Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis, die Hofrätin Dr. Funk-Leisch und den Hofrat Mag. M. Mayr, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision der C M, vertreten durch MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Oktober 2024, W116 2279015 1/3E, betreffend Zeugengebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsidentin des Handelsgerichtes Wien), zu Recht erkannt:
Das angefochtenen Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Bescheid vom 28. August 2023 bestimmte die Präsidentin des Handelsgerichts Wien die Gebühren der Revisionswerberin für die Teilnahme an einer Verhandlung als Zeugin mit 58,30 € und wies das Mehrbegehren ab.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
3 Das Bundesverwaltungsgericht stellte nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und soweit für das Revisionsverfahren relevant fest, die Revisionswerberin sei für eine Verhandlung am 27. Oktober 2022 in einer Rechtssache vor dem Handelsgericht Wien geladen worden. Die Revisionswerberin habe am 24. Juni 2022 die Änderung ihrer Anschrift auf die Dominikanische Republik bekannt gegeben.
4 Die Revisionswerberin habe den Ersatz von Reisekosten iHv 1.110,01 € für den Hinflug, 265,70 € für Nächtigungskosten für die Hinreise sowie 1.663,01 € für die Rückreise beantragt.
5 Am 22. Oktober 2022 sei die Revisionswerberin aus der Dominikanischen Republik abgeflogen und am 23. Oktober 2022 in Wien angekommen. Für die Anreise habe sie eine Rechnung vom 31. August 2022 iHv 2.220,02 € vorgelegt, ausgestellt an die I GmbH in Wien für die Flüge Wien Frankfurt Puerto Plata am 2. September 2022 und Puerto Plata Frankfurt Wien Schwechat vom 22. auf dem 23. Oktober 2022. Für den Flug von Puerto Plata nach Wien vom 22. auf den 23. Oktober 2022 habe die Revisionswerberin 1.110,01 € beantragt, dies entspreche der Hälfte der nicht weiter aufschlüsselbaren Rechnung vom 31. August 2022.
6 Der Revisionswerberin seien des Weiteren 265,70 € für eine Nächtigung in Bosten entstanden, da der Flug aufgrund eines Todesfalles an Bord über Boston umgeleitet worden sei. Vom 22. Oktober 2022 auf den 23. Oktober 2022 habe die Revisionswerberin in Boston genächtigt und dafür eine Rechnung iHv 542,03 US Dollar vorgelegt, dies entspreche 532,41 € zum 23. Oktober 2022.
7 Am 2. November 2022 sei die Revisionswerberin von Wien Schwechat über München nach Miami und am 3. November 2022 von Miami weiter nach Puerto Plata geflogen. Darüber habe sie eine Rechnung vom 31. Oktober 2022 vorgelegt, ausgestellt an die I GmbH. Die Rechnung beinhalte 1.284,30 € für die Route Wien Schwechat München Miami // Puerto Plata Zürich Wien Schwechat und Miami Puerto Plata und 378,71 € für die Route Miami Puerto Plata. Darüber hinaus enthalte die Rechnung auch die Ticketpreise für dieselben Flugrouten für eine weitere Person, woraus sich die Gesamtsumme ergebe.
8 Die Revisionswerberin habe die Rechnung vom 31. Oktober 2022 zum Nachweis der ihr entstandenen Reisekosten für die Anreise iHv 831,55 € (Hälfte von 1.284,30 € + 378,71 €) zu einer weiteren mündlichen Verhandlung am 31. Mai 2023 erneut vorgelegt.
9 Der Revisionswerberin sei es damit nicht gelungen, die von ihr tatsächlich getragenen notwendigen Reisekosten zu bescheinigen.
