JudikaturVwGH

Ro 2024/13/0022 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Datenschutzrecht
28. Mai 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat MMag. Maislinger, die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr. in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Stüger, über die Revision der Verlassenschaft nach N S in W, vertreten durch MMag. Dr. Franz Stefan Pechmann als Verlassenschaftskurator, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Prinz Eugen Straße 70/2/1.1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Juli 2024, Zl. W177 2287425 1/4E, betreffend Abweisung eines Antrags auf Einsichtnahme in das Kontenregister (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Eingabe vom 9. November 2023 beantragte die Revisionswerberin (Verlassenschaft nach S, vertreten durch den Verlassenschaftskurator) zum „Zweck der umfassenden Ermittlung und lückenlosen Feststellung des Nachlassvermögens“ gemäß § 4 Abs. 1 KontRegG die Erteilung einer Auskunft aus dem Kontenregister bezüglich des Verstorbenen bzw. seiner Verlassenschaft samt Bekanntgabe der äußeren Kontodaten im Sinne des § 1 Abs. 1 KontRegG zu Handen des gerichtlich bestellten Verlassenschaftskurators.

2 Mit Bescheid vom 11. Jänner 2024 wies die belangte Behörde den Antrag ab. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Ermittlung und Feststellung von Nachlassvermögen stelle für sich keinen der in § 4 Abs. 1 KontRegG genannten Zwecke dar. Die Antragstellerin besitze daher kein Recht auf Auskunft aus dem Kontenregister. Bei den im Kontenregister erfassten Daten handle es sich um personenbezogene Daten iSd Datenschutz Grundverordnung (DSGVO) bzw. des Datenschutzgesetzes (DSG). Bei einer „betroffenen Person“ handle es sich um jene natürliche Person, auf welche sich die personenbezogenen Daten beziehen. Bei den von der Antragstellerin begehrten Daten handle es sich nicht um ihre eigenen personenbezogenen Daten, sondern um die personenbezogenen Daten des Verstorbenen. Die Antragstellerin könne daher grundsätzlich nicht als betroffene Person angesehen werden. Der Verstorbene habe zu Lebzeiten als betroffene Person ein Recht auf Auskunft gehabt, welche Daten in das Kontenregister aufgenommen worden seien. Es handle sich hierbei aber um ein höchstpersönliches Recht. Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht sei ein aus dem Persönlichkeitsrecht fließender Anspruch über Daten betreffend die eigene Person; es handle sich um eine komplementäre Ergänzung des Geheimhaltungsanspruches. In höchstpersönliche Rechte finde eine Rechtsnachfolge nicht statt. Die Antragstellerin habe daher kein Recht auf Auskunft hinsichtlich der den Verstorbenen betreffenden in das Kontenregister aufgenommenen Daten. Überdies werde die Ermittlung und Feststellung von Konten, Depots oder sonstigem Vermögen von Verstorbenen (in einem Verlassenschaftsverfahren oder auch außerhalb) nicht von den Zwecken des KontRegG erfasst. Im Verlassenschaftsverfahren könnten vielmehr Auskünfte über existierende Konten direkt bei Kreditinstituten eingeholt werden. Die Ausforschung des Vermögens des Erblassers zum Zweck der vollständigen Inventarisierung obliege im Verlassenschaftsverfahren dem Gericht bzw. dem Gerichtskommissär als Beauftragtem des Gerichts.

3 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig sei.

