JudikaturVwGH

Ra 2025/08/0057 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
25. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin sowie den Hofrat Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des A T, vertreten durch die Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl Kommandit Partnerschaft in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. April 2025, W237 2305153 1/8E, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Wien Jugendliche I), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Bescheid vom 24. Oktober 2024 sprach die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (AMS) aus, dass der Revisionswerber ab dem 8. Oktober 2024 für „42 Bezugstage (Leistungstage)“ seinen Anspruch auf Notstandshilfe verloren habe. Das AMS habe am 8. Oktober 2024 Kenntnis darüber erlangt, dass der Revisionswerber die Teilnahme an einer vom AMS zugewiesenen Kursmaßnahme durch sein Nichterscheinen ohne triftigen Grund vereitelt habe. Nachsichtsgründe lägen nicht vor.

2 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Er brachte vor, dass er den Kurs keinesfalls verweigert, sondern lediglich darum gebeten habe, in einen anderen Kurs aufgenommen zu werden. Diese Bitte habe er aus im Gespräch bereits dargestellten Gründen gestellt. Seine Teilnahmebereitschaft an einem alternativen Kursangebot bestehe weiterhin und er sei bereit, sich aktiv an einer Maßnahme zur Förderung seiner beruflichen Entwicklung zu beteiligen.

3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 5. Dezember 2024 wies das AMS die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend hielt es fest, am 26. September 2024 sei mit dem Revisionswerber vereinbart worden, dass er eine näher bezeichnete Maßnahme ab dem 7. Oktober 2024 besuchen werde. Im Einladungsschreiben sei er über die Rechtsfolgen bei Nichtteilnahme bzw. Vereitelung des Maßnahmenerfolgs informiert worden. In der Niederschrift vom 26. September 2024 sei festgehalten worden, warum der Besuch dieser Maßnahme für den Revisionswerber nützlich und notwendig sei. Zum Vorbringen des Revisionswerbers, er habe um einen anderen Kurs gebeten, weil er diesen bereits absolviert habe, sei auszuführen, dass die Maßnahme zahlreiche verschiedene Möglichkeiten einer zusätzlichen Qualifikation geboten und der Revisionswerber im Rahmen der Maßnahme auch die Möglichkeit gehabt hätte, Praktika zu absolvieren. Der Revisionswerber sei auf Grund der Rechtsbelehrung ausreichend über die Konsequenzen bei Nichtbesuch des Kurses informiert worden und hätte bei Unklarheiten bereits vor Kursbeginn mit dem AMS Kontakt aufnehmen können.

4 Der Revisionswerber stellte einen Vorlageantrag, in dem er die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte. In einem ergänzenden Schriftsatz zum Vorlageantrag führte er aus, er wolle an einem anderen Kurs teilnehmen, weil ihm der Inhalt des Kurses bereits bei seiner ersten Teilnahme vermittelt worden sei. Er habe umgehend nach seiner Teilnahme am Informationstag beim AMS angerufen und nachgefragt, weshalb er den Kurs ein weiteres Mal besuchen müsse. Bei diesem Telefonat habe man ihm keine Auskunft geben können, insbesondere habe ihm der Mitarbeiter bei diesem Anruf nicht sagen können, ob er an dem Kurs teilnehmen müsse, weshalb er danach über das eAMS Konto eine Anfrage dazu gestellt habe. Daraufhin sei er vom AMS nur auf seine allgemeinen Verpflichtungen als arbeitslose Person hingewiesen worden. Er habe die Maßnahme daher nicht vorsätzlich vereitelt. Seine Bewerbungsmappe sei bereits im Rahmen des zuletzt besuchten Kurses aktualisiert worden, sodass der nunmehr vorgeschriebene Kurs nicht notwendig sei. Er sei außerdem auf Vorstellungsgespräche gut vorbereitet worden. Ohne entsprechende Begründung durch das AMS sehe er keinen Grund, denselben Kurs ein weiteres Mal zu besuchen. Zu der Frage, ob ein erneuter Besuch der Maßnahme innerhalb so kurzer Zeit andere Kenntnisse oder Fähigkeiten vermitteln würde, beantrage er die Einvernahme eines Kurstrainers bzw. einer Kurstrainerin.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab.