10 Beweiswürdigend führte das Bundesverwaltungsgericht soweit hier relevant aus, die Feststellung, dass die Revisionswerberin die von ihr tatsächlich getragenen notwendigen Reisekosten nicht habe bescheinigen können, ergebe sich daraus, dass die von der Revisionswerberin vorgelegten Rechnungen zum Nachweis der Reisekosten alle auf die I GmbH ausgestellt seien. Auch auf ausdrückliche Aufforderung habe die Revisionswerberin lediglich einen Auszug aus dem Verrechnungskonto der I GmbH vorgelegt, in welchem exakt die beantragten Beträge mit dem Datum 1. Juni 2023 vermerkt seien; weitere Nachweise, dass es zu einer Tragung von Reisekosten durch die Revisionswerberin gekommen sei, habe sie nicht vorgelegt. Hinsichtlich ihres Hinfluges habe die Revisionswerberin trotz Aufforderung die Kosten nicht aufgeschlüsselt und nicht nachgewiesen, um welche Buchungskategorie es sich dabei gehandelt habe.
11 Laut dem vorgelegten „Electronic Ticket Receipt“ handle es sich um Lufthansa Flüge der Klasse „P“. Diese Abkürzung sei laut Website der Lufthansa der Business Class zuzuordnen. Dies sei jedoch wiederum nicht mit dem Vorbringen der Revisionswerberin in Einklang zu bringen, wonach es sich dabei um Economy Flüge gehandelt haben solle. Auch hinsichtlich des Rückfluges mangle es an einer nachvollziehbaren Aufschlüsselung der Kosten. Hier gehe aus der Rechnung hervor, dass sich ein Teil des beantragten Betrags iHv 1.284,30 € auf die Route Wien Schwechat München Miami // Puerto Plata Zürich Wien Schwechat beziehe. Zur Kostenerstattung geeignet könne aber nur der sich auf die Rückreise beziehende Teil der Rechnung sein. Die Revisionswerberin habe auch nicht wie hinsichtlich des Rückfluges die Hälfte oder nur einen Teil des für diese Route verrechneten Betrages beantragt. Auch eine Erklärung, warum die Rückreise über Miami mit Aufenthalt dort gewählt worden sei, sei dem gesamten Vorbringen nicht zu entnehmen. Darüber hinaus habe die Revisionswerberin den Ersatz der hier als Rückreisekosten geltend gemachten Beträge in einem weiteren Kostenersatzverfahren dort zur Hälfte als Anreisekosten für eine Verhandlung am 31. Mai 2023 beantragt. Dies zeige umso mehr, dass Vorbringen und Nachweise der Beschwerdeführerin für eine im Kostenersatzverfahren nachvollziehbare Aufschlüsselung völlig ungeeignet seien. Insgesamt habe die Revisionswerberin nicht bescheinigen können, dass und vor allem in welcher Höhe ihr für die Hin- und Rückreise zur Verhandlung notwendige Reisekosten entstanden seien.
12 In der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesverwaltungsgericht nach Wiedergabe der angewendeten rechtlichen Grundlagen aus, aufgrund der Länge des Reiseweges wäre die Vergütung der Benutzung eines Flugzeuges im gegenständlichen Fall möglich gewesen. Dies ändere jedoch nichts daran, dass die Zeugengebühr nur jene notwendigen Kosten umfasse, die aufgewendet werden müssten, um an den Ort der Vernehmung zu gelangen und an den Ausgangsort zurückzureisen. Es sei Sache der Zeugin, die für die Gebührenbestimmung bedeutsamen Umstände die ihr entstandenen Kosten und deren Notwendigkeit im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht jedenfalls über Aufforderung der Behörde zu behaupten und zu bescheinigen.
13 Dies sei der Revisionswerberin jedoch wie oben dargestellt nicht gelungen. Weder habe sie die vorgebrachten Kosten derart aufgeschlüsselt, dass nachvollzogen werden könne, welche Kosten in welcher Höhe für die einzelnen Strecken entstanden seien, noch habe sie trotz Aufforderung taugliche Bescheinigungsmittel vorgelegt, dass sie diese Kosten auch tatsächlich getragen habe. Zuletzt sei auch die Notwendigkeit der in dieser Form getätigten An- und Abreise die Revisionswerberin sei für eine Verhandlung am 27. Oktober 2022 bereits am 22. Oktober 2022 an und erst am 1. November 2022 wieder abgereist und habe bei der Rückreise einen Aufenthalt in Miami eingelegt nicht nachvollziehbar dargelegt worden. Der Ersatz der beantragten Reisekosten sei daher von der belangten Behörde zu Recht abgewiesen worden.
