Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des Z K, vertreten durch Mag. a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116/17 19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. November 2023, W247 1241105 4/24E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Zur Vorgeschichte wird auf das den Revisionswerber betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Oktober 2020, Ra 2020/19/0179, hingewiesen.
2 Der im Jänner 1993 geborene Revisionswerber, ein aus Tschetschenien stammender russischer Staatsangehöriger, stellte am 26. Juni 2003 einen Asylantrag nach dem Asylgesetz 1997. Es wurde ihm vom unabhängigen Bundesasylsenat mit Bescheid vom 10. Mai 2005 gemäß § 10 Abs. 2 Asylgesetz 1997 (im Familienverfahren) Asyl gewährt und gemäß § 12 Asylgesetz 1997 festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Gemäß § 75 Abs. 5 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) galt ihm ab 1. Jänner 2006 (dem Zeitpunkt des mit dessen § 73 Abs. 1 festgelegten Inkrafttretens des AsylG 2005) der Status des Asylberechtigten als zuerkannt.
3 Der Revisionswerber wurde im Bundesgebiet (ab dem Jahr 2008) wiederholt straffällig und mehrfach rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt.
4 Daraufhin wurde dem Revisionswerber (letztlich) mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Jänner 2020 der Status des Asylberechtigten aberkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Weiters wurde ausgesprochen, dass dem Revisionswerber der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, ihm ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und festgestellt werde, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.
5 Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit (dem eingangs erwähnten) Beschluss vom 21. Oktober 2020, Ra 2020/19/0179, zurückgewiesen.
6 Der Revisionswerber blieb im Bundesgebiet. Er wurde neuerlich straffällig.
7 Am 14. September 2022 stellte der Revisionswerber den hier gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005.
8 Dieser Antrag wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 28. März 2023 abgewiesen. Weiters wurde ausgesprochen, dass ihm kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 erteilt werde.
9 Das Bundesverwaltungsgericht wies die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Durchführung einer Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Der Revisionswerber wendet sich in der Begründung für die Zulässigkeit der Revision gegen die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts, das zum Ergebnis gelangte, im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat habe der Revisionswerber asylrelevante Verfolgung nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu gewärtigen. Im Zusammenhang mit seinem Vorbringen zu befürchten, in Russland zum Militärdienst eingezogen und dann im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt zu werden, verweist der Revisionswerber auf Berichte, die auf die im Herbst 2022 in Russland erfolgte Teilmobilisierung Bezug nehmen.
14 Die Prüfung, ob ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz besteht, hat nach den individuellen Umständen des Einzelfalls zu erfolgen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung auch festgehalten, dass die Glaubhaftmachung des Vorbringens zu den Gründen einer Verfolgung einer einzelfallbezogenen Beurteilung unterliegt und im Allgemeinen nicht revisibel ist (vgl. VwGH 19.12.2023, Ra 2023/01/0328; 19.12.2023, Ra 2023/01/0351, jeweils mwN).
15 Das Bundesverwaltungsgericht verschaffte sich im Rahmen einer Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber und befragte ihn zu den von ihm geltend gemachten Gründen. Es kam unter Berücksichtigung aktueller Berichte zur Situation in seinem Herkunftsstaat zum Ergebnis, dass dem Revisionswerber in seiner Herkunftsregion keine asylrelevante Verfolgung drohe. Mit der vom Revisionswerber angesprochenen nach den Feststellungen abgeschlossenen Teilmobilisierung hat sich das Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang ausreichend befasst. Zudem hat es darauf hingewiesen, dass der Revisionswerber im Zeitpunkt einer Rückführung in den Herkunftsstaat jedenfalls auch unter Berücksichtigung dessen zuletzt erfolgter Erhöhung nicht mehr im wehrpflichtigen Alter sein werde.
16 Weiters hat das Bundesverwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass dem Vorbringen des Revisionswerbers, er werde (weiterhin) wegen früherer Handlungen seines Vaters verfolgt, schon anlässlich der im Jahr 2020 wegen Wegfalls der für die Zuerkennung maßgeblichen Umstände ausgesprochenen Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht gefolgt wurde. Dass insoweit nunmehr eine andere Beurteilung geboten gewesen wäre, zeigt der Revisionswerber nicht auf.
17 Es ist somit anhand des Vorbringens in der Revision nicht zu sehen, dass dem Bundesverwaltungsgericht bei der auf den Einzelfall bezogenen Prüfung, ob der Revisionswerber einen Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz aufweist, eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Mangelhaftigkeit unterlaufen wäre (vgl. im Übrigen dazu, dass ein Vorbringen zu einer bloß theoretisch denkbaren Möglichkeit eines Verfolgungsszenarios nicht geeignet ist, zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zu führen, VwGH 12.12.2023, Ra 2023/14/0449; 3.10.2023, Ra 2023/14/0071; 7.9.2023, Ra 2023/20/0148; 13.6.2023, Ra 2023/20/0195).
18 Wenn ein angefochtenes Erkenntnis mehrere alternative Begründungen enthält, sich eine davon als tragfähig darstellt und im Zusammenhang mit dieser keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG aufgezeigt wird, ist die Revision unzulässig. Dies gilt selbst dann, wenn davon auszugehen wäre, dass die anderen Begründungsalternativen rechtlich unzutreffend sind (vgl. etwa VwGH 15.12.2016, Ra 2016/02/0144; 12.4.2021, Ra 2021/20/0089; 29.1.2021, Ra 2020/20/0153, mwN; so auch VwGH 12.12.2023, Ra 2023/14/0449, mwN).
19 Auf die in der Revision thematisierte Frage des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative kommt es somit im vorliegenden Fall nicht weiter an. Von der Richtigkeit dieses Teils der (alternativen) Begründung hängt fallbezogen das Schicksal der Revision nicht ab.
20 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 22. Februar 2024