6 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, der Revisionswerber habe von September 2015 bis Mai 2019 eine Lehre als Mechatroniker und Automationstechniker absolviert. Seither beziehe er von einer mit mehreren Unterbrechungen insgesamt sechsmonatigen Vollversicherung als Zivildiener und einer achtmonatigen vollversicherungspflichtigen Beschäftigung als Angestellter abgesehen überwiegend Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Ab dem 15. August 2022 habe er mit näher genannten Unterbrechungen erneut Arbeitslosengeld bezogen. Seit dem 13. Juni 2023 beziehe der Revisionswerber mit Unterbrechungen Notstandshilfe. Von 12. bis 13. Februar 2024, von 11. März bis 22. April 2024 (mit daran anschließender Urlaubsersatzleistung bis 24. April 2024) und von 15. bis 16. Juli 2024 sei er jeweils als Arbeiter vollversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Der Revisionswerber habe von 14. August bis 29. September 2023 die Kursmaßnahme „Quali4Job bis 25 Jahre“ besucht. Als individuelles Kursziel sei die Erarbeitung geeigneter Ausbildungs und Bewerbungsstrategien mit Unterstützung bei der Jobrecherche, Erstellung der Unterlagen und intensiver Vorbereitung auf das Bewerbungsgespräch vereinbart worden. Der Revisionswerber habe den Unterricht engagiert besucht, sich aktiv eingebracht und die angebotene Unterstützung angenommen. Er habe im Rahmen des Kurses Unterstützung bei der Jobrecherche und der Überarbeitung seiner Bewerbungsunterlagen sowie Informationen über Aus und Weiterbildungsmöglichkeiten und eine intensive Vorbereitung auf Bewerbungsgespräche erhalten. Am 29. September 2023 habe er diese Kursmaßnahme vorzeitig beendet.

7 Am 26. September 2024 habe das AMS dem Revisionswerber aufgetragen, an der Wiedereingliederungsmaßnahme „Quali4JobZusatzqualifikationen für Personen bis 25 Jahre“ teilzunehmen. Der Revisionswerber habe dazu ein ebenfalls auf den 26. September 2024 datierendes Einladungsschreiben zu einem „Infotag/Onboarding“ für diese Maßnahme am 7. Oktober 2024 erhalten. In dem Schreiben sei der Revisionswerber über die Rechtsfolgen gemäß § 10 AlVG bei einer Verweigerung der Teilnahme an dem Kurs informiert und darauf hingewiesen worden, dass die Teilnahme an diesem Kurs verpflichtend sei. Ein Begleitschreiben habe nähere Angaben zum Inhalt des Informationstages und der Maßnahme sowie zu deren Zielen enthalten. Darüber hinaus habe das AMS dem Revisionswerber am 26. September 2024 im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme persönlich eine weitere Rechtsbelehrung zur Teilnahme an der Maßnahme erteilt und ihn wie folgt über den Grund der Zuweisung informiert: Weil die Vermittlungsversuche des AMS und die Bewerbungsbemühungen des Revisionswerbers bisher ergebnislos geblieben seien, werde im Zuge der Maßnahme in einem Clearingprozess abgeklärt, inwieweit zusätzlicher Qualifikationsbedarf gegeben sei, und es würden dementsprechende Qualifizierungsmodule angeboten. Die Maßnahme werde zudem die Kenntnisse des Revisionswerbers im Bereich der Bewerbung erweitern und verfestigen, sein Selbsthilfepotential werde durch erfahrene Trainer und Trainerinnen unterstützt und seine Bewerbungsunterlagen würden an seine individuelle Bewerbungsstrategie angepasst. Diese Maßnahme sei aus Sicht des AMS geeignet, die beim Revisionswerber vorliegenden Vermittlungshindernisse zu beseitigen, weil sie zu einer Steigerung seiner Integrationschancen am Arbeitsmarkt führe und die Nachhaltigkeit aller Bemühungen in diese Richtung festige. Oberste Priorität des Kurses sei die rasche Integration in den ersten Arbeitsmarkt, Stabilität am Arbeitsplatz und das Verfolgen einer gezielten beruflichen Karriere.

