Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revisionen von 1. Dr. B P, 2. Dr. E P, 3. Mag. H M, 4. Mag. T W, 5. Mag. M W, 6. C S, 7. H M, 8. A O, 9. Mag. K S, 10. G K, 11. C M und 12. Wassergenossenschaft W, alle in B, und 13. Dr. E K in M, alle vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember 2024, Zl. W288 2298474 1/37E, betreffend mineralrohstoffrechtliche Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesminister für Finanzen [als Montanbehörde]; mitbeteiligte Partei: R AG in W, vertreten durch die Onz Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 1.1. Die mitbeteiligte Partei plante zur Förderung von Erdgas die Erschließung einer näher bezeichneten Lagerstätte in der Gemeinde B durch die drei näher bezeichneten Sonden L [...] 12, L [...] 13 und L [...] 14. Diese sollen eine Förderung von bis zu 120.000 m 3 pro Tag ermöglichen.
2 Dafür beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung der mineralrohstoffrechtlichen Bewilligung. Die zuständige Montanbehörde stellte daraufhin gemäß § 3 Abs. 7 UVP G 2000 bei der belangten Behörde den Antrag auf Feststellung, ob für dieses Vorhaben der mitbeteiligten Partei eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nach dem UVP G 2000 durchzuführen ist und welche Tatbestände des UVP G 2000 verwirklicht werden.
3 1.2. Mit Bescheid vom 5. September 2022 stellte die belangte Behörde fest, dass für das Vorhaben der mitbeteiligten Partei keine UVP nach dem UVP G 2000 durchzuführen sei.
4 1.3. Die dagegen unter anderem auch von den im gegenständlichen Verfahren erst bis fünft , acht und neunt sowie elft und zwölftrevisionswerbenden Parteien erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 11. April 2023 abgewiesen. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
5 1.4.Der Verwaltungsgerichtshof wies die dagegen erhobene außerordentliche Revision mit Beschluss vom 20. März 2025, Ra 2023/04/0063 bis 0072, mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zurück.
6 2. Mit Bescheid vom 9. Juli 2024 erteilte die belangte Behörde der mitbeteiligten Partei die mineralrohstoffrechtliche Bewilligung für das oben unter Rn. 1 genannte Vorhaben unter Vorschreibung von Auflagen und Bedingungen.
7 3.1. Die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Parteien wies das Verwaltungsgericht mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 19. Dezember 2024 ab. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
8 3.2. In der Begründung kam das Verwaltungsgericht unter anderem zum Ergebnis, dass die von den revisionswerbenden Parteien behauptete Unzuständigkeit der Montanbehörde nicht vorliege und das diesbezügliche Beschwerdevorbringen daher als unbegründet zu verwerfen sei.
9 Nachbarn komme so das Verwaltungsgericht im Rahmen ihrer Parteistellung in einem Materienverfahren grundsätzlich auch ein subjektives Recht auf Einhaltung der gesetzlich normierten Zuständigkeiten zu. Die Nachbarn könnten daher mit dem Vorbringen, es sei zu Unrecht keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden, die Frage der Zuständigkeit der vollziehenden Behörde aufwerfen. Im vorliegenden Fall habe jedoch die Salzburger Landesregierung auf Antrag der belangten Behörde mit Bescheid vom 5. September 2022 festgestellt, dass für das gegenständliche Vorhaben der mitbeteiligten Partei keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVPG 2000 durchzuführen sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 11. April 2023 rechtskräftig abgewiesen. Dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichts komme volle Bindungswirkung in allen relevanten Verfahren und sohin auch im gegenständlichen Bewilligungsverfahren nach dem MinroG zu. An der Rechtskraft und der daraus resultierenden Bindungswirkung dieser Entscheidung ändere auch die dagegen erhobene und nach wie vor anhängige Revision nichts, zumal Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts mit deren Erlassung rechtskräftig würden.
10 4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
11 5. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
13Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 6. Die Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung gegen die vom Verwaltungsgericht angenommene Bindungswirkung an das im UVP Feststellungsverfahren ergangenen verwaltungsgerichtliche Erkenntnis vom 11. April 2023. Der Verwaltungsgerichtshof habe mehrfach das Bestehen einer Bindungswirkung von negativen UVP Feststellungsbescheiden festgestellt, dies aber stets nur in Hinblick darauf, dass dem Nachbarn nach der damals jeweils maßgeblichen Rechtslage im UVP Feststellungsverfahren weder ein Antragsrecht noch Parteistellung noch ein Beschwerderecht zugekommen sei. Es sei zwar mit der UVP G Novelle 2016 ein entsprechendes Beschwerderecht der Nachbarn gegen negative UVP Feststellungsbescheide geschaffen worden, allerdings nur dann, wenn ein UVP Feststellungsverfahren auch durchgeführt worden sei. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bestehe aber die Bindungswirkung rechtskräftiger negativer UVP Feststellungsentscheidungen dann nicht, wenn dagegen eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof anhängig sei.
