Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie die Hofräte Dr. Chvosta und Mag. Schartner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das am 15. Februar 2024 mündlich verkündete und mit 22. April 2024 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, I415 22105214/10E, betreffend ersatzlose Behebung eines Ausspruchs nach § 52 Abs. 9 FPG (mitbeteiligte Partei: S B, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried im Innkreis, Promenade 3), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Dem 1984 in der damaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien geborenen und im Jahr 1991 in das Bundesgebiet eingereisten Mitbeteiligten war im Wege der Erstreckung des seinem Vater gewährten Asyls im April 1999 derselbe Status zuerkannt worden.
2Nachdem dem Mitbeteiligten wegen seiner Straffälligkeit bereits zuvor rechtskräftig der Status des Asylberechtigten aberkannt und der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt worden war, erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) nach einer weiteren strafgerichtlichen Verurteilung mit Bescheid vom 9. Mai 2022 gegen den Mitbeteiligten gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFAVG eine Rückkehrentscheidung, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG ausgehend von der in allen bisherigen Verfahren angenommenen und vom Mitbeteiligten nie bestrittenen serbischen Staatsangehörigkeitfest, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig sei, und verhängte über ihn gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 17. Oktober 2022 als unbegründet ab.
3 Da der Mitbeteiligte seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen war, leitete das BFA ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates ein, dessen Ausstellung von den serbischen Behörden jedoch am 10. Februar 2023 abgelehnt wurde. Dagegen stimmten die montenegrinischen Behörden am 5. April 2023 der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Mitbeteiligten zu.
4Daraufhin erließ das BFA einen mit 23. Mai 2023 datierten Bescheid, mit dem es gemäß § 52 Abs. 9 FPG feststellte, die Abschiebung des Mitbeteiligten nach Montenegro sei zulässig.
5Der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten gab das BVwG mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15. Februar 2024 verkündeten und mit 22. April 2024 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis statt und behob den angefochtenen Bescheid. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision nicht zulässig sei.
6 In seiner Begründung ging das BVwG zusammengefasst davon aus, dass die Rückkehrentscheidung und die Feststellung der (Un )Zulässigkeit der Abschiebung eine „untrennbare Einheit“ darstellten und über beides in einem Bescheid abzusprechen sei. Daraus folge, dass die ohne Rückkehrentscheidung ergangene Feststellung über die Zulässigkeit der Abschiebung des Mitbeteiligten nach Montenegro nicht „für sich alleine stehen“ könne. Deshalb sei der Bescheid des BFA (ersatzlos) zu beheben gewesen.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision des BFA, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als nicht zulässig erweist.
8In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit ausgeführt, dass es sich bei Serbien, auf das sich die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung im Bescheid vom 9. Mai 2022 bezogen hatte, entgegen den ursprünglichen Angaben des Mitbeteiligten nicht um dessen Herkunftsstaat gehandelt habe. Tatsächlich besitze der Mitbeteiligte die Staatsangehörigkeit von Montenegro, weshalb nochmals ein Ausspruch gemäß § 52 Abs. 9 FPG, diesmal mit Montenegro als Zielstaat, ergangen sei. Es fehle aber Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der sich in der vorliegenden Konstellation stellenden Rechtsfrage, ob nachdem in einem aufenthaltsbeendenden Verfahren bereits früher eine Rückkehrentscheidung erlassen worden war in einem später gesondert erlassenen Bescheid in Anknüpfung an diese Rückkehrentscheidung eine weitere Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten (anderen) Staat ohne gleichzeitig erlassene neuerliche Rückkehrentscheidung getroffen werden dürfe. Vor einer Abschiebung sei ja eine Refoulement Prüfung vorzunehmen, über die „gewöhnlich im Rahmen der Zulässigkeit der Abschiebung abzusprechen“ sei.
9Gemäß § 52 Abs. 9 erster Satz FPG ist zwar mit der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, was einer Konkretisierung des Zielstaates gleichkommt; dieser Ausspruch kann jedoch nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung unterbleiben, wenn er aus vom Fremden zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Stellt sich nun aber im Nachhinein heraus, dass der Ausspruch nach § 52 Abs. 9 FPG wie im vorliegenden Fallaus vom Fremden zu vertretenden Gründen auf einen für die Abschiebung gar nicht in Betracht kommenden Staat bezogen wurde und daher ins Leere geht, so ist dieser Fall jenem gleichzuhalten, in dem ein Ausspruch nach § 52 Abs. 9 zweiter Satz FPG von vornherein unterblieben ist (vgl. insoweit VwGH 26.1.2017, Ra 2016/21/0348, Rn. 15, mwN).
10Dem Erkenntnis VwGH 8.5.2025, Ra 2024/21/0151, liegt ein Fall zugrunde, in dem zunächst im erwähnten Sinn eine rechtskräftige „zielstaatslose“ Rückkehrentscheidung erlassen worden war und nachträglich in Bezug auf den mittlerweile hervorgekommenen Herkunftsstaat wie hier eine bloße Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in diesen neuen Zielstaat vorgenommen wurde. Diese Konstellation ist nach der erwähnten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes jenem Fall gleichzuhalten, der dem vorliegend angefochtenen Erkenntnis zugrunde liegt. In dem genannten Parallelfall kam der Verwaltungsgerichtshof mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen werden kann, zu dem gleichen Ergebnis wie hier das BVwG im angefochtenen Erkenntnis.
11 Damit aber trifft die Annahme in der somit auch nicht berechtigten Amtsrevision, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Rechtsfrage, nicht mehr zu.
12 Die Revision war daher nach Durchführung eines Vorverfahrens, in dem vom Mitbeteiligten keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 8. Mai 2025