Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie Hofrat Mag. Feiel und Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Rieder, über die außerordentliche Revision 1. des A B, 2. der C GmbH, beide in D, vertreten durch Mag. Martin Paar, Mag. Hermann Zwanzger, Mag. Tobias Praschl Bichler, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Argentinierstraße 21/10, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 18. Juni 2024, 1. VGW 041/061/7397/2023 9, 2. VGW 041/V/061/12346/2023, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Erstrevisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1Mit Straferkenntnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom 26. April 2023 wurde der Erstrevisionswerber schuldig erkannt, er habe es als zur Vertretung nach außen Berufener, nämlich als handelsrechtlicher Geschäftsführer (§ 9 Abs. 1 VStG), der zweitrevisionswerbenden Partei zu verantworten, dass diese am 30. Juni 2021 einen namentlich genannten kosovarischen Staatsangehörigen beschäftigt habe, obwohl für diesen keine der im Einzelnen aufgezählten Bewilligungen erteilt oder Bestätigungen ausgestellt gewesen sei. Er habe dadurch § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) übertreten, weshalb über ihn gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a erster Strafsatz AuslBG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG eine Geldstrafe von 1.000 Euro (für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Ferner wurde die Haftung der zweitrevisionswerbenden Partei gemäß § 9 Abs. 7 VStG ausgesprochen.
2 Gegen dieses Straferkenntnis erhoben die revisionswerbenden Parteien fristgerecht Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien.
3 Mit dem nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20. März 2024 ergangenen angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerden als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5Die revisionswerbenden Parteien sehen die Zulässigkeit der Revision unter anderem darin gelegen, dass das Verwaltungsgericht von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44 Abs. 6 VwGVG abgewichen sei, weil den revisionswerbenden Parteien die Ladung zu der am 20. März 2024 durchgeführten Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, bei der es sich um den ersten Verhandlungstermin und nicht um eine fortgesetzte Verhandlung gehandelt habe, erst am 12. März 2024 zugestellt worden sei. Damit sei die vorgesehene Mindestfrist von zwei Wochen nicht eingehalten worden.
6 Schon unter diesem Aspekt ist die Revision zulässig und auch begründet.
7 Ausweislich der verwaltungsgerichtlichen Akten wurde den revisionswerbenden Parteien zu Handen ihrer Rechtsvertretung eine Ladung des Verwaltungsgerichts zu einer für den 13. März 2024 anberaumten Verhandlung am 1. März 2024 zugestellt.
8Mit Schriftsatz vom 12. März 2024 beantragten die revisionswerbenden Parteien unter Hinweis auf die ihnen nicht gewährte Frist gemäß § 44 Abs. 6 VwGVG die Verlegung der Verhandlung.
9 Am 12. März 2024 verlegte das Verwaltungsgericht per E Mail die Verhandlung auf den 20. März 2024.
10 Einem weiteren Vertagungsersuchen vom 13. März 2024 kam das Verwaltungsgericht nicht mehr nach.
11Sowohl in ihrem sodann erstatteten Schriftsatz vom 14. März 2024 wie auch in der Verhandlung am 20. März 2024 rügten die revisionswerbenden Parteien die Nichteinhaltung der Vorbereitungsfrist des § 44 Abs. 6 VwGVG.
12Das Verwaltungsgericht führt zu dieser Frage im angefochtenen Erkenntnis ohne dazu nähere Tatsachenfeststellungen zu treffen lediglich aus, dass die Frist gemäß § 44 Abs. 6 VwGVG zum Verhandlungstermin am 20. März 2024 eingehalten worden sei.
13Gemäß § 44 Abs. 6 VwGVG sind die Parteien so rechtzeitig zur Verhandlung zu laden, dass ihnen von der Zustellung der Ladung an mindestens zwei Wochen zur Vorbereitung zur Verfügung stehen.
14Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner insofern auf die aktuelle Rechtslage übertragbaren Judikatur zu § 51e Abs. 6 VStG, der Vorgängerbestimmung des § 44 Abs. 6 VwGVG, bereits ausgesprochen, dass dann, wenn die vorgesehene Mindestfrist von zwei Wochen zwischen Zustellung der Ladung und der Verhandlung nicht gewahrt wurde, die Behörde den bekämpften Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet, weil nicht gesagt werden kann, dass die Behörde bei Wahrung dieser Mindestfrist nicht zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigen Ergebnis gelangt wäre, weshalb sich dieser Verfahrensmangel als wesentlich erweist. Die zweiwöchige Vorbereitungszeit gilt jedenfalls für die erste Verhandlung (vgl. VwGH 22.6.2022, Ra 2021/02/0147, mwN).
15Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof bereits zu der Vorgängerbestimmung § 51e Abs. 6 VStG erkannt, dass Voraussetzung der ordnungsgemäßen Ladung u.a. deren Rechtzeitigkeit ist. Eine verspätete Ladung ist nicht als ordnungsgemäß anzusehen. Im Hinblick auf Art. 6 Abs. 3 lit. b EMRK, wonach jeder Angeklagte über ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu verfügen hat, wurde in § 51e Abs. 6 VStG angeordnet, dass dem Beschuldigten von der Zustellung der Ladung an eine Vorbereitungszeit von mindestens zwei Wochen zur Verfügung zu stehen hat. Das bedeutet, dass die Ladung verspätet ist, wenn zwischen ihrer Zustellung und dem Verhandlungstermin weniger als zwei Wochen liegen (vgl. VwGH 25.4.2005, 2005/17/0004, mwN).
16 Im vorliegenden Fall wurde die Ladung zu der zunächst für den 13. März 2024 anberaumten Verhandlung wie oben dargestelltden Vertretern der revisionswerbenden Parteien am 1. März 2024 zugestellt. Mangels Einhaltung der Vorbereitungsfrist des § 44 Abs. 6 VwGVG handelte es sich dabei um keine ordnungsgemäße Ladung.
17Ebenso wurde aber auch zwischen der Zustellung der Ladung am 12. März 2024 und dem Verhandlungstermin am 20. März 2024 die nach § 44 Abs. 6 VwGVG vorgesehene Mindestfrist nicht eingehalten. Auch diese Ladung erweist sich daher als nicht ordnungsgemäß.
18Da die revisionswerbenden Parteien die Nichteinhaltung der Mindestfrist nach § 44 Abs. 6 VwGVG vor dem Verwaltungsgericht zudem mehrfach, zuletzt zu Beginn der Verhandlung, rügten, kann auch kein Verzicht auf die Vorbereitungsfrist durch diese angenommen werden (zu einem solchen siehe etwa VwGH 10.5.2021, Ra 2020/15/0071 u.a.).
19Da im vorliegenden Fall schon die Ladung für den zunächst anberaumten Termin wegen Nichteinhaltung der Mindestfrist des § 44 Abs. 6 VwGVG nicht ordnungsgemäß war, war auch ein Unterschreiten der zweiwöchigen Vorbereitungsfrist zwischen der Zustellung der Ladung für den 20. März 2024 und der an diesem Tag durchgeführten Verhandlung nicht zulässig (vgl. etwa VwGH 4.5.2023, Ra 2022/01/0236, mwN; siehe demgegenüber VwGH 24.1.2019, Ra 2018/09/0166, zur Verschiebung eines Termins nach Ladung mit ausreichender Vorbereitungszeit).
20Die am 20. März 2024 durchgeführte Verhandlung erweist sich somit als rechtswidrig. Dies ist dem Unterbleiben der Verhandlung gleichzuhalten. Bei einem rechtswidrigen Unterlassen der nach Art. 6 EMRK oder Art. 47 GRC erforderlichen mündlichen Verhandlung ist keine Relevanzprüfung hinsichtlich des Verfahrensmangels vorzunehmen (vgl. erneut VwGH 22.6.2022, Ra 2021/02/0147, mwN).
21Das angefochtene Erkenntnis war daher schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
22Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 53 Abs. 1 VwGG, in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 6. Dezember 2024