Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Novak sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Kitzbühel, vertreten durch Dr. Simon Brüggl, Rechtsanwalt in Kitzbühel, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 24. Februar 2025, LVwG 2024/43/2043 1, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: G GmbH, vertreten durch Dr. Andreas König, Dr. Andreas Ermacora, Dr. Christian Klotz, MMag. Mathias Demetz, Dr. Simon Gleirscher und MMag. Markus Sandtner, Rechtsanwälte in Innsbruck; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1Mit dem angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol (Verwaltungsgericht) wurde der Beschwerde der Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Amtsrevisionswerbers vom 17. Juni 2024, mit welchem das Ansuchen der Mitbeteiligten um Erteilung einer baurechtlichen Bewilligung für den Neubau eines Bordells auf einem näher bezeichneten Grundstück gemäß § 34 Abs. 3 lit. a Z 1 Tiroler Bauordnung 2022 (TBO 2022) abgewiesen worden war, Folge gegeben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG an den Amtsrevisionswerber zurückverwiesen. Gleichzeitig sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, das gegenständliche Grundstück sei im Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde K als „Gewerbe und Industriegebiet“ gemäß § 39 Tiroler Raumordnungsgesetz 2022 (TROG 2022) ausgewiesen. Dort habe die Mitbeteiligte die Errichtung eines Bordellbetriebs bestehend aus einem unterirdischen und drei oberirdischen Geschossen mit 12 ausschließlich gewerblich genutzten Appartements samt Bar und Restaurationsbetrieb mit 24 Verabreichungsplätzen vorgesehen.
3 § 39 Abs. 1 lit. d TROG 2022 bestimme, dass im Gewerbe und Industriegebiet u.a. Gebäude „für Veranstaltungs und Vergnügungsstätten, wie Theater, Kinos und dergleichen“ errichtet werden dürften. Mit der Frage, ob Bordelle als „Vergnügungsstätten“ zu qualifizieren seien, habe sich der Verwaltungsgerichtshof bereits auseinandergesetzt und ausgesprochen, dass ein Bordell unter die Kategorie „Vergnügungsstätte“ im Sinne des § 23 Abs. 5 lit. c „Stmk. ROG“ in Kern , Büro und Geschäftsgebieten falle und daher in dieser Widmung zulässig sei (Hinweis auf VwGH 27.11.2003, 2002/06/0091). Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung sei ein Bordell als Vergnügungsstätte iSd § 39 Abs. 1 lit. d TROG 2022 anzusehen, weshalb das gegenständliche Bauvorhaben nicht dem Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde K widerspreche.
4 Da der Amtsrevisionswerber das Bauansuchen gemäß § 34 Abs. 3 lit. a TBO 2022 ohne weiteres Verfahren abgewiesen habe, sei bislang nicht ermittelt worden, ob das Bauvorhaben abgesehen von der Flächenwidmungmit den Vorgaben der TBO 2022 übereinstimme. Unter den engen Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG könne das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid daher mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die Behörde (Amtsrevisionswerber) zurückverweisen. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung habe gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG abgesehen werden können, weil bereits aufgrund der Aktenlage festgestanden sei, dass lediglich Rechtsfragen zu erörtern seien und eine weitere Klärung des Sachverhalts nicht zu erwarten gewesen sei.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).
6Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Soweit der Amtsrevisionswerber zur Begründung der Zulässigkeit der Revision vorbringt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob ein Bordell in der Widmungskategorie „Gewerbe und Industriegebiet“ gemäß § 39 TROG 2022 zulässig sei, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass dann, wenn die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig ist, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht vorliegt, und zwar selbst dann nicht, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist. Eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG liegt auch dann nicht vor, wenn diese durch zur früheren Rechtslage ergangene und auf die aktuelle Rechtslage übertragbare Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bereits geklärt wurde. Dasselbe gilt, wenn die Frage durch Rechtsprechung zu anderen Normen, die sich in den entscheidenden Teilen nicht von den im konkreten Fall anzuwendenden Normen unterscheiden, beantwortet wurde (vgl. etwa VwGH 25.5.2022, Ro 2019/06/0018, mwN).
9 Dies ist hier der Fall: Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 27. November 2003, 2002/06/0091, zum Steiermärkischen Raumordnungsgesetz 1974 (StROG 1974) festgehalten, dass ein Bordell eine „Vergnügungsstätte“ ist, wie sie in § 23 Abs. 5 lit. c StROG 1974 in Kern , Büro und Geschäftsgebieten zulässig ist, weil bei einem Bordell der sexuelle Lustgewinn die Eigenart des Betriebes dominiert (vgl. dazu auch VwGH 30.5.2006, 2004/06/0202).