15 Das Verwaltungsgericht übersehe, dass Partei des im vorliegenden Fall geführten UVP Feststellungsverfahrens neben der mitbeteiligten Partei und der Umweltanwaltschaft ausschließlich die Standortgemeinde gewesen sei, nicht jedoch die revisionswerbenden Parteien. Diese hätten lediglich Beschwerde gegen den negativen UVP Feststellungsbescheid erhoben, sie seien dadurch aber nicht Parteien des erstinstanzlichen Feststellungsverfahrens geworden. Aus diesem Grund könne auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 11. April 2023 gegenüber den nunmehrigen revisionswerbenden Parteien keine Bindungswirkung entfalten und die geltende Rechtslage nach der UVP G Novelle 2016 unterscheide sich nicht von der früheren Rechtslage. Es sei daher die vom Verwaltungsgericht angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bindungswirkung nach wie vor anzuwenden. Demnach bestehe die Bindungswirkung gegenüber den nunmehrigen revisionswerbenden Parteien nicht. Diesen stünde (im UVP Feststellungsverfahren) zwar die Möglichkeit der Einbringung der Beschwerde offen. Davon hätten sie im vorliegenden Fall auch Gebrauch gemacht und zudem Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, über die bis jetzt nicht entschieden worden sei. Die revisionswerbenden Parteien hätten keinerlei Möglichkeit und Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gehabt bzw. sei eine solche im Beschwerdeverfahren nicht durchgeführt worden. Die revisionswerbenden Parteien seien somit im Feststellungsverfahren gegenüber anderen Parteien ungleich, weil schlechter gestellt. Es könne daher eine Bindung ihnen gegenüber aus dem negativen UVP Feststellungsbescheid bzw. aus dem diesen bestätigenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 11. April 2023 nicht entstehen. Mit dem durch das Gesetz eingeräumten bloßen Beschwerderecht könne die Bindung nicht eintreten.
16 7. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass nach der (auch von der Revision angeführten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Nachbarn zwar die Möglichkeit haben müssen, die Entscheidung, keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, im Rahmen eines gegen sie oder gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelf anzufechten. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang aber auch ausgesprochen, dass sich weder aus dem Aarhus-Übereinkommen noch aus der UVP RL oder aus der Öffentlichkeitsbeteiligungs RL ein Recht auf Teilnahme am UVPFeststellungsverfahren als Partei ergibt. Es ist unionsrechtlich keine Parteistellung, sondern lediglich eine Anfechtungsmöglichkeit gefordert (vgl. VwGH 18.5.2016, Ro 2015/04/0026, Rn. 11 und 13, mwN).
17 Wie die Revision selbst einräumt, besteht seit der UVP G Novelle 2016, BGBl. I Nr. 4, für die Nachbarn ein ausdrückliches Beschwerderecht gegen Feststellungsbescheide gemäß § 3 Abs. 7 UVP G 2000 (von dem im vorliegenden Fall ein Großteil der revisionswerbenden Parteien auch Gebrauch gemacht hat).
18 Ausgehend davon zeigt die Revision mit ihrem Vorbringen, im angefochtenen Erkenntnis sei zu Unrecht von einer Bindung an das im UVP Feststellungsverfahren ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 11. April 2023 ausgegangen worden, kein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf.
19 Daran vermag auch das weitere nicht näher begründete Vorbringen der Revision, eine Bindungswirkung negativer UVPFeststellungsentscheidungen scheide in Fällen einer dagegen erhobenen Revision beim Verwaltungsgerichtshof aus, nichts zu ändern. Das Verwaltungsgericht hat hier zu Recht darauf verwiesen, dass ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts mit seiner Erlassung rechtskräftig wird, und dies ungeachtet einer dagegen erhobenen Revision an den Verwaltungsgerichtshof wie auch einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (vgl. VwGH 18.2.2022, Ra 2021/04/0137, Ra 2021/04/0165 und 0166, Rn. 22, mwN).
Das UVP Feststellungsverfahren wäre seines Sinnes weitgehend entkleidet, wenn die rechtskräftig getroffene Feststellung in nachfolgenden Verfahren keine Bedeutung hätte (vgl. Huber Medek , Zur Bindungswirkung von UVP Feststellungsbescheiden, ÖZW 2015, 116 [116] mwN).
20 Soweit die Revision schließlich Verfahrensmängel im durchgeführten UVPFeststellungsverfahren rügt (Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung), ist auf die zwischenzeitlich erfolgte Zurückweisung der außerordentlichen Revision im dortigen Verfahren zu verweisen (vgl. VwGH 20.3.2025, Ra 2023/04/0063 bis 0072, Rn. 21f).
21 8. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 15. April 2025