V151/2022 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Abweisung eines Antrags des LVwG Steiermark auf Aufhebung des Flächenwidmungsplans 3.00 der Gemeinde Krottendorf-Gaisfeld betreffend die Widmung der Grundstücke 731/1, 731/2 und .53, KG 63335.
Sowohl §23 Abs5 litf Stmk ROG 1974 als auch §30 Abs1 Z7 StROG 2010 enthalten die nähere Festlegung, welchen Inhalt die Widmung "Dorfgebiet" hat. In der Festlegung des wesentlichen Inhalts stimmen diese Vorschriften überein: Dorfgebiete sind Flächen, die für Bauten land- und forstwirtschaftlicher Nutzung in verdichteter Anordnung bestimmt sind und auch sonstige Nutzungen zulassen, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner von Dorfgebieten dienen.
§30 Abs1 Z7 StROG 2010 enthält gegenüber der davor geltenden Bestimmung zwei Änderungen, zunächst, dass nicht schlechthin auch "Wohngebäude" errichtet werden können, sondern nur solche Wohnbauten, die nicht mehr als zwei Wohneinheiten aufweisen. Dadurch wird aber der Inhalt der Widmung "Dorfgebiet" nicht in ihrem Charakter verändert, zumal auch die frühere Bestimmung des §23 Stmk ROG 1974 so zu interpretieren ist, dass Wohngebäude ohne Zusammenhang mit einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb dem Widmungscharakter entsprechend nur in untergeordneter Weise vorgesehen waren. Die Zulässigkeit derartiger Wohnbauten wurde durch das StROG 2010 insoweit beschränkt, dass nur Wohnbauten mit nicht mehr als zwei Wohneinheiten zulässig errichtet werden dürfen, wodurch aber der Widmungstyp "Dorfgebiet" in seinem Gehalt nicht wesentlich geändert wurde. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit dieser Einschränkung bisherige Dorfgebiet-Widmungen gesetzwidrig machen wollte.
Angesichts des allgemeinen Grundsatzes, dass in Verwaltungsverfahren die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung maßgeblich ist, entfaltet die Vorschrift des §30 StROG 2010 ihre Wirkung erst für Baubewilligungen betreffend Grundstücke in Dorfgebieten, die nach dem Inkrafttreten des StROG 2010 erteilt werden, auch dann, wenn die Widmung im Flächenwidmungsplan bereits früher erfolgt ist.
Die zweite Änderung des §30 Abs1 Z7 StROG 2010 gegenüber der Vorgängerbestimmung betrifft die Einschränkung, dass die Nutzung von nicht der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung dienenden Bauten zulässig ist, "soweit sie keine diesem Gebietscharakter widersprechenden Belästigungen der Bewohner verursachen". Diese Vorschrift ist vor dem Hintergrund des Baurechts zu sehen. Gemäß §26 Abs1 Z1 Stmk BauG kann nämlich ein Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, die die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan und mit Bebauungsrichtlinien betreffen, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist. §30 Abs1 Z7 StROG 2010 verbindet nun mit der Widmung "Dorfgebiet" einen solchen Immissionsschutz, sodass der Nachbar grundsätzlich darauf Einwendungen stützen kann. Bei der entsprechenden Wendung in §30 Abs1 Z7 StROG 2010 handelt es sich vom Typ her um eine baurechtliche Vorschrift zur Vermittlung von Nachbarrechten und nicht um eine inhaltliche Umschreibung des Widmungsinhaltes. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass diese Vorschrift gemäß §26 Abs4 Stmk BauG an diesen Immissionsschutz anknüpfend auch Parteirechte in Zusammenhang mit heranrückender Wohnbebauung vermittelt.
Keine Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungsplans mangels Durchführung einer Revision gemäß §42 StROG 2010: §42 StROG 2010 enthält die Verpflichtung zur Fortführung der örtlichen Raumordnung, richtet sich aber ausschließlich an die Gemeindeorgane. So hat gemäß §42 Abs2 StROG 2010 der Bürgermeister spätestens alle zehn Jahre aufzufordern, Anregungen auf Änderungen des örtlichen Entwicklungskonzeptes und des Flächenwidmungsplanes einzubringen. Nach Ablauf der hiezu vorgesehenen Frist hat der Gemeinderat darüber zu beschließen, ob die Voraussetzungen für eine Änderung gegeben sind oder nicht und ob gegebenenfalls ein Änderungsverfahren durchzuführen ist. Zieht die Revision keine Änderung des örtlichen Entwicklungskonzeptes oder Flächenwidmungsplanes nach sich, so hat der Gemeinderat gemäß §42 Abs7 StROG den Abschluss der Revision zu beschließen und den Beschluss mit der Niederschrift über ihre Beschlussfassung und den eingelangten Anregungen der Landesregierung zur Genehmigung vorzulegen. Diese Vorschriften zeigen, dass es eine Pflicht der Gemeinde bzw der Gemeindeorgane ist, eine Revision vorzunehmen und gegebenenfalls den Flächenwidmungsplan zu ändern. Das pflichtwidrige Unterbleiben einer solchen Revision führt aber nicht per se zur Rechtswidrigkeit des geltenden Flächenwidmungsplanes.