8 Der Revisionswerber sei am 7. Oktober 2024 bei der Veranstaltung „Infotag/Onboarding“ der genannten Kursmaßnahme erschienen. Am 8. Oktober 2024 habe er dem AMS erstmals mitgeteilt, dass er gerne einen anderen Kurs beantragen wolle, weil er den genannten Kurs schon einmal besucht habe. An der an den Infotag anknüpfenden Wiedereingliederungsmaßnahme habe der Revisionswerber ab dem 8. Oktober 2024 nicht teilgenommen. Er sei ab diesem Tag (gesundheitlich) in der Lage gewesen, an dem Kurs teilzunehmen. Die Maßnahme hätte bis zu zwölf Wochen, je 24 Wochenstunden, gedauert und den Revisionswerber dabei unterstützt, eine realistische berufliche Perspektive zu entwickeln, eine effektive Bewerbungsstrategie zu finden, sich bei der Bewerbung entsprechend zu präsentieren, Kursqualifikationen zu absolvieren und nützliche Teilnahmebestätigungen oder Zertifikate zu erlangen sowie eine passende Arbeitsstelle zu bekommen. Zudem hätte die Möglichkeit bestanden, Begleitangebote wie Exkursionen, Jobbörsen und Praktika in Anspruch zu nehmen. Bislang habe der Revisionswerber von einer zweitägigen Tätigkeit als Arbeiter im Februar 2025 abgesehen keine neue arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen.

9 In der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, das AMS habe dem Revisionswerber ausführlich die Defizite bei der bisherigen Arbeitssuche sowie die Gründe erläutert, aus denen die Maßnahme nach Ansicht des AMS geeignet sei, die beim Revisionswerber bestehenden Vermittlungshindernisse zu beseitigen. Dem Vorbringen des Revisionswerbers, er hätte im Zuge der Maßnahme keine neuen Kenntnisse und Fähigkeiten erlangen können, die für eine erfolgreiche Arbeitssuche nützlich gewesen wären, sei entgegenzuhalten, dass die von ihm zuletzt besuchte Maßnahme ein Jahr vor der gegenständlichen Zuweisung stattgefunden habe, diese vorzeitig beendet worden sei und der Revisionswerber seither keine längere Beschäftigung gefunden habe. Da nicht von einer erfolgreichen und nachhaltigen Arbeitssuche gesprochen werden könne, erweise sich der (in Teilen neuerliche) Besuch der Wiedereingliederungsmaßnahme als notwendig und geeignet. Zudem seien die Unterstützung beim Verfassen von Bewerbungsunterlagen und die Vorbereitung auf Vorstellungsgespräche nicht die einzigen Inhalte der Maßnahme gewesen, die neben der Erweiterung und Festigung der Kenntnisse des Revisionswerbers im Bereich der Bewerbung zusätzlich abgestimmt auf seine individuelle Bewerbungsstrategie die Möglichkeit zum Besuch verschiedener Qualifizierungsmodule geboten hätte. Darüber hinaus hätte die Möglichkeit bestanden, nützliche Begleitangebote wie Exkursionen, Jobbörsen und Praktika in Anspruch zu nehmen. Aus diesen Gründen sei die Maßnahme für den Revisionswerber, der sich bereits seit mehreren Jahren nicht mehr in einem dauerhaften Beschäftigungsverhältnis befunden habe, geeignet und notwendig, zumal ihm die notwendige Unterstützung beim Überwinden der ihm bereits im Rahmen der Zuweisung mitgeteilten Vermittlungshindernisse geboten worden wäre. Auch seien keine Umstände hervorgekommen, welche die Unzumutbarkeit der Maßnahme indizierten. Der Revisionswerber sei daher verpflichtet gewesen, an der ihm zugewiesenen Maßnahme ab dem 8. Oktober 2024 teilzunehmen.