5 Nach Schilderung des Verfahrensgeschehens führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Vertreter der Revisionswerberin sei mit Beschluss des Bezirksgerichts zum Kurator der Verlassenschaft nach dem Verstorbenen bestellt worden. In dieser Funktion sei er nicht als Gerichtskommissär, sondern als Vertreter der Verlassenschaft tätig. Es sei daher im vorliegenden Verfahren nicht die Frage zu behandeln, ob Gerichtskommissären ein Auskunftsrecht nach § 4 Abs. 1 KontRegG zukomme. Für ein Auskunftsrecht der Verlassenschaft fehle eine gesetzliche Grundlage. Bei den von der Beauskunftung umfassten Daten handle es sich um personenbezogene Daten im Sinne des Artikel 4 Z 1 der Datenschutz Grundverordnung (DSGVO) bzw. im Sinne des Datenschutzgesetzes (DSG). Bei den von der Verlassenschaft begehrten Daten handle es sich nicht um ihre eigenen, sondern um die personenbezogenen Daten des Verstorbenen. Zum Auskunftsrecht nach dem Datenschutzgesetz habe der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten, dass es sich bei Ansprüchen nach dem DSG 2000 um höchstpersönliche Ansprüche handle, zumal die Ansprüche nicht notwendig auch vermögensrechtliche Folgen nach sich zögen (vgl. VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0044). Das Recht sei somit nicht weiter übertragbar. In höchstpersönliche Rechte des Verstorbenen finde eine Rechtsnachfolge nicht statt. Postmortale Persönlichkeitsrechte kämen überdies den nahen Angehörigen, und nicht den Erben zu. Es finde sich kein Hinweis, dass der Gesetzgeber mit dem Recht nach § 4 Abs. 4 KontRegG ein anders Recht als ein Persönlichkeitsrecht habe schützen wollen.

6 Es sei Aufgabe des Gerichtskommissärs, im Zuge der Todesfallaufnahme das hinterlassene Vermögen aufzufinden, zu beziffern und dessen Verlassenschaftszugehörigkeit festzustellen. Den Verlassenschaftskurator treffe keine derartige Pflicht. Auch aus diesem Grund könne kein auf die Verlassenschaft übergegangenes Persönlichkeitsrecht begründet werden.

7 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision.

8 Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.

11 Soweit der Antrag der Revisionswerberin auf Auskunft auf § 4 Abs. 4 KontRegG gestützt wird, kann gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Begründung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom heutigen Tag, Ro 2025/13/0001, verwiesen werden. Demnach ist die eingeantwortete Erbin nicht Betroffene iSd § 4 Abs. 4 KontRegG; die sich auf den Verstorbenen beziehenden, in das Kontenregister eingetragenen Daten sind keine die Erbin betreffenden Daten. Das Auskunftsrecht des Verstorbenen geht nicht auf die Erbin über. Gleiches gilt auch für die Revisionswerberin im vorliegenden Verfahren. Auch die Verlassenschaft (hier vertreten durch den Verlassenschaftskurator) ist nicht die Betroffene iSd § 4 Abs. 4 KontRegG; die sich auf den Verstorbenen beziehenden, im Kontenregister eingetragenen Daten sind keine die Verlassenschaft betreffenden Daten. Das Auskunftsrecht des Verstorbenen geht (als höchstpersönliches Recht) auch nicht auf die Verlassenschaft über.

12 Soweit der Auskunftsanspruch im vorliegenden Fall auf § 4 Abs. 1 KontRegG gestützt wird, ist aber zu bemerken, dass nach dieser Bestimmung das Auskunftsrecht nur konkret genannten Behörden und Gerichten zu konkret bezeichneten Zwecken eingeräumt wird. Die Verlassenschaft (oder die Erbin) ist hier nicht genannt; auch ist die leichtere Durchsetzbarkeit von erbrechtlichen Ansprüchen nicht als Zweck genannt. Gegen eine Einbeziehung der Verlassenschaft im Wege einer ausdehnenden Interpretation oder einer analogen Anwendung spricht auch § 4 Abs. 7 KontRegG, wonach u.a. die Bestimmung des § 4 Abs. 1 KontRegG nur mit einem verstärkten Quorum (vgl. Erläuterungen zum Bericht des Finanzausschusses, 749 BlgNR 25. GP 2) abgeändert werden kann.

13 Anhaltspunkte dafür, dass es dem Willen des Gesetzgebers entspräche, auch der Verlassenschaft (oder der Erbin) insoweit ein Auskunftsrecht zu gewähren, sind auch aus der Entwicklung der Bestimmung nicht ableitbar.