10 Diese Judikatur ist auf das TROG 2022 übertragbar, zumal sich die vorliegend maßgebliche Bestimmung des § 39 Abs. 1 lit. d TROG 2022 in den relevanten Passagen von der im zitierten Erkenntnis maßgeblichen Bestimmung des § 23 Abs. 5 lit. c StROG 1974 (nunmehr normiert in § 30 Abs. 1 lit. 3 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 2010) nicht wesentlich unterscheidet.
11 Weiters bringt der Amtsrevisionswerber zur Zulässigkeit seiner Revision vor, das Verwaltungsgericht sei von der näher genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Hinblick auf die Erörterung der nach der Aktenlage strittigen Rechtsfrage geboten gewesen wäre.
12Die Aufhebung eines Erkenntnisses oder eines Beschlusses wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nach § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG setzt voraus, dass das Verwaltungsgericht bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschriften zu einem anderen Erkenntnis oder Beschluss hätte kommen können. Daher reicht es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensmängel konkret darzulegen. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden.
Zwar ist bei behaupteter Verletzung des Rechtes auf Durchführung einer Verhandlung im Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK sowie des Art. 47 GRC eine solche Relevanzdarstellung nicht erforderlich. Der Grund dafür liegt darin, dass die Rechtsprechung des EGMR zum Erfordernis der mündlichen Verhandlung nach Art. 6 EMRK eine solche Relevanzprüfung nicht vorsieht, was entsprechend auch auf das auf Art. 47 GRC gestützte Recht auf mündliche Verhandlung zu übertragen ist. Außerhalb des Anwendungsbereiches des Art. 6 EMRK und des Art. 47 GRC ist es aber weiterhin Sache des Revisionswerbers, die Relevanz der unterbliebenen mündlichen Verhandlung aufzuzeigen. Dies gilt auch für eine Amtsrevision, in der das Unterbleiben einer an sich gebotenen Verhandlung releviert wird, weil die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde in einer von ihr erhobenen Revision nicht die Verletzung subjektiver Rechte (etwa nach Art. 6 EMRK oder des Art. 47 GRC), sondern einen objektiven Verstoß gegen Verfahrensbestimmungen geltend macht (vgl. zum Ganzen VwGH 26.9.2022, Ro 2020/04/0036, mwN).
13 Die vorliegende Amtsrevision enthält keine Relevanzdarstellung und zeigt daher schon aus diesem Grund keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf. Dies gilt ebenso für den in diesem Zusammenhang in Zulässigkeitsbegründung der Revision geltend gemachten Begründungsmangel.
14 Darüber hinaus bringt die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht sei von der näher genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es die Grundsätze der Verpflichtung zur Beachtung der Amtswegigkeit und der Entscheidung in der Sache selbst missachtet habe.
15Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass die einzelfallbezogene Anwendung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG unter Berücksichtigung der vom Verwaltungsgerichtshof vorgegebenen Auslegung dieser Bestimmung dann keine grundsätzliche Rechtsfrage berührt, wenn sich das vom Verwaltungsgericht erzielte Ergebnis als vertretbar erweist. Ob das Verwaltungsgericht die zu § 28 Abs. 3 VwGVG ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes angesichts der einzelfallbezogen vorgelegenen Verfahrenskonstellation in jeder Hinsicht korrekt angewendet hat, stellt keine grundsätzliche Rechtsfrage dar (vgl. VwGH 31.1.2019, Ra 2018/07/0486, mwN).
16Das Verwaltungsgericht ist im angefochtenen Beschluss vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ausgegangen, weil der Amtsrevisionswerber das Bauansuchen gemäß § 34 Abs. 3 lit. a TBO 2022 ohne weiteres Verfahren abgewiesen und nicht ermittelt habe, ob das Bauansuchen abgesehen von der Flächenwidmung mit den Vorgaben der TBO 2022 übereinstimme. Dem pauschalen Zulässigkeitsvorbringen, welches sich nicht mit der Begründung des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt und sich lediglich mit allgemeinen Verweisen auf näher genannte Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes begnügt, gelingt es nicht, die Unvertretbarkeit dieser verwaltungsgerichtlichen Beurteilung aufzuzeigen.
17 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 3. September 2025