10 Das Verhalten des seit vielen Jahren überwiegend beim AMS gemeldeten und daher mit den Verpflichtungen einer arbeitslosen Person vertrauten Revisionswerbers, der am 7. Oktober 2024 zwar zu dem „Infotag/Onboarding“ erschienen sei, aber an dem daran anschließenden Kurs ab dem 8. Oktober 2024 nicht teilgenommen und dem AMS erst an diesem Tag mitgeteilt habe, dass er gerne einen anderen Kurs beantragen wolle, sei nicht bloß fahrlässig. Es sei dem Revisionswerber vorzuwerfen, dass er durch die späte Anfrage an das AMS er habe sich erst am Tag des Kursbeginns gemeldetzumindest billigend in Kauf genommen habe, dass er an der Maßnahme ab dem 8. Oktober 2024 pflichtwidrig nicht teilnehmen würde. Der Revisionswerber habe daher durch seine bewusste Nichtteilnahme an der Maßnahme ohne wichtigen Grund eine Vereitelungshandlung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 3 AlVG gesetzt und dabei mit zumindest bedingtem Vorsatz gehandelt.

11Das Unterbleiben der mündlichen Verhandlung begründete das Bundesverwaltungsgericht damit, dass der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt sei und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lasse. Der entscheidungsmaßgebliche Sachverhalt sei vom Revisionswerber nicht substantiiert bestritten worden. Der Revisionswerber habe vielmehr lediglich rechtliche Fragen aufgeworfen und eine Einwendung im Sinn der Zumutbarkeitsregelung in § 9 Abs. 8 AlVG geltend gemacht, indem er eine mangelhafte Begründung für die Zuweisung behauptet habe. Es lägen auch keine widersprechenden prozessrelevanten Behauptungen vor, die es erforderlich machen würden, sich im Rahmen einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit von Zeugen bzw. Parteien zu verschaffen. Dem Absehen von der Verhandlung stünden daher Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC nicht entgegen.

12Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

14Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem das AMS eine Revisionsbeantwortung erstattet hat, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

15 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt des Abweichens von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, das Bundesverwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Voraussetzungen für den Entfall einer mündlichen Verhandlung vorgelegen seien. Es habe die Tatsachenrüge des Revisionswerbers und dessen Sachverhaltsausführungen aus dem ergänzenden Schriftsatz zum Vorlageantrag übergangen, wonach er umgehend nach der Teilnahme am Informationstag beim AMS angerufen habe, ihm aber nicht mitgeteilt habe werden können, ob er an dem Kurs ein weiteres Mal teilnehmen müsse. Überdies habe das Bundesverwaltungsgericht übersehen, dass dem Revisionswerber nur die Teilnahme am „Infotag/Onboarding“ aufgetragen worden sei, nicht jedoch die Teilnahme an dem Kurs selbst. Der Auftrag zur Teilnahme an dem Informationstag habe schon begrifflich nicht den Auftrag zur Teilnahme an dem daran anschließenden zwölfwöchigen Kurs umfasst. Dementsprechend habe auch der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass eine Vereitelung der Maßnahme nicht in Betracht komme, wenn zwar die Teilnahme an einer Informationsveranstaltung, nicht aber die Maßnahme selbst vorgeschrieben worden sei (Hinweis auf VwGH 23.2.2000, 98/08/0220).