14 In einer Stellungnahme zum Ministerialentwurf zur Stammfassung des KontRegG (12/SN 126/ME 25. GP) hatte die Österreichische Notariatskammer ausgeführt, sie sehe sich veranlasst, noch ein weiteres Thema aufzugreifen. Es sei davon auszugehen, dass sich im Zusammenhang mit der Schaffung eines Kontenregisters auch Fragen über die Zulässigkeit einer entsprechenden Einsichtnahme im Rahmen von Verlassenschaftsabhandlungen durch Verlassenschaftsgerichte oder Notare in ihrer Eigenschaft als Gerichtskommissäre stellen würden. Die Österreichische Notariatskammer sei der Ansicht, dass das Verlassenschaftsverfahren insoweit „aufs erste nicht erfasst“ sei. Die Kontenabfrage beziehe sich derzeit ausschließlich auf öffentlich rechtliche sowie strafrechtliche Anwendungsfälle. Wenn eine Ausdehnung auf privatrechtliche Angelegenheiten (eine solche sei das Verlassenschaftsverfahren) erfolgen solle, müsse dies im Gesetz ausdrücklich festgeschrieben werden. Es solle eine partielle Anwendbarkeit der Kontenabfrage im Verlassenschaftsverfahren für den Fall vorgesehen werden, dass ein Nachlass erblos sei und daher der Republik anheimfalle. In diesem Fall wäre für die Republik als Begünstigte das Auffinden inländischer Bankwerte bestmöglich gesichert, ansonsten diese Werte der Republik verloren gingen. Zudem wäre es überlegenswert, ein Auskunftsrecht für Gerichtskommissäre für jene Fälle gesetzlich zu verankern, in denen den Erben Vermögenswerte der verstorbenen Person nicht bekannt seien.

15 Diese Stellungnahme der Österreichischen Notariatskammer wurde vom Gesetzgeber nicht aufgegriffen; in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (685 BlgNR 25. GP 4) wurde sie nicht erwähnt.

16 In Bezug auf eine vorgeschlagene Änderung u.a. des KontRegG erstattete die Österreichische Notariatskammer wiederum eine Stellungnahme (13/SN 33/ME 27. GP). Sie regte nunmehr an, die Einsicht in das Kontenregister (§ 4 KontRegG) inhaltlich an die Regelungen des § 38 BWG (Bankgeheimnis) anzugleichen. Die Notariatskammer rege dazu dringend an, die Berechtigung zur Einsicht auch den ordentlichen Gerichten in ihrer Funktion als Verlassenschaftsgerichte und den Gerichtskommissären einzuräumen. Für diesen Fall sei eine Ausnahme vom Bankgeheimnis im Falle des Todes des Kunden vorgesehen. Mit der Möglichkeit der Einsicht in das Kontenregister würde einerseits der vom Verlassenschaftsverfahren bezweckte Schutz der Verlassenschaftsgläubiger (insbesondere der Pflichtteilsberechtigten) verstärkt, andererseits könnten Vermögenswerte für die Erben gefunden werden, die derzeit mangels Kenntnis durch die Erben unbekannt blieben. Der Gerichtskommissär könne zwar gewisse Erhebungen durchführen (Anfragen bei Verbänden); diese Anfragen seien aber teilweise kostenpflichtig und umfassten nur die Mitglieder des jeweiligen Verbandes. Bei allen österreichischen Banken und Kreditinstituten nach Guthaben des Erblassers anzufragen, sei mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden und faktisch fast unmöglich. Die Einsicht in das Kontenregister würde dem Abhandlungsgericht einen schnelleren und vor allem lückenlosen Zugang zu Informationen über nachlasszugehörige Werte ermöglichen.

17 Der Gesetzgeber griff auch diese Anregung der Notariatskammer nicht auf. Mit der dem Ministerialentwurf (letztlich) nachfolgenden Änderung u.a. des KontRegG (BGBl. I Nr. 25/2021) wurde zwar insbesondere § 4 KontRegG in verschiedenen Punkten geändert; ein Einsichtsrecht wie in der Stellungnahme der Österreichischen Notariatskammer angeregt (oder auch ein Einsichtsrecht für eingeantwortete Erben) wurde nicht vorgesehen. Dass der Gesetzgeber diese Anregungen nicht aufgegriffen hat, legt aber nahe, dass es seinem Willen entspricht, ein Einsichtsrecht insoweit nicht zu gewähren.

18 Ein Einsichtsrecht der Verlassenschaft kann damit auch nicht auf § 4 Abs. 1 KontRegG gestützt werden.

19 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

20 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 28. Mai 2025