Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident MMag. Maislinger und die Hofräte Mag. Berger und Dr. Hammerl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. in Schimpfhuber, über die Revision des M B, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. April 2024, G308 22580772/2E, betreffend Abweisung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Serbiens, war seit 2016 durchgängig im Bundesgebiet aufhältig. Aufgrund seiner Heirat mit einer rumänischen Staatsangehörigen, die von ihrem unionsrechtlichen Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hatte, wurde ihm 2016 eine Aufenthaltskarte mit fünfjähriger Gültigkeitsdauer ausgestellt. In Folge seines Antrages auf Verlängerung dieser Aufenthaltskarte kam hervor, dass seine Ehe nach etwas mehr als einem Jahr wieder geschieden worden war. In weiterer Folge erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG und stellte u.a. gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig sei. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17. November 2022 abgewiesen. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom 15. März 2023 abgelehnt und die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Die sodann gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17. November 2022 erhobene Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 27. September 2023, Ra 2023/21/0077, zurückgewiesen. Der Revisionswerber wurde am 2. November 2023 aus dem Bundesgebiet nach Serbien abgeschoben.
2 Der Revisionswerber war seit 29. März 2017 mit zwei Unterbrechungen von insgesamt wenigen Wochen in Österreich erwerbstätig. Von 23. September 2019 bis 30. Oktober 2023 war er durchgehend als Arbeiter bei einer Bildungsdirektion beschäftigt.
3 Seit 3. Jänner 2019 ist der Revisionswerber mit einer serbischen Staatsangehörigen verheiratet, mit der er zwei im September 2015 geborene Kinder hat. Die Ehefrau und die Kinder leben durchgehend in Serbien. In Österreich aufhältig waren im gegenständlichen Zeitraum zwei Schwestern sowie die Mutter des Revisionswerbers.
4Am 23. Oktober 2023 stellte der Revisionswerber den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005. Mit Bescheid vom 20. Dezember 2023 wurde dieser Antrag vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl abgewiesen. Der Aufenthalt des Revisionswerbers gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit gemäß § 60 Abs. 3 Z 2 AsylG 2005 u.a. auch deshalb, weil er sich seit der Zustellung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17. November 2022 ungeachtet der seinen dagegen erhobenen Rechtsmitteln von den Höchstgerichten zuerkannten aufschiebenden Wirkungunrechtmäßig in Österreich aufhalte. Damit sei er auch unter Nichteinhaltung des Gebotes des § 3 Abs. 2 AuslBG einer Erwerbstätigkeit nachgegangen, was einen schwerwiegenden Verstoß gegen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Arbeitsmarktes und dem Schutz inländischer Arbeitnehmer darstelle.
5In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wendete sich der Revisionswerber gegen die Annahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, dass er sich seit der Zustellung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17. November 2022 unrechtmäßig in Österreich aufhalte und in Folge dessen auch unter Verletzung der Regeln des AuslBG einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Sowohl seiner Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof als auch seiner Revision gegen dieses Erkenntnis sei vom Verfassungsgerichtshof bzw. vom Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. Er sei daher weiterhin rechtmäßig in Österreich aufhältig gewesen. Der Revisionswerber beantragte ausdrücklich, im Verfahren über seine Beschwerde eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
6 Das Bundesverwaltungsgericht nahm von der Durchführung der vom Revisionswerber beantragten Verhandlung Abstand. Es wies mit dem angefochtenen Erkenntnis die Beschwerde als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
7 Das Bundesverwaltungsgericht erhob die in seinem Erkenntnis vom 17. November 2022 getroffenen Feststellungen auch zu Feststellungen der gegenständlichen Entscheidung. Dies betraf die Feststellungen zu seiner Ehe mit einer rumänischen Staatsangehörigen, auf Grund derer ihm 2016 eine Aufenthaltskarte mit fünfjähriger Gültigkeitsdauer ausgestellt worden sei, die in Folge seines Antrages auf Verlängerung dieser Aufenthaltskarte hervorgekommene Scheidung dieser Ehe nach etwas mehr als einem Jahr, sowie die Eheschließung mit einer serbischen Staatsangehörigen im Jahr 2019, die die Mutter seiner 2015 geborenen Kinder sei. Darüber hinaus traf das Bundesverwaltungsgericht die ergänzende Feststellung, dass der Revisionswerber am 2. November 2023 aus dem Bundesgebiet nach Serbien abgeschoben worden sei.