16 Die Revision ist im Hinblick auf die gerügte Verletzung der Verhandlungspflicht zulässig und auch berechtigt.

17Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer unter anderem bereit ist, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach oder umschulen zu lassen bzw. an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen. Durch § 10 Abs. 1 Z 2 und 3 AlVG werden die ohne wichtigen Grund erfolgte Weigerung, einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu entsprechen bzw. an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung teilzunehmen, sowie die verschuldete Vereitelung des Erfolges der Nach(Um)schulung bzw. der Maßnahme zur Wiedereingliederung durch den Entfall des Anspruches auf Arbeitslosengeld für die Dauer der Weigerung bzw. eine Mindestdauer im Fall der ersten Pflichtverletzung von sechs Wochensanktioniert. Diese Bestimmungen sind auf die Notstandshilfe gemäß § 38 AlVG sinngemäß anzuwenden.

18 Voraussetzung dafür, dass die Vereitelung des Erfolges einer (Um )Schulungs oder Wiedereingliederungsmaßnahme angenommen werden kann, ist ein Verschulden des Leistungsbeziehers in Form des Vorsatzes. Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine arbeitslose Person, die einer zur Behebung ihrer Vermittlungsdefizite erforderlichen und zumutbaren Schulungs , Umschulungsoder Wiedereingliederungsmaßnahme zugeteilt wurde, die Verpflichtung hat, alles zu unterlassen, was den Erfolg der Maßnahme vereiteln könnte, widrigenfalls eine Sperrfrist nach § 10 Abs. 1 AlVG verhängt werden kann. Die Vereitelung des Erfolges der Maßnahme kann durch eine ungerechtfertigte Weigerung bewirkt werden, an der Maßnahme überhaupt teilzunehmen, aber auch durch ein sonstiges vorsätzliches Verhalten, welches objektiv geeignet ist, den Erfolg der Maßnahme zu verhindern (vgl. zum Ganzen VwGH 5.6.2019, Ra 2019/08/0036, mwN).

19 Von einer ungerechtfertigten Weigerung des Arbeitslosen, an Maßnahmen zur Schulung, Umschulung oder Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, kann nur dann gesprochen werden, wenn sich die Zuweisung auf eine zulässige Maßnahme bezieht und die Weigerung in objektiver Kenntnis des Inhaltes, der Zumutbarkeit und der Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme erfolgt (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 20.10.2010, 2009/08/0105, mwN).

20 Im Revisionsfall handelte es sich anders als der Revisionswerber meintausgehend von den unstrittigen Feststellungen zu seinen bisherigen Tätigkeiten und Zeiten der Arbeitslosigkeit sowie zu den Inhalten des Kurses um eine zulässige und zumutbare Wiedereingliederungsmaßnahme, auch wenn er eine gleichartige Maßnahme bereits (großteils) absolviert hatte (vgl. dazu, dass es nicht grundsätzlich unzulässig ist, eine Maßnahme wiederholt aufzutragen, auch VwGH 20.8.2025, Ra 2025/08/0045, Rn. 19).

21 Auch konnte obwohl sich die Einladung des AMS ihrem Wortlaut nach lediglich auf die Teilnahme an der Veranstaltung „Infotag/Onboarding“ bezog und nur den 7. Oktober 2024 als „Tag der Veranstaltung“ auswies in Verbindung mit der niederschriftlichen Belehrung über den Inhalt der Maßnahme davon ausgegangen werden, dass die Zuweisung anders als im Fall, der dem in der Revision zitierten Erkenntnis VwGH 23.2.2000, 98/08/0220, zugrunde lag objektiv betrachtet nicht nur den Infotag, sondern auch den daran anschließenden Kurs erfasst hat.

22 Fraglich ist jedoch, ob dem Revisionswerber seine Nichtteilnahme am Kurs als Weigerung bzw. Vereitelung mit qualifiziertem Verschulden in Form von (zumindest bedingtem) Vorsatz angelastet werden konnte.