14 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren eingeleitet hat. Die belangte Behörde sah von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung ab.
15Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das Bundesverwaltungsgericht habe in Verkennung der Rechtslage allein darauf abgestellt, welche Kosten von der Revisionswerberin persönlich getragen worden seien. Es komme aber richtigerweise nach § 4 Abs. 1 Gebührenanspruchsgesetz (GebAG) nicht darauf an, ob der Zeuge die Kosten persönlich getragen habe, oder ob eine dritte Person diese Kosten für den Zeugen einstweilig oder endgültig übernommen habe. Soweit die Kosten von einem Dritten für den Zeugen ausgelegt worden seien, sei allein der Zeuge anspruchsberechtigt; auf die Rechtsbeziehung zwischen dem Zeugen und dem Dritten komme es für den Gebührenanspruch des Zeugen nicht an. Zu dieser Frage fehle es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
16 Darüber hinaus rügt die Revision Begründungs und Feststellungsmängel des angefochtenen Erkenntnisses. Das Bundesverwaltungsgericht habe nicht festgestellt, ob die Revisionswerberin die Reisekosten zu tragen gehabt habe oder nicht, und bejahendenfalls in welcher Höhe. Schließlich bringt die Revision in der Zulässigkeitsbegründung vor, das Bundesverwaltungsgericht hätte ungeachtet des nicht gestellten Parteiantrags von Amts wegen eine mündliche Verhandlung durchführen müssen. Der Revisionswerberin hätte auch Parteiengehör zu dem im Beschwerdeverfahren verwerteten weiteren Akt des Bundesverwaltungsgerichts zu einem anderen Beschwerdeverfahren der Revisionswerberin und zum Abrufen der Homepage der Fluggesellschaft eingeräumt werden müssen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
17 Die Revision ist zulässig; sie ist auch begründet.
18Gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 Gebührenanspruchsgesetz (GebAG) umfasst die Gebühr des Zeugen den Ersatz der notwendigen Kosten, die durch die Reise an den Ort der Vernehmung, durch den Aufenthalt an diesem Ort und durch die Rückreise verursacht werden.
19§ 4 Abs. 1 Satz 1 GebAG regelt die Anspruchsvoraussetzungen der Gebühr des Zeugen näher: Demnach steht der Anspruch auf die Gebühr u.a. dem Zeugen zu, der auf Grund einer Ladung vom Gericht vernommen worden ist.
20Gemäß § 10 Z 2 GebAG gebührt dem Zeugen die Vergütung für die Benützung eines Flugzeugs u.a. nur unter der Voraussetzung, dass wegen der Länge des Reisewegs eine andere Beförderungsart unzumutbar ist.
21Nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Z 1 GebAG umfasst die Gebühr des Zeugen den Ersatz der notwendigen Kosten, die durch die Reise an den Ort der Vernehmung, durch den Aufenthalt an diesem Ort und durch die Rückreise verursacht werden (vgl. auch VwGH 24.9.1997, 96/03/0058). Als Reisekosten sind dem Zeuge nur die tatsächlich entstandenen Kosten zu vergüten. Sind ihm keine Reisekosten entstanden, ist ein Kostenersatz nicht zulässig (vgl. Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG GebAG 4 § 6 Anm 2).
22Der Zeuge hat im Gebührenersatzverfahren betreffend Reisekosten nach § 3 Abs. 1 Z 1 GebAG die Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten zu bescheinigen, wobei das GebAG keine Beweismittelbeschränkung kennt (vgl. VwGH 10.1.2011, 2010/17/0097, zur Bescheinigung der Stellvertretung des Zeugen sowie der Höhe der dafür aufgewendeten Kosten nach § 18 Abs. 1 Z 2 lit. c GebAG; sowie Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG GebAG 4 § 19 Anm 14 15).
