Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Novak und die Hofrätinnen Mag. a Merl und Mag. Liebhart Mutzl als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der Autobahnen und Schnellstraßen Finanzierungs Aktiengesellschaft, vertreten durch die Cerha Hempel Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen das am 25. Februar 2025 mündlich verkündete und mit 11. März 2025 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol, LVwG 2024/14/2960 10, betreffend Übertretung nach dem Bundesstraßen Mautgesetz 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kufstein; mitbeteiligte Partei: K P), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 9. Juli 2024, mit welchem über den Mitbeteiligten gemäß § 20 Abs. 1 BundesstraßenMautgesetz 2002 (BStMG) eine Geldstrafe in der Höhe von € 300,(Ersatzfreiheitsstrafe ein Tag und neun Stunden) verhängt worden war, weil er am 29. Juli 2023 das Fahrzeug mit dem Kennzeichen XY auf einer näher genannten Mautstraße gelenkt habe, ohne dass die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet worden sei, Folge und sprach über den Mitbeteiligten eine Ermahnung gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 iVm Abs. 1 Satz 2 VStG aus. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.
Begründend führte das LVwG zusammengefasst aus, der Mitbeteiligte habe zwar die zeitabhängige Maut nicht vor Benützung des Autobahnnetzes entrichtet, aber aus eigenem Antrieb bei der nächstgelegenen Tankstelle. Daher sei von einem geringen Verschulden auszugehen. Die Intensität der Beeinträchtigung des geschützten Rechtsgutes sei gering, da der Mitbeteiligte die Gebühr wenn auch verspätetentrichtet habe. Auch wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes nicht als gering eingeschätzt werden könne, erscheine unter den besonderen Umständen des gegenständlichen Einzelfalls eine Ermahnung gemäß § 45 Abs. 1 VStG ausreichend.
2In der dagegen eingebrachten außerordentlichen Revision wird zu deren Zulässigkeit ein Abweichen von näher angeführter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG vorgebracht.
3 Die Revision wurde am 26. Mai 2025 (bis 16. Juni 2025) beim Postamt am Wohnort des Mitbeteiligten zur Abholung bereitgestellt, von diesem jedoch nicht abgeholt. Am 15. Juli 2025 erfolgte eine nochmalige Zustellung per E Mail an eine Mailadresse, von welcher sich der Mitbeteiligte den Verfahrensakten zufolge an die belangte Behörde wandte. Eine Revisionsbeantwortung des Mitbeteiligten langte beim Verwaltungsgerichtshof nicht ein; auch die belangte Behörde äußerte sich im durchgeführten Vorverfahren nicht.
4 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Die Revision ist zulässig.
6Die Revisionswerberin bringt in den Revisionsgründen zusammengefasst vor, näher angeführter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge könne eine Ermahnung gemäß § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG nur dann ausgesprochen werden, wenn die in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Voraussetzungen - nämlich geringe Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, geringe Intensität der Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes durch die Tat sowie geringes Verschulden - kumulativ vorlägen. Fallbezogen ging das LVwG zwar zutreffend davon aus, dass die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes nicht als gering eingeschätzt werden könne, sprach aber dennoch eine Ermahnung aus.
7§ 45 Abs. 1 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. Nr. 33/2013, lautet auszugsweise:
„§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
...
4. die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;
...
Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.“
8Im Erkenntnis vom 10. Juni 2025, Ra 2024/06/0173, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass beim Straftatbestand der Mautprellerei gemäß § 20 BStMG eine Einstellung des Strafverfahrens oder eine Ermahnung nicht in Frage kommt, weil die Bedeutung des durch die Strafbestimmungen des BStMG geschützten Rechtsgutes nicht gering im Sinne des § 33a Abs. 1 VStG ist und demnach nicht alle drei der in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Umstände geringe Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, geringe Intensität der Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes durch die Tat sowie geringes Verschulden kumulativ vorliegen.
9 Mit seiner Beurteilung, wonach im vorliegenden Fall eine Ermahnung ausreichend sei, weil der Mitbeteiligte wenn auch verspätet aber dennoch aus eigenem Antrieb die Maut entrichtet habe, weicht das LVwG von der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.
10Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
11Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 29. Oktober 2025
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