23 Das AMS führte in seiner Beschwerdevorentscheidung vom 5. Dezember 2024 aus, der Revisionswerber habe sich ohne wichtigen Grund geweigert, an der Wiedereingliederungsmaßnahme teilzunehmen. Er sei ausreichend über die Konsequenzen bei Nichtbesuch des Kurses informiert gewesen. Bei Unklarheiten hätte er bereits vor Kursbeginn mit dem AMS Kontakt aufnehmen können. Demgegenüber brachte der Revisionswerber bereits in seiner Beschwerde vor, dass er den Kurs nicht verweigert, sondern aus näher dargelegten Gründen darum gebeten habe, in einen anderen Kurs aufgenommen zu werden. Im ergänzenden Schriftsatz zum Vorlageantrag präzisierte er dieses Vorbringen dahingehend, dass er umgehend nach der Teilnahme am Informationstag (und somit vor Kursbeginn) beim AMS angerufen und nachgefragt habe, weshalb er diesen Kurs ein weiteres Mal absolvieren müsse. Bei diesem Telefonat habe man ihm keine Auskunft geben und nicht sagen können, ob er an dem Kurs teilnehmen müsse, weshalb er danach dazu eine Anfrage über das eAMS Konto gestellt habe. Er habe die Kursmaßnahme daher nicht vorsätzlich vereitelt.

24Mit diesem Vorbringen widersprach der Revisionswerber insbesondere der Annahme des AMS, er habe sich vor Kursbeginn nicht mit dem AMS in Kontakt gesetzt. Das Bundesverwaltungsgericht setzte sich mit diesen widersprechenden prozessrelevanten Behauptungen nicht näher auseinander und führte dazu auch keine Einvernahmen durch. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gehört es aber gerade im Fall widersprechender prozessrelevanter Behauptungen zu den grundlegenden Pflichten des Verwaltungsgerichts, dem auch in § 24 VwGVG verankerten Unmittelbarkeitsprinzip Rechnung zu tragen und sich als Gericht im Rahmen einer bei der Geltendmachung von „civil rights“ in der Regel auch von Amts wegen durchzuführendenmündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit von Zeugen bzw. Parteien zu verschaffen und insbesondere darauf seine Beweiswürdigung zu gründen (vgl. etwa VwGH 17.2.2022, Ra 2020/08/0145, mwN).

25 Die mündliche Verhandlung wäre auch erforderlich gewesen, um zu erörtern, ob die Nichtteilnahme am Kurs im Sinn der in Rn. 19 zitierten Rechtsprechung in objektiver Kenntnis des Inhaltes, der Zumutbarkeit und der Erforderlichkeit der Maßnahme erfolgte. Dies konnte im vorliegenden Fall jedenfalls nicht ohne Weiteres angenommen werden: Die im Akt einliegende, vom 26. September 2024 datierende Einladung des AMS bezog sich ihrem Wortlaut nach lediglich auf die Teilnahme an der Veranstaltung „Infotag/Onboarding“ und wies auch nur den 7. Oktober 2024 als „Tag der Veranstaltung“ aus. Sie enthielt zwar in der näheren Beschreibung der Maßnahme auch Angaben zu einer Dauer von „5 12 Wochen“, aber nicht etwa zum Beginndatum des Kurses selbst. Auch wenn wie bereits ausgeführt in Verbindung mit der niederschriftlichen Belehrung über den Inhalt der Maßnahme dennoch davon ausgegangen werden kann, dass die Zuweisung sich objektiv betrachtet auch auf den daran anschließenden Kurs bezogen hat, ist nicht ausgeschlossen, dass der Revisionswerber entsprechend seinem Vorbringen im Beschwerdeverfahren in einer nicht im Sinne vorsätzlichen Verhaltens vorwerfbaren Weise angenommen hat, dass es nach der Teilnahme am Infotag noch möglich sei, mit dem AMS die Teilnahme an einer anderen Kursmaßnahme zu vereinbaren, und er nach den wie von ihm behauptet nur allgemeinen Antworten des AMS weiterhin davon ausgegangen ist, vorerst nicht zur Teilnahme an der auf den Infotag folgenden Maßnahme verpflichtet zu sein.

26Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

27Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

28Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014. Ein Aufwandersatz für den ohnehin nicht erfolgreichen Antrag des Revisionswerbers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist in diesen Bestimmungen nicht vorgesehen.

Wien, am 25. August 2025