23 Entgegen den Ausführungen der Revision sind somit nur die vom Zeugen tatsächlich aufgewendeten Kosten zu ersetzen; es kommt dabei allerdings nicht darauf an, ob die angefallenen Reisekosten zunächst von einem Dritten (etwa dem Dienstgeber des Zeugen) bestritten werden und in einem weiteren Schritt vom Zeugen zu übernehmen sind, solange der Zeuge in einer derartigen Konstellation die Verpflichtung zur Zahlung gegenüber dem Dritten nachweist.
24Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht (selbst bei anwaltlich Vertretenen) auch ohne Antrag von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, wenn es dies für erforderlich hält, wobei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Parteiantrag nicht im Belieben, sondern im pflichtgemäßen Ermessen des Verwaltungsgerichts steht (vgl. VwGH 25.2.2019, Ra 2018/08/0251; 27.1.2015, Ra 2014/19/0085; 9.9.2014, Ro 2014/09/0049). Dies ist nach der Rechtsprechung etwa dann anzunehmen, wenn die Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde substantiiert bekämpft oder ein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet wird.
25 Im Revisionsfall ging das Bundesverwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung davon aus, dass die Revisionswerberin nicht habe bescheinigen können, dass die geltend gemachten Reisekosten tatsächlich von ihr getragen worden seien, und begründete dies damit, dass die Rechnungen zum Nachweis der Reisekosten auf die I GmbH ausgestellt seien. Die Revisionswerberin habe lediglich einen Auszug aus dem Verrechnungskonto der I GmbH vorgelegt, in welchem die beantragen Beträge vermerkt seien. Darüber hinaus habe die Revisionswerberin die Einzelheiten der Kosten für Hin- und Rückflüge auch nicht nachvollziehbar aufgeschlüsselt.
26 Die Revisionswerberin brachte in der Beschwerde vor, dass die I GmbH die Reisekosten der Revisionswerberin vorab bezahlt habe, diese jedoch tatsächlich von der Revisionswerberin zu tragen seien; zu diesem Zweck sei ein Auszug aus dem Verrechnungskonto der I GmbH vorgelegt worden.
27 Mit dem Vorbringen, die Revisionswerberin habe die Reisekosten tatsächlich zu tragen, hat sich das Bundesverwaltungsgericht in dem angefochtenen Erkenntnis nicht auseinandergesetzt, sondern ging erkennbar davon aus, dass die Kosten von der I GmbH getragen worden seien.
28Fallbezogen hätte das Bundesverwaltungsgericht ausgehend vom Vorbringen der Revisionswerberin in der Beschwerde prüfen müssen, ob aus der Erfassung der Reisekosten auf dem Verrechnungskonto der I GmbH eine Verbindlichkeit der Revisionswerberin gegenüber der I GmbH in Höhe der Reisekosten resultierte. Feststellungen zur Rechtsbeziehung der Revisionswerberin zur I GmbH fehlen in dem angefochtenen Erkenntnis (vgl. etwa zur Erfassung von Beträgen auf einem Verrechnungskonto zwischen Gesellschafter und Gesellschaft aus der ständigen Rechtsprechung VwGH 8.10.2020, Ra 2019/13/0075, mwN).
29 Angesichts des nicht unsubstantiierten, sachverhaltsbezogenen und entscheidungserheblichen Vorbringens der Revisionswerberin in der Beschwerde betreffend ihre Verpflichtung zur Tragung der Reisekosten, zeigt die Revision zutreffend auf, dass das Bundeverwaltungsgericht fallbezogen nicht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung hätte absehen dürfen.
30 Ausgehend von einer tatsächlichen (Verpflichtung zur) Kostentragung durch die Revisionswerberin hätte in dem angefochtenen Erkenntnis auch eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Revisionswerberin in der Beschwerde zur Zuordnung der Rechnungen zu den Flugbewegungen und damit zur Aufschlüsselung der Reisekosten erfolgen müssen.
31Das angefochtene Erkenntnis war schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
32Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 22. Oktober 2025
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