Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter sowie die Hofrätinnen Dr. in Gröger und Dr. in Sabetzer als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision 1. des H A, und 2. der I A, beide vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Barnabitengasse 3/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. August 2024, 1. L519 2134819 2/4E und 2. L519 2134820 2/4E, betreffend Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl),
I. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten wendet;
II. zu Recht erkannt:
Spruch
Im Übrigen wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Die revisionswerbenden Parteien, ein Ehepaar aus dem Irak, beantragten im September 2015 erstmals erfolglos internationalen Schutz in Österreich.
2 Am 16. Jänner 2024 stellten sie die nunmehr gegenständlichen Folgeanträge und brachten unter Vorlage medizinischer Unterlagen vor, wegen ihrer zwischenzeitlich aufgetretenen psychischen bzw. physischen Erkrankungen nicht gefahrlos in den Irak zurückkehren zu können.
3 Mit Bescheiden vom 12. Juli 2014 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Folgeanträge nach vorangegangener Zulassung der Verfahrensowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte den revisionswerbenden Parteien keine Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen, stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig sei, und setzte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
4 Die dagegen von den revisionswerbenden Parteien erhobene Beschwerde wies das BVwG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.
5 Es stellte fest, dass die revisionswerbenden Parteien an näher bezeichneten psychischen und physischen Erkrankungen leiden. Die dafür verordneten Medikamente bzw. Wirkstoffe seien aber im Irak erhältlich. Rechtlich führte das BVwG aus, dass sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt gegenüber dem Erstverfahren nicht entscheidungsrelevant geändert habe. Die Folgeanträge seien daher wegen entschiedener Sache zurückweisen gewesen. Auch die Rückkehrentscheidungen wurden näher begründet.
6 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die revisionswerbenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 16. September 2024, E 3167 3168/2024 10, ablehnte und sie mit Beschluss vom 19. September 2024, E 3167 3168/2024 13, an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
7 In der Folge erhoben die revisionswerbenden Parteien die gegenständliche außerordentliche Revision, zu der das BFA keine Revisionsbeantwortung erstattet hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8 Die Revision ist teilweise zulässig und begründet.
Zu Spruchpunkt I.:
9Die Revision wendet sich gegen das angefochtene Erkenntnis in seinem gesamten Umfang, enthält aber kein (Zulässigkeits-)Vorbringen, aus dem geschlossen werden könnte, dass den revisionswerbenden Parteien im Folgeverfahren der Status von Asylberechtigten hätte gewährt werden können. Sie macht lediglich geltend, dass die revisionswerbenden Parteien stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hätten, bei Rückkehr in den Irak als schwerkranke Personen mit dem realen Risiko einer Verletzung von Art. 3 EMRK bedroht zu sein. Allein das lässt jedoch die Gewährung von Asyl nicht zu.
10In Bezug auf die Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten war die Revision daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig zurückzuweisen.
Zu Spruchpunkt II.:
11 Zulässig und begründet erweist sich die Revision jedoch insoweit, als sie sich gegen die Zurückweisung der Folgeanträge in Bezug auf den subsidiären Schutz und die darauf aufbauenden Spruchpunkte wendet.
12Die revisionswerbenden Parteien erachten sich in ihrem Recht auf meritorische Erledigung ihrer Folgeanträge verletzt und machen geltend, das BVwG sei von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen, indem es keinen gegenüber dem Erstverfahren geänderten Sachverhalt angenommen habe, der eine neue inhaltliche Prüfung ihrer Anträge in Bezug auf den subsidiären Schutz gerechtfertigt hätte. Die revisionswerbenden Parteien hätten sich jedoch zur Begründung ihrer Folgeanträge auf ihre psychischen und physischen Erkrankungen und damit auf Umstände berufen, die im Erstverfahren noch kein Thema gewesen seien und daher auch keine Prüfung erfahren hätten. Sie hätten auch näher dargelegt, weshalb ihnen im Irak wegen der Erkrankungen das reale Risiko einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung drohe, weil ihnen eine fortgesetzte Behandlung im Irak aus näher dargestellten Gründen nicht zugänglich und verfügbar sei. Mit alldem habe sich das BVwG nicht auseinandergesetzt und es habe zu Unrecht eine Verhandlung unterlassen.
13Es entspricht im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhalts die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukommt; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrags darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, an den eine positive Entscheidungsprognose im obigen Sinne anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Antrags mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. VwGH 5.12.2024, Ra 2023/18/0341, mwN).
14Das BVwG zog die im Folgeantrag (erstmals) geltend gemachten Erkrankungen der revisionswerbenden Parteien, die einer Rückführung in den Irak entgegenstehen sollen, nicht in Zweifel. Dass diese Erkrankungen von vornherein (etwa mangels ausreichender Schwere) nicht geeignet sein können, subsidiären Schutz zu rechtfertigen, lässt sich der Entscheidungsbegründung des BVwG nicht hinreichend entnehmen. Ungeachtet dessen verneinte es einen relevant geänderten Sachverhalt, der eine neue inhaltliche Beurteilung des Folgeantrags rechtfertigen könne. Damit verkennt das BVwG in rechtlicher Hinsicht, dass sich der Sachverhalt (in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus) schon auf der Grundlage dieser Erkrankungen durchaus geändert hat und die Frage, ob die revisionswerbenden Parteien trotzdem in den Irak zurückverbracht werden können, ohne ihre durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte zu verletzen, in einem inhaltlichen Asylverfahren hätte geklärt werden müssen. Dabei hätte auch dem Einwand der revisionswerbenden Parteien, ihnen stehe eine Fortsetzung der Behandlung ihrer Leiden im Irak entgegen der Annahme des BVwG nicht offen, einer Beurteilung unterzogen werden müssen, wozu es auch der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung bedurft hätte.
15Das angefochtene Erkenntnis war daher in Bezug auf den subsidiären Schutz und die darauf aufbauenden Spruchpunkte (vorrangig) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
16Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 29. Jänner 2025