JudikaturVwGH

Ro 2025/06/0001 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Immobilienrecht
19. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Novak und die Hofrätinnen Mag. a Merl und Mag. Liebhart Mutzl als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des J A, vertreten durch Mag. Wolfram Schachinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 7. Oktober 2024, LVwG 50.17 2637/2024 7, betreffend Versagung einer Baubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Marktgemeinde Wagna; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 27. Mai 2025, mit welchem sein Bauansuchen betreffend die Errichtung eines Wohnhauses (Neubau) mit acht Wohneinheiten, 16 KFZ Abstellplätzen, einer Zufahrt, einer Geländeveränderung, einer Stützmauer mit Einfriedung sowie einer Kanalanlage auf einem näher genannten Grundstück in der KG H. mangels Übereinstimmung des Projektes mit den Vorgaben des § 30 Abs. 1 Z 7 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 2010 idF LGBl. Nr. 73/2023 (StROG) abgewiesen worden war, als unbegründet ab und erklärte eine Revision für zulässig.

Dies begründete das LVwG unter Hinweis auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 21. Juni 2023, V151/2022, folgendermaßen:

„3. Der Verfassungsgerichtshof führt in der ausführlich zitierten Entscheidung des vom 21.06.2023, V151/2022 (deren präjudizieller Anlassfall die Erteilung einer Baubewilligung im Dorfgebiet war) aus, dass die konkrete Einschränkung auf 2 Wohneinheiten nicht den Widmungsinhalt des Charakters ‚Dorfgebiet‘ änderte, zumal auch zuvor bereits Wohngebäude (ohne Zusammenhang mit land und forstwirtschaftlichem Betrieb) lediglich in untergeordneter Weise vorgesehen waren.

4. Die Änderung des § 30 Abs 1 Z 7 StROG 2010 enthält gegenüber der davor geltenden Bestimmungen zwei Änderungen, zunächst, dass nicht schlechthin auch ‚Wohngebäude‘ errichtet werden können, sondern nur solche Wohnbauten die nicht mehr als 2 Wohneinheiten aufweisen. Sowohl § 23 Abs 5 lit f Stmk ROG 1974 als auch § 30 Abs 1 Z 7 StROG 2010 enthalten die nähere Festlegung, welchen Inhalt die Widmung ‚Dorfgebiet‘ hat. In der Festlegung des wesentlichen Inhalts stimmen diese Vorschriften überein: Dorfgebiete sind Flächen, die für Bauten land und forstwirtschaftlicher Nutzung in verdichteter Anordnung bestimmt sind und auch sonstige Nutzungen zulassen, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner von Dorfgebieten dienen. Dadurch wird aber der Inhalt der Widmung ‚Dorfgebiet‘ nicht in ihrem Charakter verändert, zumal auch die frühere Bestimmung des § 23 StROG 1974 so zu interpretieren ist, dass Wohngebäude den Widmungscharakter entsprechend nur in untergeordneter Weise vorgesehen waren. Zusammengefasst bedeutet dies laut Verfassungsgerichtshof, dass § 30 Abs 1 Z 7 StROG 2010 Widmungen von ‚Dorfgebiet‘ in Flächenwidmungsplänen, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes festgelegt wurden, nicht gesetzwidrig werden lässt, sondern lediglich die Wirkung hat, dass ab dem Inkrafttreten die Zulässigkeit von Bauten in Dorfgebieten nach dieser Bestimmung zu beurteilen ist.

5. Der Verfassungsgerichtshof hat weiters explizit zum Ausdruck gebracht, dass angesichts des allgemeinen Grundsatzes, wonach in Verwaltungsverfahren die Sach und Rechtslage zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung maßgeblich ist, die Vorschrift des § 30 StROG 2010 ihre Wirkung erst für Baubewilligungen betreffend Grundstücke in Dorfgebieten, die nach dem Inkrafttreten des StROG 2010 erteilt werden, auch dann, wenn die Widmung im Flächenwidmungsplan bereits früher erfolgt ist. Im gegenständlichen Fall wurde der aktuell geltende Flächenwidmungsplan erst nach Inkrafttreten des StROG 2010 (jedoch vor der Novelle LGBI. Nr. 45/2022, mit der die Einschränkung auf 2 Wohneinheiten erfolgte) beschlossen, weshalb die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs jedenfalls auch für das beantragte Bauvorhaben übertragbar ist und das Bauvorhaben daher aufgrund der geltenden Rechtslage zu beurteilen ist; dies gilt aus Sicht des Verwaltungsgerichts umso mehr, da gegenständlich nicht der Übergang von Stmk ROG 1974 zu StROG 2010 ist (wie es bei der der VfGH Entscheidung der Fall war), sondern eine Novelle innerhalb des StROG 2010.“

Gemäß § 30 Abs. 1 Z 7 StROG idF LGBI. Nr. 15/2022 sei somit die Errichtung eines Wohnhauses (ohne Zusammenhang mit einem land und forstwirtschaftlichen Betrieb) mit acht Wohneinheiten in der Baulandkategorie Dorfgebiet nicht zulässig.

Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision wurde damit begründet, dass eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle, „zumal die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 13.05.2024, Ra 2023/06/0231 9, betreffend den gegenständlich herangezogenen Anlassfall, der zur zitierten VfGH Entscheidung geführt hat, über die Revision im 2. Rechtsgang gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark die Revision zurückgewiesen hat.“ (Fehler im Original)

5 Die Zulässigkeitsbegründung des LVwG wird den Anforderungen an eine Begründungspflicht nach § 25a Abs. 1 zweiter Satz VwGG nicht gerecht, weil daraus nicht hervorgeht, welche konkrete Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte; darüber hinaus wird nicht ausgeführt, in welchem Bezug „die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 13.05.2024, Ra 2023/06/0231 9“ zum vorliegenden Sachverhalt stehen soll.

6 Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die maßgeblichen Gründe für die Zulässigkeit der Revision aufzuzeigen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. VwGH 10.2.2025, Ro 2022/06/0017, Rn. 13, mwN).

Im Fall einer behaupteten Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wäre in den Zulässigkeitsgründen einer Revision konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt einem der ins Treffen geführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden habe und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei. Die bloße Nennung von Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes nach Datum und Geschäftszahl, ohne auf konkrete Unterschiede in dieser Rechtsprechung hinzuweisen, reicht dabei nicht aus (vgl. etwa VwGH 27.6.2025, Ro 2024/06/0009, Rn. 20, mwN).

7 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit ergänzend zu den Zulässigkeitsausführungen des LVwG vorgebracht, die Festlegungen in einem Flächenwidmungsplan seien der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge grundsätzlich nach jener Rechtslage auszulegen, die im Zeitpunkt der Erlassung des Flächenwidmungsplanes gegolten habe (Hinweis auf VwGH 20.06.2002, 95/06/0130; 20.11.1997, 96/06/0247; 9.11.1998 [richtig: 1999], 95/05/0268). Die angefochtene Entscheidung weiche von dieser ständigen Rechtsprechung ab, da „die Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung der Baubewilligung und nicht die Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des Flächenwidmungsplanes seitens der Behörde und seitens des Verwaltungsgerichtes herangezogen wurde.“

8 Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die im Zeitpunkt der Erlassung eines Bescheides oder Erkenntnisses gegebene Rechtslage anzuwenden, sofern der Gesetzgeber nicht in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, dass auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist.

Dem Revisionswerber ist insofern zuzustimmen, als Flächenwidmungspläne grundsätzlich im Sinn der Bedeutung der festgelegten Widmung nach den im Zeitpunkt ihrer Erlassung geltenden Rechtsvorschriften auszulegen sind (vgl. etwa VwGH 17.4.2023, Ra 2022/06/0096, Rz 9, mwN).

9 Von diesem Grundsatz geht auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21. Juni 2023, V151/2022, zunächst (in Pkt. IV. 2.3.1. und IV. 2.3.2.1.) aus, weist aber in weiterer Folge darauf hin, dass diese Rechtsprechung nicht schematisch auf jede Vorschrift übertragen werden dürfe, die mit den gesetzlichen Vorschriften, die den Inhalt einer Widmung regelten, im Zusammenhang stünden und an die gesetzliche Festlegung des unmittelbaren Widmungsinhaltes anknüpften. Da die Widmung „Dorfgebiet“ sowohl nach dem StROG 1974 als auch dem StROG 2010 für Bauten land und forstwirtschaftlicher Nutzung in verdichteter Anordnung bestimmt seien und Wohngebäude ohne Zusammenhang mit einem land und forstwirtschaftlichen Betrieb auch nach dem StROG 1974 nur in untergeordneter Weise vorgesehen gewesen seien, werde der Widmungstyp „Dorfgebiet“ durch die Beschränkung der Zulässigkeit derartiger Wohnbauten auf nicht mehr als zwei Wohneinheiten in seinem Gehalt nicht wesentlich geändert. Daher sei die Bedeutung der Widmung „Dorfgebiet“ in Flächenwidmungsplänen, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes festgelegt worden seien, ab dessen Inkrafttreten nach § 30 Abs. 1 Z 7 StROG 2010 zu beurteilen.

10 Auf diese, vom LVwG in das angefochtene Erkenntnis übernommene Begründung geht die vorliegende Revision überhaupt nicht ein. Der Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 20.06.2002, 95/06/0130; 20.11.1997, 96/06/0247; 9.11.1998 [richtig: 1999], 95/05/0268) ist in diesem Zusammenhang nicht zielführend, weil darin nur der in Rn. 8, zweiter Absatz dargestellte Grundsatz wiederholt wird; für die fallbezogen relevante Frage, ob der Widmungstyp „Dorfgebiet“ durch die Beschränkung der Zulässigkeit von Wohnbauten außerhalb einer land und forstwirtschaftlichen Nutzung auf nicht mehr als zwei Wohneinheiten in seinem Gehalt nicht wesentlich geändert wird, ist daraus nichts zu gewinnen. Zu diesem zentralen Begründungselement des angefochtenen Erkenntnisses wird in der Zulässigkeitsbegründung nichts vorgebracht und insofern auch nicht aufgezeigt, inwiefern das LVwG diesbezüglich von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sein sollte.

11 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 19. August 2025