzurechnen sei, ob die Revisionswerberin einen eigenen Bescheidantrag gestellt habe, ob der Bescheid vom 27. März 2019 ihr gegenüber überhaupt wirksam geworden sei und wen die das Verfahren auslösende Beitragsprüfung persönlich betroffen habe.

10Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Vorerkenntnis VwGH 27.8.2024, Ra 2021/08/0052, klargestellt, dass einerseits der Bescheid vom 27. März 2018 (nur) gegenüber der nunmehrigen Revisionswerberin ergangen ist und andererseits der Schriftsatz vom 14. Jänner 2020 nicht als bloße Klarstellung des Zurechnungssubjekts einer insofern undeutlichen Beschwerde und damit als bloße Ergänzung dieser Beschwerde qualifiziert werden konnte, sondern als Anbringen einer (vom Beschwerdeführer F.T. verschiedenen) Person - der nunmehr revisionswerbenden GmbH - zu betrachten war, welcher die Beschwerde vom 26. April 2019 nicht zuzurechnen war. Im gegenständlichen Verfahren über die Beschwerde vom 14. Jänner 2020 hatte das Bundesverwaltungsgericht nur zu klären, wann die Zustellung des Bescheides vom 27. März 2018 an die Revisionswerberin erfolgte und ob sich die Beschwerde ausgehend davon als verspätet erwies.

11Die Zustellung des Bescheides mit 1. April 2019 bestreitet die Revisionswerberin mit der Begründung, dass als Empfänger nicht die bevollmächtigte Steuerberatungsgesellschaft, sondern deren Machthaber G.E. bezeichnet worden sei. Tatsächlich wurde die Steuerberatungsgesellschaft aber als Empfängerin bezeichnet und G.E. nur zusätzlich (mit der Beifügung „z.H.“) genannt. Abgesehen davon wäre auch die fehlende Bezeichnung der Zustellbevollmächtigten gemäß dem mit der Novelle BGBl. I Nr. 5/2008 angefügten letzten Satz des § 9 Abs. 3 ZustG geheilt, sobald das Dokument der Zustellbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist. Die in der Revision zitierte Rechtsprechung ist noch zur Rechtslage vor der genannten Novelle ergangen.

12 Im Übrigen wendet sich die Revision nicht gegen die vom Bundesverwaltungsgericht angenommene Verspätung der Beschwerde. Ausgehend davon kam es aber weder auf die oben am Ende von Rn. 9 wiedergegeben Fragen noch auf das weitere Zulässigkeitsvorbringen betreffend die Zuständigkeit des Versicherungsträgers zur Erlassung des Bescheides vom 27. März 2018 an. Zu Letzterem ist klarstellend nur anzumerken, dass auch die Unzuständigkeit zur Bescheiderlassung nicht die absolute Nichtigkeit des Bescheides, sondern bloß dessen Aufhebbarkeit begründen würde, was abersoweit nicht ein amtswegiges Vorgehen insbesondere nach § 68 AVG in Betracht kommt die rechtzeitige Einbringung einer Beschwerde voraussetzt.

13 Inwieweit schließlich der im Zulässigkeitsvorbringen der Revision noch angesprochene Umstand, dass es sich beim Bescheid vom 27. März 2018 um einen Feststellungsbescheid gehandelt habe, das Bundesverwaltungsgericht aber von einem Leistungsbescheid ausgegangen sei, irgendeine Relevanz für die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses haben könnte, ist nicht nachvollziehbar.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 25. August 2025