Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Dr. Maurer Kober und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des A, vertreten durch Mag. Mehmet Munar, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 3. April 2025, VGW 031/078/2348/2024 24, betreffend Übertretung der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (Verwaltungsgericht) wurden über den Revisionswerber in Bestätigung eines entsprechenden Straferkenntnisses der Landespolizeidirektion Wien wegen der Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 zweiter Satz Z 1 StVO eine Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und ihm ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vorgeschrieben. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe entgegen der von ihm auch verstandenen Belehrung vor der Untersuchung mit dem Alkoholmessgerät einen Kaugummi im Mund gehabt. Dieses Verhalten sei als Verweigerung der Untersuchung zu werten, sodass es auf das vom Revisionswerber beantragte Sachverständigengutachten zum Nachweis des fehlenden Einflusses eines Kaugummis auf das Messergebnis nicht ankomme.
3 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7Der Revisionswerber erachtet seine Revision deshalb als zulässig, weil es widersprüchliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 29.5.2015, Ra 2015/02/0018, und VwGH 26.7.2019, Ra 2019/02/0113) zur Rechtsfrage gebe: „Wenn trotz Kaugummikauen ein (strafbares) Messergebnis durch die Testung hervorkommen kann, ist es dann gleichzeitig zulässig, das Kaugummikauen für sich als Verweigerungshandlung zu qualifizieren?“
8Entgegen diesem Vorbringen ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht uneinheitlich. Anders als im vorliegenden Fall betraf das vom Revisionswerber genannte Erkenntnis VwGH 29.5.2015, Ra 2015/02/0018, eine Übertretung des § 99 Abs. 1b iVm § 5 Abs. 1 StVO, bei der zu prüfen war, ob sich der Lenker des Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden hatte. Eine derartige Beeinträchtigung ist u.a. jedenfalls bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber anzunehmen, sodass eine Überprüfung des im dortigen Verfahren tatsächlich erzielten Messergebnisses durch einen Sachverständigen notwendig wurde, weil die nach der Betriebsanleitung des Messgerätes erforderliche Wartezeit nach der Konsumation eines Kaugummis nicht eingehalten worden war.
9Demgegenüber betraf das zweite vom Revisionswerber zitierte Erkenntnis (VwGH 26.7.2019, Ra 2019/02/0113) wie hier eine Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO, wonach u.a. strafbar ist, wer sich bei Vorliegen näher genannter Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.
10Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gilt als Weigerung, sich dem Atemalkoholtest zu unterziehen, ein Verhalten des Untersuchten, das das Zustandekommen des vorgesehenen Tests verhindert. Ein solches ist auch darin zu erblicken, dass der Proband - trotz vorheriger Belehrung - ein Verhalten setzt, das zu einer Verfälschung des Messergebnisses führen kann. Der Betroffene hat die von den Organen der Straßenaufsicht erforderlichen Anordnungen, soweit dies nicht unzumutbar ist, zu befolgen. Wenn derartigen zumutbaren Anordnungen nicht unverzüglich Folge geleistet wird, bedeutet dies eine Verweigerung der im Gesetz normierten Pflicht, sich dem besagten Test zu unterziehen (vgl. VwGH 11.5.2016, Ra 2016/02/0077, mwN).
11 Ob das Verhalten des Revisionswerbers tatsächlich das Messergebnis beeinflusst hätte oder hätte beeinflussen können, ist im vorliegenden Fall mangels durchgeführter Messung hingegen nicht relevant. Aus diesem Grund geht die in der Revision aufgeworfene Rechtsfrage, ob durch das Kauen eines Kaugummis überhaupt eine Verfälschung des Messergebnisses möglich sei, ins Leere, weil es auf die Beantwortung dieser Frage nicht ankommt. Im gegenständlichen Verfahren ist allein entscheidend, dass der Revisionswerber trotz vorheriger Belehrungmit seinem Verhalten unstrittig den Verwendungsbestimmungen der Betriebsanleitung des vorgesehenen Atemalkoholmessgerätes sowie der diesen Rechnung tragenden, zumutbaren Anordnungen des Organes der Straßenaufsicht zuwider gehandelt hat, wodurch das Zustandekommen des vorgesehenen Tests vereitelt wurde (vgl. VwGH 26.7.2019, Ra 2019/02/0124, mwN).
12Soweit der Revisionswerber zur Frage der möglichen Beeinflussung des Messergebnisses durch die Einnahme des Kaugummis ausführt, es wäre ein Sachverständigengutachten einzuholen gewesen, ist er darauf zu verweisen, dass für die Beurteilung der Verweigerung des Alkotests die Feststellung ausreicht, dass ein Verhalten zu einer Verfälschung des Messergebnisses führen kann. Die Beiziehung eines Sachverständigen zur Klärung der Frage, ob allenfalls doch entgegen der Bedienungsanleitung ein verwertbares Resultat beim Atemalkoholtest zu erzielen gewesen wäre, war daher nicht erforderlich (vgl. VwGH 24.2.2012, 2011/02/0353, mwN). Es ist nämlich für eine Bestrafung nach § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO rechtlich unerheblich, ob nach einer vollendeten Verweigerung, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, etwa durch eine entsprechende ärztliche Untersuchung in Form einer Blutprobe oder durch einen nachträglich durchgeführten Alkomattest das Nichtvorliegen einer Alkoholisierung festgestellt wird (vgl. VwGH 16.12.2016, Ra 2014/02/0087, mwN).
13Zu dem in der Zulässigkeitsbegründung noch angesprochenen Ermessen des kontrollierenden Beamten ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur festhält, dass über die näheren Umstände der Durchführung einer Atemluftprobe allein das jeweils einschreitende Organ bestimmt. Der Aufgeforderte hat weder ein Bestimmungsrecht hinsichtlich Ort und Zeit der Atemluftprobe noch kommt ihm ein Wahlrecht zur Art der Untersuchung zu (vgl. VwGH 17.7.2018, Ra 2018/02/0209, mwN). Das Ende der Amtshandlung wird von den amtshandelnden Personen bestimmt und nicht vom Betroffenen (vgl. VwGH 24.4.2014, 2012/02/0134, mwN). Dass die im Einzelfall vorgenommene Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre oder eine krasse Fehlbeurteilung im Sinne eines Missbrauches oder eines Überschreitens des eingeräumten Ermessens vorläge (vgl. VwGH 21.3.2024, Ra 2022/02/0097, mwN), zeigt die Revision nicht auf.
14 Die vom Revisionswerber behauptete Divergenz in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt somit nicht vor.
15 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 12. September 2025