JudikaturVwGH

Ra 2024/08/0085 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
25. September 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Sasshofer, über die Revision des MMag. Dr. P R in W, vertreten durch Mag. Andreas Krautschneider, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Trautsongasse 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2024, W228 2279607 1/24E, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Wien Währinger Gürtel), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Bestätigung einer Beschwerdevorentscheidung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (AMS) gemäß § 10 Abs. 1 iVm § 38 AlVG aus, dass der Revisionswerber für den Zeitraum vom 21. Juli 2023 bis 31. August 2023 seinen Anspruch auf Notstandshilfe verloren habe. Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht für nicht zulässig.

2 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, das AMS habe dem in Bezug von Notstandshilfe stehenden Revisionswerber am 5. Juli 2023 ein Stellenangebot für eine Teilzeitbeschäftigung in einem Schnellrestaurant mit 25 Wochenstunden, wobei ausdrücklich die Möglichkeit „flexibler Arbeitszeiten“ angegeben gewesen sei, übermittelt und ihn aufgefordert, sich für diese Stelle zu bewerben. Der Revisionswerber sei der Aufforderung nicht nachgekommen. Er sei daher auch nicht zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen worden und ein Dienstverhältnis in der Folge nicht begründet worden.

3 Zum Zeitpunkt der Stellenzuweisung habe der Revisionswerber seine Ehefrau betreut, die aufgrund eines festgestellten monatlichen Pflegebedarfes von 73 Stunden ein Pflegegeld in Höhe der Stufe 1 bezogen habe.

4 In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesverwaltungsgericht, es liege eine Vereitelung des Beschäftigungsverhältnisses im Sinn von § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG vor. Soweit sich der Revisionswerber darauf berufe, dass die Beschäftigung nicht zumutbar gewesen wäre, weil er seine Ehegattin habe pflegen müssen und er Vegetarier sei, sei festzuhalten, dass der Revisionswerber zumindest verpflichtet gewesen wäre, diese Probleme in einem Vorstellungsgespräch zu erläutern. Es sei davon auszugehen, dass insbesondere in Hinblick auf das Angebot flexibler Arbeitszeiten eine Vereinbarkeit der Arbeitsstelle mit der Pflege seiner Ehegattin erreichbar gewesen wäre. Es sei auch nicht gesichert, dass der Revisionswerber tatsächlich für die Arbeit mit Fleisch eingesetzt worden wäre. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, sei nicht ersichtlich, warum es ihm hätte unmöglich sein sollen, seine Aversion insoweit zu überwinden.

5 Soweit der Revisionswerber sich darauf berufe, dass er sich Ende Jänner 2024 somit nach Ablauf der Zeit des Anspruchsverlustes schließlich auf die vormals angebotene Stelle beworben und eine Absage erhalten habe, sei daraus für ihn nichts zu gewinnen. Daraus könne nämlich nicht geschlossen werden, dass aufgrund einer zeitgerechten Bewerbung nach Übermittlung des Stellenangebots des AMS nicht doch eine Beschäftigung begründet worden wäre. Für die zum Anspruchsverlust nach § 10 Abs. 1 AlVG führende Kausalität der Vereitelungshandlung reiche es, dass die Chancen für das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses verringert worden seien.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst vorgebracht, zum Zeitpunkt der späteren Bewerbung des Revisionswerbers für die zugewiesene Stelle habe sich objektiv gegenüber dem Zeitpunkt der Stellenzuweisung durch das AMS nichts geändert. Bei objektiver Betrachtung habe daher keine Vereitelungshandlung vorgelegen. Insoweit fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs.

10 Es trifft zu, dass es bei Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten einer arbeitslosen Person als Vereitelung im Sinn des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, darauf ankommt, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des (zumutbaren) Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit aber zutreffend auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs verwiesen, wonach nicht Voraussetzung ist, dass das Beschäftigungsverhältnis ohne die Vereitelungshandlung in jedem Fall zustande gekommen wäre. Die geforderte Kausalität liegt vielmehr bereits dann vor, wenn die Chancen für das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses auf Grund der Vereitelungshandlung jedenfalls verringert wurden (vgl. etwa VwGH 23.7.2024, Ra 2023/08/0092, mwN).

11 Die Revision vermag insoweit den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts nichts entgegenzusetzen, wonach daraus, dass eine Bewerbung des Revisionswerbers im Jahr 2024 nicht erfolgreich war, nicht geschlossen werden kann, dass die Bewerbung zum Zeitpunkt der Stellenzuweisung im Juli 2023 ebenfalls nicht erfolgreich gewesen wäre.

12 Der Revisionswerber macht unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Weiteren geltend, er sei wohl arbeitswillig gewesen, habe jedoch „aufgrund seiner Pflegeverpflichtung keinen Schichtdienst übernehmen“ können und sei „überdies Vegetarier“. Das Bundesverwaltungsgericht habe ihm insoweit eine Verpflichtung zur Nachfrage beim potentiellen Arbeitgeber auferlegt, die „nicht existent“ sei.

13 Entgegen diesen Ausführungen entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 10 Abs. 1 AlVG, dass eine arbeitslose Person zwar nicht dazu verpflichtet ist, eine im Sinn des § 9 AlVG unzumutbare Beschäftigung anzunehmen. Nicht erforderlich ist aber, dass alle Einzelheiten, die für die Zumutbarkeit einer Beschäftigung von Bedeutung sein können, für die arbeitslose Person schon in einer frühesten Stufe der Bewerbung erkennbar sind. Vielmehr ist es auch Aufgabe des Arbeitssuchenden, im Zuge der Kontaktaufnahme mit einem potentiellen Arbeitgeber bzw. mit dessen Vertreter oder im Zuge eines Vorauswahlverfahrens mit dem AMS in einer geeigneten (dh. nicht unqualifizierten und im Ergebnis als Vereitelungshandlung anzusehenden) Weise jene Informationen zu erfragen, die zur Beurteilung von persönlicher Eignung und Zumutbarkeit unerlässlich sind. Eine arbeitslose Person ist nur insoweit und ab jenem Zeitpunkt zu keinen Bewerbungsschritten (mehr) verpflichtet (und das AMS zum Verlangen nach solchen Schritten nicht berechtigt), in dem solche Umstände einer Beschäftigung zutage treten, welche diese als für eine arbeitslose Person unzumutbar erscheinen lassen (vgl. VwGH 17.2.2022, Ra 2020/08/0190, mwN).

14 Dass im vorliegenden Fall in diesem Sinn Umstände hervorgetreten wären, die bereits vor Durchführung eines Bewerbungsgesprächs die Beurteilung zugelassen hätten, dass die Beschäftigung jedenfalls unzumutbar gewesen wäre, vermag der Revisionswerber nicht darzustellen. Ausgehend davon erweist sich die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts auch insoweit als zutreffend.

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 25. September 2024

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