8 Das Bundesverwaltungsgericht gab den Ausführungen in der Beschwerde insoweit Recht, als es darlegte, dass der Beschwerde des Revisionswerbers beim Verfassungsgerichtshof gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17. November 2022 sowie dessen Revision gegen dieses Erkenntnis jeweils die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei und damit die Rechtswirkungen dieses Erkenntnisses bis zur jeweils endgültigen Entscheidung nicht eingetreten seien. Entgegen der Annahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sei daher der Aufenthalt des Revisionswerbers erst mit Zustellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes, mit dem dessen Revision zurückgewiesen wurde, als unrechtmäßig zu werten.
9In Bezug auf die Beurteilung der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemäß § 60 Abs. 3 Z 2 AsylG 2005 führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die Ehe des Revisionswerbers mit einer rumänischen Staatsangehörigen habe lediglich dazu gedient, seinen Aufenthalt in Österreich zu legalisieren und aus dem Anwendungsbereich des AuslBG zu fallen. Dieses Verhalten gefährde die öffentliche Ordnung.
10Im Ergebnis könne daher dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht entgegengetreten werden, wenn es den Ausschlussgrund des § 60 Abs. 3 Z 2 AsylG 2005 als gegeben erachtet habe.
11 Das Absehen von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung begründete das Bundesverwaltungsgericht damit, dass gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben könne, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine. Das Vorbringen des Revisionswerbers sei der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt worden; der Sachverhalt sei aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt.
12 Dagegen wendet sich die nach mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Juni 2024, E 1687/2024-5, erfolgten Ablehnung und Abtretung einer beim Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde vorliegende außerordentliche Revision. Diese rügt in den Ausführungen zu ihrer Zulässigkeit das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung und, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbareren Weise vorgenommen habe. Denn wie auch das Bundesverwaltungsgericht erkannt habe, habe sich der Revisionswerber nur für einen Zeitraum von wenigen Tagen nicht rechtmäßig im Inland aufgehalten, daraus könne aber keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit abgeleitet werden.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorverfahren eingeleitet. Es wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.
14 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
15Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 BVG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
16Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
17 Gemäß § 21 Abs. 7 BFAVG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
18 Vorliegend stützte sich das Bundesverwaltungsgericht beim Absehen von einer mündlichen Verhandlung auf den erstgenannten Tatbestand des § 21 Abs. 7 BFAVG. Mit diesem hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017 und 0018 (vgl. insbes. Pkt. 5.12.), eingehend befasst. Demnach muss der entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichts noch immer die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Behörde muss die die maßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Verwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der behördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten außer Betracht bleiben kann (vgl. etwa VwGH 14.7.2025, Ra 2024/17/0173, mwN).
19 Gegenständlich zeigt der Revisionswerber mit dem lediglich allgemein bzw. pauschal gehaltenen Zulässigkeitsvorbringen nicht auf, dass das Bundesverwaltungsgericht von den soeben dargestellten Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofs zu den Voraussetzungen für die Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG abgewichen wäre.
20 Der Revisionswerber legt nicht dar, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Behörde nicht vollständig bzw. in einem nicht ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sei bzw. dass der wesentliche Sachverhalt bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt des Bundesverwaltungsgerichts nicht mehr die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweise. Ferner zeigt er auch nicht auf, dass in der Beschwerde ein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender relevanter Sachverhalt behauptet worden sei.
21Die Revision legt im Zulässigkeitsvorbringen auch nicht dar, dass bzw. inwiefern das Bundesverwaltungsgericht nicht von einem eindeutigen Fall hätte ausgehen und folglich nicht wegen Annahme eines geklärten Sachverhalts im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA-VG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung hätte absehen dürfen.
22 Soweit der Revisionswerber auch die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts rügt, ist aber schon nicht erkennbar, welche Sachverhaltsannahme des Verwaltungsgerichts auf eine unvertretbare Beweiswürdigung gegründet sein solle und damit bekämpft wird. Insbesondere die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Ehe des Revisionswerbers mit einer rumänischen Staatsangehörigen habe lediglich dazu gedient, seinen Aufenthalt in Österreich zu legalisieren und aus dem Anwendungsbereich des AusIBG zu fallen, wird im Rahmen der Zulässigkeitsbegründung nicht erwähnt (und damit auch nicht in Frage gestellt). Dass das Verwaltungsgericht auf Basis dieser Annahme zum Ergebnis gelangen durfte, dass eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung vorliege, wird im Rahmen der Zulässigkeitsbegründung ebenfalls nicht bekämpft.
23 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 14. November 2025
Rückverweise